bwp@ 33 - Dezember 2017

Entwicklungsbezogene (Praxis-)Forschung

Hrsg.: Tade Tramm, H.-Hugo Kremer & Gabi Reinmann

Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung in kaufmännischen Berufen – ein Ansatz der Theorie- und Modellbildung aus der Modellversuchsforschung

Beitrag von Marc Casper, Werner Kuhlmeier, Andrea Poetzsch-Heffter, Sören Schütt-Sayed & Thomas Vollmer
bwp@-Format: Forschungsbeiträge
Schlüsselwörter: Kompetenzmodell, Nachhaltigkeit, Kaufmännische Berufe, Modellversuch

Wie kann kaufmännische Berufsbildung zur Gestaltung einer nachhaltig orientierten Wirtschaft beitragen? Zu dieser Frage fördert das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aktuell sechs Verbundprojekte im Schwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung – Modellversuche 2015 - 2019“. Förderlinie 1 befasst sich mit der „Entwicklung von domänenspezifischen Nachhaltigkeitskompetenzen in kaufmännischen Berufen“[1] und wird vom Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg wissenschaftlich begleitet.[2] Zu den Aufgaben der wissenschaftlichen Begleitung zählt die Entwicklung von drei verschränkten Modellen, zu a) Kompetenzentwicklung und Werthaltung, b) curricularen und didaktischen Konzepten und c) zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals. Das Modellierungskonzept sieht eine Zusammenführung einschlägiger Literatur und Forschung sowie der spezifischen (Zwischen-)Ergebnisse der laufenden Modellversuche vor. Hierbei wird deutlich, dass insbesondere die pragmatischen Merkmale der drei Modelle formgebend sind. So sind beispielsweise in a) nachhaltigkeitsorientierte Kompetenzen derart zu modellieren, dass sie einen idealtypischen Zugang zur nachfolgenden Modellierung von Curricula und didaktischen Konzepten ermöglichen. Vor diesem Hintergrund erfährt die Modellierung eine andere Akzentuierung als beispielsweise auf Kompetenzmessung zielende Modelle. Dieser Beitrag beschreibt das Modellierungskonzept und stellt als erstes Ergebnis einen metatheoretischen Referenz- und Analyserahmen zur Diskussion, der Kompetenzmodelle nach den Kategorien Kompetenzstruktur, -stufung, -entwicklung und -wirkung differenziert und am Beispiel nachhaltigkeitsbezogener Gestaltungskompetenz im Rahmen des genannten Modellversuchsförderschwerpunktes praxisorientiert illustriert.

[1]    vgl. https://www2.bibb.de/bibbtools/de/ssl/33716.php (27.01.2018).

[2]    Eine zweite Förderlinie hat den Schwerpunkt „Nachhaltige Lernorte gestalten“,
s. https://www2.bibb.de/bibbtools/de/ssl/60711.php (27.01.2018).

Vocational Training for Sustainable Development in Commercial Occupations – an Approach to Theory Development and Modelling from Pilot Project Research

English Abstract

How is it possible for commercial vocational training to contribute to shaping an economy that is orientated towards sustainability? In order to answer this question, the Federal Institute for Vocational Education and Training (BIBB) is currently promoting six joint projects with the priority "Vocational training for sustainable development – pilot projects 2015-2019" in two lines of funding. Funding line 1 covers the "Development of domain-specific sustainability competences in commercial occupations"[1] and receives academic support from the Institute for Vocational and Business Education of the University of Hamburg.[2] One task of academic monitoring is the development of three combined models for a) competence development and value system, b) curricular and didactic concepts, and c) qualification of vocational training personnel. The modelling concept allows the consolidation of relevant literature and research, as well as of the specific (interim) results of ongoing pilot projects. Here it becomes evident that especially the pragmatic characteristics of the three models determine the form. For example, in model a) competences that are orientated towards sustainability are to be modelled in such way that they enable the ideal modelling of curricular and didactic concepts that follows. Against this background, modelling acquires an emphasis that is different from that of, for example, models that are aimed at measuring competence. This paper describes the modelling concept and, as a first result, provides a meta-theoretical referential and analytical framework for discussion that differentiates the competence models according to the categories competence structure, competence gradation, competence development and competence impact and illustrates them using the example of design competence orientated towards sustainability within the framework of the above-mentioned funding priority of the pilot project with a practice-orientated approach.

[1]   cf. https://www2.bibb.de/bibbtools/de/ssl/33716.php (27.01.2018).

[2]   A second funding line with the priority „Sustainable Training Venues“, cf. https://www2.bibb.de/bibbtools/de/ssl/60711.php (27.01.2018).

1 Jedem seine Insel

Die Hawaiianer sind ein bemerkenswertes Volk. Wenn man sich zwischen den Wolkenkratzern und Hotelschluchten von Honolulu bewegt, oder sich an den Highways selbst der kleineren Inseln die Fast Food Diner aneinanderreihen, so ist es kaum zu übersehen, dass dieser polynesische Inselstaat ein Teil von US-Amerika ist – ein Schmelztiegel der Migration, ein Ort der Träume und des American Way of Life. Andererseits sind die Lage, die Flora und Fauna sowie die Kulturgeschichte von Hawaii so einzigartig und unamerikanisch, dass es nicht verwundert, dass gerade die Hawaiianer die ersten waren, die sich ganz ausdrücklich gegen ihren neuen Präsidenten Donald Trump wendeten. Nachdem die US-amerikanische Regierung den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen wahrmachte, verabschiedete Hawaii kurzerhand ein Gesetz, dass sich ebendiesen Zielen und Limitationen verpflichtet (Bromwich 2017).

Man mag es auch als weniger stille Hommage an Trumps Vorgänger interpretieren, den gebürtigen Hawaiianer und Klimaschutzverfechter Barack Obama. Doch bei der scheinbar unamerikanischen Entscheidung der Hawaiianer im Juni 2017 ging es um weit mehr als um einen politischen Affront – es ging (und geht) um die Erhaltung der Lebensgrundlage des Inselvolks. Fernab von spirituellen Bezügen zur ‚Mutter Natur‘ (und davon hätte die polynesische Kultur einige zu bieten) geht es um sehr ‚amerikanische‘ hard facts; um sichtbare, spürbare, direkte Bedrohungen. Klima und Wasserstände in Hawaii ändern sich radikal. Hier zeigen sich deutlich die Effekte des globalen Klimawandels, so wie sie heute schon in unzähligen Küstengebieten zu spüren sind. Jeder halbwegs rational denkende und historisch gebildete Mensch wird einsehen, dass diese Effekte in besonderem Maße darauf zurückzuführen sind, dass Industrie, Ressourcenverbrauch, Emissionen und Konsum im letzten Jahrhundert nahezu weltweit explodiert sind. Damit einher ging auch ein enormer Anstieg des Wohlstandes, insbesondere in den sogenannten Industriestaaten. Doch jeder Wohlstand, dass lernen Volkswirte bereits in ihren Einführungskursen, hat Kosten. Nun war es gerade Trumps Hauptargument „die Reduzierung von Treibhausgasen würde die Vereinigten Staaten zu viel kosten“ (Tagesschau 2017). Doch wer zahlt hier was wofür? Wie gerecht verteilen wir die Kosten unseres Wohlstandes tatsächlich? Den Hawaiianern zumindest ist klar, dass die Kosten ihres Wohlstandes ihre eigene Lebensgrundlage betreffen. Dementsprechend verantwortungsvoll zu handeln ist rational und ökonomisch – nicht im Sinne von egoistischem Eigennutz, sondern im Sinne von Einsicht und Mündigkeit.

Sobald wir über die Kosten von Wohlstand sprechen, sollte klarwerden, dass Nachhaltigkeit keinesfalls nur ein Thema der wenigen großen Akteure in Politik, Klimaforschung und Energiewissenschaft ist. Wenn Produktion, Logistik und Konsum Konsequenzen haben, die unsere Lebensgrundlagen und die Gerechtigkeit innerhalb unserer (globalen) Gesellschaft angreifen, so wird die Wirtschaft im weiteren Sinne und der Güterhandel im engeren Sinne zum Schauplatz nachhaltigkeitsbezogener Handlungskompetenz. Nachhaltigkeit (die wir im Folgenden noch besser definieren müssen) ist ein Beispiel für das, was Klafki epochaltypische Schlüsselprobleme nennt: „Strukturprobleme von gesamtgesellschaftlicher, meistens sogar übernationaler bzw. weltumspannender Bedeutung […], die gleichwohl jeden einzelnen zentral betreffen“ (Klafki 1996, 60). ‚Betroffenheit‘ kennzeichnet dabei nicht nur, mit wem etwas passiv geschieht, sondern auch, wer zur Lösung dieser Probleme einen Beitrag leisten kann und sollte. Für unseren Arbeitsbereich als Berufs- und Wirtschaftspädagogen lautet demnach die zentrale Frage: Wie kann Berufsbildung zur Gestaltung einer nachhaltig orientierten Wirtschaft und Arbeitswelt beitragen?

