  |
Beitrag von MATTHIAS BECKER & GEORG SPÖTTL
(Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik - biat, Universität
Flensburg)
Entwicklungsfelder regionaler Berufsbildungszentren -
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung
|
Inhalt:
1 Vorbemerkungen
2 Untersuchungsschwerpunkte und Untersuchungsansatz
3 Untersuchungsergebnisse
4 Konsequenzen für die Lehrerbildung
5 Schlussfolgerungen
1 Vorbemerkungen
Die Entwicklung beruflicher Schulen hin zu "Kompetenzzentren"
oder "Regionalen Berufsbildungszentren" (RBZ)(Seit
der Veröffentlichung des Papiers "Kompetenzzentren in
regionalen Berufsbildungsnetzwerken - Rolle und Beitrag der beruflichen
Schulen" (BLK - Heft 92) durch die Bund-Länder-Kommission
(BLK) im Juni 2001 gibt es nicht nur eine Diskussion um mögliche
zukünftige Entwicklungsrichtungen beruflicher Schulen. Es gibt
vielmehr erste Modellschulen, die sich hin zu "Berufsbildungszentren"
mit
· regionaler (verstärkte Vernetzung mit anderen beruflichen
Schulen, Bildungsträgern und Unternehmen innerhalb einer Region),
· sektoraler (Ausrichtung eines Berufsbildungszentrums auf
wirtschaftlich bedeutende Sektoren oder Branchen in einer Region
oder einem Bundesland und verstärkte Vernetzung mit diesen)
oder
· kompetenzorientierter Ausrichtung (ein von innen heraus
gestaltetes, über die eigene Region hinaus wirkendes Kompetenzprofil,
um Dienstleistungen erfolgreich anzubieten)
entwickeln.)
hat die Ebene der Absichtserklärungen längst verlassen
und ist Realität geworden. In einigen Bundesländern wurde
zwar nur schlicht eine Umbenennung der beruflichen Schulen in "Kompetenzzentren"
vorgenommen (So wurde beispielsweise in Bayern
verfahren.) ohne weitere Entwicklungsschritte einzuleiten,
in anderen jedoch wurde ein politisch gewollter Entwicklungsprozess
initiiert, der von BLK-Modellversuchen wie UbS (Beispielsweise
wird die Entwicklung sogenannter "Regionaler Berufsbildungszentren"
in Schleswig-Holstein oder "Regionaler Kompetenzzentren"
in Niedersachsen intensiv voran getrieben. Im BLK-Verbundmodellversuch
"UbS" - Maßnahmen in der Lehrerbildung bei der Umstrukturierung
der berufsbildenden Schulen (Federführung Hamburg) - werden
in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Qualifizierungskonzepte
für Lehrer in der 2. und 3. Phase überlegt, um sie auf
die "neue Schule" vorzubereiten (vgl. UbS 2002).)
oder Schulversuchen wie ProReKo begleitet wird.
Der wohl einschneidendste Entwicklungsprozess im Bundesgebiet wurde
mit dem Pilotmodell "Regionale Berufsbildungszentren"
in Schleswig-Holstein initiiert. Allen berufsbildenden Schulen wurde
die Chance eingeräumt, sich für die Pilotphase der RBZ-Entwicklung
zu bewerben. Nach dem Bewerbungs- und Auswahlverfahren wurden sechs
berufliche Schulen als RBZ-Erprobungsschulen ausgewählt und
weitere sechs als Partner- bzw. korrespondierende Schulen benannt,
die seit dem 1. August 2002 an Elementen zur Weiterentwicklung der
beruflichen Schulen arbeiten.
Die in den offiziellen Verlautbarungen (vgl. MBWFK 2001) genannten
Ziele der RBZ-Entwicklung lassen sich zusammenfassen in
· Einführung kaufmännisch orientierter Buchführung
an den Schulen (Budgetierung!),
· Aufbau bzw. Beteiligung an regionalen Weiterbildungsnetzwerken,
· systematische Personalentwicklung durch die Schulen,
· Einführung dezentraler Führungsstrukturen,
· Einführung von Bildungsgangkonferenzen,
· Verfolgen des Erfolges von Maßnahmen wie Fort-
und Weiterbildung,
· Etablieren integrierter Fachräume,
· unterrichtlicher Perspektivwechsel hin zu mehr Subjektorientierung
und Offenheit,
· effizientere Nutzung vorhandener Ressourcen.
