bwp@ Profil 5 - Mai 2017

Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen

Profil 5: Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER

Hrsg.: Sabine Matthäus, Carmela Aprea, Dirk Ifenthaler & Jürgen Seifried

Konflikte in der Schule: Erstellung, Umsetzung und Evaluation eines Lehrkonzepts zur professionellen Entwicklung angehender Lehrpersonen an beruflichen Schulen

Im Kontext der Lehrerbildung wird schon seit geraumer Zeit diskutiert, wie das Professionswissen angehender Lehrpersonen idealerweise aufgebaut werden kann. Hierzu will der nachfolgende Beitrag einen Beitrag leisten. Er basiert auf einer persönlichen Reflexion von über ca. 15 Jahre angesammelten Erfahrungen, gewonnen an einem in Baden-Württemberg realisierten Projekt zur Lehrerbildung und der anschließenden mehrjährigen Tätigkeit als Lehrer. Es werden Aspekte an der sogenannten Schnittstelle von Theorie und Praxis benannt, die vom Autor als relevant für den Theorie-Praxis-Transfer erachtet werden. Das vorgenannte Projekt stellte eine Kooperation der an der Lehrerbildung für berufliche Schulen beteiligten Institutionen Universität, Studienseminar und Schule dar, und es betrat Neuland sowohl bezüglich der Inhalte als auch der Abstimmung der Institutionen in den drei Phasen Studium, Referendariat und Lehrerfortbildung.

1 Das Projekt KoWeL

Ausgangspunkt der vorliegenden Reflexion ist der Modellversuch KoWeL (Kooperative Weiterentwicklung der Lehrerbildung für kaufmännische Schulen), der das Ziel verfolgte, die Qualität der Lehrerausbildung im Bereich der kaufmännischen Schulen weiter zu entwickeln (Ebner/Traub 2005). Zentrales Ergebnis sollte ein von der Universität Mannheim und dem Staatlichen Seminar für Didaktik und Lehrerbildung Karlsruhe (Berufliche Schulen) gemeinsam vertretenes Konzept der Qualifizierung angehender Lehrerinnen und Lehrer des höheren Dienstes an kaufmännischen Schulen sein.

Folgende Bereiche wurden im Rahmen des Projektes KoWeL von verschiedenen Teammitgliedern bearbeitet:

  1. Mit Hilfe der Lehrerkognitionsforschung sowie der Analyse verschiedener Instruktionstheorien wurde ermittelt, über welches Wissen eine Lehrperson bezüglich der Gestaltungsprinzipien zur Errichtung einer entwicklungsförderlichen und effektiven Lernumgebung verfügen sollte.
  2. Der Einstieg in die Berufspraxis (erstes Jahr nach dem Referendariat) wurde im derzeit durchgeführten Verfahren als problemhafte Situation hinsichtlich der Unterstützung und Stabilisierung hin zur professionell agierenden Lehrperson beschrieben. Ferner zeichnete sich in einer Reihe von Untersuchungen ab, dass diese Einstiegsphase für die Ausformung der angehenden Lehrerpersönlichkeit, im Hinblick auf das in späteren Jahren zur Verfügung stehende Handlungsrepertoire, von großer Bedeutung ist. Diese Probleme und deren Ursachen wurden präzisiert, um den angehenden Lehrpersonen die kontinuierliche Einmündung in die Berufspraxis zu erleichtern.
  3. In einer Reihe von Veröffentlichungen (Barth 2010; Zimmermann & Ebner 2005; Eckert/Ebert/Sieland 2013; Schaarschmidt, U./Kieschke, U. (2013) wurde auf die besonderen Beanspruchungen und Belastungen von Lehrkräften Im Rahmen des Modellversuchs wurden Belastungssituationen untersucht, um die Belastungsfaktoren im Bereich der kaufmännischen Schulen zu identifizieren. Ziel war es, die angehenden Lehrerinnen und Lehrer mit den erforderlichen Kompetenzen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, eine spätere Überbeanspruchung und damit eventuell verbundene negative Beanspruchungsreaktionen (z. B. Burnout) zu vermeiden.
  4. Erfassung und Analyse von Instrumenten zur Unterrichtsbeurteilung. Die damalige Recherche war darauf orientiert, Erfahrungen und Instrumente, die innerhalb Deutschlands und im Ausland vorliegen, zu dokumentieren und auszuwerten. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde ein Instrument zur Unterrichtsbeurteilung entwickelt und erprobt, das nun innerhalb der Lehrerausbildung eingesetzt wird und auch in der Weiterbildung Verwendung finden kann.
  5. In Kooperation mit weiteren Initiativen in Baden-Württemberg wurden in diesem Zusammenhang auch Softwarelösungen erörtert, getestet und schließlich erstellt. Insofern sind Arbeiten zum Aufbau einer elektronischen Plattform abgeschlossen, auf der unterrichtsbezogene Informationen, Unterrichtskonzepte und kommentierte Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte bereitgestellt werden.
  6. Der letzte Teilbereich beschäftigte sich mit konflikthaften Lehr-Lernsituation. Hier wurden entsprechende Studien analysiert, daraus für professionelles Lehrerhandeln notwendige Kompetenzen identifiziert und verdeutlicht, welche davon in der herkömmlichen Lehrerausbildung noch zu wenig berücksichtigt werden.

