bwp@ Profil 5 - Mai 2017

Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen

Profil 5: Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER

Hrsg.: Sabine Matthäus, Carmela Aprea, Dirk Ifenthaler & Jürgen Seifried

Eine Kinderzeichnung als Text gelesen

Beitrag von Richard Stockhammer

In den Rahmungen möchte ich aus meiner immer wieder auflebenden Verbindung zu Hermann Ebner eine beiläufige Bemerkung Hermanns hervorheben, die auch Jahrzehnte später Wirkung in meinem Verhältnis zur Wissenschaft zeitigt. Neben dieser einmaligen – vielleicht prägenden – Bemerkung möchte ich eine Phase kontinuierlicher Zusammenarbeit hervorheben, die Arbeitsformen einführte, die ich immer wieder suchte, weil sie vermutlich tiefgreifende Veränderungen, also Bildung, ermöglichen.

Im Hauptteil skizziere ich, wie ich die Anstiftungen von damals im Jetzt aufgreife und was ich daraus als junger Wissenschaftler gerade mache. Als Praktiker interessieren mich der Übergang von der Praxis zur Wissenschaft und ihre Rekonstruktionsverfahren. Anhand der Zeichnung einer Schulanfängerin „Ich und meine Familie“ rekonstruiere ich, was uns PädagogInnen das Mädchen (auf mehreren Ebenen) sagen könnte. Dabei lasse ich mich von einer wissenschaftlichen Kunstlehre, der objektiven Hermeneutik Oevermanns, leiten, die den Anspruch hat, sowohl der Offenheit von Bildungsprozessen als auch der sozialisierenden Kraft immer wieder neu emergierender sozialer Strukturen gerecht zu werden. Mit der ungewöhnlichen Konstellation, dass ich als fast siebzigjähriger Dissertant erst an der Schwelle zur Wissenschaft stehe, spiele ich praxeologisch.

Kinderzeichnung Erna

1 Rahmungen

Einem Wissenschaftler wie Hermann Ebner, der sich sein ganzes Berufsleben hindurch vorwiegend im Medium der Schrift- und Wissenschaftssprache bewegt, könnte ich als Praktiker, der gerade erst die Perspektive des Wissenschaftlers professionell einnehmen will, nur wenig Neues in seinem Medium (der Wissenschaft) sagen. Vielleicht gelingt es mir aber, zum Übergang von der Praxis zur Wissenschaft etwas Interessantes beizutragen.

Also mache ich etwas Praktisches, ein Werk, die Zeichnung einer Schulanfängerin, zum Hauptgegenstand meiner Ausführungen. Und auch sprachlich nehme ich gern Zuflucht in der Bild-Metaphorik. Ich bleibe also (auch in dieser Hinsicht) bewusst im Grenz- oder Übergangsbereich zwischen Praxis und Wissenschaft. Methodologisch orientiere ich mich an einer Praxeologie, und zwar speziell bei der objektiven Hermeneutik Oevermanns. Eine die Praxis hochhaltende Methodologie sollte es mir als Quereinsteiger in das Wissenschaftsverständnis ermöglichen, meine Erfahrungen aus der Praxis neu zu sehen und besser zu verstehen.

Um die WissenschaftlerInnen unter den LeserInnen nicht zu lange mit erzählender vieldeutiger Alltagssprache zu mühen, aber auch, um mich im Übergang vom Alltag in die Wissenschaft übend zu zeigen, schiebe ich schon jetzt einen begrifflichen Exkurs ein. Dieser Exkurs sollte auch im Folgenden hilfreich sein, da er sich mit dem Übergang von praktischer – bloß im Tun erlebter – Erfahrung in reflektierte, also distanzierte und methodisch- rekonstruierte Erfahrung transformiert.

1.1 Exkurs: (Kunst-)Werk und Autonomie

Ich habe in der Überschrift zu diesem Exkurs „(Kunst-)“ eingeklammert, weil diese Ausführungen Oevermanns sich nicht auf Kunst beschränken, sondern auch allgemein Gültigkeit für die Transformation bloß innerer, erlebter Erfahrung in symbolisch ausgedrückte und damit auch breiter kommunizierbare Erfahrung behaupten.

Für mich ist dieser Ansatz pädagogisch interessant, weil damit eine Möglichkeit aufgezeigt wird, wie die speziellen Ausdrucksgestalten von Kindern gelesen und ernst genommen werden können, anstatt Kinder als kleine Erwachsene mit großen Defiziten gegenüber den „fertigen“ Erwachsenen zu betrachten. Auch die aktuelle Vermessung von SchülerInnenleistungen scheint diesem Muster, vom Fertigen oder Erwünschten auszugehen, zu folgen. So handelt man sich das Sprechen über – statt mit – den Kindern und die sogenannte „Defizitorientierung“ und ihre Folgen ein. Auch wenn das plakativ und sehr kurz gefasst ist, so kann man ein großes, teils erkanntes aber nicht gelöstes Dilemma des Schulwesens ganz gut charakterisieren.

Die folgenden Zitate sind dem Vorwort von Ulrich Oevermann zu Thomas Loers Dissertation: Halbbildung und Autonomie entnommen. Das gleichnamige Buch wurde 1996 erstmals publiziert, also auch zu jener Zeit, in der sich die objektive Hermeneutik in verschiedenen Anwendungsfeldern als empirische Forschung etabliert hat – in diesem Fall unter Anknüpfung an die Kritische Theorie Adornos zur Halbbildung, dieser aber eine Wendung zu empirischer Fundierung gibt. Ich halte angesichts des fortgesetzten Zugriffs aktueller Schulpolitik auf so wichtige Themen wie Bildung und Autonomie – eine zeitgemäße theoretische Fundierung dieser Begriffe für die Weiterentwicklung des Bildungswesens für ganz entscheidend – auch um Werke von Schülerinnen und Schülern besser zu verstehen.

1.1.1 Transformation von Sachvorstellungen in Symbolvorstellungen

„Im Kunstwerk und im künstlerischen Handeln kristallisiert sich gesteigert der auch für die Alltagspraxis in Anschlag zu bringende Modus der Konstitution von Erfahrung bzw. der Transformation von Sachvorstellungen in Symbolvorstellungen oder unartikulierter Roherfahrung in interpretierte Erfahrung. Insofern lässt sich am künstlerischen Handeln wie unter einem Vergrößerungsglas der allgemeine, für die Soziologie zentrale Mechanismus der Erzeugung von Erfahrung studieren“ (Oevermann 1996a, v).

Wie eingangs hervorgehoben, wird hier im „künstlerischen Handeln“ „Konstitution von Erfahrung“ aufgesucht, und zwar in seiner Transformation beschrieben: also wie Kunstschaffende ihre Erfahrung in ihrer – wie sich noch zeigen wird – selbst erschaffenen Symbolwelt zum Ausdruck bringen. Mein Interesse ist analog, ich möchte die – vermutlich letztlich selbstgeschaffene – Symbolwelt der einzelnen Kinder lesen können, und zwar auch als Transformation und Ausdrucksgestalt von Erfahrung.

1.1.2 „Autonomie“ bei Erfahrung und deren Ausdruck

„Das Kunstwerk ist insofern auf Autonomie grundsätzlich angelegt, als seine Geltungsbedingungen gerade nicht in der naturalistischen getreuen Protokollierung oder Wiedergabe von ihm selbst externer Realität liegen, sondern in der konsistenten Konstruktion einer ihm vollkommen immanenten fiktionalen Realität. Insofern ist die Kunst der privilegierte Ort des Entwurfs wahrheitsfähiger Utopien“ (Oevermann 1996a, v).

Hier wird also der Begriff „Autonomie“ eingeführt, und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens als typisches Strukturelement einer inneren, und damit dem Beobachter oder Betrachter oder Lesendem nicht von außen zugänglichen Innenwelt. Und zweitens, wenn jemand seine autonome Innenwelt (oder Erlebniswelt) zum Ausdruck bringt, muss er/sie ein ganzes (also autonomes) Bezugssystem mit zum Ausdruck bringen, da er/sie ja von seinem/ihrem speziellen und einzigartigen Erleben erzählt – auch wenn er/sie sich auf etwas Gesehenes (Äußeres) und damit Erlebtes (Inneres) bezieht. Autonomie bringt also eine relative Unabhängigkeit von Äußerem zum Ausdruck und man braucht sie, um sich in seiner Einzigartigkeit verständlich zu machen oder seine Sicht zu „entwerfen“.

1.1.3 „Authentizität“ als Relation

„Die Gültigkeit eines Kunstwerks und seine Autonomie ist dafür eine notwendige Bedingung, bemisst sich nicht an einer irgend gearteten Korrespondenz mit einer unabhängig von ihm existierenden Wirklichkeit (...). Vielmehr ist sie eine Funktion der Authentizität qua Ausdrucksgestalt in Relation zur fiktionalen Wirklichkeit, die ihr immanent ist. Insofern stellt das autonome Kunstwerk ein gesteigertes Modell für die Grundrelation von Authentizität zwischen Ausdrucksgestalt und verkörperter Lebenspraxis dar. ‚Wahrheit‘ ist hier nicht eine Funktion von Argumenten, deren Geltung sich in einer Kombination von immanenter logischer Schlüssigkeit und erfolgreicher Konfrontation mit protokollierter Erfahrung überprüfen lässt, sondern eine Funktion der Gültigkeit der Ausdrucksgestalt als prägnanter Verkörperung einer Praxisform“ (ebd., v f.).