Die Bewertung dieser Ziele durch die RBZ-Schulleiter (vgl. Abb.
1) in Schleswig-Holstein fällt sehr eindeutig aus: Alle diese
Ziele werden als wichtig oder sehr wichtig charakterisiert. Das
lässt den Schluss zu, dass die RBZ-Erprobungsschulen eine hohe
Affinität zu den von allen Beteiligten formulierten Entwicklungszielen
aufweisen. Besonders interessant ist, dass es sich dabei nicht um
generell neue Zielsetzungen handelt. Einige davon werden schon seit
den 1970er Jahren diskutiert. Bemerkenswert ist allerdings vor allem
die Konsequenz, mit der an der Einlösung der Ziele gearbeitet
wird, seit dem der gesetzte politische Rahmen dieses ermöglicht.

Abb. 1: Einschätzung zu den RBZ-Zielsetzungen
2 Untersuchungsschwerpunkte und Untersuchungsansatz
Was war im dargestellten Falle naheliegender als genauer zu untersuchen,
wo der besondere Entwicklungsbedarf für RBZ-Erprobungsschulen
liegt. Deckt sich dieser mit den hoch akzeptierten Zielsetzungen
oder gibt es andere Vorstellungen? Und natürlich galt es auch
zu klären, welche Konsequenzen diese Entwicklungen für
die Lehrerbildung haben.
Die Untersuchung dieser Fragestellungen erfolgten aus dem Modellversuch
UbS heraus und schloss neben den bereits genannten noch weitergehende
ein, wie z. B. die genaueren Vorstellungen der RBZ zur Etablierung
"Regionaler Qualifikationsnetzwerke" und vor allem, wie
deren "Qualitätsmerkmale" aussehen. Die Befragungen
in diesem konkreten Falle sind Teil eines Gesamtkonzeptes für
die Evaluation, die sich an der von DEMING (1986) eingeführten
RADAR-Logik orientiert (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Evaluation in Anlehnung an den RADAR-Ansatz nach DEMING
Dahinter verbirgt sich eine Prozessevaluation mit folgenden zentralen
Schritten:
Für die Prozess-Evaluation werden Instrumente entwickelt und
eingesetzt, die sich an das europäische Modell eines umfassenden
Qualitätsmanagements anlehnen. Die von der European Foundation
for Quality Management (EFQM) vorgeschlagenen Ansätze für
die Etablierung einer Selbstevaluationskultur wurden für die
Entwicklung eines Untersuchungsdesigns verwendet, welches Evaluation
zugleich als Instrument zur Unterstützung von Entwicklungsprozessen
nutzt. Zusätzlich wird die Einhaltung moderner Evaluationsgrundsätze
angestrebt:
· Evaluation als Optimierung anstatt Legitimation,
· Einbeziehung der subjektiven Dimensionen, um alle Potenziale
für Verbesserungen auszuschöpfen,
· Evaluation als Prozess,
· Evaluation zur Verstetigung erreichter Ergebnisse (Nachhaltigkeit).
Evaluation wird so zu einem Teil der Steuerung von Prozessen. Eine
ziel- und ergebnisorientierte Steuerung ist allerdings nur möglich,
wenn einerseits die Ziele und angestrebten Ergebnisse klar formuliert
sind und andererseits die erreichten Teilziele und Teilergebnisse
durch die Modellversuchspartner selbst formuliert werden. Eine besonders
wichtige Rolle spielt daher die Selbstbewertung der Akteure in den
RBZ. In einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (RADAR, vgl.
