bwp@ Profil 3 - Mai 2014

Lehrerbildung und Unterrichts­entwicklung aus der Perspektive des lernenden Subjekts

Profil 3: Digitale Festschrift für TADE TRAMM zum 60. Geburtstag

Hrsg.: Nicole Naeve-Stoß, Susan Seeber & Willi Brand

Vorwort

Beitrag von Nicole Naeve-Stoß, Susan Seeber & Willi Brand

Die Beiträge in dieser Festschrift widmen sich den Themen, die im Mittelpunkt der mehr als drei Jahrzehnte währenden wissenschaftlichen Arbeit von Tade TRAMM standen. Seit Beginn seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Wirtschaftspädagogik der Georg-August-Universität Göttingen im Jahre 1980 hat er zur Weiterentwicklung der Disziplin wichtige, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus beachtete Beiträge geliefert. Durch zahlreiche Veröffentlichungen, wissenschaftliche und professionspolitische Fachdiskussionen, Vorträge in Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte, Seminarleiterinnen und -leiter aus Studienseminaren und viele Diskussionen in den Arbeitsgruppen der von ihm maßgeblich begleiteten Projekte setzte er schöpferische Impulse, die sich durch eine sorgfältig bedachte theoretische und systematische Verankerung auszeichneten. In ihnen verbinden sich beispielhaft wissenschaftliche Leistung und bildungspraktisches Engagement. Mehr als sonst im Wissenschaftsbetrieb üblich, ist ihm die Verknüpfung von wissenschaftlicher Fundierung und theoriegeleiteter Reflexion einerseits sowie Transfer und Umsetzung in die berufliche Praxis von Berufs- und Wirtschaftspädagogen andererseits bis in die Gegenwart stets ein wichtiges Anliegen gewesen.

Tade TRAMMs Arbeiten richten sich immer wieder auf zwei große Themenfelder, mit denen er sich vor allem aus einer subjektorientierten Perspektive auseinandergesetzt hat: Zum einen ist dies der Bereich curriculumtheoretischer und didaktischer Arbeiten in der kaufmännischen Berufsausbildung, insbesondere zum Rechnungswesenunterricht, aber auch – und dies vor allem in den letzten anderthalb Jahrzehnten – zu Fragestellungen der curricularen Planung, Umsetzung und Evaluation lernfeldorientierten Unterrichts. Zum anderen haben Tade TRAMM in seiner beruflichen Tätigkeit als Hochschullehrer stets Fragen der Lehrerbildung und der Lehrerprofessionalisierung beschäftigt. Es waren vorzugsweise Entwicklungsperspektiven und Gestaltungsoptionen einer „Theorie“ und „Praxis“ integrierenden Handelslehrerbildung, die ihn anregten, sich in Veröffentlichungen, Vorträgen und nicht zuletzt in Diskussionen um die Studienreform engagiert, fundiert und innovativ denkend zu Wort zu melden. Seine Leitideen und seine Vorstellungen zur Gestaltung und Funktion schulischer Praxisphasen waren für die Reform des Hamburger Lehramtsstudiums für den berufsbildenden Bereich wesentlich und liefern über die Landesgrenzen hinaus wichtige Impulse für die konzeptionelle Arbeit an anderen Standorten.

Im Zusammenhang mit den beiden zentralen Themenfeldern zeigt sich ein Charakteristikum der Arbeitsweise von Tade TRAMM, das auch in den Berichten aus der Praxis von Entwicklungsprojekten in diesem Band besonders hervorgehoben wird: So anregend und bedeutend die Beiträge von Tade TRAMM auch waren, so sehr er auch aus spezifischen theoretischen Positionen Einfluss nahm, die Kommunikation wurde als offen, fair und persönlich verbindlich erfahren. Ergebnisse der Projekte entstanden in intensiver, oft jahrelanger Zusammenarbeit mit Personen mit sehr unterschiedlichem Erfahrungshintergrund. Die Subjektorientierung, die er für die pädagogische Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen in Schule und Studium einfordert, hat in dieser Arbeitshaltung ihre Entsprechung. Es würde auch seinem von Karl R. POPPER beeinflussten wissenschaftlichen Ethos widersprechen, eine „Schule“ zu begründen, die ihre Angehörigen auf „Dogmen“ welcher Art auch immer verpflichtet. Er hat sichtbare Freude am Widerspruch –von Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Kooperationspartnern in Bildungspolitik, Bildungsverwaltung und Praxis wie auch von Studierenden, wenn er denn fundiert und klar formuliert ist. Dass sich hinter dieser Haltung keine Beliebigkeit von Grundpositionen verbirgt, merkt man spätestens dann, wenn z. B. die Subjektorientierung infrage gestellt oder Lehr-Lern-Prozesse analog zu Produktions-, nicht aber zu Entwicklungsprozessen begriffen werden. Hier ist sein Widerspruch gewiss.

