bwp@ Profil 5 - Mai 2017

Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen

Profil 5: Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER

Hrsg.: Sabine Matthäus, Carmela Aprea, Dirk Ifenthaler & Jürgen Seifried

Erinnerungen aus der gemeinsamen Zeit mit Hermann G. Ebner an der Johannes Kepler Universität Linz und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Beitrag von Reinhard Czycholl

Lieber Hermann, sechsunddreißig Jahre lang warst du in Forschung, Lehre und Verwaltung an den Universitäten Linz/D., Oldenburg, Leipzig und Mannheim im Fachgebiet Berufs- und Wirtschaftspädagogik tätig, davon die letzten fünfundzwanzig Jahre als Lehrstuhlinhaber. Von den elf Jahren unserer Zusammenarbeit davor möchte ich im Folgenden einiges in Erinnerung rufen.

Auf deine vielfältigen berufspädagogischen Aktivitäten, unter anderem in der beruflichen Erwachsenenbildung, in der Redaktion einer andragogischen Schriftenreihe sowie im Fachbereich Berufs- und Wirtschaftspädagogik der damaligen Hochschule der Bundeswehr München, machte mich seinerzeit Karlheinz Geißler aufmerksam. Am 26. März 1981 beendetest du das Promotionsstudium an der Universität Salzburg, und ich war über deine Zusage sehr froh, bereits zum 1. April 1981 mit Beginn des Sommersemesters die Abteilung für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Johannes Kepler Universität Linz personell zu verstärken.

Im ersten Studienabschnitt unseres Studienplanes fungierte unter anderem Wirtschaftspädagogik als achtstündiges Pflichtwahlfach. Es wurde mit dem Schwerpunkt Berufliche Erwachsenenbildung, einschließlich Betriebspädagogik angeboten; denn wegen der seinerzeitigen abnehmenden Lehrernachfrage der Schulbehörden erschien eine außerschulische Qualifikationserweiterung der Wirtschaftspädagogik-Studierenden ratsam. In diesen Lehrschwerpunkt konntest du deine insbesondere berufsandragogischen und betriebspädagogischen Kompetenzen sofort wirksam einbringen.

Was wegen des kurzfristigen Ortswechsels noch fehlte, war eine Bleibe. Ich wohnte mit meiner Familie in Oberbairing, einem Ortsteil von Altenberg oberhalb von Linz im Mühlviertel. Der Oberbairinger Gasthof Bauer stellte dir für die erste Zeit ein Zimmer zur Verfügung. Später zogst du in die landschaftlich sehr schön gelegene Wohnung eines Bauernhofes nach Niederwinkl. Nur sieben bis acht Kilometer bis zur Universität in Linz-Auhof, aber dreihundert bis vierhundert Meter oberhalb von Linz. Dieser Höhenunterschied hatte für uns erfreuliche Auswirkungen. Wenn sich über Linz eine dicke Nebel- oder Smogdecke legte, schien bei uns oben die Sonne, wenn es im Winter in der Stadt regnete, schneite es bei uns, und die winterlichen Langlaufloipen lagen vor der Haustür.

Aus der Arbeitsbeziehung wurde bald eine Freundschaftsbeziehung zu meiner ganzen Familie. Unsere Kinder Marcus und Claudia konnten den Namen Hermann nicht aussprechen. Sie nannten dich Hena. Wenn du kamst, war die Freude groß. du widmetest dich den Kleinen und nahmst dir Zeit zum Spielen. Wenn sich eine Freundin mit der Gitarre dazugesellte, dann wurde kräftig musiziert und gesungen, einschließlich Mühlviertler Gstanzln. Dazu tranken wir den Herrscher des österreichischen Weißweins, den Grünen Veltliner. Einen Silvesterabend verbrachtest du mit deiner Mutter bei uns. Es gab einen Gänsebraten, für den deine Mutter eine unvergesslich schmackhafte Füllung zubereitete.

Apropos Essen, die österreichische Küche hat ihre sprachlichen Besonderheiten und inhaltlichen Finessen: gespickter Schweinslungenbraten, G’radelte Blunzen, Fisolen mit Paradeisermark, Faschiertes, Karfiolsuppe oder Kukuruzkrusteln und als Nachtisch Topfenpalatschinken oder Ribisel-Creme. Genossen haben wir auch die Oberösterreichischen Knödelwochen im Herbst: Haschee-Knödel, Serviettenknödel, Grammelknödel, Speckknödel, Germknödel, Topfenknödel, Marillenknödel oder Zwetschgenknödel.

Als eingespieltes wissenschaftliches Team wechselten wir an die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, wo du zwischen 1985 und 1992 in Forschung, Lehre und Verwaltung für das Fachgebiet Berufs- und Wirtschaftspädagogik wichtige Beiträge geleistet hast. Die Herausgeber- und Redaktionserfahrungen aus deiner Münchner und Salzburger Zeit hattest du schon in Linz als Mitherausgeber und redaktioneller Betreuer unserer Schriftenreihe „Beiträge zur Berufs- und Wirtschaftspädagogik“ eingebracht. In Oldenburg hast du diese Arbeit erfolgreich fortgesetzt.