Abb. 2) fragt die wissenschaftliche Begleitung
· die (angestrebten) Ergebnisse (Results) der RBZ-Erprobungsschulen,
· das Vorgehen (Approach) der RBZ-Erprobungsschulen,
· die Umsetzung (Deployment) von Entwicklungsmaßnahmen
und Strategien,
· die Bewertung (Assessment) des Erreichten und
· die Überprüfung (Review) der Teilziele
ab. Dieser Prozess kann nur erfolgreich sein, wenn die Mithilfe
der Projektakteure - insbesondere der "Umsetzer" in den
RBZ - sichergestellt ist. RADAR ist auf die Selbsteinschätzung
der Ergebnisse, des eigenen Vorgehens, des Umsetzungsstandes und
der Bewertung der Ergebnisse angewiesen. Davon ausgehend lassen
sich durch den Evaluator Fremdeinschätzungen gegenüberstellen
und eine Objektivierung vornehmen, mit der die laufende Arbeit optimiert
werden kann. Als Instrumente werden von der wissenschaftlichen Begleitung
Fragebogenerhebungen, Fallstudien und Experteninterviews, Kreativworkshops
mit verschiedenen Zielgruppen sowie die Erstellung von Innovationsprofilen
für die Längsschnittuntersuchung von Modellversuchsentwicklungen
genutzt (vgl. BECKER/BERING/DREHER/SPÖTTL 2003, 8).
Für jeden Modellversuchsschwerpunkt wird in einem ersten Schritt
die Ausgangssituation im Hinblick auf die zu erreichenden Teilziele
untersucht. Neben Fragebogenerhebungen kommen hier vor allem Experteninterviews
zum Einsatz. Für die Dokumentation werden die im Projektmanagement
üblichen Report-Formulare wie Statusbericht und Ergebnisprotokoll
sowie Schriftstücke der Akteure verwendet. Die Ergebnisse werden
zur Beratung der Modellversuchspartner für die Optimierung
der Zielerreichung bzw. Prozesse genutzt.
Der so initiierte "Kreislauf" aus
· Selbsteinschätzung der Akteure mit Befragung und
Dokumentation und
· Aufbereitung, Widerspiegelung des Status, Fremdeinschätzung
und Feedback
wird für überschaubare Projektabschnitte/ Entwicklungsschritte
wiederholt. Einzelheiten entscheidet der Evaluationsverantwortliche
in Abstimmung mit allen betroffenen Akteuren.
Im aktuellen Fall wurden sogenannte Expertenbefragungen mit Hilfe
eines Interviewleitfadens in einzelnen Schulen durchgeführt.
Befragt wurden jeweils die Schulleitungen und Lehrkräfte, die
in den Schulen in den Umgestaltungsprozess der RBZ eingebunden sind.
Befragt wurde auch eine Auswahl an Lehrkräften, die nicht unmittelbar
in den Entwicklungsprozess einbezogen sind. Dadurch war es möglich,
an der Basis der Lehrerarbeit auftauchende Probleme und Schwierigkeiten,
aber auch Initiativen zu erfassen.
Weiterhin wurden zur Sicherstellung einer breiten Bewertungsbasis
des RBZ-Entwicklungsprozesses rund 300 Lehrkräfte der Erprobungsschulen
mit einem standardisierten Fragebogen befragt. Die Ergebnisse der
"Experteninterviews" und "Fragebogenerhebung"
dienten gleichzeitig zur Vorbereitung von "Kreativ-Workshops",
in denen die Evaluationsergebnisse den Akteuren in den Schulen vorgestellt
wurden, um einen Diskussionsprozess zur Entwicklung der RBZ und
vor allem zur Ausrichtung der dadurch beeinflussten Lehrerbildung
- der eigentliche Schwerpunkt des Modellversuches UbS - in Gang
zu bringen. Dieser Prozess ist in Schleswig-Holstein inzwischen
nicht nur eingeleitet, sondern schreitet intensiv voran.
3 Untersuchungsergebnisse
Wie schon angedeutet, waren die Expertengespräche Zentrum
der Untersuchung, die mit einem standardisierten Fragebogen flankiert
wurde. Die Expertengespräche führten zu hochinteressanten
und ergiebigen Ergebnissen, die weitgehend im Einklang mit den erhobenen
Daten aus der standardisierten Befragung stehen. Wesentliche Erkenntnisse
werden im Folgenden vorgestellt.