Bei dieser Frage wird auch der Begriff der Kompetenz eine Rolle spielen (den wir ebenfalls noch besser definieren müssen). Sowohl Nachhaltigkeit als auch Kompetenz sind alles andere als neu in der berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskussion. Umso bedrückender ist jedoch die Einsicht, wie wenig effektiv sich die Realität der beruflichen Bildung und die theoretischen Diskurse aufeinander beziehen und wie gering Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung bisher strukturell verankert ist (Fischer et al. 2009, 13; Kastrup et al. 2012, 120; Vollmer/Kuhlmeier 2014, 206).

Um diese Lücke hin zur strukturellen Verankerung der Nachhaltigkeitsidee in der Beruflichen Bildung zu schließen, fördert das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aktuell zwölf Verbundprojekte im Förderschwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung – Modellversuche 2015 - 2019“. Wir sind als wissenschaftliche Begleitung einer Förderlinie an diesem Vorhaben beteiligt und haben unter anderem die Aufgabe, in Bezug auf die Modellversuche unserer Förderlinie drei übergeordnete verschränkte Modelle zu entwickeln, zu a) nachhaltigkeitsorientierter Kompetenzentwicklung und Werthaltung, b) darauf bezogenen curricularen und didaktischen Konzepten[1] und c) zur entsprechenden Qualifizierung des Berufsbildungspersonals.

In diesem Beitrag wollen wir Strategie und Stand dieser Theorie- und Modellbildung vorstellen, mit einem Schwerpunkt auf Modell a). Hierzu stellen wir in Kapitel 2 den Projektkontext und das daraus resultierende Wissenschaftsverständnis sowie die Theoriebildungs- und Modellierungsziele vor. Vor diesem kritischen, bildungstheoretisch motivierten Hintergrund diskutieren wir in Kapitel 3 die zentralen Begriffe und ihre ökonomistischen Färbungen. In einer kritischen Verschränkung der Perspektiven von Beruflicher Bildung für Nachhaltige Entwicklung und Ökonomischer bzw. Kaufmännischer Bildung liegt schließlich eine zentrale Leistung der Theoriebildung. In Kapitel 4 stellen wir vor, wie sich aus dem Zusammenspiel der Modellversuchsergebnisse und unserer Theoriebildung unsere Modellierungsstrategie bildet und zu welchen Zwischenergebnissen dies bislang führte. Offene Fragen münden schließlich in den Ausblick in Kapitel 5.

2 Der pragmatische Kontext: Die wissenschaftliche Begleitung im BIBB-Förderschwerpunkt „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung – Modellversuche 2015 - 2019“

Aufbauend auf den Ergebnissen des vorherigen BIBB-Förderschwerpunkts „Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung 2010 – 2013“ sowie im Rahmen des Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2015 – 2019“ fördert das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zwölf Verbundprojekte in diesem Förderschwerpunkt. Die Modellversuche werden in zwei Förderlinien unterteilt. Während Förderlinie 2 auf die Gestaltung nachhaltiger Lernorte in Berufsbildungseinrichtungen zielt, wird die Förderlinie 1 wie folgt beschrieben:

Entwicklung von Ausbildungs- und Qualifizierungskonzepten zur Nachhaltigkeit in kaufmännischen Berufen

„Gefördert werden auf Auszubildende sowie das Berufsbildungspersonal ausgerichtete (fach-)didaktische Konzepte für zum Beispiel Curricula, Lehr-/Lernmodule und prüfungsrelevante Lehr-/Lernarrangements. Ziel ist die berufsfeldspezifische Konkretisierung des nachhaltigkeitsorientierten beruflichen Handelns. Dabei werden Konzepte für kaufmännische Berufe in verschiedenen Bereichen (Groß-/Außen-/Einzelhandel; Logistik/Verkehr […]) gefördert.“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 2017)

Beide Förderlinien werden wissenschaftlich begleitet. Die Begleitung der Förderlinie 1 unterliegt unserer Arbeitsgruppe am Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg. Sie hat zum Ziel, im Bemühen um eine strukturelle Implementierung der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung in die Berufsbildung mit den geförderten Modellversuchen insbesondere der Förderlinie 1 zusammenzuarbeiten. Daher ist es unser Anliegen, eine konstruktive und vertrauensvolle Arbeitsbeziehung zu den Partnern aufzubauen. Die Hauptaufgabe besteht darin, die Modellversuche bei der Erprobung, Implementierung und Verstetigung ihrer Projektergebnisse zu unterstützen und den Transfer in die Referenzsysteme Berufsbildungspolitik, Berufsbildungsforschung und Berufsbildungspraxis zu fördern. Aus den bewährten Vorerfahrungen als wissenschaftliche Begleitung des letzten Förderprogramms soll die formative und summative Evaluation der Projektergebnisse einerseits mit der Unterstützung der Projekte bei ihrer Qualitätssicherung, der Wissensvernetzung, der koproduktiven Erkenntnisgewinnung und dem Transfer in die Strukturen der Berufsbildung andererseits verknüpft werden. Dementsprechend gliedert sich das Konzept der wissenschaftlichen Begleitung in die vier Säulen

  • Beratung und Unterstützung,
  • Evaluation,
  • Veranstaltungen sowie
  • Dokumentation und Analyse.

Auf diesen vier Säulen setzt die übergeordnete Aufgabe „Theorie- und Modellbildung“ auf (vgl. Abbildung 1).

<<Abbildung 1: Konzept der wissenschaftlichen Begleitung (eigene Darstellung)Abbildung 1: Konzept der wissenschaftlichen Begleitung (eigene Darstellung)

Schließlich zielt der Förderschwerpunkt darauf, generalisierbare Brücken „vom Projekt zur Struktur“ zu identifizieren (Hemkes 2014). Die einzelnen Modellversuche sind somit „Prototypen“ im Sinne Sloanes: „Solche ‚Prototypen‘ sind nicht Selbstzweck, sondern dienen der Lösung von in der Praxis lokalisierten Problemen. Ganz i. S. einer rationalen Forschung geht es dabei um Forschung als Problemlösungshandeln […] Die Entwicklung von Prototypen wäre immer Ausgangspunkt für eine Forschung, die über die reine Produktentwicklung hinausweist“ (Sloane 2007, 24f.). „Anders als im naturwissenschaftlichen Forschungsdesign geht es nicht um reine Erkenntnis, sondern um die Generierung von Wissen, das sich in erfolgreichen Prototypen manifestiert. Das Funktionieren des Prototyps ist hierbei neben der Produktion von allgemeinem Wissen ein weiteres Erfolgskriterium einer so verstandenen Berufsbildungsforschung.“ (Sloane 2007, 19) Die Entwicklungsbegleitung und Evaluation der Teilprojekte geht somit Hand in Hand mit der Theorieentwicklung zur Beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung in kaufmännischen Domänen. Vor dem Zielhorizont einer strukturellen Verankerung in die Praxis der Beruflichen Bildung richten sich die hier angestrebten Modellierungen auf

  1. Kompetenzentwicklung und Werthaltung,
  2. curriculare und didaktische Konzepte und
  3. die Qualifizierung des Berufsbildungspersonals.

Die angestrebte Modellentwicklung lässt sich somit als kohärente Strategie verstehen, nach der sich die pragmatischen Merkmale der jeweiligen Teilmodelle aus deren Zusammenhang ergeben.