Als Ausgleich zur geistigen Arbeit und um dich vor allem für die angestrebte Habilitation fit zu halten, hast du mich häufig sportlich herausgefordert. Die Tennisrunden haben großen Spaß gemacht. Die Squash-Halle habe ich in nicht so guter Erinnerung; deine Rückschläge ließen den Ball ganz schön um meine Ohren fliegen.

Dein schickes Rennrad, das nach getaner Fahrt in deiner Wohnung am Quellenweg parkte, hat mich ebenso beeindruckt wie dein speziell angefertigter Manuskriptschrank mit den vielen Schubladen für DIN-A4-Manuskripte. Letzterer schien mir so viele Vorzüge zu haben, dass ich einen Tischler beauftragte, für mein Gristeder Arbeitszimmer auch einen solchen herzustellen.

Zwei gleichsam universitätspolitische Indikatoren für die sog. Wende, die in Ostdeutschland letztlich zum Ende der SED-Herrschaft führte, waren unsere zwei Besuche nach Leipzig auf Einladung der Sektion Psychologie der damaligen Karl-Marx-Universität in den Jahren 1988 und 1989.

Das Verbot sozialpsychologischer Forschung war in der DDR gerade aufgehoben worden. Die Leipziger Kollegen nahmen die Freiheit wahr, westdeutsche und österreichische Kollegen zu einem Symposion einzuladen. In der Jugendherberge von Falkenhain, etwa achtzig Kilometer von Leipzig entfernt, diskutierten wir heiß und heftig unter dem in jener politischen Situation bezeichnenden Rahmenthema Sozialpsychologisches Verhaltenstraining und Organisationsentwicklung. Die Ergebnisse haben wir in Band 5 unserer Schriftenreihe dokumentiert.

Während dieses Symposions konntest du die Leipziger Kollegen dafür gewinnen, für Oldenburger Studierende ein einwöchiges Weiterbildungsseminar zu organisieren. Zu deiner Beschäftigung mit handlungs-, tätigkeits- und praxeologischen Theorien gehörte auch die Auseinandersetzung mit der materialistischen Tätigkeitstheorie der Moskauer kulturhistorischen Schule. Die ostdeutschen Kollegen hatten diese im Original studiert.

Im Wintersemester 1988/89 führtest du mit einer Studierendengruppe ein entsprechendes Vorbereitungsseminar durch, und im folgenden Sommersemester 1989 machten wir die Exkursion nach Leipzig. Dort legten uns die Leipziger Kollegen ihre Sicht der Dinge zum Rahmenthema Grundlagen der Tätigkeitstheorie dar, und unsere Studierenden waren von der Offenheit der anschließenden Gespräche und Diskussionen sehr beeindruckt. Nebenbei lernte ich, dass Broiler kein Bestandteil des Trabis war, sondern die dortige Bezeichnung für ein Brathähnchen ist.

Mitte 1992 war es dann so weit: für den hochschulöffentlichen Habilitationsvortrag am 25. Juni 1992 hast du drei Themen vorgeschlagen, erstens Überlegungen zur Wiedergewinnung einer didaktischen Perspektive in der Unterrichtsforschung, zweitens Die Berufsausbildung im Urteil der Auszubildenden – Ergebnisse und methodologische Standards eines wenig entwickelten Zweiges der Berufsbildungsforschung und drittens Tätigkeitsanalysen: Hinreichende oder notwendige Maßgaben für die Konzeptualisierung beruflicher Bildungsprozesse.

Das von der Habilitationskommission ausgewählte erste Thema behandeltest du souverän in Vortrag und Diskussion. du erwarbst die Lehrbefugnis für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, einschließlich berufliche Weiterbildung, womit dein andragogischer Schwerpunkt besonders hervorgehoben wurde. Noch im selben Jahr nahmst du einen Ruf auf die Professur für Berufs- und Wirtschaftspädagogik an der Universität Mannheim an.

Im Sommersemester 2017 beendest du deine Tätigkeit als Universitätsprofessor. Wie ich dich kenne, wirst du frei nach dem Motto von Udo Jürgens „… mit 67 Jahren, da fängt das Leben an“ noch in vielfältiger Weise wissenschaftlichen Fragestellungen nachgehen. Zugleich wirst du mit Karin, deiner lieben Frau, die persönlichen Interessens- und Aktivitätsgebiete in vermehrtem Maße entfalten können. Möge dies alles bei guter Gesundheit geschehen!

Zitieren des Beitrags

Czycholl, R. (2017): Erinnerungen aus der gemeinsamen Zeit mit Hermann G. Ebner an der Johannes Kepler Universität Linz und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. In: bwp@ Be­rufs- und Wirtschaftspädago­gik – online, Profil 5: Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen. Digi­tale Festschrift für HER­MANN G. EBNER, hrsg. v. Matthäus, S./ Aprea, C./Ifenthaler, D./Seifried, J., 1-4. Online: http://www.bwpat.de/profil5/czycholl_profil5.pdf (23-05-2017).