Expertengespräche bergen ja generell das Risiko in sich, dass
die Aussagen von Experte zu Experte nicht miteinander kompatibel
sind. Das war zwangsläufig auch hier der Fall. Interessanter
Weise gab es aber neben den üblichen "Ausfransungen"
einen überzeugenden Argumentationsstrang an "Entwicklungsfeldern"
(Dieser Begriff wurde von den Verfassern
gewählt und benennt Schwerpunkte, die für die RBZ besondere
Herausforderungen in sich bergen und für die Entwicklungsperspektiven
und Realisierungen gesucht sind.), mit denen sich die RBZ
auseinander setzen müssen und für die sie Lösungen
suchen, um die eingeleitete Entwicklung nachhaltig zu betreiben.
Insgesamt konnten 12 Entwicklungsfelder identifiziert werden. Diese
sind in Übersicht 1 zusammenfassend dargestellt (ausführlich
in BECKER/BERING/DREHER/ SPÖTTL 2003). Die Übersicht konzentriert
sich auf den Namen, die Relevanz und das Ziel des jeweiligen Entwicklungsfeldes
aus Sicht der Evaluatoren. Auf eine ausführlichere Diskussion
von Entwicklungsperspektiven muss an dieser Stelle aus Gründen
des Umfangs verzichtet werden.
Interessant ist es, festzustellen, dass die Entwicklungsfelder nicht
eindeutig entweder der Personalentwicklung, der Unterrichtsentwicklung
oder der Organisationsentwicklung (vgl. KEMPFERT/ROLFF 1999) zuzuordnen
sind. Die analytisch gedachte Trennung in diese Schwerpunkte ist
bei den Entwicklungsfeldern nicht sichtbar. Vielmehr gehen einzelne
oder gar alle Dimensionen in jeweils einem Entwicklungsfeld auf.
Der Vorteil dieser Konzentration ist darin zu sehen, dass für
jedes Entwicklungsfeld sehr genaue Implementierungs- und Entwicklungsschritte
festgelegt werden können, die beispielsweise die Unterrichts-
und Schulstrukturentwicklung bzw. Personalentwicklung einschließen.
Der gesamte Veränderungs- und Verbesserungsprozess wird so
überschaubar und die Chance der Mitgestaltung für Lehrkräfte
wird verbessert.
Übersicht 1: Identifizierte Entwicklungsfelder für die
Lehrerbildung in der 2. und 3. Phase in Schleswig-Holstein
1. Teamentwicklung - eine Langfrist-Perspektive.
Ziel: Bildung von Lehrerteams mit veränderten Verantwortungs-
und Zuständigkeitsbereichen und veränderten Arbeitszeiten.
Relevanz: Die Teamentwicklung zählt in den sechs Erprobungsschulen
in Schleswig-Holstein mit zu den größten Herausforderungen.
Sie gehört in Flensburg, Meldorf und Mölln zu den offiziellen
Erprobungselementen und spielt auch in den anderen RBZ wie in
den kooperierenden Schulen eine gewichtige Rolle.
2. Informationsfluss in den Schulen / Wissensmanagement - eine
Notwendigkeit.
Ziel: Verbesserung der Informationsversorgung bei Entscheidungsprozessen
und für die Unterrichtsgestaltung.
Relevanz: Optimierte Informationsflüsse in den berufsbildenden
Schulen sind Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung
von Veränderungen, die von allen Lehrkräften mitgetragen
oder besser noch selbst gestaltet werden.
3. Beteiligungskultur - Transparenz für eine nachhaltige
Entwicklung.
Ziel: Beteiligung der Kollegien an den Entwicklungsschritten der
Schule.
Relevanz: Die Beteiligung der Kollegien muss sich einerseits an
der erhöhten Verantwortung von Schulen und zum anderen an
den inneren Entwicklungsbestrebungen und -strategien orientieren.
Kennzeichnend für eine funktionierende Beteiligungskultur
ist, dass Entscheidungen von allen Beteiligten getragen werden.
In den befragten Schulen werden neue Beteiligungsmodelle von Externen
an die Schulen herangetragen (Budgetierung, Mittelbewirtschaftung,
erweiterte Entscheidungsbefugnisse) und gleichzeitig innere Beteiligungsmodelle
überdacht und entwickelt, bei deren Umsetzung die Lehrkräfte
neue Rollen einnehmen.