<<Abbildung 2: Teilmodelle und deren Zusammenhang (eigene Darstellung)Abbildung 2: Teilmodelle und deren Zusammenhang (eigene Darstellung)

Idealtypisch sollten demnach zuerst Entwicklungsziele modelliert werden, im zweiten Schritt Konzepte zu deren didaktischer Umsetzung und im letzten Schritt schließlich die notwendige Qualifizierung des Bildungspersonals zur Umsetzung dieser Konzepte. Hierbei sollte bedacht werden, dass die laufende Reflexion der Konzepte und deren Gesamtzusammenhang eine iterative Überarbeitung und Weiterentwicklung aller drei Modelle fordert. In diesem Beitrag kann somit nur eine erste Annäherung erfolgen, zumal die teilnehmenden Modellversuche ihre Konzepte noch stetig weiterentwickeln.

Basis der Modellierung sind somit einerseits die Ergebnisse der Modellversuche, aus denen es induktiv bzw. kooperativ übergeordnete Prinzipien und Verallgemeinerungspotenziale zu heben gilt. Andererseits ist eine zusätzliche, übergreifende kritische Auseinandersetzung mit den zentralen Begriffen der Debatte notwendig, um eine fundierte Theoriebildung zu betreiben. Wissenschaftlich tragfähige Theorie sollte schließlich die Modellierung begründen, rahmen und kritisch-objektiv leiten. Schließlich hat sich im bisherigen Projektverlauf gezeigt, dass gerade im Kontext kaufmännischer Domänen ökonomistische Färbungen der zentralen BBnE-Begriffe zum Tragen kommen, die gekennzeichnet und reflektiert werden sollten.

3 Ökonomistische Färbungen von Nachhaltigkeit, Kompetenz und Modellierung: Ein Beitrag zur Theoriebildung der BBnE in kaufmännischen Domänen

3.1 Paradigmen der Nachhaltigkeit und der Ökonomie

Was verstehen wir unter Nachhaltigkeit im Kontext kaufmännischer Tätigkeiten? In seiner hohen Abstraktion ist der Begriff so beliebig und inhaltsoffen wie Kompetenz und Modell. Theoriebildung sollte nun nicht bedeuten, solange selbstreferenzielle Abstraktion zu betreiben, bis ein Begriff auf alles und nichts anwendbar ist (was für eine „Anwendung“ wäre das noch?). Theorie sollte hingegen in erster Linie bestrebt sein, Erklärungsmodelle für komplexe Zusammenhänge zu schaffen. So gilt es, diesen inflationär gedruckten Begriffen entweder Leben einzuhauchen oder sich auf andere, aussagekräftigere Konstrukte zu verständigen: „Es gibt mittlerweile kaum noch etwas, dem das Attribut 'nachhaltig' nicht beigefügt wurde. Ein Begriff, der an Extension zunimmt, verliert dadurch allerdings an Bedeutung ('Intension'). Für den Begriff der Nachhaltigkeit besteht durch die zunehmende Extension die Gefahr, zum bedeutungsarmen Jargon trivialisiert zu werden.“ (Egan-Krieger et al. 2007, 11) Ist der Begriff Nachhaltigkeit demnach vielleicht schon gänzlich überholt und deplatziert im Diskurs um kaufmännische Bildung? Sollte er auf ökologische Diskurse im engeren Sinn beschränkt bleiben? Bojanowski ist noch scharfzüngiger: „Gott hat bekanntlich zwar das Meer geschaffen, aber der Friese die Küste: Der Deichbau sorgte für eine stabile Küstenlandschaft, was wohl als 'nachhaltiges Management' gelten kann. Oder wäre es nachhaltig gewesen, das Wattenmeer sich natürlich entfalten zu lassen? Nachhaltigkeit lässt sich für alles und sein Gegenteil in Anspruch nehmen“ (2015) Er kommt zum radikalen Schluss: „Der Begriff 'Nachhaltigkeit' verschleiert die komplexen Zusammenhänge in der Natur und die zwischen Umwelt und Gesellschaft. Er liefert keine Antwort, sondern wirft Fragen auf. Der Begriff ist schädlich. Überlassen wir ihn listigen Verkäufern.“ (ebd.)

Hieran stoßen wir uns zweifach, und zwar in produktiver Weise. Zum einen scheint uns ein Begriff, der Fragen aufwirft, keinesfalls minderwertiger als einer, der Antworten liefert. Gerade die offenen Fragen im Komplex Nachhaltigkeit sind es, die ihn denk- und diskussionswürdig machen. Zum anderen springt uns der „listige Verkäufer“ ins Auge: Eine verzerrende betriebswirtschaftliche Aneignung von Nachhaltigkeit als Marketing-Instrument, das sogenannte greenwashing, mag eine ernstzunehmende Gefahr sein (Bowen und Aragon-Correa 2014). Viel augenfälliger ist jedoch die lange Geschichte der Gegenwehr der mainstream-Ökonomie gegen Formen der Verantwortung. Ein Paradebeispiel hierfür ist das einflussreiche Essay „The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits” von Milton Friedman (Erstveröffentlichung 1970), oft in Verbindung gebracht mit dem Bonmot „The business of business is business“. Friedman argumentiert darin, dass jede Einmischung betrieblicher Entscheidungsträger in Belange, die nicht im engsten Sinne betrieblich und profitsteigernd sind, übergriffig, ideologisch und fehlinformiert sein müssen – der Betriebsleiter sei schließlich ‚nur‘ Experte für das Betriebliche, aber Laie in sozialen und ökologischen Fragen. Des Weiteren bezieht sich Friedman auf ‚Urvater‘ Adam Smith, der schon Misstrauen gegenüber allen Kaufleuten aussprach, die ihr Handeln im „öffentlichen Interesse“ argumentieren und dahinter mutmaßlich nur ihre eigennützigen Motive verschleiern (Friedman 2007, 176). Wie Mulligan (1986) in einem kritischen Gegenessay ausarbeitet, beruht diese Art ökonomischen Denkens jedoch auf einem sehr amerikanischen[2] Paradigma des Unternehmers als „Lone Ranger“ (ebd., 266), der losgelöst von allen inner- und überbetrieblichen sozialen Kontexten wohl ein sehr tristes Leben führen mag. Charakter und Dynamik dieser amerikanischen Spielart der Ökonomik werden in diversen kulturalistischen Zugängen zur Ökonomie aufgearbeitet: Sie stellt das Universalistische über das Partikularistische (Prinzipien über Fälle), den Individualismus über das Gesellschaftliche, das Analytische über das Integrative (vgl. Hampden-Turner/Trompenaars 1995). Diese Haltung ist historisch gewachsen und in der Entstehungsgeschichte der USA begründet, sie gab dem angelsächsischen Kapitalismus auch die industrielle Durchschlagskraft, auf der Amerikas politische und ökonomische Macht im 20. Jahrhundert beruhte.

Die Nebenkosten dieses Paradigmas sind jedoch nicht mehr auszublenden. Sie manifestieren sich in Wirtschaftskrisen, wachsender sozialer Ungerechtigkeit und ökologischen Belastungen, die sich zunehmend zu existenziellen Bedrohungen verschärfen. Hierin liegt die große, systemische Gefahr des amerikanischen Paradigmas: Eine streng analytische, nach goldenen Regeln suchende und stets das (methodologische) Individuum vor das Kollektiv stellende Ökonomik verirrt sich leicht im ceteris paribus einzelner Details. Damit vernachlässigt sie das große Ganze, die tatsächliche Komplexität wirtschaftlicher Zusammenhänge in ihren Details und ihrer Dynamik. Eine derart entfremdete Ökonomik führt schließlich dazu, „dass weder die Lehrer aus der ökonomischen Lehrbuchwissenschaft noch die Schüler aus ihren Schulbüchern etwas darüber lernen können, ‚wie die Wirtschaft wirklich funktioniert‘“ (Engelhardt 2016).