Hier wird auch noch der Begriff der „Authentizität“ eingeführt und gefasst als „Grundrelation zwischen Ausdrucksgestalt und verkörperter Lebenspraxis“. In meiner obigen Paraphrasierung des Zitates habe ich noch von „innerem Erleben“ gesprochen, ein viel enger und passiv gefasster Begriff als das hier von Oevermann gebrauchte Konstrukt „Lebenspraxis“. In letzterem drückt sich viel stärker Handeln aus, das nach längerer Ausübung zu einem Habitus des Handelns wird und damit zu konsistenten Ausdrucksweisen mit einer Handschrift.

1.1.4 Ein allgemeingültiges Modell von lebenspraktischer Authentizität und Sachhaltigkeit

„Schließlich artikuliert sich in der Grundrelation der Authentizität von Ausdrucksgestalt und Lebenspraxis ein über das künstlerische Handeln hinausgehendes, allgemeingültiges Modell von lebenspraktischer Authentizität und Sachhaltigkeit, an dem sich allgemein das für die Moderne zentrale Verhältnis von Resistenz der autonomen Lebenspraxis und formaler Rationalität, von lebendiger Erfahrung im Sinne Adornos und standardisierter Produktion und Problemlösung ablesen lässt“ (Oevermann 1996a, vi f.).

Wie schon weiter oben, als von „gesteigerter Alltagspraxis“ die Rede war, angedeutet, wird hier von einem „allgemeingültigen Modell von lebenspraktischer Authentizität und Sachhaltigkeit“ gesprochen. Ich finde das im Hinblick auf mein praktisches Interesse in zweierlei Hinsicht brauchbar: Erstens erhoffe ich eine Anleitung für die (wissenschaftliche) Praxis der Rekonstruktion und da ist die Orientierung an Modellen oft hilfreich, weil entlastend. Und zweitens trifft dieses Modell eine grobe Unterscheidung zwischen „standardisierten Problemlösungen“ und „dagegen resistente autonome Lebenspraxis“, die auf „lebendiger Erfahrung“ aufbaut. Diese Unterscheidung betrifft dem Autor zufolge die „Moderne“ und gibt mir eine sehr allgemeine Einordnung – als Hypothese – in meinen Suchbewegungen, die sich ja auf innovative Bemühungen im Schulwesen beziehen.

(Ende des Exkurses)

1.2 Forschungswerkstatt

Hermann Ebner hat einen erheblichen Einfluss auf meinen Berufs- und Bildungsweg und vor allem auf mein Verhältnis zur Wissenschaft – auch wenn wir sehr verschiedene Pfade beschreiten und einander sehr selten sehen.

In den Nach-68er-Jahren war Hermann gerade etablierter Assistent an der Universität Linz am Institut für Wirtschaftspädagogik unter Leitung von Reinhard Czycholl. Hermann und ich kannten uns über gemeinsame Freunde. Mein Studium drohte wegen anderer Interessen zu versanden: Den Lebensunterhalt für mich und meine junge Familie mit Kleinkind verdiente ich als Lehrer, zunächst an Volks-, dann an Hauptschulen und schließlich an Polytechnischen Lehrgängen; in der verbliebenen freien Zeit studierte ich Soziologie, was mich auch in Verbindung zu verschiedenen Bewegungen brachte, denen ich mich immer mehr widmete.

Nach erheblichen Verzögerungen meines Studienfortschritts war es ein interessantes Forschungsprojekt, das mir das reguläre Studium wieder schmackhaft machte. Es handelte sich um eine mehrsemestrige Forschungswerkstatt zu „kritischen Lebensereignissen“. Wir, die Mitwirkenden der Seminargruppe um Hermann Ebner, erhoben und publizierten Lebensgeschichten von Personen, die aufgrund ihrer kritischen Lebensereignisse eine leibliche Rehabilitation und einen beruflichen Neuanfang durchmachten.

1.3 „Für die Berufung zur Wissenschaft ist es nie zu spät“

Als Vorbereitung unterzogen wir auch unsere eigenen Lebensgeschichten einer probeweisen Untersuchung. In diesem Zusammenhang prägte sich mir eine Äußerung Hermanns ein, die er eher beiläufig machte, die mich aber ermutigte, doch noch meinen Studienabschluss voranzutreiben: „Für die Berufung zur Wissenschaft ist es nie zu spät“. Hermann meinte das nicht nur bezogen auf mein verzögertes Magisterstudium, sondern auch auf einige namhafte Wissenschaftler, die keine „idealtypischen“ Karrieren hinter sich hatten.

Irgendwie schaffte Hermann Ebner es, mir Wissenschaft, die ich damals auch mit großer kritischer und antiautoritärer Distanz betrachtete, persönlich nahe zu bringen und in neuen Dimensionen spüren zu lassen. Damit sagte er ja nebenbei, die Berufung zur Wissenschaft sei keine Frage des Alters. Und so ersuchte ich ihn auch, meine Diplomarbeit „Schüler deuten ihre Lebenssituation – Reflexionen eines Deutschlehrers“ zu betreuen. Zwei Jahre später schloss ich mein Studium – inzwischen war die Zeit auf 1983 vorgerückt – als Magister der Soziologie in Linz ab. Die Kombination: Praxis als Lehrer plus Studium trug außerdem wesentlich dazu bei, dass ich mich erfolgreich im Unterrichtsministerium in Wien bewerben konnte.

1.4 „Lehrstellenbewegung“ – ausgehend von einer Schule, unterstützt von WissenschaftlerInnen

Zum Erfolg dieser Bewerbung trug auch bei, dass eine sogenannte „Lehrstellenbewegung“ von jener Schule ausging, an der ich tätig war: Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen und auch WissenschaftlerInnen der Uni-Linz (vor allem Czycholl und Ebner) sowie Wirtschafts- und GewerkschaftsfunktionärInnen waren beteiligt und forderten ein „Recht auf Ausbildungsplätze“.

1.5 Kollaborationen

Während Hermann sich mehr und mehr im Wissenschaftsbetrieb etablierte, fasste ich in der politiknahen Schulverwaltung, im Bildungsministerium in Wien, Fuß. Manchmal fragte ich dann Professor Hermann Ebner als wissenschaftlichen Experten an, etwa als Mentor einer Lehrplan-Entwicklungsgruppe für den an Bedeutung gewinnenden Unterrichtsgegenstand „Berufskunde“ zunächst an Polytechnischen Lehrgängen, sodann „Berufsorientierung“ in den Sekundarschulen (d.h. in Schulen für Zehn- bis Vierzehnjährige).

Während ich bei meiner Arbeit in der ministeriellen Hochbürokratie von meinen praktischen Erfahrungen als Lehrer und Aktivist in Bewegungen zehrte, brachte Hermann mit großer Elastizität seine Erfahrung aus dem Wissenschaftsbereich in von der Bildungspolitik proklamierte „Bereiche mit Handlungsbedarf“ ein – wie die Etablierung der Berufsorientierung im Lehrplan der Sekundarschulen.

Dann brach der Kontakt zwischen Hermann und mir weitgehend ab, auch wenn ich Hermann in den verschiedenen Städten seines Wirkens jeweils kurz besuchte und mich nach dem jeweiligen Wissenschaftsbetrieb erkundigte.

1.6 Offen gebliebene Diskussionsthemen

Manche unserer Diskussionen vor unseren unterschiedlichen Erfahrungshintergründen beschäftigen mich heute, nach Aufnahme eines Promotionsstudiums der Bildungswissenschaft neu. Ich erinnere mich an hitzige (und wiederkehrende) Diskussionen mit Hermann, die sich um die Bedeutung und Wirkung von „Zielen“ und „Vorgaben“ im Unterricht sowie in der Steuerung der Institutionen des Schulwesens bzw. der Universität drehten. Dabei spielten die von uns subjektiv wahrgenommenen (und immer wieder neu bewerteten) Gestaltungsmöglichkeiten eine große Rolle.

Gerade in Hinblick auf immer wieder forcierte Debatten über bessere Steuerung im Schulwesen beschäftigte mich zunehmend die Abgehobenheit dieser Steuerungsanstrengungen vom „Kerngeschäft“ des Schulwesens: Bildung zu begünstigen, was wesentlich mehr bedeutet als die Betrachtung, Ausrichtung, Steuerung und Evaluation der Schule als Betrieb. Zweifelhaftes Symbol dieser betriebswirtschaftlichen Ausrichtung sind für mich bis heute die sogenannten Bildungsstandards.

Folgende Frage ist aus meiner Sicht offen geblieben:
Wie ist Bildungspraxis in Kollaboration mit WissenschaftlerInnen besser zu fundieren?

1.7 Erste Reflexion dieser Rahmungen

Es gab zwei längere Phasen der Kollaboration von Hermann und mir. In der Forschungswerkstatt zu kritischen Lebensereignissen fand ich diese Frage im kleinen Rahmen eines mehrsemestrigen Seminars gut aufgehoben, also praktisch beantwortet. Allerdings wurde damals ein Antrag auf Forschungsförderung abgelehnt, womit das Projekt sich mit einer kleinen Publikation zufrieden gab. Vermutlich hat dieser Umstand Hermann mehr tangiert als uns StudentInnen, die wir ohnehin letztlich auf eigenen Karrierewegen unterwegs waren.