4. Kooperation mit dem Umfeld - notwendig und profilbildend.
Ziel: Aufbau und Pflege von Kooperationsbeziehungen mit den Dualpartnern,
den Kammern und Kommunen und Weiterbildungsträgern.
Relevanz: Die Kooperation mit Betrieben, Innungen, Kammern und
weiteren Einrichtungen im Umfeld gehört zu den Kernaufgaben
der beruflichen Schulen. Lehrkräfte werden bei der Umgestaltung
zu RBZ systematischer als bisher damit konfrontiert, mit den Akteuren
des Umfeldes zusammen zu arbeiten und sich mit ihnen abzustimmen.
5. Herausbilden des Dienstleistungscharakters - eine Zukunftsaufgabe,
mit der jetzt begonnen werden muss.
Ziel: Profilierung des RBZ als Dienstleister für die interessierten
Parteien in der Region.
Relevanz: Bei den befragten Schulen war die Entwicklung eines
Dienstleistungscharakters ein Diskussionsthema. So eindeutig dieses
Bekenntnis ist, so vielfältig und unterschiedlich war das
Verständnis dessen, was den Dienstleistungscharakter einer
berufsbildenden Schule ausmacht. Ein von allen getragenes Dienstleistungsverständnis
ist erst noch zu erarbeiten.
6. Lernortgestaltung in den beruflichen Schulen - zur Steigerung
der Attraktivität.
Ziel: Planung und (Um-) Gestaltung der Lernorte zur Etablierung
einer offenen Lernkultur (Integrierte Fachräume, Seminarräume,
Lernbüros).
Relevanz: Die KMK-Vorgaben zur Rahmenlehrplangestaltung und die
Lernfeldstruktur neuer und neu geordneter Berufe erfordert für
die Umsetzung eine veränderte Lernortgestaltung. Lernfeldstruktur
und Lernortgestaltung sind zwar keine "offiziellen"
Erprobungselemente für RBZ, an den Schulen bilden sie jedoch
eines der bedeutendsten Entwicklungsfelder, weil eine veränderte
Lernraumgestaltung Grundvoraussetzung für die Etablierung
neuer Lernkulturen ist.
7. Verantwortungs- und Zuständigkeitsverlagerung auf der
Arbeitsebene - Grundvoraussetzung für Veränderungen.
Ziel: Übertragen von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten
auf Lehrkräfte und Stärkung deren Eigenverantwortung
(z.B. Ausstattungsplanung, Mittelverwaltung, Entscheidungen zur
Unterrichtsorganisation).
Relevanz: Berufliche Schulen "haben bisher gelitten unter
den zahlreichen Erlassen und Verwaltungsvorschriften" (Schulleiter).
Eine Rücknahme des Vorschriftenwesens und die Konzentration
allein auf die Entwicklung von Steuerungselementen, um wesentliche
Entwicklungen abzusichern, hat nicht nur zur Konsequenz, dass
Entscheidungskompetenz aus dem Ministerium in die Schulen verlagert
wird, sondern auch, dass Schulen mit dieser Verantwortung umgehen
müssen. RBZ-Schulen sind deshalb herausgefordert, über
ihr Verantwortungs- und Kompetenzprofil nachzudenken und Profile
zu gestalten, die für die erweiterten Aufgaben geeignet sind.
8. Realisieren einer Lernkultur für die Umsetzung neuer
Lernkonzepte - Qualitätsentwicklung von Unterricht.
Ziel: Rollenfindung der Lehrkräfte in umgestalteten Schulen
beim Einsatz neuer pädagogischer und didaktischer Ansätze
und Absichern der Qualität von Unterricht.
Relevanz: Die Hinwendung in den 1980er Jahren zur Handlungsorientierung
hat bereits gezeigt, dass eine erfolgreiche Einführung neuer
Lernkonzepte veränderte Lernkulturen erfordert. Die jetzt
auch curricular vorgegebene Kompetenzförderung als Leitziel
beruflicher Bildung verstärkt diese Notwendigkeit, ein neues
Verständnis von Unterricht und der Lehrerrolle im Unterricht
an den Berufsschulen zu etablieren.