Im Sprachspiel der Ökonomik bleibend, werden durch einen überanalytischen und unterkomplexen Ansatz bedeutsame Externalitäten ausgeblendet: Kosten, die nachweislich anfallen - jedoch von anderen Menschen, der Natur oder einer unbestimmten Zukunft getragen werden müssen, und sich somit im individuellen Kalkül nur schwer abbilden lassen. Dass derartige Externalitäten kulminiert in Form von Armut, Naturkatastrophen und Finanzkrisen sichtbar werden, ändert wenig an der inneren Stabilität der mainstream-Ökonomik und dem Siegeszug amerikanisch geprägter „Business Schools“ oder „Fakultäten für Betriebswirtschaft“, die sich vielerorts neben existierenden „Fakultäten für Wirtschaftswissenschaften“ etablieren, anstatt dort integriert zu sein.[3] Schließlich hat sich dieses Paradigma der Ökonomik im Verlauf der Geschichte zu einer anti-empirischen Disziplin entwickelt, „hin zu einem rein erfahrungsunabhängigen Denken, das seine Inspiration nicht aus der Begegnung mit der Wirklichkeit, sondern allein aus der reinen Mathematik und Mechanik übernimmt“ (Graupe 2016, 341). Auch das angesprochene Friedman-Essay basiert nicht auf belastbarer Empirie, sondern auf Friedmans intellektueller Intuition (die, wie Mulligan zeigt, nach den Gütekriterien der Philosophie nicht besonders tragfähig ist). Folgt man hingegen der Empirie, so zeigt sich (genau gegenteilig) ein höherer auch ökonomischer Erfolg gerade solcher Unternehmen, die sich über ein rechtlich gefordertes Minimum hinaus sozial und ökologisch engagieren (Avery/Bergsteiner 2011). Versteht man ein Unternehmen nicht als wertfreie, von allem Menschlichen isolierte Maschine, sondern als „produktives soziales System“ (Ulrich 1970), so leuchtet dies vollkommen ein: Unternehmen nutzen Ressourcen und formen ihre Umwelt, sie sind in einen ökologischen Kontext eingebunden; und sie sind lediglich juristische Personen, sie handeln nur durch die Vertretung menschlicher Akteure, die in ein soziales Geflecht aus Kollegium, Lieferanten, Kunden, Mitbewerbern, Familien und vielen weiteren Stakeholdern eingebunden sind. Wenn in der „stilbildenden“ (Brand/Jochum 2000, 184) Nachhaltigkeitstrias Ökonomie, Ökologie und Soziales aufeinandertreffen, so kann damit also keine Zielkonkurrenz, kein magisches Widerspruchsdreieck, kein trade-off im rein ökonomistischen Sprachspiel gemeint sein (Elkington 2002), auch kein System paralleler und damit isolierter Säulen, sondern zwingendermaßen eine unaufhebbare Verflechtung: Eine vermeintlich ökonomische Lösung, die überbordende ökologische und soziale Kosten erzeugt, ist im Sinne der Externalitäten tatsächlich keine „ökonomische“ Lösung, sondern ein Fall von falsch oder nicht eingepreisten Kosten – also ein Marktversagen.

Aus einer makroökonomischen Perspektive führt die Externalisierung von Kosten zu Marktversagen. In der betrieblichen, mikroökonomischen Logik hingegen, ist gerade die Externalisierung von Kosten das Erfolgsrezept: Für einen vermeintlich erfolgreichen Betrieb ist es „business-as-usual“ (Dyllick/Muff 2016, 163), seine Umsätze zu erhöhen und/oder seine Kosten zu minimieren, also möglichst viele Kostenaspekte der Wertschöpfung aus dem Betrieb hinaus zu externalisieren. Dieses mikroökonomische Paradigma führt unweigerlich zu Marktversagen (oder gar bewusster Marktmanipulation) im makroökonomischen Sinn. Wo sich Instanzen von Marktversagen häufen, kollabieren letztendlich ganze, komplexe Märkte, wie es die Wirtschaftskrisen der jüngsten Vergangenheit zeigen. In diesem Sinne wird Nachhaltigkeit auch im kaufmännischen Kontext zum „Gegenbegriff zu ‚Kollaps‘. Er bezeichnet, was standhält, was tragfähig ist, was auf Dauer angelegt ist, was resilient ist, und das heißt: gegen den ökologischen, ökonomischen und sozialen Zusammenbruch gefeit“ (Grober 2010, 14). Problematisch ist hieran wiederum, dass auch sehr fragwürdige und schädliche Systeme dazu neigen, sich über lange Phasen hinweg zu stabilisieren.[4] Der hinausgezögerte, aber sachlogisch unvermeidliche Zusammenbruch schlägt dann mit gewaltig erhöhter Hebelwirkung zurück – die Katastrophe hatte Zeit, sich aufzuladen.

Eine zentrale Aufgabe emanzipatorischer Ökonomischer Bildung[5] ist dementsprechend die Ermächtigung zum Hinterfragen und Beurteilen, wie tragfähig existierende Systeme tatsächlich sind. Bildung kann sich dann nicht darin erschöpfen, vorherrschende Systeme zu erhalten und Lernende für ein Leben in gegebenen Systemen konform bzw. kompetent zu machen. Bildung hat vielmehr den Anspruch, ganz im Sinne Klafkis, zu Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität zu befähigen (Klafki 1996, 52) – nicht zur passiven, technokratischen Konformität, sondern zur verantwortlichen Mitgestaltung. Kuhlmeier/Vollmer konkretisieren diesen Anspruch für die Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBnE):

„BBnE darf sich […] nicht darauf beschränken, nachhaltige Technologien und Verfahren in die Bildungsprozesse zu integrieren, um aktuellen Entwicklungen gerecht zu werden, sondern sie muss den Lernenden zu verstehen ermöglichen, dass sie mit ihrem beruflichen Wissen und Können die Gesellschaft verändern – hier konkret: an der Lösung eines epochaltypischen Schlüsselproblems beteiligt sind. BBnE hat also das Ziel, den Lernenden bewusst zu machen, dass sie selbst in einen historischen Prozess eingebunden sind, daran mitwirken und sich dabei selbst verändern. In diesem Zusammenhang ist bspw. auch bedeutsam zu klären, weshalb eine nachhaltige Entwicklung aktuell eine epochaltypische Herausforderung darstellt, welche Dimensionen und Ziele damit lokal, regional und global verbunden sind, welche Interessen förderlich oder behindernd sind, was unter inter- und intragenerationeller Gerechtigkeit zu verstehen ist, welche Maßnahmen politisch beschlossen wurden und welche Konsequenzen diese für die Berufsarbeit, aber auch für das Privatleben haben.“ (Kuhlmeier/Vollmer 2018, 141)

Auch Auszubildenden und jungen Fachkräften muss klar werden, dass sie trotz ihres oft eingeschränkten Handlungsspielraums mit jeder beruflichen Handlung zu Erhalt und Evolution historisch gewachsener Systeme beitragen. Alle kaufmännischen Handlungen, auch trivial erscheinende Arbeitsprozesse an der Kasse im Einzelhandel oder am Büroschreibtisch, formen das Wirtschaftssystem – entweder im weiteren Austreten bewährter Pfade oder im Vordrängen in neue Gebiete. Insofern zielt BBnE auch auf eine Bildung zur Zukunftsgestaltung: Junge Menschen sollen trotz ihres vermeintlich noch begrenzten Handlungsrahmens dafür sensibilisiert werden, mit wachsender Mitbestimmung künftige Handlungsrahmen mitzugestalten.

Wie sähe jedoch dieses ‚neue Gebiet‘ unternehmerischer Nachhaltigkeit aus? Was wäre eine „positive Zukunftsvision“ (Vollmer/Kuhlmeier 2014, 205), die Unternehmern, Betriebswirten und dem kaufmännischen Nachwuchs als Orientierung dienen kann; und welche Entwicklungspfade führen dorthin? Einen Entwurf hierzu liefern Dyllick/Muff (2016) in ihrer Typologie unternehmerischer Nachhaltigkeit (s. Abbildung 3):

<<Abbildung 3: The Business Sustainability Typology With Key Characteristics and Shifts (Dyllick/Muff 2016, 168)Abbildung 3: The Business Sustainability Typology With Key Characteristics and Shifts (Dyllick/Muff 2016, 168)

Ein rein ökonomistisch ausgerichteter Betrieb müsste demnach zunächst seine formalen Ziele erweitern. Dieser Schritt kann politisch forciert werden, z. B. durch höhere Anforderungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sanktionen. Auf dieser Stufe bleiben ökologische und soziale Aspekte jedoch Nebenbedingungen, die von außen an das Unternehmen herangetragen werden. Das Unternehmen kann diese Bedingungen dann ohne tatsächliche Widmung in sein übliches Kalkül einbeziehen – weder proaktives Mitgestalten noch organisationale Veränderungen sind auf dieser Stufe zu erwarten. Andererseits sind diverse Maßnahmen eines sustainability managements so unmittelbar gewinnbringend oder kostenreduzierend, dass sie eine hohe Überzeugungskraft für Unternehmer haben und sich gut etablieren. Typische Beispiele für diese erste Stufe unternehmerischer Nachhaltigkeit sind das Einsparen von Ressourcen oder die Neuorientierung an regionalen Lieferanten, wodurch Risiken in der Beschaffung reduziert werden können. Diese Maßnahmen sind nachhaltigere Optionen, sie bleiben jedoch auf Prozessoptimierung begrenzt und dienen letztendlich klassischen, unveränderten Unternehmenszielen.