Eine zweite Kollaboration betraf den Lehrplan Berufskunde / Berufsorientierung / Vorbereitung auf die Arbeitswelt / Berufsberatung. Selbst wenn dieser Plan brillant gewesen sein mag, zeigte sich rasch, dass die Voraussetzungen für die Durchführung dieses Plans, etwa die Qualifizierung der Lehrkräfte, nicht einmal halbherzig angegangen worden sind: Weder in den Systemen der Forschung und LehrerInnenbildung noch im System des Schulwesens selbst konnten bis heute günstige Bedingungen für diesen komplexen Bereich von Bildung geschaffen werden.

Ich widmete mich daraufhin dem Aufbau eines Entwicklungsverbundes “net-1“ (s. Exkurs unter 2.1.1). Allerdings ist dieser Freiraum zur Entwicklung im Zuge von Reformen untergegangen. Das ist mit ein Grund für mich, doch noch neue Möglichkeiten als Wissenschaftler – diesmal jedoch mit deutlich größerer Distanz und überlegter Methodologie – zu finden.

2 Zur Rekonstruktion einer Kinderzeichnung

2.1 Zur Vorgeschichte der Rekonstruktion und zur Vorgangsweise

Nach einer längeren Pause, in welcher der gemeinsam geschaffene Entwicklungsverbund net-1 (siehe den folgenden Exkurs) zerfallen war (auch weil ich pensionsbedingt meinen Posten im Ministerium geräumt hatte) verblüffte mich eine Schulentwicklerin und langjährige Weggefährtin mit einem radikal auf Werken von Kindern gegründetem Portfolio-Konzept.

2.1.1 Exkurs: „net-1“ — ein Projektverbund zur Unterrichtsentwicklung und seine Vorgeschichte (aus dem Dissertationskonzept)

Etwa 1990 wurde vom österreichischen Unterrichtsministerium eine Arbeitsgruppe mit offenem Auftrag eingerichtet, die „AG Freiräume“, welche kleine Initiativen und Kooperationen, gemischt nach beteiligten Ebenen und Professionen, anregte und realisierte. Fragen, denen dabei nachgegangen wurde, waren beispielsweise: Wie kann eine Überlastung der SchülerInnen durch Hausübungen vermieden werden? Oder: Lehrer gehen ins Umfeld, auf welche Bildungserträge kommt es an? Oder: Alle sprechen von Individualisierung. Wer möchte an einem gemischt-professionellen Lehrgang berufsbegleitend teilnehmen? So wurde über einen Zeitraum von etwa 17 Jahren ein zumeist auch bildungspolitisch artikulierter Handlungsbedarf „pädagogisch zu wenden" versucht. Diese Initiativen sammelten und verstärkten ein bestehendes Milieu von Innovationsbereitschaft. Diese Vorgangsweise wurde von meinem Vorgesetzten im Ministerium (oder dem/der MinisterIn) in jedem Einzelfall unterstützt und genehmigt.

Der innovative Projekt- und Schulverbund net-1: Von 2006 bis 2012 wurden solche Initiativen zu einem losen Verbund zusammengeschlossen, periodisch wurden neue Projektziele ausgehandelt und teilweise auch vorgegeben. Die Teilnahme war freiwillig. Als unmittelbarer Auftraggeber fungierte ich (wie schon bei Initiativen der „AG Freiräume“), gestützt auf die Ressourcen der Hauptschulabteilung, die ich bis 2010 geleitet hatte, und unterstützt vom zuständigen Sektionsleiter. Eine derartige Bündelung von Ressourcen als Entwicklungsnetzwerk war nicht unumstritten. Als Coach und Programmdirektor wurde ein externer Unternehmensberater, Wilfried Schley, der auch Co-Leiter der Leadership Academy des Bildungsministeriums war, engagiert. In sieben Projekten wirkten etwa 300 Personen von 116 Schulen (Hauptschulen, AHS-Unterstufen, Privatschulen, Sonderschulen) mit. Immer wieder stießen die AkteurInnen auf verschiedenen Ebenen des Schulwesens sowohl auf große Zustimmung als auch an Grenzen (Vgl. Stockhammer 2011). Die Entwicklung von net-1 war zunehmend überlagert worden durch neue bildungspolitische Strategien bzw. Reformen, wie die Einführung von Bildungsstandards und der Neuen Mittelschule, sowie durch innere Organisationsreformen des Bildungsministeriums.

2.1.2 Autobiografische Perspektiven

Als junger Lehrer habe ich das Geschehen an der Schule als sehr lebendig, komplex und anspruchsvoll – jedoch auch erstaunlich stabil und teilweise antiquiert – erlebt, auch wenn (vereinzelt?) recht Ungewöhnliches möglich war.

Später, als frischer Beamter des Unterrichtsministeriums, registrierte ich verwundert, wie verschiedene Spitzenbeamte ihre jeweiligen Vorstellungen von den Vorgängen in den Schulstuben als Grundlage für die Aushandlung von Ergänzungen oder Abänderungen des meist bereits umfänglichen und weit verzweigten, stabil erscheinenden Regelwerks nahmen. Diese Regelungen kamen den Schulleuten „vor Ort" meist kompliziert und fern ihrer Realität vor.

Diese mehrfachen Diskrepanzen zwischen dem dichten, bunten Leben „vor Ort" (das gleichzeitig auch stabilen Strukturen zu gehorchen schien) und den Versuchen der Regelung aus dem „hohen" Ministerium sollten fortan (bis in die Pension) meine Denkweise und meine Verarbeitungsstrategien beschäftigen.

(Ende des Exkurses)

2.2 Zum Kontext der zu rekonstruierenden Kinderzeichnung

Radikal – so meine Annahme – ist dieses Konzept der Schule bzw. der Schulleiterin (dessen „kleines Ergebnis“ ich rekonstruiere), indem es die Inbegriffe schulischer Standardisierung (und Fremdbestimmung), „Lernstand“ und „Kompetenz“, in die persönliche Autonomie der an ihrer Bildung im Verband ihrer Schule arbeitenden Kinder zurückgibt. Das geschieht durch Betonung aktiver, kreativer, sinnlicher „Arbeit“ und die Verständigung über Werke, auf die jeder/jede Produzent/in stolz sein kann, indem eine schlichte Verständigung und Reflexion über das Geschaffene auch mit vor-sprachlichen oder betont eigen-sprachlichen Ausdrucksweisen betrieben wird.

Solche Werke von SchülerInnen möchte ich verstehen und auch die dahinterstehenden Konzepte, die aus jahrzehntelangen Anstrengungen von Schul- und UnterrichtsentwicklerInnen in autonomer Praxis entstanden sind.

2.3 Die forschungsleitenden Fragen an die zu rekonstruierende Zeichnung und ihre Implikationen

Die Fragen, die mich leiten, lauten:

Wie gelingt es – nachvollziehbar – eine Kinder- bzw. Schülerzeichnung zu „lesen“?

Dahinter steht auch die Frage: Wie gelingt es der Schule Bedingungen herzustellen, unter welchen das Schulkind sich weitgehend unverfälscht (von schulischen Eingriffen) äußern kann. Diese durchaus schulkritisch gemeinte Äußerung bedarf der näheren Erläuterung, denn damit impliziere oder unterstelle ich letztlich, dass die Schule zu viel (des Guten) tun könnte, was umgangssprachlich auch oft als „Verschulung“ bezeichnet wird.

Will ich aber meine Analyse nicht schon vorneweg mit wertenden Äußerungen (wie Verschulung) belasten und umgekehrt auch nicht-schulische Zielsetzungen als gegeben oder als unhinterfragte Norm hinnehmen, bietet es sich an, einen Zugang von Werkanalysen (wie bei Kunstwerken) zu wählen.

Zu diesen Werkanalysen wird hier zunächst ein praktischer, rekonstruierender Zugang (im Sinne einer Forschungswerkstatt) gewählt, gleichzeitig verweise ich auf den Exkurs: (Kunst-) Werk und Autonomie (s. Kap. 1.1).

2.4 Rekonstruktion nach einem frühen Konzept objektiver Hermeneutik: Verfahren der Feinanalyse

Obwohl vor allem Oevermann immer wieder betont, die objektiv hermeneutische Rekonstruktion sei weder eine technische Methode noch ein Kategoriensystem, in das man Phänomene einordnen (subsumieren) könne, halte ich mich im Folgenden relativ eng an ein „Neun-Ebenen-Konzept“ als „Verfahren der Feinanalyse“. Dies tue ich in Kenntnis sowohl einer beträchtlichen Anzahl von grundsätzlichen methodologischen Darlegungen Oevermanns als auch dazugehöriger Fallanalysen, da ich gerade diese Darlegung für besonders konsistent und verständlich halte. Dies vermutlich deswegen, weil eine vierköpfige Interpretationsgruppe um Klarheit der Ausführungen gerungen hat, oder weil dieses Konzept im Kontrast zu anderen Verfahren erläutert ist. Darüber hinaus halte ich sie für geeignet, eine Werkstättentätigkeit anzuleiten (vgl. Oevermann et al.1979). Weiter unten zitiere ich die „Ebenen“ der Rekonstruktion in der Regel bereits in den Überschriften, beziehungsweise den anschließenden Zeilen wörtlich, in der Absicht, sehr nahe an dieser ursprünglichen Anleitung entlang zu arbeiten. Diese ist allerdings im zitierten Artikel auf Basis eines ganz anderen Materials, nämlich anhand der Analyse der Tonbandprotokolle der Interaktionen in einer Familie, die einige Male Beobachter ins Familiengeschehen einbezogen hat, entstanden. Umso verblüffter war ich, als ich diese Anleitung am Bildmaterial einsetzte, denn die methodische Umsetzung ging mit ihrer Hilfe leichter von der Hand, als mit einem fünf Jahre später erschienenen Methodenbuch von Garz und Kraimer (1994). Vielleicht bin (bloß) ich gegen methodische Anleitung resistent, jedenfalls scheint mir auf einem ausführlich dargelegten Fall basierende methodische Reflexion praktikabler. Auch diese Verblüffung wird im Schlussteil nochmals als Krise im Verhältnis zu Routine thematisiert.

