bwp@ Profil 5 - Mai 2017

Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen

Profil 5: Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER

Hrsg.: Sabine Matthäus, Carmela Aprea, Dirk Ifenthaler & Jürgen Seifried

Primus inter pares: Hermann G. Ebner als Kollege

Beitrag von Sabine Matthäus & Wolfgang Müller

Wenn man als „Kollege“ eine Person bezeichnet, die mit anderen zusammen der gleichen Einrichtung oder Organisation angehört, so war es uns – den anderen – vergönnt, dich als eine solche Person zu zwei verschiedenen Zeitabschnitten zu erleben, nämlich 1992 bis 1994 als Inhaber der Professur für Berufs- und Wirtschaftspädagogik und ab 1998 als Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik I Design und Evaluation instruktionaler Systeme (vormals Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik bzw. Erziehungswissenschaft I).

Was wir, und zwar unterschiedslos über all die Jahre, mit und von dir erfuhren, war, gewissermaßen als Oberbegriff gefasst: „Kollegialität“. Dabei ist uns sehr wichtig, gleich hinzuzufügen, dass die damit bezeichnete, dem je anderen gegenüber gezeigte Wertschätzung und Verbundenheit nicht nur deinen Umgang mit Personen gleichen Status' prägte; vielmehr war die Zusammenarbeit mit allen in unserer Area Tätigen – ganz gleich, welchen Status sie innehatten, welche Funktion sie ausübten oder welcher Altersgruppe sie angehörten – von dieser Haltung bestimmt.

Dein ausgesprochen kollegiales Verhalten und Handeln äußerte sich bei zahlreichen Anlässen, in mannigfachen Situationen, und es konkretisierte sich in vielerlei Hinsicht:

So war es für dich selbstverständlich, beim Antritt der Professur die bestehenden inhaltlichen und personellen Strukturen zu beachten und in Bezug darauf das eigene Lehrangebot so auszurichten, dass für unseren Studiengang, und das heißt zuvörderst für dessen Studierende, das Bestmögliche erreicht wurde. Gleiches gilt für die spätere Übernahme des Lehrstuhls. Dessen Neuausrichtung erfolgte auf eine Weise, die uns bewusst mit einbezog, die somit keinen Abbruch, sondern vielmehr einen ebenso gleitenden wie vielversprechenden Übergang markierte, und die die Grundlage schuf für die vielen Jahre gemeinsamen produktiven wissenschaftlichen Arbeitens.

Die dich auszeichnende Kollegialität fand ihren Ausdruck ebenso in dem hohen Maß an Verantwortung, die du – über deinen eigenen Arbeits- und Funktionsbereich hinaus – oft genug für die gesamte Area übernahmst, wenn es darum ging, die Belange unseres Studiengangs in der Fakultät, gegenüber der Universitätsleitung, den davon tangierten Ministerien und Studienseminaren zu vertreten; wobei neben der inhaltlichen Positionierung auch noch anderes gefragt war, wie beispielsweise Geduld, Zähigkeit, Geschick, Rücksichtnahme, Umgang mit Ärger und Stress – und nicht zuletzt ein waches Auge auf eventuell aus dem Ruder laufende Entwicklungen, ergänzt durch einen scharfen Blick für den Moment des notwendigen, rettenden Eingreifens. So geschah es vor vielen Jahren, dass im Rahmen einer Tagung mit Vertretern eines baden-württembergischen Studienseminars – die Tagungsstätte lag in der Südpfalz – die Diskussion am Abend in einem Pfälzer Weinlokal fortgesetzt wurde, an deren mit schwerer Zunge eingeläutetem Ende mich dein beherztes Eingreifen davor bewahrte, den zu unserem Quartier führenden Weg zu verlassen, auf selige Weinpfade einzubiegen und auf den Zug nach Nirgendwo zu warten.

Bleiben wir im Bild von „Wegen und Pfaden“, so zeichnet dich aus, dass du in der Wissenschaft stets neue (innovative) Wege angeregt hast. Hatten wir die Ziele mit einem maßgeblichen Anteil von dir erreicht, so war es dir immer wichtig, das wir zu betonen und das ich absolut in den Hintergrund zu stellen. Es brachte aber auch Freude und machte zeitweilig richtigen Spaß, mit dir neue Wege zu gehen. Auf einer Dienstreise mit Zwischenstopp in Straßburg führte uns ein Spaziergang an der Ill in eine Sackgasse. Die Entscheidung, ob wir zurückgehen oder über eine hohe Mauer klettern, war schnell getroffen: ein „Zurück“ gibt es nicht – und hat es auch sonst nicht gegeben – also haben wir auch dieses Hindernis gemeinsam überwunden.