Ein weiterer Schritt, zur zweiten Stufe unternehmerischer Nachhaltigkeit, bestünde dann in der Erweiterung nicht nur der formalen Ziele, sondern der Sachziele und Wertvorstellungen des Unternehmens. Hier müsste echter Überzeugungswandel stattfinden, hin zu einem umfassenderen Wertschöpfungsverständnis, das sich tatsächlich mit Werten auseinandersetzt – nicht im verkürzten, rein monetären Verständnis, sondern in der ganzheitlichen humanistischen Frage danach, inwiefern die Leistungen des Unternehmens wertig sind und zu einem guten Leben beitragen (Casper 2017, 11). In der Management-Literatur entspräche dies der Entwicklung vom rein operativen/taktischen sustainability management hin zu einem tatsächlichen, strategischen stakeholder management. Dann würden Scheuklappen abgelegt: Es wären nicht nur die Bedürfnisse der Eigentümer im Blick, sondern die gesamte relevante Innen- und Umwelt des Unternehmens. Während sich Stufe 1 mit einer Lesart von Nachhaltigkeit als ‚Beständigkeit‘ vor allem des Unternehmens an sich begnügt, greift auf Stufe 2 die Lesart von Nachhaltigkeit als „ökologische, soziale, ökonomische und kulturelle Verantwortungsethik“ (Fischer et al. 2017, 4). Um unsere Lebensgrundlagen und die der kommenden Generationen zu erhalten, müssen schließlich alle Akteure, ob individuell oder organisational, aktiv Verantwortung für ihre Umwelt übernehmen - denn „die ökologische Krise [ist] eine Krise zwischen Menschen und ihrer Umwelt“ (ebd., 5). Die Klärung von Verantwortlichkeiten ist jedoch ein schwieriger Prozess. Die Bewegung hin zu dieser Stufe unternehmerischer Nachhaltigkeit kann das Aushandeln diverser Interessenskonflikte fordern und den Kern mancher Unternehmung mit unbequemen Gretchenfragen konfrontieren - wie ‚nachhaltig‘ kann in diesem Sinn z. B. ein Hersteller von Panzerkampfwagen sein?

Wird diese Perspektive konsequent weiterverfolgt, so lässt sich das Unternehmen letztendlich nicht mehr aus sich selbst heraus begründen. Für echte unternehmerische Nachhaltigkeit definiert sich ein Unternehmen in der Typologie von Dyllick/Muff auf Stufe 3 von außen nach innen. Es versucht also nicht, sich aus seiner inneren Logik heraus an Nebenbedingungen oder vernachlässigte Zieldimensionen heranzubewegen (und im Zweifelsfall zu kapitulieren und sich wieder der inneren Logik hinzugeben), sondern es formt und entwickelt sich gerade weil die Umwelt genügend Probleme zur Verfügung stellt, für deren Lösung eine organisierte, unternehmerische Wertschöpfung gebraucht wird. Hier zeigt sich auch, dass die Typologie von Dyllick/Muff keine Einbahnstraße darstellt: Ein Unternehmen gründet sich in der Regel gerade weil es eine Antwort auf akute Fragen der Gesellschaft bietet, gerade weil es den Menschen in seiner relevanten Umwelt ein besseres Leben ermöglicht. Dies kann auch auf einer Symptomebene geschehen oder durch Manipulation und Marketing zunächst Probleme erzeugen, die dann vermeintlich gelöst werden. Gerade in der neoliberalen Logik der Märkte jedoch würde kein Unternehmen bestehen, dass nicht zumindest vermeintlich Leistungen anbietet, die für seine Kunden von Wert sind. Doch so, wie wir die Stufen der Typologie aufwärtsgegangen sind, lassen sie sich auch hinabschreiten:

  • Von 3 auf 2, wenn ein Unternehmen einen Selbstzweck erhält und die tatsächliche Wertigkeit seiner Leistungen an Bedeutung verliert;
  • von 2 auf 1, wenn dieser Selbstzweck zunehmend auf eine Befriedigung der Eigentümer reduziert wird und
  • von 1 auf 0, wenn soziale und ökologische Aspekte ganz aus dem betriebswirtschaftlichen Kalkül verdrängt werden, selbst wenn sie den ökonomischen Erfolg bedingen.

Unterstützt wird diese Degenerierung durch das eingangs skizzierte vorherrschende ökonomistische Paradigma: Eine Wirtschaftstheorie, die sich als rein objektiv-analytische Wissenschaft versteht und in Lehrbüchern typischerweise als per se wertfrei gepriesen wird (Hill/Myatt 2010; Graupe 2016), propagiert genau diese Verdrängung sozialer und ökologischer Werte aus dem Kalkül. Wobei sich uns die Frage stellt: Warum sollte gerade eine Wissenschaft der Wertschöpfung darauf pochen, wertfrei zu sein?

In jener positiven Vision unternehmerischer Nachhaltigkeit auf Stufe 3 sehen wir einen neuralgischen Punkt der beruflichen Bildung zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft. Nachhaltiges Wirtschaften gelingt demnach in einem Unternehmen, das sich nicht als Selbstzweck genügt, sondern in echter Interaktion mit seiner Umwelt steht. Dabei bedeutet echte Interaktion "erstens, sich auf die Eigenart des Gegenüber einzulassen (Interaktion) und zweitens, eigene Intentionen in die Beziehung einzubringen (Interaktion)" (Lempert 1979, 88). Interaktion, oder Mitgestaltung im interaktionistischen Verständnis, ist also auf die Aushandlung eigener und fremder Interessen sowie innerer und äußerer Bedingungen gerichtet. In diesem Sinne kann sich Berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung weder darauf beschränken, Auszubildenden lediglich ein reaktives Zurechtfinden in den gegebenen, oft individuell unbefriedigenden Umständen zu ermöglichen; noch darauf, sich in visionären Idealen der Selbstentfaltung zu verlieren, die den aktuellen Realitäten nicht standhalten können und höchstens durch einen radikalen Totalausstieg aus gesellschaftlichen Konventionen verfolgbar wären. Es gilt hingegen, ihnen mögliche Schlüsselmomente zum Verständnis und der Kritik ihrer Lebenswelt zu eröffnen, sodass sie sich in begründeter Tiefe auf diese vorherrschende Lebenswelt mit ihren Institutionen und Mitmenschen einlassen können (inter-, mit-) und gleichzeitig dazu befähigt werden, „eigene Intentionen einzubringen“ (s. o.) und an der Veränderung dieser ihrer Welt im eigenen Interesse mitzuwirken (-aktion, -gestaltung).  

3.2 Zum Verhältnis von Ökonomie, Kompetenz und Modellierung im Kontext einer BBnE

Will man Menschen in die Lage versetzen, mitzugestalten, so muss man sie dabei unterstützen, die nötige Kompetenz zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund müssen wir kritisch betrachten, welche Absichten hinter Kompetenzmodellierungen stehen können und inwiefern diese das Verhältnis von inneren und äußeren Ansprüchen abbilden. Auch hier ist eine ökonomistische Färbung des Kompetenzbegriffes zu erkennen. So werden in klassischen Hypothesenmodellen der Eignungsdiagnostik Kompetenzen und deren Prädiktoren deduktiv aus den Anforderungen einer (Arbeits-)Stelle abgeleitet, wie in Abbildung 4 dargestellt.