Besonders ausführlich wird die „Ebene 0“ erläutert und angewandt, da ihre Zwischenergebnisse den Hintergrund bilden sollen, auf den sich die weiteren Ebenen oder Schritte der Rekonstruktion beziehen können sollen.

2.5 Die ganzheitliche Ebene 0: Was geht dem vorliegenden Interakt voraus?

Es geht (vornehmlich) um eine „virtuelle Sicht desjenigen, der als nächster interagiert“ (Oevermann et al.1979, 395). Von Beginn an geht es somit nicht um etwas Statisches, sondern um etwas Dynamisches, eine Szene einer Interaktion, die Teil einer ablaufenden Handlung ist.

Die Wichtigkeit, sich (rekonstruierend) in den „Systemzustand vor dem betreffenden Interakt“ hineinzuversetzen, wird auch damit begründet, dass „sinnhaft mögliche Handlungsalternativen zur Explikation gebracht werden“, so entstehe eine „analytische Folie, auf der die verschiedenen Bedeutungsfacetten- und -funktionen eines folgenden Interakts über einen oberflächlichen ‚common sense’ hinaus in einer Weise freigelegt werden können, dass auch jene Bedeutungselemente zur Geltung gebracht werden können, die die bewusste Realisierung des handelnden Subjekts überschreiten und in dessen bewusst repräsentierte Antizipation des Sinns und der Wirkung des eigenen Handelns nicht eingehen.“ (Oevermann et al.1979, 395).

2.5.1 Wie komme ich in die Perspektive des Zeichenprozesses?

Ich versuche mich an den Anfang des nun längst fertigen Zeichenprozesses zu imaginieren, um Handlungsalternativen der AkteurInnen zu erspüren. Dazu lege ich (neben die fertige Zeichnung) ein leeres Blatt (gleicher Größe und Farbe) und eine ähnliche Anzahl von Farben (bzw. Filzstiften), wie sie in der Zeichnung zu sehen sind. Um nicht einfach meine eigene Vorstellung mit dem leeren Blatt in Verbindung zu bringen, versuche ich aus dem Werk Entstehungskontexte herauszulesen und auch zu erinnern, was ich von der Schulleiterin zu den Entstehungsbedingungen schon erfahren habe. Ausgehend von den wenigen bekannten Kontexten und Impulsen möchte ich in Richtung möglicher, denkbarer Kontexte und Interaktionsvarianten weitersuchen.

2.5.2 Wie lautete der Auftrag oder der Impuls zu zeichnen?

Zunächst konzentriere ich mich auf den „Werk-Auftrag“, also das vorgegebene Thema der Zeichnung. Vielleicht kann ich mich in diese Situation hineindenken? Die Schulleiterin, die mir (und einer gemeinsamen Bekannten, ebenfalls Schulleiterin) diese Zeichnung zeigte, nannte als Thema: „Ich und meine Familie“. Vielleicht werden die Kinder eingeladen, sich anhand der Zeichnung im Rahmen ihrer Familie oder auch ihrer Wohnumgebung vorzustellen. In diesem Fall, so erzählt die Schulleiterin (sie ist nicht die Klassenlehrerin), haben alle in der Klasse (es ist eine Mehrstufen-Klasse) dieses Thema als Aufgabe bekommen. Soweit ist der Kontext bekannt. Alles Weitere sind eher Spekulationen oder – in der Terminologie der Rekonstruktion (hier der objektiven Hermeneutik) sogenannte Lesarten, deren Funktion es ist, verschiedene Handlungsalternativen in den Blick zu bekommen.

2.5.3 Nur wenige Anhaltspunkte für die Situation der Werk-Erstellung

Unbekannt ist mir, ob die Zeichnung, wie in vielen Schulklassen üblich, gleichzeitig von allen SchülerInnen angefertigt wird. Denkbar – im Kontext einer (hier vorliegenden) Mehrstufenklasse – ist auch ein Auftrag anfangs der Woche, derart: „Bis zum Freitag soll jeder, jede dieses Blatt ‚Ich und meine Familie’ fertigstellen. Dann werden eure Zeichnungen an der Wand ausgestellt!“ Der Auftrag könnte auch viel „geschmeidiger“, oder anders gesagt: einladender ausgesprochen worden sein: „Ich bin schon gespannt, was deine Zeichnung ‚Ich und meine Familie’ zeigt, erzählt. Die Filzstifte liegen schon bereit. Zeichenpapier könnt ihr im Regal aussuchen.“ Ich weiß auch, dass diese Zeichnung an der Schule wichtig genommen wird und zum Konzept der Schule gehört; sie wird laut Schulleiterin jährlich angefertigt und vier Wochen ausgestellt – und, falls die einzelnen SchülerInnen das so entscheiden, in ihrer „Mappe“, die ich Portfolio nenne (die Schulleiterin nennt sie „Kompetenzmappe“), eingeordnet.

2.5.4 Lesarten – Kontexte – Koakteure

Obwohl sich die hier praktizierte Rekonstruktionsweise bloß auf Lesarten des vorliegenden Protokolls beziehen soll, wurden an obiger Stelle einige Kontextinformationen dargelegt (ans Bild herangetragen), um die mir bekannten Aspekte des Kontexts auch dem/der LeserIn zugänglich zu machen. Dadurch soll jedoch der genaue und unvoreingenommene Blick auf das Vorliegende nicht verstellt werden. Schließlich hat auch das Kind nicht bloß vor dem leeren Blatt gesessen. Vielmehr ist ihm ein Thema vorgegebenen worden; auch dass es eine Filzstiftzeichnung werden sollte, war ziemlich sicher vorgegeben, ebenso ein Zeitrahmen. Und (höchstwahrscheinlich) wurde die Zeichnung im Verband der Klasse hergestellt, auch wenn nicht klar ist, wie die Organisationsweise beim Zeichnen war; es kann aber eher davon ausgegangen werden, dass die Kinder in Ungleichzeitigkeit „gearbeitet“ haben, was schon wegen der Altersunterschiede in dieser Klasse zur Normalität gehört. Außerdem konnte die Zeichnerin vermutlich, wenn sie dies wollte, sehen, was andere zeichneten – unabhängig davon, ob die Schülerinnen und Schüler gleichzeitig oder nicht gleichzeitig zeichneten. Solche Überlegungen sind schon Ansätze für Lesarten, deren Funktion es ist, Handlungsmöglichkeiten und dazugehörige Kontexte in den Blick zu bekommen.

2.5.5 Interagierende Akteure

Da ein Akteur nicht als vereinzelter gesehen wird, sind alle, die ins Bild gesetzt wurden (und auch solche, die nicht im Bild sind) mit zu bedenken: „Idealiter müssten die Optionen für alle beteiligten Subjekte, nicht nur für dasjenige, das als nächstes interagiert, auf diese Weise expliziert werden, da der im Protokoll ausgewiesene, faktisch erfolgte Interakt einer konkreten Person in sich schon eine Selektion unter den rekonstruierbaren Optionen darstellt. Eine zwischen mehreren Subjekten ablaufende Interaktion lässt sich nicht, wie das soziologische Forschung häufig reifizierend unterstellt, aus einzelnen Handlungen zusammenaddieren, sondern ist ein permanenter Prozess zwischen allen Beteiligten“ (Oevermann et al.1979, 395).

Ich suche die Zeichnung nach AkteurInnen und deren Interaktionen, also aufeinander bezogene Tätigkeiten ab:

Da ist die Gruppe von vier Personen, die mir als Gruppe auffällt; sie scheint zu einem Betrachter (wie mir) zu blicken, dem Betrachter zuzulächeln, ja sogar zu winken – Interaktion zum Betrachter hin? Schaut man auf Beine und Füße, dann geht die Gruppe gemeinsam. Die Füße der beiden großen Personen bilden eine Linie, formen eine Richtung (ganz am Rand des gebogenen Weges). Die vorangehende Frau geht besonders demonstrativ (oder auch suggestiv?), der Mann hinter ihr scheint ihr (auch demonstrativ, eine Hand an ihrer Hüfte) zu folgen. Die andere Hand übrigens (schützend oder Verbindung haltend) über den beiden Kindern. Die beiden Kinder bilden ihrerseits mit den Füßen eine Linie, die zu jener der beiden Erwachsenen hinführt. Der Weg scheint um das Haus und den Zaun (oder das Rankgerüst) vor dem Haus herum oder vorbeizuführen, sowie um das wilde Grün – vielleicht ein Hügel oder wuchernde Pflanzen oder Ranken. Dieser Hügel oder die grünen Striche ergeben – als eigenes Element der Zeichnung – kein klares Bild, obwohl sie einen Großteil der Zeichnung ausmachen. Als Interaktion gelesen, drängt das (ungewisse?) Grün alle anderen Akteure zur Seite oder an einen der beiden (Bild-)Ränder. Das Haus im Hintergrund neigt sich (entsprechend dem Rund des Hügels?) nach rechts (von der Gruppe weg); allerdings neigen sich die Fenster auffällig nach links hin zur Gruppe. Sonne und Himmel über der Gruppe wirken wie das Lachen der Gruppe, freundlich wohlwollend. Das Datum „24 . 09“ steht wichtig – wie eine Inschrift – über der Gruppe, und ist von gleicher Größe wie ein Name links oben, vermutlich der Vorname der Zeichnerin.