Nachfolgend beschriebene Reflexionen der Umsetzungserfahrung beziehen sich insbesondere auf das Professionswissens von Lehrpersonen in den Teilbereichen c) Beanspruchung und Belastung von Lehrkräften sowie f) Prävention von Unterrichtsstörungen und Gewalt an Schulen.

2 Erfahrungen beim Transfer der theoriegeleiteten wissenschaftlichen Erkenntnisse in den Alltag der Lehrerausbildung

Über die Lehrerbildung wird aktuell viel geforscht. Die Erkenntnisse sowie eine Reihe noch zu klärender Fragen finden sich in den jeweiligen Sammelbänden (vgl. Rothland 2016; Terhart et al.. 2014; Zlatkin-Troitschanskaia et al. 2009). Entsprechend wird hier kein Überblick über den Status Quo in der Fachliteratur gegeben, sondern es geht um die Weitergabe von persönlicher Erfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität an der Schnittstelle von Theorie und Praxis.

2.1 Aspekte, die eher als förderlich beim Theorie-Praxis-Transfer wahrgenommen wurden

2.1.1 Teilabordnung von KollegInnen aus der Schule an die Universität ebnete den Weg in die Schule

Das oben erwähnte Projekt KoWeL war so angelegt, dass zwei aus der Schule an die Universität teilabgeordnete Kolleginnen im Projektteam beteiligt waren. Das brachte verschiedene Vorteile mit sich:

  1. Da die im Rahmen des Projektes KoWeL zu reformierenden Bereiche der Lehrerbildung von den abgeordneten Mitgliedern des universitären Teams bereits „durchlaufen“ wurden (Umgang mit Konflikten, Lehrerbelastung, Entwicklung der Berufsbiografie, ...), konnten diese ihre Einschätzung von eventuell Machbarem, Notwendigem oder eher schwer Umzusetzendem, auf Basis der Erfahrung mit der Verzahnung der Systeme Universität, Schule und Studienseminar, einbringen.
  2. Weiterhin günstig erwies sich, dass die Wege – streckenmäßig sowie verwaltungsseitig – in die Schule, durch die nach wie vor unterrichtenden KoWeL-Teammitglieder, sehr kurz waren. Es war somit leicht möglich, im Rahmen von kleineren Workshops inhaltliche Impulse (z. B. Umgang mit schwierigen Schülern, Gestaltung des Sozialklimas in Klassen, Entspannungsübungen nach Jacobson, ...) in Teile des Lehrerkollegiums zu geben und hierfür Feedback zu erhalten. Weiterhin gelang es, mit Schülern Projekte durchzuführen oder die Studierenden im Rahmen der universitären Lehrveranstaltung kleinere Erhebungen in Berufsschulklassen durchführen und auswerten zu lassen (z. B. Messung und Auswertung des Sozialklimas mit entsprechenden Instrumenten; Diskussion mit entsprechender Lehrperson zur Umsetzung/Wirkung usw.).
2.1.2 Regelmäßige Treffen fester Arbeitsgruppen, zusammengesetzt aus Mitgliedern von Universität und Studienseminar

Die regelmäßig stattfindenden Arbeitstreffen waren i.d.R. so angelegt, dass sich die Arbeitsbereiche der Angehörigen von Universität und Studienseminar inhaltlich ergänzten. Es trafen sich z. B. Studienseminarvertreter der Fachbereiche Pädagogik bzw. Pädagogische Psychologie mit den KoWeL-Projektmitgliedern, die sich mit den Themen Lehrergesundheit bzw. Konflikte in der Schule usw. beschäftigten. Diese turnusmäßigen Treffen förderten den Einblick in die jeweiligen Arbeitsbereiche und unterstützten – über die allmählich entstehende Beziehung – den Willen, gegenseitig Materialien usw. auszutauschen.