<<Abbildung 4: Hypothesenmodell der Eignungsdiagnostik (eigene Darstellung, in Anlehnung an Rastetter 1996, 60; Binning/Barrett 1989)Abbildung 4: Hypothesenmodell der Eignungsdiagnostik (eigene Darstellung, in Anlehnung an Rastetter 1996, 60; Binning/Barrett 1989)

Ein derartiges Modellieren von Kompetenzen geht also von den äußeren Anforderungen einer Arbeitsstelle oder eines Arbeitsmarktes aus. Es nimmt die strukturellen Gegebenheiten und unternehmerischen Bedarfe als gegeben hin und sieht das Individuum als Variable, die es zu bewerten und optimieren gilt. Kompetenzerfassung bzw. -messung hat dann eine deutlich selektive Absicht: Sie dient der Beurteilung und Auswahl derjenigen, die einer gegebenen Stelle am ehesten entsprechen. Dieser Zugang ist auch im Rahmen der Beruflichen Bildung durchaus zu rechtfertigen, wenn darüber argumentiert wird, dass Kompetenzorientierung u. a. „einen grundlegenden Wandel in der Formulierung von Lernzielen nach sich [zieht]: Statt wie bisher rein fächerbezogen sollen Lernziele stärker inhaltsübergreifend fundiert und funktional auf die Anforderungen der Lebens- und Arbeitswelt bezogen werden“ (Weiß 2016, 5). Problematisch wird dieser Zugang, wenn es lediglich bei dieser funktionalen Sicht auf das Individuum bleibt – sie neigt dazu, Menschen auf ihre Verfügbarkeit zu reduzieren. Kompetenz wird dann zu einem „Begriff für das verwertbare Ungefähre“ (Geißler/Orthey 2002) und Kompetenzmodellierung wird zu einem Prozess, der dieses Ungefähre etwas weniger ungefähr zu machen versucht (und damit wohl auch fairer). Eine Kompetenzmodellierung mit dem alleinigen Ziel der Kompetenzerfassung lässt jedoch zwei zentrale pädagogische Problembereiche völlig unangetastet:

  • Die didaktische Dimension: Wie können die ‚geforderten‘ Kompetenzen entwickelt bzw. gefördert werden?
  • Die emanzipatorische Dimension: Inwieweit werden Individuen entmachtet oder dazu ermächtigt, die für die Messung als gegeben hingenommenen Umstände zu verändern – also im obigen Sinne mitzugestalten, zu interagieren, statt nur zu funktionieren?

Hierin lassen sich drei Funktionsgruppen von Messungen bzw. Prüfungen erkennen (vgl. Walter 1996, 44): Eine Kompetenzmessung, die sich methodisch stark auf a) Steuerungs- und Allokationsfunktionen konzentriert, vernachlässigt notwendigerweise b) Pädagogische und Didaktische Funktionen und erfüllt indirekte c) Herrschafts- und Sozialisationsfunktionen, ohne zur Mitgestaltung einzuladen. Die folgende Grafik veranschaulicht den Zusammenhang dieser Problembereiche in einer Begründungsstruktur für Kompetenzmodellierungen:

<<Abbildung 5: Begründungsstruktur für Kompetenzmodellierung (eigene Darstellung)Abbildung 5: Begründungsstruktur für Kompetenzmodellierung (eigene Darstellung)

Besonders bedeutsam für den BBnE-Diskurs ist dabei das Problem der unterschiedlichen Messbarkeit unterschiedlicher Prädiktorentypen: Für eine rein auf Allokation zielende Kompetenzmodellierung würde es ggf. ausreichen, nur kognitive Merkmale abzubilden. Jemand, der die notwendigen kognitiven Fähigkeiten nicht vorweisen kann, würde dann entsprechend (und begründet) aussortiert. Es wäre nicht nötig, zusätzlich nach seinen schwer messbaren affektiven und motivationalen Merkmalen zu fragen. Man könnte sich bei der Kompetenzmodellierung auf jene Merkmale konzentrieren, die sich im Sinne messtheoretischer Gütekriterien gut messen lassen. Diese könnte man dann hinreichend für Allokationsentscheidungen nutzen, während man die uneindeutigen Merkmale unangetastet lässt. Will man hingegen Kompetenzen fördern, so genügt ein solches Ausschlussverfahren keinesfalls. Es würde genau jene schwer zu definierenden Merkmale ausblenden, die nach einschlägiger Meinung gerade für die BBnE zentral sind: Werthaltungen, Motivationen und Einstellungen (vgl. Michaelis 2016, 29).

Wirtschaftspädagogen können sich an dieser Stelle entscheiden, ob sie eher das Wirtschaftliche in ihrer Berufsbezeichnung betonen oder eher das Pädagogische; ob sie Kompetenzmodellierung eher im Dienste einer effizienten und effektiven Allokationsdiagnostik betreiben oder eher im Dienste einer emanzipativen Förderung. Beides ist berechtigt und an unterschiedlichen Stellen notwendig, es setzt jedoch grundlegend unterschiedliche Ziele, Verfahren und Standards voraus. Unsere Position ist dabei eine bildungstheoretisch und pädagogisch motivierte, schließlich steht in unserem Vorhaben die Frage der bestmöglichen Förderung zur Mitgestaltung im Zentrum – also nicht die Frage der tragfähigsten statistischen Modellierung. Wir tendieren hingegen sogar dazu, statistische Modellierungen kritisch zu betrachten: als Akt des Mathematisierens zur Erschließung des ‚Kompetenzträgers‘ für dessen Funktionalisierung, letztlich für dessen Ökonomisierung im oben beschriebenen Paradigma.

Unsere hier dargestellte Theoriebasis und unsere pädagogische Position haben folglich bestimmte Konsequenzen für die Modellierung, die wir zum besseren Verständnis zu einer allgemeinen Modelltheorie in Beziehung setzen wollen. Dies leitet über in das nächste Kapitel, in dem wir die Modellierungsstrategie der wissenschaftlichen Begleitung und deren Zwischenstand darstellen.

4 Strategie und Stand der Kompetenzmodellierung im Modellversuchsförderschwerpunkt

4.1 Ein modelltheoretisch begründeter Referenzrahmen für BBnE und Schritte einer responsiven Modellierungsstrategie

Für eine fundierte Modellentwicklung, die den normativen Leitideen einer BBnE gerecht wird, bedarf es zunächst einer Klärung des Modellbegriffs an sich. Modelle können dazu dienen, Komplexität zu reduzieren und Anleitungen für das Handeln bereitzustellen. In der allgemeinen Modelltheorie werden drei Hauptmerkmale von Modellen beschrieben (Stachowiak 1973, 6):

  1. Das Abbildungsmerkmal beschreibt, dass sich ein Modell stets auf ein Original bezieht, auf etwas existentes oder vorstellbares Konkretes.
  2. Das Verkürzungsmerkmal beschreibt, dass dieses Original jedoch nicht vollständig abgebildet wird, sonst wäre das Abbild eine Kopie, kein Modell. Ein gutes Modell zeichnet sich demnach durch die Auswahl genau jener Attribute des Originals ab, die für den Zweck des Modells notwendig sind.[6] Wird ein Modell zu detailliert, so wird es unübersichtlich und für einige Zwecke unbrauchbar.
  3. Diese Zweckorientierung führt schließlich zum pragmatischen Merkmal. Hiernach zeichnen sich Modelle durch ihre Zweckgebundenheit aus, die sich an bestimmte Modellverwender in bestimmten Kontexten koppelt.

Diese zentralen Merkmale gilt es für die BBnE-Modellentwicklung zu bestimmen. Die zentrale Frage der wissenschaftlichen Begleitung, „Wie können Dimensionen einer nachhaltigkeitsbezogenen Handlungskompetenz für die kaufmännische Berufsarbeit bestimmt werden?“, muss um weitere Leitfragen ergänzt werden:

  • Zum Abbildungsmerkmal: Wie ist das „Original“ der nachhaltigkeitsbezogenen Gestaltungskompetenz zu bestimmen? Bezieht sich die Modellierung auf aktuell empirisch erfassbare Kompetenzen oder auf eine normative Leitidee?
  • Zum Verkürzungsmerkmal: Welche Akzente und welcher Umfang der Modellierung sind zweckdienlich? Welche Tiefe und Breite sind angemessen, um Verständnis zu fördern statt zu verwirren?
  • Zum pragmatischen Merkmal: Worauf zielt die Modellierung ab? Auf das bessere Verständnis eines existenten Gegenstandes oder auf die Ableitung von Handlungsempfehlungen aus einem substitutiven System heraus?