9. Projektmanagement - Ein Querschnitts-Entwicklungsfeld zur
Unterstützung des Umgangs mit komplexeren Schulaufgaben und
einer stärkeren Eigenständigkeit der Schule.
Ziel: Lehrer sind mit Projektmanagement-Kompetenzen auszustatten,
um mit erweiterten Aufgaben umgehen zu können.
Relevanz: Die externe und interne Verantwortungsverlagerung in
die und in der Schule hat zur Folge, dass Lehrkräfte mit
komplexeren Aufgabenstellungen und der Initiierung und Umsetzung
von Projekten zu tun haben. Um diese Aufgaben professionell wahrnehmen
zu können, benötigen sie Kompetenzen im Projektmanagement,
die vor allem in der ersten Phase der Lehrerausbildung zur Zeit
noch stark vernachlässigt werden.
10. Qualitätsmanagement von Unterricht - ein Entwicklungsfeld,
das enge Verbindungen zur Lernkultur und anderen Schwerpunkten
aufweist.
Ziel: Effizientere Prozessgestaltung in Schule und Unterricht.
Relevanz: Mit der Umstrukturierung berufsbildender Schulen und
unter dem Einfluss zunehmender Qualitätsbetrachtungen der
Schulsysteme (PISA, Evaluationskultur) wird die Frage der Absicherung
und auch Verbesserung der Qualität der geleisteten Unterrichtsarbeit
neu aufgeworfen. Die Einführung von Lernfeldstrukturen und
die Orientierung des Unterrichts an Geschäfts- und Arbeitsprozessen
statt an Fachsystematiken erfordert zugleich neue Methoden und
Verfahren, um eine verbesserte Qualität von Unterricht zu
erreichen und abzusichern.
11. Weiterbildungsangebote - zur kontinuierlichen Qualitätssicherung
und Herstellen der Marktfähigkeit.
Ziel: Weiterbildungsangebote planen, kalkulieren, umsetzen und
anbieten.
Relevanz: Lehrkräfte sind in großem Umfang in die Meisterausbildung
und Weiterbildungsmaßnahmen involviert, die aber bislang
nicht von den beruflichen Schulen, sondern von Weiterbildungsträgern
angeboten werden. Wenn berufliche Schulen in Kooperation mit und
Ergänzung zu den Weiterbildungsträgern Maßnahmen
anbieten sollen, erfordert dies Kompetenzen zur systematischen
Kooperation, für die Konzeption unter Beachtung von Weiterbildungsstandards
und Marktfähigkeit bis hin zum Marketing.
12. Eigenständigkeit der Schule - als Querschnittsaufgabe,
um die obigen Entwicklungsfelder ausgestalten zu können.
Ziel: Erweiterte gesetzliche, gesellschaftliche und politische
Gestaltungsspielräume systematisch nutzen.
Relevanz: Berufsbildenden Schulen werden derzeit erweiterte Handlungsspielräume
eingeräumt; in Schleswig-Holstein zum Beispiel durch Personalkostenbudgetierung,
Umwidmungsmöglichkeiten ("Geld statt Stellen")
und neue Freiräume durch Erlasse (z.B. MBWFK 2002). Die entstehenden
Freiräume sind einzuschätzen und daraufhin durch konkrete
Schulentwicklungsmaßnahmen zu nutzen.
Eine Schlussfolgerung aus dieser Tatsache ist, dass es nicht empfehlenswert
ist, mit Blick auf Entwicklungsinitiativen die analytische Unterscheidung
von Personalentwicklung (PE), Organisationsentwicklung (OE) und
Unterrichtsentwicklung (UE) aufrecht zu erhalten. Wesentlich griffiger
ist es, die Entwicklungsfelder aufzugreifen und zu operationalisieren,
wobei die Domänen "Unterrichten" und "Schule
strukturieren" zu unterscheiden sind. Die Ausgestaltung der
Entwicklungsfelder hat nämlich immer zum Ziel, Unterricht zu
verbessern, was in Korrespondenz mit geeigneten schulischen Strukturen
geschehen kann und muss. Personalentwicklung ist dabei eine wichtige
und übergeordnete Herausforderung, die sich darauf zu konzentrieren
hat, dass die aktuellen und neuen Aufgabenfelder in den Schulen
optimal bewältigt werden. Übersicht 2 vermittelt einen
Eindruck von den komplexen Zusammenhängen. Der Domänenbezug
hat den Vorteil, dass der Kern der notwendigen Entwicklungsprozesse
stärker ins Zentrum rückt. Bei den aufgeführten "Aufgaben
für Lehrer" handelt es sich um eine exemplarische Auswahl.