2.1.3 Diskussion der Zwischenergebnisse auf Kongressen unter Beteiligung von Experten als auch Praktikern (Schulleitern, Lehrpersonen).
  1. Das Projekt war so angelegt, dass laufend ein Austausch mit den jeweiligen Anspruchsgruppen stattfand (Ebner/Traub 2005, 32ff). So wurden über regelmäßig verschriftlichte Projektzwischenberichte gegenüber dem Projektfinanzier der erreichte Stand und weitere anzustrebende Ziele reflektiert. Präsentationen von Zwischenergebnissen auf Kongressen, auf denen neben der Fachwelt auch Praktiker wie Schulleiter und Lehrpersonen anwesend waren, eröffneten Gelegenheit zum Austausch. Insbesondere die Nachfragen und Diskussionen zu Umsetzungsmöglichkeiten waren hilfreich, den jeweiligen Gegenstand noch genauer zu fassen (z. B. „Wo bekommen praktizierende Lehrpersonen wissenschaftlich geprüfte Messinstrumente zur Erfassung des Sozialklimas her?“ oder „Wie kann der Einsatz in einer Schulklasse ökonomisch ablaufen?“).
  2. Neben den oben erwähnten Kongressen wurden an der Universität Treffen mit Ausbildungslehrern an Schulen abgehalten. Hier ging es darum, den an Schulen verorteten Ausbildern des Lehrernachwuchses Projektzwischenergebnisse vorzustellen und in der Diskussion Einschätzungen zu Brauchbarkeit und eventuell zu erwartenden Umsetzungsschwierigkeiten einzuholen.
  3. Schließlich war es für die universitären Projektmitglieder hilfreich, nach ca. dreiviertel des Weges der „theorieseitigen Erarbeitung“ ein individuelles Feedback von einem Experten des jeweiligen Arbeitsbereichs (in meinem Fall – zum Umgang mit Konflikten – Professor Haag, Universität Bayreuth) zu erhalten, um letzte Korrekturen bzw. Ergänzungen auf dem Wege zum Projektende vornehmen zu können.
2.1.4 Konzipierung einer Lehrveranstaltung zur Thematik Konflikte an Schulen im Wahlbereich des Hauptstudiums und daran anschließend die Betreuung von praxisnahen Diplomarbeiten

Die Konzipierung einer Lehrveranstaltung für angehende Lehrpersonen an beruflichen Schulen brachte es mit sich, dass die jeweiligen Bausteine des mittlerweile schriftlich niedergelegtem Lehrkonzepts (Jäger/Zimmermann/Ebner 2005) von den Veranstaltungsteilnehmern kritisiert und somit laufend überarbeitet werden konnten. Da die Absolventen der Lehrveranstaltung, aufgrund der praxisnahen Themen, relativ leicht für die Bearbeitung von Diplomarbeiten gewonnen werden konnten, war es möglich, eine Reihe weiterer Messinstrumente (Sozialklima, Mobbing, Selbstwirksamkeit) bzw. Trainings (Sozialkompetenz, Selbstkompetenz, ...) zu identifizieren, zu beschreiben und vor allem nach wissenschaftlichen Kriterien auf Wirksamkeit und im Hinblick auf schulische Einsetzbarkeit, zu analysieren.