Eingangs wurde bereits auf die pragmatische Verkettung der drei Modelle zu Kompetenzentwicklung und Werthaltungen, zu curricularen und didaktischen Konzepten und zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals verwiesen, die von der wissenschaftlichen Begleitung zu erarbeiten sind (vgl. Abb. 1 und 2). Von pragmatischem Interesse für die Kompetenzmodellierung sind im ersten Schritt daher jene Aspekte der Kompetenzentwicklung und der Werthaltung(en), die wiederum für die Modellierung curricularer und didaktischer Konzepte bedeutsam sind. Für die Umsetzung jener Konzepte muss schließlich Bildungspersonal qualifiziert werden, womit der zweite Modellierungsschritt den Zielhorizont des dritten bestimmt.

Über diese verschränkten Verwertungszusammenhänge lassen sich ebenfalls die Abbild- und Verkürzungsmerkmale eines möglichen Kompetenzmodells legitimieren. In der Curriculumtheorie Robinsohns (1981, 47) lassen sich hierfür drei Kriterien zur Auswahl von Bildungsinhalten unterscheiden:

  1. "Bedeutung eines Gegenstandes im Gefüge der Wissenschaft, damit auch als Voraussetzung für weiteres Studium und weitere Ausbildung;
  2. [...] Leistung eines Gegenstandes für Weltverstehen, d.h. für die Orientierung innerhalb einer Kultur und für die Interpretation ihrer Phänomene;
  3. [...] Funktion eines Gegenstandes in spezifischen Verwendungssituationen des privaten und öffentlichen Lebens".

Einen besonderen Schwerpunkt bei der Entwicklung berufsbildender Curricula bildet traditionell das in Punkt 3 angesprochene Situationsprinzip. Nach Vollmer/Kuhlmeier (2014, 206) steht „die berufliche Handlung per se im Zentrum der Berufsbildung […] Wenn nachhaltige Entwicklung als ein durchgängiges Handlungsprinzip in der Berufs- und Arbeitswelt verankert werden soll, müssen die beruflichen Handlungsfelder und Handlungssituationen grundsätzlich auf ihre Bedeutsamkeit für eine nachhaltige Entwicklung hin analysiert werden“. Ausgehend von typischen Situationen müssten demnach die Kompetenzen identifiziert werden, die eine erfolgreiche Bewältigung jener Situationen im Sinne einer nachhaltigkeitsbezogenen Handlungskompetenz ermöglichen. Der Begriff Kompetenz beschreibt in diesem Sinne die Disposition, d.h. das in der Lage sein, in Situationen eines bestimmten Typs erfolgreich zu handeln. Kompetenzen sind dann Grundlage von, aber keinesfalls identisch mit Lehr-Lernzielen. Wiek et al. (2011) beispielsweise unterscheiden

  1. Schlüsselkompetenzen zum Themenfeld Nachhaltigkeit,
  2. Kompetenzen für eine bestimmte Profession/einen bestimmten Bildungsgang und
  3. intendierte Lerneffekte.

In Kombination mit dem Handlungsfeld-Ansatz von Vollmer/Kuhlmeier ließen sich die domänenspezifischen Kompetenzen b. zuordnen. Das von Wiek et al. aus Literaturanalysen erhobene Rahmenmodell der Schlüsselkompetenzen kann als Referenz auf einer höheren Abstraktionsebene genutzt werden und ermöglicht gleichzeitig Anknüpfungspunkte für einen wissenschaftlichen Anschluss[7] im Sinne von Robinsohn (1.). Die bei Wiek et al. genannten Kompetenzbereiche lauten 1) Systemdenken, 2) Antizipatorische Kompetenz, 3) Normative Kompetenz, 4) Strategische Kompetenz und 5) Interpersonelle Kompetenz (ebd.). Wiek et al. liefern damit ein Modell abstrakter, analytischer Kompetenzdimensionen,[8] die es für unterschiedliche Handlungsfelder und über unterschiedliche Stufen zu konkretisieren gilt. Die Bewegung von Stufe zu Stufe entspräche dann der Kompetenzentwicklung, die wiederum die Grundlage der Lehr-Lernzielformulierung und somit der zweiten Modellierungsebene im Modellversuchsförderschwerpunkt bildet.

Vor diesen Hintergründen lassen sich nun verschiedene Referenzkategorien für die Modellierung von Kompetenzen voneinander abgrenzen:

  • Modellierung der Kompetenzentwicklung: Wie entsteht Kompetenz und wie verändert sie sich?
  • Modellierung der Kompetenzstruktur: Wie ist Kompetenz aufgebaut und welche Dimensionen sowie innere Zusammenhänge (Hierarchien, Sequenzierungen, Interdependenzen) lassen sich identifizieren?
  • Modellierung der Kompetenzstufung/Gradierung: Welche Entwicklungsstufen und Niveauunterschiede lassen sich identifizieren?
  • Modellierung der Kompetenzwirkung: Wie wird aus einer Disposition eine sichtbare Performanz? Welche kognitiven Prozesse, welche Neben- und Extrembedingungen sind relevant?

Die folgende Abbildung illustriert den Zusammenhang dieser Referenzkategorien:

<<Abbildung 6: Referenzrahmen zur Kompetenzmodellierung (eigene Darstellung)Abbildung 6: Referenzrahmen zur Kompetenzmodellierung (eigene Darstellung)

Je nach pragmatischem Interesse und Grad der Elaboration bedient ein Kompetenzmodell letztendlich mehrere bis alle dieser Kategorien. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die entwicklungspsychologische Theorie Piagets, die neben einem Phasenmodell aufeinander folgender Entwicklungsschritte (bzw. Kompetenzstufen) auch ein ausdifferenziertes Modell der Entwicklung von Schemata über die Mechanismen der Assimilation und Akkommodation etc. bietet (vgl. (Piaget/Inhelder 1972). Der ‚Schlangenpfad‘ der Entwicklung in der Abbildung soll hier andeuten, dass die tatsächliche individuelle Entwicklung in der Regel nicht streng linear verläuft (so, wie man sie messtheoretisch idealtypisch abzubilden versuchen würde), sondern durch Umwege, Rückschritte und Sprünge des Individuums gekennzeichnet ist. Ein aktuelles Beispiel für eine Heuristik zur Kompetenzwirkung wiederum wäre das Modell von Blömeke et al. (2015), das zwischen Disposition und Performanz einen Bereich situationsspezifischer Fähigkeiten einräumt (mit den Prozessen Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidung). Hieran wird erneut deutlich, dass Kompetenz als Disposition stets ein latentes Konstrukt ist und – insbesondere für Mess- und Beurteilungszwecke – die Modellierung der Kompetenzwirkung von besonderer Bedeutung ist.

Dieser Referenzrahmen liefert die Analysekategorien für den responsiven Ansatz der wissenschaftlichen Begleitung: Die jeweiligen Modellierungen der einzelnen Modellversuchspartner werden als Ausgangspunkt einer induktiven, übergreifenden Modellierung genutzt. Dabei werden folgende Schritte durchlaufen:

  1. Verortung der Modellierungen der Projektpartner in einer Synopse bzw. Topologie der Referenzkategorien: Ausgehend von den Zwischenberichten, den Ergebnissen der Arbeitsforen und einzelnen Projektgesprächen werden die Modellierungen der Projektpartner nach den Referenzkategorien sortiert (Leitfrage: „Inwieweit ähneln sich die Modellierungen hinsichtlich ihres Verständnisses von Kompetenzstruktur, -stufen, -entwicklung und -wirkung“). Dieser Schritt ist zum Zeitpunkt dieses Beitrags in vollem Gange. Für einige der Projekte liegen bereits Modellierungen vor, andere sind im Entstehen.
  2. Identifikation der latenten theoretischen Hintergründe: Durch die topologischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Modellierungen lassen sich auch implizitere theoretische Verwandtschaften interpretieren. In Kombination mit den explizit geäußerten Theoriebezügen lassen sich so Verortungen in der gängigen Theorielandschaft ausmachen.
  3. Ableitung eines Kernmodells nachhaltigkeitsbezogener Handlungskompetenz zur Mitgestaltung der Arbeitswelt und Gesellschaft: Die Überschneidungen der so erstellten Topologie werden in einem Kernmodell zusammengefasst, welches iterativ auf die oben genannten Modellmerkmale und zugehörigen Leitfragen hin überprüft und ggf. geschärft werden muss. Denkbar ist ein Modell mit ‚Kann-Aspekten‘ und ‚Soll-Aspekten‘, das über den gemeinsamen Kern hinaus auch vereinzelte, sofern vielversprechende Akzente für die nachfolgenden Modellierungsebenen mit einbezieht. Der dynamischste Punkt ist hierbei die induktiv zu erhebende domänenspezifische Kompetenzstruktur.
  4. Prüfung und ggf. Erweiterung des Kernmodells auf die Nebenbedingungen laut Auftrag der wissenschaftlichen Begleitung: Gefordert sind seitens der Auftraggeber a) die Anschlussfähigkeit, insbesondere Kompatibilität mit den Niveaustufen des Deutschen Qualifikationsrahmens sowie b) die Möglichkeit der Erfassung in Prüfungen. Das induktiv erfasste Kernmodell ist dahingehend zu prüfen und ggf. zu erweitern.