Es wird aber bereits deutlich, dass das Aufgabenspektrum eindeutig
über den Unterrichtsbezug hinaus weist und entsprechend vielfältig
ist.
Übersicht 2: Aktionsfelder des Modellversuchs UbS
4 Konsequenzen für die Lehrerbildung
Die Orientierung des schulischen Gestaltungsprozesses an den Entwicklungsfeldern
hat den Vorteil, dass sehr genau bestimmt werden kann, welche Schritte
in der Ausbildung der Lehrer einzuleiten sind, um den sich ändernden
Herausforderungen gerecht zu werden. In Übersicht 3 sind diese
mit Blick auf die 12 Entwicklungsfelder relevanten Kompetenzen der
Lehrer zusammenfassend benannt und können als Orientierung
bei einer Neugestaltung der 2. und 3. Phase dienen (Die
1. Phase kann daran natürlich Anleihe nehmen, ist jedoch nicht
Gegenstand des BLK-Modellversuchsprogrammes innovelle, dem der Modellversuch
Ubs zugeordnet ist.). Besonders auffallend ist, dass es sich
dabei nicht unbedingt um unbekannte Aufgaben handelt, dennoch aber
um solche, die noch längst nicht zum Gegenstand der Lehrerausbildung
in der 1. und 2. Phase geworden sind. In beiden Phasen sollten genannte
Inhalte Eingang finden. Für die Neugestaltung der 2. Phase
gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte, welche schulischen Herausforderungen
aufgenommen werden sollen, um mit hoher Affinität auf Schule
vorzubereiten. Im Kern weisen die Herausforderungen deutlich darauf
hin, dass die oft vorherrschende "didaktische Enge" zu
überwinden ist und neben der Didaktik die "Schule als
Gesamtes" Eingang in die Ausbildung finden muss.
Übersicht 3: Aufgaben der Lehrkräfte in einer "neu"
strukturierten Schule
5 Schlussfolgerungen
Bei den Erhebungen konnte als besonders relevant für den Modellversuch
herausgearbeitet werden, dass eine Reihe von Aufgaben identifizierbar
sind, die von Lehrkräften (zukünftig) wahrzunehmen sind,
jedoch deutlich über die Kernaufgabe des Unterrichtens hinausgehen.
Auch die vom DEUTSCHEN BILDUNGSRAT (1970) formulierten und für
die Neuausrichtung der Studienseminare - etwa in NRW - erweiterten
Lehreraufgaben Unterrichten/Lehren, Erziehen, Beurteilen, Beraten,
Verwalten/Organisieren und Innovieren (MSWF 1998) werden den sich
derzeit herauskristallisierenden neuen Herausforderungen nicht ausreichend
gerecht. Besonders trifft das für das Lehrpersonal in den RBZ
in Schleswig-Holstein zu und für die Fortbildungsbeauftragten
in Niedersachsen. Für Hamburg kommt es in erster Linie darauf
an, Lehrer in der 2. Phase auf neue Schulstrukturen vorzubereiten,
weshalb die Seminarstrukturen und didaktischen Ansätze überprüft
und eventuell neu ausgerichtet werden sollen.