2.5.6 Was in welcher Farbe ist

Vermutlich sollte man die Farben auch als interagierende Akteure betrachten. Kindern sind Farben vermutlich besonders wichtig, ja von magischer, also mitwirkender Bedeutung. Ich betrachte sie zunächst so, als ob sie neue Zusammengehörigkeit stiften: Der Mann, die Fenster, die Wolken (oder der Himmel) und die Augen des kleineren Mädchens sind blau. Die Haare der Frau (bzw. der vorangehenden weiblichen Person), des größeren Mädchens und der Sonne sind gelb. Dunkelbraun sind das Kleid und die Schuhe der Frau sowie Haare, Bart, Augen, Lippen des Mannes und auch Umrisse aller Köpfe, sowie Datum und Name über der Gruppe; weiter die Konturen des Hauses und auch der Zaun (das Rankgerüst) sind dunkelbraun. Das Kleid des kleinen Mädchens und der Hügel (oder die Ranken) sind grün. Rot sind die Dächer, die Beine des kleineren Mädchens, das Kleid des größeren Mädchens, die lachenden Lippen (Münder) der drei weiblichen Personen sowie die Socken des Mannes. Braun sind die Haare des kleineren Mädchens, die Beine des größeren Mädchens und die Schuhe des Mannes. Die Striche des Weges sind blassgelb. Die Farbe des Papiers (Zeichenblattes) ist blassgrün. (Der Rand des Farbausdrucks ist aus technischen Gründen weiß, das Blatt ist eingescannt und ausgedruckt).

2.5.7 Zum Systemzustand und dem Zustand vor dieser Szene

Mir fällt die mehrfache Formiertheit der Gruppe auf, wie sie auf dem Weg der demonstrativ vorausgehenden Frau folgt und alle lachen und (demonstrativ) winken. Die Formiertheit der Gruppe und die klare Erkennbarkeit aller anderen Bildelemente, die alle wohlproportioniert zueinander erscheinen, heben sich ab von dem unklar ausgeführten Hügel oder was es auch immer ist. Wenn ich als Beobachter, zu dem die Gruppe schaut, die Szene benennen wollte, dann etwa so: „Eine geschlossene Gruppe (Familie) auf einem schwierigen Weg.“ Oder: „Mit guter Miene ins Ungewisse ...“. Aus der Perspektive des zeichnenden Mädchens würde ich den Systemzustand zusammenfassend so bezeichnen: „Meine Familie begleitet mich.“ Vielleicht würde ich etwas genauer sagen, auf welchem Weg oder wohin, zum Beispiel (... am ersten Tag zur Schule).

Der Zustand vor dieser Szene könnte so lauten: „Sammeln für den Aufbruch.“ Auch dabei wäre diese Gruppe, vermutlich eine Familie, wohlgeordnet und unter Führung eines der Erwachsenen, während der zweite Erwachsene demonstrativ mittut. Natürlich könnte es andere Szenarien geben: dass die Gruppe spät dran ist, dass irgendwelche Kleidungsstücke nicht gefunden werden, dass sich ein Kind nicht ins sozial Unvermeidliche fügen will, usw.

Der Ausgangspunkt (die „Ebene 0“) der Rekonstruktion wurde hier relativ ausführlich behandelt, weil die weitere Rekonstruktion sich immer wieder darauf beziehen soll. Im Vordergrund dieser eher ganzheitlichen Betrachtung stand die Absicht, die Szene als Interaktion zu betrachten und daher (oder dafür) aufeinander bezogenen Aktionen, Tätigkeiten der Akteure anzusprechen und ein interagierendes System wahrzunehmen. Sie wird als „ganzheitliche Ebene 0“ bezeichnet, da die Fragestellung auf dieser „Ebene 0“ den Systemzustand betrifft und den Zustand vor dem Interakt. Dies setzt voraus, dass man die Szene mit beträchtlichen Abstand und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, denn nur so kann man einen Zustand erkennen sowie einen (anderen) Zustand vor diesem Zustand.

3 Rekonstruktion einzelner Ebenen der Szene

3.1 Ebene 1: Paraphrase des Interakts

Obwohl diese „Ebene 1“ bei Oevermann et al. (1979) an einem Sprachtext beispielhaft ausgeführt ist, halte ich auch im Fall dieser Kinderzeichnung an der methodischen Anleitung fest, anstatt eine der beispielhaften Anleitungen zur Bild-Hermeneutik auszuwählen. Obwohl prinzipiell interessant, haben mich die klugen Ausführungen doch vom „Lesen“ des Bildes abgelenkt.

3.1.1 Die (soziale) Welt als Text

Dazu muss vielleicht zweierlei erwähnt werden: In der Logik der objektiven Hermeneutik werden alle Ausdrucksgestalten sozialer Praxis in ihrer materialen Seite (hier eine Filzstift-Zeichnung auf blass grünem Papier) einerseits als „Protokoll“ und andererseits in ihrer symbolischen Seite als „Text“ bezeichnet (vgl. Leber/Oevermann 1994, 384 ff).

3.1.2 Weitere Versprachlichung des Bildtextes

Bereits bei Betrachtung des „Systemzustandes“ und der Imagination der „Szene vor der Szene“ – also des wechselnden Systemzustandes auf Ebene 0 – kam es zu einer ersten Paraphrasierung des Bildes, an der jetzt mit etwas anderem Fokus noch einmal angesetzt wird. (Da die nun folgende weitere Paraphrasierung – wie sich im Arbeitsprozess später herausstellte – nur wenig an neuen Erkenntnissen bringt, wird an dieser Stelle dem/der LeserIn vorgeschlagen, die folgenden Absätze zu überspringen und bei Kap. 3.2 weiterzulesen.)

Eine Gruppe, vermutlich eine Familie, voraus eine Frau, hinter ihr ein Mann, neben dem Mann ein größeres und ein etwas kleineres Kind, gehen auf einem Weg, der an einem groben Zaun (vielleicht auch ein Rankgerüst für Pflanzen) und einem Haus oder Häuserkomplex vorbeiführt.

Vor dem Haus und vor dem Weg ist in Grün etwas Großes ausgeführt, das nicht klar erkennbar erscheint und auch (wie der Zaun dahinter) umgangen wird.

Über der Gruppe, die eher aus dem Bild zu gehen scheint, wie eine Inschrift oder ein Bildtitel ein unvollständiges Datum, bei dem der Punkt etwas weit weg von „24“ und nahe an „09“ ist. Daneben eine kleine Sonne, die unter blauen Wolken von Strahlen (Strichen) umgeben ist. Links oben der Vorname (vermutlich der Zeichnerin).

Blau sind ebenso der Pullover des Mannes und die Fenster(-gläser) des Hauses sowie die erwähnten Wolken (oder der Himmel). Gelb sind die langen Haare der Frau und des größeren Mädchens sowie, wie erwähnt, die Sonne und ihre Strahlen. Der Weg ist zwar auch gelb, aber die Linien etwas dünner und gelb-grün-grau. Rot sind das Kleid des größeren Mädchens und das Dach der Häuser. Das Kleid der Frau ist schwarzbraun, wie auch ihre Schuhe, sowie die Kanten des Hauses und der Zaun. Die Strümpfe der Frau sind grau. Der Mann trägt eine dunkelblaue Hose und rote Socken oder Stutzen und braune Schuhe. Das größere Mädchen trägt auch braune Schuhe und eine braune (Strumpf-)Hose. Das kleinere Mädchen hat rote Beine und ein grünes Kleid und hellblaue Augen, während die Augen des größeren Mädchens und der Frau dunkelblau sind. Die Haare des Mannes sind schwarz, eher struppig wie sein Bart, auch die zur Frau grinsenden Lippen sind schwarz, während die lachenden Lippen der weiblichen Personen rot sind. Die Arme und Hände sind auffallend zart und schemenhaft gezeichnet, wie bei einem Strichmännchen, also weniger ausgeführt als etwa die Beine und die Kleidung.

Ich finde, diese (weitere) Paraphrasierung hat nicht mehr, sondern sogar weniger Erkenntnisgewinn gebracht als jene Paraphrasierung (weiter vorne), die eine etwas konkretere, aber auch rätselhaftere Aufgabenstellung hatte, nämlich die Untersuchung des „Zustands des Systems“ und sogar desjenigen „vor der Szene“. Im zur Anleitung ausgewählten Text heißt es zum Kriterium des Vorgangs auf der Ebene 1 der Rekonstruktion: „Paraphrase der Bedeutung eines Interakts gemäß dem Wortlaut der begleitenden Paraphrasierung. Kriterium für die Paraphrasierung ist das Verständnis, das die begleitende Verbalisierung beim unterstellten ‚normalen’ kompetenten Sprecher der deutschen Sprache auslöst.“

Ein Vergleich der soeben erfolgten Paraphrasierung mit jener weiter vorn, führt zu dem Schluss, dass die letztere verzichtbar ist, da schon die erste dem hier genannten Kriterium der allgemeinen Verständlichkeit entspricht.