Die noch weit darüber hinausgehende Teilnahme am jeweils anderen erlebten wir in vielfältigen Situationen. Es war dir stets ein Anliegen, um das Wohl und Wehe der mit dir Zusammenarbeitenden zu wissen, uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, was bedeutete, im erforderlichen Falle – etwa im Falle von Krankheit oder besonderen Belastungsmomenten – deine Unterstützung anzubieten. So war es überhaupt keine Frage, dass du mir auf meinen ersten Klagelaut hin über Schwierigkeiten bei der Arbeit am Computer alle Hebel in Bewegung setztest, um schon am nächsten Tag mit einem neuen Gerät das Seh-Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

Deine Hilfe war aber auch im Freizeitbereich gefragt, so beispielsweise als ich ein neues Fahrrad brauchte. Nach meiner eher aussichtslosen Suche folgte ich deinem Rat und wir kauften gemeinsam für mich einen „Mercedes“ unter den Fahrrädern. Allerdings befähigte mich dieses Modell nicht automatisch zu besseren Fahrkünsten und auch nicht dazu, mit deinem Rennrad bei unseren gemeinsamen Touren durch den Odenwald oder durch die Weinberge der Pfalz mitzuhalten. Deine besagte Rücksichtnahme – ja mehr noch – dein Einfühlungsvermögen verboten es dir geradezu, mich das jemals spüren zu lassen.

Ein besonderes Erlebnis war es allemal, wenn du und Karin uns zu Besuch nach Hause einluden, um bei üppiger Speis' und süffigem Trank munteren Austausch zu pflegen, bis in die Nacht über Gott und die Welt zu reden und von deiner hoch gelegenen Terrasse aus (mit Blick und in Gedanken an den in der Stadt Ladenburg beheimateten großen Konstrukteur) mit automobiler Höchstgeschwindigkeit wissenschaftlich unerforschte Regionen zu durchqueren.

Obwohl du es ja mit der Geschichte „nicht so hast“, so bezeichnet sich dein Wohnsitz Ladenburg selbst als älteste Stadt Deutschlands rechts des Rheins. Nach den Kelten haben sich dort die Römer in einem Lagerdorf angesiedelt, der Keimzelle der späteren Stadt. Und wen wundert es – die ursprüngliche Verwendung des Begriffs „Kollege“ lässt sich bis in die Zeit der römischen Republik zurückverfolgen: nämlich als Bezeichnung derer, die, gleichberechtigt, zu zweit oder zu mehreren ein Magistratsamt besetzten und sich dabei (zwecks Verhinderung von Machtkonzentration) auch gegenseitig kontrollierten. Deinem Verständnis von Kollegialität entsprechend hast du gegenseitige Kontrolle nur als – mit deinen Worten – : „soziale Kontrolle“ im Sinne von Fürsorge für den anderen ausgeübt. Dazu gehörte es, dass man sich beim Betreten der Tiefgarage stets vergewisserte, ob das Auto des anderen auf dem Stellplatz steht oder eben nicht. Vor dem Hintergrund dessen, dass man in der Regel wusste, wo sich der jeweils andere gerade befand, hatte man damit ein Signal, dass alles in Ordnung ist.

Das uns gezeigte hohe Maß an Verbundenheit war insofern auch nie von einer Ausprägung, die totale Kohäsion eingefordert hätte. Sie gerierte sich vielmehr stets als eine Haltung, die uns das Gefühl von Wohlwollen und Anerkennung vermittelte, die sich jedoch niemals in Richtung einer Vereinnahmung wandelte.

Wenn du, lieber Hermann, nun am Ende des beruflichen Weges den Kreis der Kolleginnen und Kollegen verlässt und damit die Kollegenschaft endet, ist für uns in dieser Hinsicht das Bleibende die von dir gezeigte Kollegialität mit all den genannten Facetten und Erlebnissen. In Bezug auf die geschilderten Erlebnisse sind wir uns sicher, dass du sie – im Unterschied zu den Lesern – jeweils mit einem von uns beiden Autoren verbindest und erinnerst.

In hoher Wertschätzung wünschen wir dir, unserem Kollegen, „für die Zeit danach“ alles erdenklich Gute, nicht ohne den Hinweis darauf schließend, dass dir – gibt man der Kollegialität als einem Verfassungs- bzw. in unserem Zusammenhang als einem Organisationsprinzip in aller Kürze noch ein wenig gedanklichen Raum – ohne Frage der Platz des „Primus inter pares“ gebührt.

Zitieren des Beitrags

Matthäus, S./Müller, W. (2017): Primus inter pares: Hermann G. Ebner als Kollege. In: bwp@ Be­rufs- und Wirtschaftspädago­gik – online, Profil 5: Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen. Digi­tale Festschrift für HERMANN G. EBNER, hrsg. v. Matthäus, S./ Aprea, C./Ifenthaler, D./Seifried, J., 1-3. Online: http://www.bwpat.de/profil5/matthaeus_mueller_profil5.pdf (23-05-2017).