2.2 Aspekte, die eher als hemmend beim Theorie-Praxis-Transfer wahrgenommen wurden

2.2.1 Die bislang noch nicht hinlänglich beantwortete Frage wie, bzw. zu welchem Zeitpunkt, das Wissen und Können angehender Lehrpersonen aufgebaut werden soll, erschwert die Arbeitsteilung zwischen erster (Universität) und zweiter Phase (Studienseminar) der Lehrerbildung

Die in der Lehrerbildungsforschung bislang noch unzureichende Klärung, wie und zu welchem Zeitpunkt das zum Lehrerhandeln notwendige Professionswissen (vgl. Baumert 2006, 505ff; Hascher 2014, 559; Köller/Köller/Baumert 2016, 18) aufgebaut werden soll, macht die Arbeitsteilung zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten Institutionen schwierig. Der gerne verwendete Slogan Lehrerbildung aus einem Guss droht dann zu scheitern, wenn es für die Beteiligten mühsam wird, begründet für oder gegen die in den jeweiligen Institutionen tradierte Verfahrensweisen zu argumentieren (vgl. Ebner 2004, 101ff). Daraus entstehen weitere Folgeprobleme:

  1. Inhalte der Lehrerbildung zwischen Universität und Studienseminar sind traditionell nicht optimal aufeinander abgestimmt. Das bringt Schwierigkeiten beim systematischen Wissens- bzw. Kompetenzaufbau mit sich. Beispielsweise stellte sich aus universitärer Sicht die Frage, in wie weit das Thema Kommunikation und darauf aufbauend das Thema Mediation im Referendariat am Studienseminar behandelt wird. Gelegentlich war von dort zu hören, dass diese Themen bereits umfassend behandelt würden und somit quasi abgedeckt seien. Ob dies, bei der zeitlich sehr eng bemessenen Ausbildungsdauer am Seminar, in wünschenswerter Weise möglich war, erschien uns, von der universitären Seite, aber eher als fraglich. Eine präzise abgestimmte Arbeitsteilung im Sinne der Theorieverankerung in der ersten Phase und eine direkt darauf aufbauende Vertiefung und Umsetzung mit Fallbeispielen und weiteren Anwendungsszenarien in der zweiten Phase, so dass jeder Partner arbeitsteilig bei seinen Stärken geblieben wäre, erwies sich u. a. auch aus nachfolgendem Grund als schwer realisierbar.
  2. Die Institution Universität folgt häufig – ebenso wie das Studienseminar – in sich geschlossenen Organisationslogiken und Handlungserfordernissen: Die Teilnahme an der Lehrveranstaltung Konflikte in der Schule ist in der Prüfungsordnung für Wirtschaftspädagogen der Universität Mannheim im Wahlbereich angesiedelt und wird somit nur von einem Teil der Studierenden eines Jahrgangs besucht. Das wiederum stellt für das Studienseminar, als aufnehmende Institution der Universitätsabsolventen, insofern ein Problem dar, weil dort aus organisatorischen Gründen keine Möglichkeit gesehen wird, die Pädagogikgruppen im Referendariat nach erfolgter Teilnahme am einschlägigen universitären Seminar zusammen zu stellen. Entsprechend breit gestreut sind die Vorkenntnisse der Referendarinnen und Referendare zu pädagogisch-psychologischen Themen (insbesondere zum Sachbereich Konflikte in der Schule). Weiterhin kommen am Studienseminar in Karlsruhe auch Referendarinnen und Referendare verschiedener Universitäten zusammen, was die oben angesprochene Abstimmungsproblematik noch verstärkt. Folglich ließ sich durch diesen Mix der Gruppen im Referendariat die Entwicklung von Konfliktlösungskompetenz der Teilnehmer mit einschlägigen Vorkenntnissen aus der ersten Phase nicht mehr systematisch verfolgen.
2.2.2 Mangelnde Verzahnung in die Lehrerweiterbildung (sog. 3. Phase der Lehrerbildung)

Weiterhin gibt es keinen systematischen Austausch mit Lehrerbildnern und Dozenten der dritten Phase. Es würde vermutlich beiden Seiten einen Nutzen stiften, einerseits die neueren Forschungsergebnisse zum Sachbereich Konflikte in der Schule in das Lehrerfortbildungswesen hinein zu tragen, aber auch andererseits von dort wiederum Feedback und konstruktive Kritik aufzunehmen.