3.2 Ebene 2: Intention

„Auf dieser Ebene werden extensiv und bewusst auch spekulativ Vermutungen über die Bedeutung und die Funktion des Interakts angestellt, die das interagierende Subjekt ‚bewusst’ durchsetzen, realisieren und hervorrufen wollte“ (Oevermann et al.1979, 397). Es geht also auf dieser Ebene um die Intentionen der Zeichnerin beim Anfertigen der Zeichnung.

Vermutlich handelt es sich bei der Zeichnerin um das größere der beiden auf der Zeichnung dargestellten Mädchen, wenn man annimmt, dass die Zeichnerin die Größendimensionen generell recht differenziert und treffend darzustellen vermag. Nicht völlig auszuschließen ist, dass die Zeichnerin die kleinere Person ist. Denkbar, aber eher unwahrscheinlich ist, dass die Zeichnerin selbst nicht im Bild ist und ihre Familie aus einer Außenperspektive auf einem Weg sieht. Obwohl wenig wahrscheinlich, ist an dieser Lesart interessant, dass eine Beobachterposition ins Spiel kommt – wer immer das sein könnte. Die dargestellten Personen blicken aus der Bildebene frontal zum/zur BetrachterIn des Bildes, und wenn man einmal darauf gekommen ist, verstärkt sich der Eindruck, dass die Gruppe winkt.

Um den Fokus auf die Intentionen der Zeichnerin zu richten, kann Folgendes festgehalten werden: Die Zeichnerin will Größenverhältnisse zum Ausdruck bringen: die Frau ist deutlich größer als die Kinder, und etwa so groß wie der Mann hinter ihr. Die Kinder sollen ungleich groß dargestellt sein und deutlich kleiner sein als die beiden (großen) Erwachsenen (vermutlich die Eltern). Die Zeichnung soll zeigen, dass die Frau (in Braun) vorangeht. Und zwar in einer demonstrativ voranschreitenden Weise, fast vortanzend oder balancierend am Rand des Weges. Vermutlich will die Zeichnerin auch zeigen, dass der Weg fort von etwas führt. Das Etwas könnte das Zuhause sein, dessen Fenster den Weggehenden nachblicken (sollen). Nach einer neuerlichen Interpretation in einer Forschungswerkstatt (d.h. einer Gemeinschaft von Interpretierenden, die viele Sichtweisen in die Interpretation des Materials einbringen) wurde das Etwas, von dem die Vierergruppe weggeht, auch als Schule oder als Bauernhaus oder Teil einer Stadt angesehen. Die Gruppe der vier Personen soll (vorgeneigt) in Bewegung nach vorn gezeigt werden. Die Gruppe – vor allem die beiden großen Personen – sollen als Formation gezeigt werden. Die männliche Person soll bewusst Kontakt haltend zur vorangehenden Frau gezeigt werden.

3.3 Ebene 3: Objektive Motive und Konsequenzen

An dieser Stelle wird die für die objektive Hermeneutik typische Kategorie „objektiv“ betont und als Ebene des Rekonstruktionsprozesses forciert. In der Textpassage, der die Überschrift entnommen ist, erfolgt die Bestimmung von „objektiv“ (im Sinne von Konsequenzen, Spuren und letztlich Strukturen – auch unbewusste – nach sich ziehend) in Unterscheidung zu „subjektiv“ (im Sinne von bewusster Absicht oder auch nur dem Subjekt selbst, weil innerlich, zugänglich). In der Einleitung des zitierten Artikels wird betont, dass die objektive Hermeneutik „die Analyse sozialisatorischer Interaktionen“ zum Ausgangspunkt hatte und die „Methodologie der objektiven Hermeneutik (...) eine besondere Affinität zum inhaltlichen Programm einer soziologischen Sozialisationstheorie [hat]“ (Oevermann et al.1979, 352 ff.). Darüber hinaus wird auf Basis bereits durchgeführter Analysen von Interaktionsprotokollen darauf hingewiesen, dass „die sozialisatorischen Interaktionen, an denen Kinder teilnehmen, einen solchen Reichtum und Differenzierungsgrad an objektiven Bedeutungsstrukturen aufweisen, dass sie ganz offensichtlich und auch in Anrechnung der unproblematischen Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie vom Kind weder antizipiert, also bewusst produziert werden, noch in ihrer handlungsstrukturellen Emergenz nachträglich vollständig dekodiert und entschlüsselt werden könnten, also die Sinninterpretationskapazität des sich bildenden Subjekts auf seinem jeweiligen Entwicklungsstand weit übersteigen. Gerade darin aber ist die spezifische Leistungsfähigkeit der sozialisatorischen Interaktion zu sehen“ (ebd., 353).

An dieser Ebene angelangt ist es als Interpret meine Aufgabe, über das bewusst Intendierte hinaus zu sehen. Dabei suche ich nach Anhaltspunkten, die über Beabsichtigtes und Offensichtliches hinausweisen, wobei ich mich von dem methodologischen Postulat leiten lasse, dass die objektive Hermeneutik nichts dem bloßen Zufall zurechnet.

Und vor dem Übergang zur Interpretation füge ich gern noch einen Gedanken ein, der im Zuge des wissenschaftlichen Lektorats eingefordert wurde, nämlich „objektiv“ deutlicher auszuführen: Ich achte besonders auf schlummernde, latente Sinngehalte, die zwar oft nur durchschimmern, aber doch „objektiv“ da sind, also tatsächlich mit ausgedrückt sind. Und ich hebe diese objektiven Latenzen in der nun folgenden Interpretation kursiv hervor.

Die vorangehende Frau geht am äußersten Rand des Weges, ja sie scheint darauf zu balancieren, ähnlich einer Seiltänzerin. Und die männliche Person folgt ihr – scheinbar in der Luft gehend. Von diesen demonstrativen Posen scheint die Zeichnerin sowohl zu wissen als auch unbewusst und objektiv erfasst und bewegt zu sein.

Die Figur des größeren Mädchens verschmilzt mit der Figur der männlichen Person. Das hat viele Interpretationsansätze beflügelt, ohne dass die Rekonstruktion dieser Merkwürdigkeit als abgeschlossen angesehen werden kann.

Die relativ wild ausgeführten grünen Striche könnten als ein Abdrängen des regelmäßigen und geordnet gezeichneten Weges gesehen werden. Während die vier Figuren leicht nach vorn geneigt sind, wirken die Häuser nach hinten gelehnt, als ob sie die Gruppe zurückhalten wollten. Hier scheint eine dem zeichnenden Kind nicht ganz klare, aber wirkungsvolle Bedeutung gegeben.

Der/die BildbetrachterIn weiß nicht, wohin der Weg führt. Er neigt oder windet sich ins Ungewisse – ähnlich den unbestimmten Schemen der (vielen und unruhigen) grünen Striche. Eine Rekonstruktionsgruppe kam wiederholt auf den Kontrast von linkem Bilddrittel zu den zwei Dritteln rechts im Bild zu sprechen. Plötzlich sah eine Interpretin den blassgelben Weg zum Himmel gehörig, also abgehoben und schwebend. Dabei tauchte auch die Bezeichnung von Traumwelt oder idyllischem (und geborgenem) Familienleben auf im Gegensatz zum wesentlich düsteren und die Gruppe abdrängenden dominanten Zweidrittel des Bildes rechts der kleinen Gruppe.

Man könnte auch den Gesamteindruck einer Kugel (besser eines Ausschnitts einer Kugel) bekommen, auf dem sich die Personengruppe sowie das Haus/die Häusergruppe befinden: Während das Haus nach rechts driftet, driftet der Weg nach links-abwärts. So entsteht insgesamt der Eindruck sowohl unausweichlicher wie auch eher bedrohlicher Entwicklung.

Das Ungewisse scheint also unausweichlich und irgendwie objektiv und dominant zu sein, auch wenn alle Personen der Gruppe lachen und winken, die Sonne scheint und die Gruppe als wohlgeordnete Formation erscheint.

Winken alle? Haben wirklich alle Arme und Hände, mit denen sie winken könnten? Wenn Zufälle bei dieser Form der Interpretation ausgeschlossen werden, was bedeutet es, dass die vermutliche Zeichnerin (das größere Mädchen) ihre eigenen Arme und Hände nicht zeichnet oder nicht zeigt? Und sind nicht gerade die Arme und Hände aller Personen in einem erstaunlichen Kontrast zur detaillierten Darstellung der anderen Merkmale ausgeführt – sie sind dünn, dreifingerig, gespreizt, fast farblos grau?

Ich beende an dieser Stelle die kursive Hervorhebung von besonders auffälligen Stellen latenten Sinns, und fasse das Verfahren reflektierend zusammen, und hebe dieses Mal Verfahrensbezeichnungen hervor.

„Objektiv“ wurde hier in mehrfacher Hinsicht verwendet.

Es wird hier etwas Tatsächliches, das in der vorhandenen Zeichnung als vorhandene Spur aufgesucht wird, zum Gegenstand, zum Objekt der Betrachtung gemacht.

Allerdings wird der tiefere (schlummernde, latente, objektive, strukturelle), soziale Sinn meist erst nach und nach erschlossen. Will man den methodischen Zugang zu diesem Sinn der sozialen Realität betonen, kann man von methodischem Realismus sprechen. Will man die Einheiten sozialer Handlungsabläufe beachten, kann man von Sequenzen sprechen, die man sequenzanalytisch nachvollziehen bzw. rekonstruieren kann.