Nicht eigens thematisiert wird hier die Weiterentwicklung der beiden Themenfelder bei Tade TRAMM selbst im Laufe der drei Jahrzehnte seiner wissenschaftlichen Arbeit. Schon der Blick auf die Titel seiner Veröffentlichungen, aber auch die Schlaglichter, die in den hier versammelten Beiträgen auf seine Arbeit geworfen werden, zeigen, dass er seine Vorstellungen zu Curriculumtheorie und Didaktik sowie zur Lehrerbildung kontinuierlich in der Auseinandersetzung mit Diskursen in der Disziplin und in der kritisch-konstruktiven Zusammenarbeit mit der Praxis in Berufsbildung und Lehrerbildung weiter entwickelt hat. So gewannen unter anderem die Subjektorientierung in Lehr-Lern-Prozessen, die Hinwendung zu Geschäftsprozessen und die Gestaltung didaktischer Interaktion in der Lehrerbildung zunehmend an Bedeutung. Die Feststellung „Sie haben sich gar nicht verändert“, die Bertolt BRECHTs Herrn K. so erschrecken ließ, hätte bei Tade TRAMM keine Berechtigung.

Die Bereitschaft zu lernen ohne dabei den eigenen Weg zu verlieren, lässt sich bei Tade TRAMM schon früh in der eigenen Bildungsgeschichte erkennen. Er wuchs im nordfriesischen Dorf Langenhorn, zwischen Husum und Niebüll gelegen, auf und besuchte dort die Grundschule. Der anschließende Besuch von Realschule, Höherer Handelsschule und Fachgymnasium – Wirtschaftlicher Zweig war bereits mit immer weiteren Schulwegen und der Erschließung immer wieder neuer geografischer und sozialer Umgebungen verbunden. Der Zivildienst im Theodor-Schäfer-Berufsbildungswerk in Husum, einer Spezialeinrichtung für gehörlose und schwerhörige Jugendliche, brachte erste pädagogische Herausforderungen mit sich, die aufgrund der Lernvoraussetzungen der Jugendlichen besondere individuelle Lösungen, d. h. Subjektorientierung, unabweisbar machten. Auf der Grundlage des wirtschaftspädagogischen Studiums in Göttingen trug Tade TRAMM bereits sehr früh wichtige Gestaltungsideen zur Göttinger Konzeption eines „wirtschaftsinstrumentellen Rechnungswesenunterrichts“ und zur Neuorientierung der Übungsfirmen- und Lernbüroarbeit zur Lernfirmenarbeit bei. In beiden Bereichen war seine Arbeit sowohl auf die theoretische Fundierung der bis dahin eher „naturwüchsigen“ Praxis als auch auf den systematischen Transfer der eigenen Konzeptionen in die Praxis gerichtet. Hier lassen sich Assoziationen zum Werk von Friedrich PAULSEN herstellen, der etwa einhundert Jahre vor Tade TRAMM in seinem Heimatdorf Langenhorn aufwuchs, ein Faktum, auf das letzterer gern mit augenzwinkerndem Stolz hin und wieder aufmerksam macht. PAULSEN wird oft als Begründer einer eigenständigen, wissenschaftlich ausgerichteten Disziplin Pädagogik bezeichnet, der zugleich sehr erfolgreich damit war, seine pädagogischen Vorstellungen in die Praxis von Schulen und die öffentliche Diskussion von Erziehung zu übertragen und der über seine „Schüler“ E. SPRANGER, G. H. MEAD, H. NOHL, B. OTTO und F. TÖNNIES große weitere Wirkung entfaltete.

Die nachfolgenden 23 Beiträge, geschrieben von 38 Autorinnen und Autoren, folgen keinem vorgegebenen systematischen Programm, sondern sind als jeweils persönlich motivierte Anregungen zu verstehen, aus verschiedenen Perspektiven die ausgewählten Arbeitsthemen von Tade TRAMM zu diskutieren und weiter zu entwickeln.

Dank

Die Herausgeber danken allen Autorinnen und Autoren für ihre stets freundliche Bereitschaft, sich auf dieses Unternehmen einzulassen und für ihre Beiträge zu dieser Festschrift. Fast alle sind dem Jubilar über viele Jahre der Zusammenarbeit verbunden. Besonderer Dank gebührt darüber hinaus Sigrid GRAMLINGER-MOSER und Franz GRAMLINGER für die Unterstützung bei der redaktionellen Arbeit sowie für die hervorragende Umsetzung der Online-Version der Festschrift.

Nicole Naeve-Stoß, Susan Seeber & Willi Brand
(Herausgeber des Profils 3 von
bwp@)

im Mai 2014