2.2.3 Konkurrenz zwischen wissenschaftlicher Qualifikation (Anfertigung der Dissertation) und der Verbreitung praxisrelevanter Erkenntnisse

Eine grundlegende Herausforderung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters an der Universität ist wohl die zeitliche Vereinbarkeit seines persönlichen Qualifizierungsvorhabens (Publikation, Promotion usw.) mit der ihm auferlegten universitären Lehrverpflichtung. Idealerweise gehen diese beiden Vorhaben derart zusammen, dass in die Lehre neueste Erkenntnisse eingebracht und/oder dort neue Probleme aufgeworfen und somit das Verständnis vertieft und schließlich das Qualifizierungsvorhaben unterstützt wird.

Häufig ist es aber so, dass der Zeitrahmen so gespannt ist, dass über die vorgenannten Aufgaben von Lehre und Qualifikation hinausgehende denkbare und naheliegende Maßnahmen, zum Transfer der theoretischen Erkenntnisse in die Praxis, nicht umsetzbar sind. Beispielsweise wurden zum Sachbereich Konflikte in der Schule mindestens 15 Diplomarbeiten angefertigt. Die daraus hervorgehenden schulpraktisch relevanten Erkenntnisse hätte man in einer Tagung/Kongress mit interessierten Lehrpersonen weitergeben und mögliche Umsetzungsszenarien diskutieren können. Die verfügbaren Ressourcen, bzw. das zeitliche Budget, ließ das aber nicht zu. Man könnte der Meinung sein, dass dieses Wissen in den entsprechenden Projektberichten und Publikationen ausreichend verschriftlicht und somit für alle, auch die Praktiker bzw. Lehrpersonen, verfügbar sei. Meine Erfahrung zeigt allerdings, dass es über die reine Publikation von Erkenntnissen hinaus, Kongresse, Trainings usw. vor allem im Kontext der dritten Phase der Lehrerbildung bedarf, um einen nachhaltigen Kompetenzaufbau, der wiederum evaluiert werden könnte, zu ermöglichen.

3 Wie sieht es mittlerweile in den beruflichen Schulen – also in der Praxis – im Umgang mit Konflikten aus? Eine persönliche Einschätzung

Auf den Anfang kommt es an. Dieser Gedanke wurde im Rahmen der PISA-Debatte immer wieder formuliert. Es ist gemeint, dass man schon in der Vorschule beginnen sollte, junge Menschen bestmöglich zu fördern, um langfristig eine günstige Bildungsbiografie zu ermöglichen. Bei meinen mittlerweile auf zehnjähriger Erfahrung beruhenden Beobachtungen als Lehrer im System Schule erscheint es mir ähnlich zu sein. Jene Kompetenzen, die Lehrpersonen in ihrer Ausbildung mit auf den Weg bekommen bzw. die im berufsbiografischen Rucksack verfügbar sind, finden im Berufsalltag dann am häufigsten Anwendung. Der Bereich Fortbildung, die so genannte Dritte Phase der Lehrerbildung, spielt in der berufsbiografischen Entwicklung in meiner Einschätzung eine untergeordnete Rolle und wird eher dann angenommen, wenn grundlegende Neuerungen für Unterrichtsinhalte oder die Prüfungspraxis anstehen. Der Umgang von Lehrpersonen mit schwierigen Schülern, bewegt sich – nach wie vor – überwiegend im Bereich der intuitiven Sofortmaßnahmen (Strafarbeit, vor die Tür stellen, Nachsitzen, Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach Paragraph 90 Schulgesetz Baden-Württemberg, ...). Weitergehende Unterscheidungen von Verfahren zur Prävention oder Intention von Unterrichtsstörungen bzw. Mobbing, das Konzept der kooperativen Verhaltensmodifikation, Ansätze des Schülercoachings oder gar die Durchführung einer Mediation ist im Alltag beruflicher Schulen immer noch die Ausnahme. Solche Ausnahmen sind beispielsweise so genannte Präventionsbeauftragte: Lehrpersonen, die als Multiplikatoren weitergebildet wurden und i.d.R. über diese Kompetenzen im Umgang mit Konflikten verfügen.

Sehr bedenklich ist in diesem Kontext vor allem, wie ich aus vertraulichen Gesprächen mit vielen Lehrpersonen weiß, dass diese ihre Unsicherheit im Umgang mit schwierigen Schülern aus Scham tabuisieren, worauf hin bekanntlich das Risiko gesundheitlicher Probleme (Stichwort Burnout, Schlafstörungen...) ansteigt.