Diese Erkenntnis diente als Grundlage, um "Domänen des
Wissens" (Domänen können als
Fachgebietsschwerpunkte charakterisiert werden und weisen deshalb
eindeutig Inhaltsbezüge aus. Die Benennung von "Unterrichten"
als Domäne bedeutet letztlich, dass die für das Unterrichten
wesentlichen Inhaltsbezüge und didaktischen Zugänge relevant
sind.), die in diesem Modellversuch näher betrachtet
werden, festzulegen. Die Festlegung von Wissensdomänen erscheint
notwendig, da ohne die Fixierung auf konkrete Aufgaben, die den
Umgang mit berufspraktischem Wissen erfordert, keine Kompetenzförderung
im Sinne des diesem Vorhaben zugrunde liegenden lernkulturellen
Ansatzes möglich ist. Um den spezifischen Anliegen der zweiten
wie der dritten Phase der Lehrerbildung gerecht werden zu können,
werden daher für den Modellversuch zwei Domänen, und zwar
· "Unterrichten" und
· "Schule strukturieren"
benannt, innerhalb derer Aufgabenfelder zu identifizieren sind.
Diejenigen Lehreraufgaben, die für eine Kompetenzentwicklung
der Lehrkräfte in der Ausbildung besonders geeignet sind, werden
zu Handlungsfeldern der Lehrerbildung gebündelt, die curricular
und inhaltlich auszugestalten sind (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: Aufgreifen der Veränderungen in der Lehrerbildung
Für die derzeit in der Lehrerbildung der 2. und 3. Phase stattfindenden
Entwicklungen, die durch eine
· stärkere Verzahnung von Seminar und Schule,
· zunehmende Dezentralisierung in der 2. Phase und
· zunehmende Tendenz zur Modularisierung der Ausbildung
gekennzeichnet sind, werden im Modellversuch UbS Lösungen
gesucht, mit denen eine entwicklungslogische Anordnung und Ausgestaltung
der veränderten und neuen Inhalte gelingen kann. Ziel der entwicklungslogischen
Strukturierung ist es, die neuen Herausforderungen unter Beachtung
der Prinzipien von Wissenschaftsorientierung, Persönlichkeitsentwicklung
und Praxisbezug in gestaltungsorientierter Perspektive aufzugreifen,
so dass die Entwicklung der Lehrkräfte zu kompetenten und gestaltungsfähigen
"Schul- und Unterrichtsentwicklern" bestmöglich unterstützt
wird (vgl. Übersicht 3).
Insgesamt wurde in den RBZ ein multifunktionales Aufgabengebiet
für Lehrer identifiziert, das bisher in keiner Ausbildungsphase
mit der notwendigen Intensität berücksichtigt wird. Um
Lehrer nicht "alleine" zu lassen, ist es höchste
Zeit, die Ausbildungskonzepte darauf abzustimmen. Um allerdings
der Beliebigkeit vorzubeugen, sind Lösungen gesucht, die ein
hohes Ausbildungsniveau mit Blick auf die Lernprozessgestaltung
sichern. Der entwicklungslogische Ansatz scheint dem gerecht zu
werden.
Literatur
BECKER, M./ BERING, M./ DREHER, R./ SPÖTTL, G. (2003): Identifizierte
Entwicklungsfelder in den RBZ-Modellschulen. Erster Evaluationsbericht
im Modellversuch UbS für das Programmelement Schleswig-Holstein.
Flensburg.
BLK (Hrsg.)(2001): Kompetenzzentren in regionalen Berufsbildungsnetzwerken
- Rolle und Beitrag der beruflichen Schulen. Bericht der BLK - Bund-Länder-Kommission,
Heft 92, Bonn.
DEMING, W. E. (1986): Out of the crisis: quality, productivity
and competitive position. Cambridge.
DEUTSCHER BILDUNGSRAT (1970): Empfehlungen der Bildungskommission.
Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart, 217-225.
MBWFK (2001): Konzeptstudie zur Weiterentwicklung der Beruflichen
Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren.
http://rbz.lernnetz.de/k-rbz0.php3.
Rev. 1.9.2003.
MBWFK (2002): Durchführungsbestimmungen für die Erprobungsphase
des Projekts "Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen zu
Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ)". Erlass des Ministeriums
für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 23. September
2002, Aktenzeichen III 51.
MSWF / Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung
des Landes NRW (1998): Ausbildung im Dialog zwischen Schule und
Seminar. Frechen: Ritterbach.
KEMPFERT, G./ ROLFF, H.-G. (1999): Pädagogische Qualitätsentwicklung.
Weinheim/Basel.
UBS (Hrsg.)(2002): Modellversuchsinformation Nr. 2
|