In der Überschrift zum aktuellen Kapitel wird auf der aktuell zu bearbeitenden Ebene 3 von objektiven Motiven und Konsequenzen gesprochen. Ich habe mich allerdings hauptsächlich auf latenten, schlummernden, durchschimmernden objektiven Sinn konzentriert. Warum? Oder inwiefern wäre das stichhaltig?

Die dahinterstehende Annahme ist, dass die sechsjährige Zeichnerin zwar kaum eine explizite (abstrakte) Analyse über ihr Verhältnis zu familialer Sozialisation oder ihr Verhältnis zum Schulwesen oder anderen Institutionen ausdrücken kann. Aber die Sechs-Jährige kann vielleicht in den Posen, in den Größenverhältnissen, in der ruhigen oder unruhigen Strichführung sehr viel zu ihrer Situation und den objektiven Wirkkräften ausdrücken. Der Verweis auf die Größenrelation führt auch bereits zur Betrachtung der nächsten Ebene der untersuchten Szene.

3.4 Ebene 4: Explikation der Funktion eines Interakts in der Verteilung von Interaktionsrollen

Schon beim geschilderten Einstieg in die Betrachtung bzw. Ausführung der Ebenen 0 bis 3 der Rekonstruktion habe ich mich gefragt, wie ich angesichts oder trotz des fertigen Bildes in die Interaktionen der dargestellten Akteure (gemeint sind auch Gegenstände und andere unbelebte Elemente der Zeichnung) zumindest so weit hineinfinde, dass ich mir deren Handlungsoptionen vorstellen kann. Nach Betrachtung einiger Ebenen und angesichts der Frage, wie dargestellte Elemente quasi aufeinander wirken oder miteinander interagieren, fällt mir plötzlich auf, dass die Gruppe etwas, beispielsweise einem Hindernis, ausweichen könnte. Man könnte auch sagen, die drei Akteure in der Mitte, nämlich Haus, Zaun (Rankgerüst) und grüne große Mitte, drängen die Gruppe und den Weg nach links außen ab: So wird der Gruppe in gewisser Weise eine Nebenrolle oder eine kleinere Rolle zugewiesen.

Die großen Akteure, Haus bzw. Häuserkomplex, Zaun und Grün bzw. grüner Hügel sind wenig detailliert ausgeführt, vielleicht für die Zeichnerin wenig verstehbar, außer dass sie wirkmächtig erscheinen.

Wenn man den Weg als Akteur versteht, dann führt dieser die darauf gehende Gruppe noch mehr zur Seite, an den Bildrand heran und schließlich aus dem Bild hinaus.

Wenn man die Verteilung der Rollen in der Personengruppe betrachtet, führt die vorangehende Frau die Gruppe an und weist so den anderen eine Gefolgschaftsrolle zu, die diese erfüllen; der Mann, indem er genau der (gedachten) Spur der Frau folgt und auch eine Verbindung mit der Hand zur Hüfte der Frau herstellt. Es könnte jedoch auch sein, dass der Mann die Frau vorantreibt oder stupst, und sich die Frau anschließend (mit einer Hand zu ihm nach hinten) wehrt.

Die Schritte der Kinder schwenken in die Spur der Erwachsenen ein, auch wenn diese am äußersten Rand und teilweise neben dem Weg vorgegeben wird. Die Kinder folgen also der von den Erwachsenen vorgegebenen Spur, sind folgsam.

Das größere Kind scheint mit dem dahinter bzw. teilweise daneben positionierten Mann irgendwie ineinander gezeichnet, Anlehnung, vielleicht auch Schutz suchend, auch wird eine Hand des Mannes wie schützend über die beiden Kinder gehalten.

Durch Blicke und Gesten aller vier dargestellten Personen wird ein/eine nicht im Bild befindliche(r) BeobachterIn adressiert, dadurch auch ihm/ihr eine Rolle zugewiesen. Eine andere Lesart wäre, dass die vier Personen der Zeichnerin selbst zuwinken, die ihrerseits der Vierergruppe, die ihre Familie oder sehr gute Bekannte sein könnten, zuwinkt.

Denkbar wäre auch, dass die Gruppe der vier Personen für einen/eine BeobachterIn posiert, somit die gesamte Szene bloß (oder auch) inszeniert oder gespielt ist.

Die Sonne und der Himmel befinden sich über allen Akteuren (vielleicht zum Trost auf dem Weg ins Ungewisse?); links gleich neben der Sonne, ziemlich prominent und groß geschrieben sieht man das Datum „24. 09“. wobei die Jahreszahl fehlt. Darüber befindet sich, mit demselben Zeichengerät und in derselben Farbe geschrieben, der Vorname der Zeichnerin, welcher in der hier abgedruckten Version der Zeichnung aus forschungsethischen Gründen anonymisiert und überschrieben wurde.

Im Zusammenhang mit der Funktion der Ebene 4 (Explikation der Funktion eines Interakts in der Verteilung von Interaktionsrollen) werden üblicherweise strukturelle und institutionelle Kontexte untersucht. Diese sollen an dieser Stelle nicht angesprochen werden, da dieses Bild wie ein erstes Interakt (also weitgehend noch ohne Kontext) behandelt wird, um zu zeigen, wie möglichst viel aus dem Bild selbst ohne Einbezug des Kontexts herausgeholt werden kann. Weitere Interakte könnten ebenso zur Erhellung des größeren Kontexts beitragen, ebenso Theorien und empirische Aufbereitungen etwa über Familie oder Schule und Schulbeginn, oder allgemeiner zu Sozialisation. Des Weiteren gehört zum Kontext in diesem Fall bisher gesammelte Erfahrung im Umgang mit Kinderzeichnungen im Rahmen eines Portfolio-Konzepts, in dem autonom erstellte und gesammelte Kinderzeichnungen eine tragende Rolle spielen.

3.5 Ebene 5: Sprachliche Merkmale

Zwar sind im zitierten Artikel (Oevermann 1979) „sprachliche Merkmale“ im wörtlichen Sinn gemeint, es soll hier aber der Versuch gemacht werden, vor-sprachliche Äußerungen mit einzubeziehen. Auch zu dieser Praxis gibt es in der Methodologie der objektiven Hermeneutik inzwischen umfangreiche Forschungsarbeiten (vgl. Kraimer 2014). Auch die Art und Weise der Farbgestaltung dürfte in Kinderzeichnungen besonders wichtig sein. Eine Forschungsarbeit, die sich mit Farbe als primärer Qualität befasst (jedoch im Kontext nicht gegenständlicher Kunst), findet sich bei Oevermann (2000).

Bei der Betrachtung sind mir die – wie selbstverständlich gelungenen – Größenverhältnisse der dargestellten Personen (und Gegenstände) aufgefallen sowie die Sorgfalt der Ausführungen. Im Vergleich dazu fällt das wilde Grün (in der Bildmitte) irgendwie aus dem Rahmen. Ansonsten wirken die Ausführungen auf mich entschieden, unbeirrt und konsequent sowie in gewisser Weise rund oder reif und für eine Schulanfängerin fortgeschritten. Allerdings stehen die Arme und Hände zu dieser Reife der Ausführungen in scharfem Kontrast.

3.6 Ebene 6: Kommunikationsfiguren als generative Strukturen

Im Folgenden möchte ich mich auf Oevermanns Charakterisierung der Ebene 6 beziehen: „Extrapolation der Interpretation des Interakts auf durchgängige Kommunikationsfiguren (...) Rekonstruktion der latenten Sinnstruktur der Szene. Die Feinanalysen selbst werden sequentiell Interakt für Interakt durchgeführt. Sie sollen am Ende, wenn eben möglich, zur Rekonstruktion einer sogenannten Kommunikationsfigur führen, die als quasi-ritualisiertes und gleichsam automatisch ablaufendes Interaktionsmuster nicht nur die jeweils konkrete Szene isoliert kennzeichnen, sondern situationsübergreifend die Interaktionen der Familie relativ unabhängig vom jeweiligen konkreten Inhalt charakterisieren. Idealiter sollten wir uns diese Kommunikationsfiguren als generative Strukturen vor[stellen], als ständig wirksame Reproduktionsmechanismen der innerfamiliären Kommunikation, deren Gefangene die Familienmitglieder (…) sind.“ (Oevermann et al. 1979, 400f).

Die gesamte Gruppe macht gute Miene zum Gang ins Ungewisse, sie hält Formation, die von den beiden Großen vorgegeben wird. Das Ungewisse scheint unvermeidlich und die gute Miene scheint den Gang zu erleichtern, irgendwie dazu zu gehören und vielleicht die Sache aufgrund der Formation zur (in vieler Hinsicht) einheitlichen Gruppe erträglich zu machen oder sogar ins Gute zu wenden.

Mit dieser Andeutung einer Fallstruktur oder einer Fallstrukturhypothese möchte ich mit einigen Nachbemerkungen (siehe: Schluss) abbrechen. Zuvor weise ich noch kurz auf die nächsten beiden Ebenen (7 und 8) hin.

3.7 Ebene 7: Explikation allgemeiner Zusammenhänge

Dazu schreibt Oevermann: „Auf dieser Ebene soll festgehalten werden, welche allgemeinen, insbesondere sozialisationstheoretisch relevanten Zusammenhänge und Strukturen sich am Beispiel (...) feststellen, belegen oder problematisieren lassen. Dies ist demnach die einzige Ebene, auf der ein Bezug zur klassischen, mit Gesetzeshypothesen arbeitenden Sozialforschung hergestellt wird.“ (Oevermann et al. 1979, 402). Diese Ebene wird hier nicht näher expliziert, da vorerst mehr Datenmaterial rekonstruiert werden soll.