Somit lässt sich abschließend festhalten, dass unter gegebenen Bedingungen der Lehrerbildung in Baden-Württemberg das – hier im besprochenen Teilbereich des Projektes KoWeL – ursprüngliche Anliegen, Kompetenzen vor allem zur Prävention von Konflikten, bereits systematisch an Universität und Seminar anzubahnen, richtig ist und trotz aller Schwierigkeiten weiter verfolgt werden sollte.

Literatur

Barth, A. R. (2010). Burnout bei Lehrern. In: Rost, D. H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 4., überarb. u. erw. Aufl. Weinheim, 83-89.

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Ebner, H. G. (2004): Vernetzung der Phasen der Lehrerbildung – Markierungen auf dem Weg zu einem Qualifizierungsprogramm. In: Sailmann, G. et al. (Hrsg.): Zeitnah qualifizieren. Kooperative Fortbildungskonzepte als Antwort auf neue Qualifizierungsbedarfe bei beruflichem Ausbildungspersonal. Bielefeld, 99-112.

Eckert, M./Ebert, D./Sieland, B. (2013). Wie gehen Lehrkräfte mit Belastungen um? Belastungsregulation als Aufgabe und Ziel für Lehrkräfte und Schüler. In: Rothland, M. (Hrsg.): Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle, Befunde, Interventionen. 2., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden, 193-212.

Hascher, T. (2014): Forschung zur Wirksamkeit der Lehrerbildung. In: Terhart, E./Bennewitz, H./Rothland, M. (Hrsg.): Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf. 2. überarb. u. erw. Aufl. Münster u. a., 542-571.

Jäger, M. (2015): Unterrichtsstörung und Gewalt an Schulen: Erstellung, Umsetzung und Evaluation eines Lehrkonzepts zur professionellen Entwicklung angehender Lehrpersonen an beruflichen Schulen. Unveröff. Dissertation, Mannheim.

Jäger, M./Zimmermann, D./Ebner, H. G. (2005): Unterrichtsstörungen und Gewalt an Schulen: Möglichkeiten präventiven Lehrerhandelns. Lehrkonzept. In: Bericht aus dem BLK-Modellversuch: Kooperative Weiterentwicklung der Lehrerbildung für kaufmännische Schulen, Heft 8. Mannheim, Karlsruhe.

Köller, M./Köller, O./Baumert, J. (2016): Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. In: Möller, J/Köller, M./Riecke-Baulecke, T. (Hrsg.): Basiswissen Lehrerbildung: Schule und Unterricht Lehren und Lernen. Seelze, 9-22.

Schaarschmidt, U./Kieschke, U. (2013): Beanspruchungsmuster im Lehrerberuf. Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Potsdamer Lehrerstudie. In: Rothland, M. (Hrsg.): Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle, Befunde, Interventionen. 2., vollst. überarb. Aufl. Wiesbaden, 81-98.

Terhart, E./Bennewitz.H./Rothland, M. (Hrsg.) (2014): Handbuch zur Forschung im Lehrerberuf. 2. überarb. und erw. Aufl. Münster u. a.

Zlatkin-Troitschanskaia, O. /Beck, K./Sembill, D./Nickolaus, R./Mulder, R. (Hrsg.) (2009): Lehrprofessionalität. Bedingungen, Genese, Wirkungen und ihre Messung. Weinheim, Basel.

Zimmermann, D./Ebner, H. G. (unter Mitwirkung von: Geisselbrecht, M., Jäger, M., Teuffer, M.) (2005): Belastung und Beanspruchung von Lehrpersonen. Stand der Forschung und Konzepte zur Prävention negativer Beanspruchungsreaktionen. In Bericht aus dem BLK-Modellversuch: Kooperative Weiterentwicklung der Lehrerbildung für kaufmännische Schulen, Heft 1. Mannheim, Karlsruhe.

Zitieren des Beitrags

Jäger, M. (2017): Konflikte in der Schule: Erstellung, Umsetzung und Evaluation eines Lehrkonzepts zur professionellen Entwicklung angehender Lehrpersonen an beruflichen Schulen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Profil 5: Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen. Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER, hrsg. v. Matthäus, S./ Aprea, C./Ifenthaler, D./Seifried, J., 1-8. Online: http://www.bwpat.de/profil5/jaeger_profil5.pdf (23-05-2017).