3.8 Anstatt einer Ebene 8

Eine Ebene 8 finde ich im zitierten Artikel nicht, obwohl neun Ebenen angekündigt waren (dabei Ebene 0 mitgezählt). Somit steht noch eine Ebene aus. Ich mache mir meinen eigenen Reim darauf, etwa wie zum Schluss jener „Proleten Passion“ die die „Schmetterlinge“ abendfüllend in der „Nach-68er-Zeit“ oft aufgeführt haben: „Das letzte Lied, das letzte Lied müsst ihr euch selber schreiben.“

4 Schluss

4.1 Zur Zeichnung

Die rekonstruierte Zeichnung ist nur ein Dokument – in der Sprache der objektiven Hermeneutik nur ein „Protokoll von Ausdrucksgestalten einer Lebenspraxis“ – das ich als Text, voll von sozialem Sinn, lesen (können) möchte. Dazu gibt es viele Blätter der Vier-Jahres-Mappe der Schülerin, deren Zeichnung ich mithilfe mehrerer Forschungswerkstätten „angelesen“ habe. Die bisher dargelegten Zwischenergebnisse der Rekonstruktion sollen noch an weiteren Protokollen bzw. Texten überprüft werden, wobei Fragen an die Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion von Kinderzeichnungen gestellt werden sollen. Auch Fragen und Erkenntnisse zur Portfoliostrategie der genannten Schule, ihr etwaiger Vorbild-Charakter könnte erhellt werden. Schließlich könnten Fragen zur Professionalisierung der Lehrkräfte gestellt werden, insbesondere inwieweit es zum Verständnis von Professionalität von LehrerInnen gehört, bestimmte vor-sprachliche Ausdrucksweisen zu verstehen – etwa beim Umgang mit Portfolios. In einem weiteren Schritt sollte man vielleicht nach der Professionalisierung von Lernenden fragen, die in ihren eigenen Werken selbst ihre Potentiale erkennen könnten – und so von gerade in der Schule übermäßig verbreiteten Fremdeinschätzungen unabhängiger werden könnten. An dieser Stelle sehe ich Möglichkeiten für ein tieferes Verständnis von Autonomie.

4.2 Zum Verhältnis von Praxis und Wissenschaft (oder: Zur Vermeidung eines Missverständnisses)

Zur Vermeidung eines Missverständnisses im Verhältnis von Praxis und Wissenschaft möchte ich nun zu jener Verblüffung zurückkehren, die ich oben (s. Kap. 2.4) als Ausgangspunkt dieser Rekonstruktion und einer davorliegenden Einarbeitung in die Bild-Hermeneutik beschrieben habe. Dabei reflektiere ich diese Verblüffung als Krise im Verhältnis zu Routine im Rahmen der empirisch fundierten Theorien der objektiven Hermeneutik (vgl. Oevermann 1996b).

Die Rekonstruktion der Kinderzeichnung ist bisher bloß zu einem Zwischenergebnis gekommen, die komplementären AkteurInnen (vgl. Stockhammer 2011a) in der Kinderzeichnung wurden dabei ansatzweise als interagierende AkteurInnen angesprochen. Zu diesen gehört die Schulleiterin, die mir die besprochene Zeichnung als Teil ihres Schulkonzepts präsentiert hat. Durch diese Präsentation sowohl verunsichert, wie wenig ich im Vergleich zu dieser Schulleiterin aus der Zeichnung herauslesen konnte, als auch entflammt, diese Lesefähigkeit zu erweitern, stellte ich mir zusätzlich die Frage, ob ich diese Schulentwicklerin jahrelang unterschätzt hatte, ja mein Selbstverständnis als Kenner und Betreiber von Schulinnovation geriet in die Krise. Dieser Umstand wurde noch durch die Enttäuschung dieser Schulleiterin darüber, dass ich die Tragweite ihrer Entwicklung kaum einschätzen konnte, verschärft.

Ich hatte also einen beträchtlichen blinden Fleck in meinem professionellen Selbstverständnis entdeckt. Was liegt da im Dunklen? Ich transkribierte die Präsentation der Schulleiterin und begann, sowohl diese Präsentation als auch die Zeichnungen in Forschungswerkstätten und Seminaren zu bearbeiten. Auch das trug zu der Vertiefung meiner Verblüffung bis hin zu einer Krise bei, aus der mich kaum jemand befreien konnte, denn die meisten Reaktionen – auch im Rahmen gut funktionierender Seminare und Forschungswerkstätten – waren verständnislos und skeptisch, ob ich hier über Rekonstruktion weiterkäme, aber auch darüber, ob eine solche Lesefähigkeit bildlicher Ausdrucksgestalten von kindlicher Lebenspraxis je Teil der Professionalität von Lehrkräften (im Unterrichten junger SchülerInnen) sein könne.

So wurde diese Krise zum Ausgangspunkt für Neues. Nach einiger Zeit (nach Überwindung der methodologischen Krise) schaffte ich es, einigermaßen routiniert im für mich völlig neuen Medium der Bild-Hermeneutik zu rekonstruieren. Dabei stieg meine Hoffnung, eine Möglichkeit gefunden zu haben, sich besser auf die Ausdrucksweise von Kindern einzulassen, und die dabei helfen könnte, weniger über die Kinder sondern mehr mit ihnen zu kommunizieren.

In meinem Selbstverständnis als Praktiker wurde ich insofern erschüttert, als mir etwas Verblüffendes passiert ist:

Als Wissenschaftler bzw. Forscher habe ich nach den geeigneten Methoden und Methodologien gesucht, die es ermöglichen, im Rahmen einer wissenschaftlich nachvollziehbaren Rekonstruktion die „Ausdrucksgestalten von kindlicher Lebenspraxis“ besser zu verstehen (worüber hier erst im Ansatz berichtet werden konnte). In weiteren Schritten wird es um die Praxis der Schulleiterin gehen, die diesem Weg ja schon – auf eine viel schlichtere schulpraktische Weise – folgt.

Dass ich höchst unpraktische Vorgangsweisen der Rekonstruktion angewandt habe, ist bloß wissenschaftspraktisch vertretbar (und in diesem Zusammenhang vermutlich auch notwendig). PraktikerInnen halten zu Recht nach routinefähigen – also auch abgekürzten – Wegen und Methoden Ausschau.

4.3 Zur Anstiftung zu Forschungswerkstätten

Eine erste Vision von wissenschaftlichen Forschungswerkstätten als Einstieg in Forschungspraxis bekam ich in einer Seminarreihe von Hermann Ebner, die noch gar nicht den Namen Forschungswerkstatt trug.

Danke Hermann!

Literatur

Garz, D./Kraimer, K. (1994) (Hrsg.): Die Welt als Text. Theorie, Kritik und Praxis der objektiven Hermeneutik. Frankfurt a. M.

Kraimer, K. (2014) (Hrsg.): Aus Bildern lernen. Optionen einer sozialwissenschaftlichen Bild-Hermeneutik. Ibbenbüren.

Leber, M./Oevermann U. (1994): Möglichkeiten der Therapieverlaufsanalyse in der objektiven Hermeneutik. Eine exemplarische Analyse der ersten Minuten einer Fokaltherapie aus der Ulmer Textbank („Der Student“). In: Garz, D./Kraimer, K. (Hrsg.): Die Welt als Text. Theorie, Kritik und Praxis der objektiven Hermeneutik. Frankfurt a. M., 383-427.

Loer, T. (1996): Halbbildung und Autonomie. Über Struktureigenschaften der Rezeption bildender Kunst. Opladen.

Oevermann, U. et al. (1979): Die Methodologie einer „objektiven Hermeneutik“ und ihre allgemeine forschungslogische Bedeutung in den Sozialwissenschaften. In: Soeffner, H.-G. (Hrsg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften. Stuttgart, 352-434.

Oevermann, U. (1996a): Vorwort. In: Loer, T. (Hrsg.): Halbbildung und Autonomie. Über Struktureigenschaften der Rezeption bildender Kunst. Opladen, v-xiv.

Oevermann, U. (1996b): Theoretische Skizze einer revidierten Theorie professionalisierten Handelns. In: Combe, A./ Helsper, W. (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Frankfurt a. M.

Oevermann, U. (2000): Die Farbe – Sinnliche Qualität, Unmittelbarkeit und Krisenkonstellation. In: Fehr, M. (Hrsg.): Die Farbe hat mich. Positionen zur nicht-gegenständlichen Malerei. Essen.

Stockhammer, R. (2011) (Hrsg.): Niemand lernt so wie ich. Eine Reise durch österreichische Lernlandschaften. Innsbruck.

Stockhammer, R. (2011a): Komplementäre Akteure für schöpferische Entwicklung. In: Stockhammer, R. (Hrsg.): Niemand lernt so wie ich. Eine Reise durch österreichische Lernlandschaften. Innsbruck, 13-24.

Zitieren des Beitrags

Stockhammer, R. (2017): Eine Kinderzeichnung als Text gelesen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Profil 5: Entwicklung, Evaluation und Qualitätsmanagement von beruflichem Lehren und Lernen. Digitale Festschrift für HERMANN G. EBNER, hrsg. v. Matthäus, S./ Aprea, C./Ifenthaler, D./Seifried, J., 1-23. Online: http://www.bwpat.de/profil5/stockhammer_profil5.pdf (23-05-2017).