Der folgende Abschnitt gibt einen Einblick in den Stand unserer Überlegungen am Beispiel des Kompetenzstrukturmodells.

4.2 Kompetenzstrukturmodell für BBnE in kaufmännischen Berufen

In den bisherigen Arbeitsforen des Förderprogramms und in den Einzelgesprächen mit den Modellversuchsakteuren wurde zunehmend deutlich, dass die Grundlagen für eine BBnE in kaufmännischen Berufen zwar schon an einigen Stellen formuliert sind, jedoch auf einem derart abstrakten, sphärischen oder spärlichen Niveau, dass eine Umsetzung in Handeln ohne interpretative Zwischenschritte nicht möglich ist. So liefert beispielsweise die anerkannte pädagogisch-anthropologische Trias von Sach-, Sozial- und Werteinsicht (Roth 1971, 596) bzw. Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz[9] als Dimensionen der beruflichen Handlungskompetenz durchaus einen zentralen Bezugspunkt auch der BBnE – für sich genommen ist sie jedoch kaum aussagekräftig. Um in nachhaltigkeitsbezogenes berufliches Handeln in den hier betrachteten Berufen zu münden, muss sie genau so spezifiziert werden:

  1. Was bedeuten Sach-, Sozial- und Werteinsicht konkret für Berufliche Bildung?
  2. Wie sind sie im wirtschaftspädagogischen und kaufmännischen Kontext domänenspezifisch zu konkretisieren?
  3. Wie werden sie für die BBnE auf Nachhaltigkeit bezogen?

Konkretisieren wir also zunächst für den Beruf (a). Berufe können verstanden werden als „institutionell verankerte soziale Schemata, die technische und ökonomische Problemlösungen mit den Bedürfnissen, Interessen und biografischen Orientierungen der Arbeitenden vermitteln“ (Severing 2014, 6). Hierin ist die Trias bereits aufgenommen: der Beruf ist ein Ausschnitt der gesellschaftlichen Gesamtarbeit; ein Paket, dass sich aus bestimmten Lösungen für bestimmte (verwandte) Probleme bzw. Aufgaben des zeitgenössischen Lebens schnürt (daher verändern sich Berufe notwendigerweise durch kulturellen und technologischen Wandel). Sacheinsicht bedeutet demnach, den Beruf als sachbezogenes Tätigkeitsbündel zu verstehen: Was sind die Gegenstände, Prozesse, Probleme, mit denen sich ein Kaufmann auseinandersetzt? Der Beruf ist aber auch, vielleicht sogar in allererster Linie, ein soziales Schema (s. o.), eine community of practice (Wenger 2008). Sozialeinsicht bedeutet demnach, den Beruf als verantwortliche soziale Eingebundenheit zu begreifen – eingebunden in organisationale, familiäre und gesellschaftliche Spannungsfelder, aus denen Freude und Missmut, Rechte und Pflichten erwachsen können. So vermittelt der Beruf gesellschaftliche Ansprüche „mit den Bedürfnissen, Interessen und biografischen Orientierungen der Arbeitenden“ (s. o.), Werteinsicht bedeutet demnach, den Beruf als sinnstiftendes Identitätsmerkmal zu verstehen. Schließlich verbringen durchschnittliche Arbeitnehmer einen Großteil ihres Lebens im Beruf. Es wäre unbefriedigend und unangemessen, den Beruf als persönlichkeitsneutrale Nebensache hinzunehmen, wenn er de facto den markantesten und prägendsten Anteil unserer Lebenszeit bildet. Eine solche Idee von work life balance stellt die Arbeit als entfremdetes notwendiges Übel neben das Leben (Vašek 2013), anstatt dazu zu ermutigen, den Beruf als integralen Bestandteil des Lebens sinnstiftend auszugestalten. Diese Gefahr fügt sich nahtlos in das oben skizzierte ökonomistische Paradigma, in dem der Mensch für die Wirtschaft da ist, nicht mehr die Wirtschaft für den Menschen.

Es liegt nahe, dass diese Spezifizierungen für bestimmte Berufsgruppen bzw. Domänen unterschiedlich auszugestalten sind. Für eine wirtschaftspädagogische und kaufmännische Konkretisierung (b), muss der Beruf schließlich im Spannungsfeld der oben beschriebenen Formen von Ökonomisierung betrachtet werden. Hierzu liefert die Anthropologie der reflexiven Wirtschaftspädagogik einen Ansatz (Tafner 2015): Das zentrale Merkmal der Ökonomie, die Effizienzfrage, kann durch sacheinsichtiges Handeln gewährleistet werden. Effizienz ist jedoch nie wertfrei, denn sie ist stets Effizienz in etwas, für etwas: Niemand wünscht sich einen effizienten Massenmörder in der Nachbarschaft. Die sozialeinsichtige Facette des Wirtschaftens ist somit die Verantwortung und die werteinsichtige Facette der Sinn, der übergeordnete Bedeutungshorizont einer Tätigkeit für das handelnde Individuum. Übersetzt in Begriffe der Wertigkeit kaufmännischer Arbeit sind dies Wertschöpfung, Wertschätzung und Wertempfinden (Casper 2017), wie oben bei den Typologien von Dyllick/Muff bereits angesprochen: Ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen zeichnet sich durch ebendieses ganzheitliche Wertverständnis aus; ebenso der nachhaltig orientierte Kaufmann und Facharbeiter.

Die nachhaltigkeitsorientierte Akzentuierung (c) erhält das Strukturmodell schließlich durch didaktische Analysekriterien für die BBnE (Kuhlmeier/Vollmer 2018): Zur Einsicht in kaufmännische Wertschöpfungsprozesse müssen Liefer- und Prozessketten sowie Produktlebenszyklen thematisiert werden; neben Effizienzstrategien sollten auch Konsistenz- und Suffizienzstrategien zum Kalkül gehören. Verantwortung und Wertschätzung wiederum sollten auch ferne und längerfristige Folgen einbeziehen, um nicht konsequent Marktversagen im oben erläuterten Sinn herauszufordern. Letztendlich ist das Herzstück der BBnE, gewissermaßen ihre DNA, der Umgang mit Widersprüchen (Fischer 2013). Werteinsicht, Sinnstiftung, persönliches Empfinden ist damit die Grundlage der Aushandlung von Zielkonflikten und des Aushaltens oder Bewältigens von Dilemmata für eine individuell befriedigende Berufsarbeit. Diese Konkretisierungsschritte werden in Abbildung 7 zusammengefasst.

<<Abbildung 7: Kompetenzstrukturmodell für BBnE in kaufmännischen Berufen (eigene Darstellung)Abbildung 7: Kompetenzstrukturmodell für BBnE in kaufmännischen Berufen (eigene Darstellung)

Um als Kompetenzstrukturmodell zu greifen, müssen den Kompetenzdimensionen (bzw. Komponenten der Einsicht) auf der integrierenden X-Achse weiterhin domänen- und berufsspezifische Handlungsbereiche gegenübergestellt werden. Auf einer sequenziell gegliederten Y-Achse werden diese hier aus den aktuellen Berufsbildpositionen und zukunftsorientierten Domänenanalysen identifiziert. Im Modellversuchsförderschwerpunkt verfolgen wir diesen Schritt neben unseren eigenen Analysen insbesondere über die Lerneinheiten der einzelnen Modellversuche – schließlich verstehen wir diese als Prototypen nachhaltigkeitsbezogener Berufsbildung. Da die Lerneinheiten noch in der Entwicklung sind, kann dies noch nicht abschließend geschehen, sondern punktuell und exemplarisch. Zur Illustration zeigen wir in der folgenden Abbildung ein Beispiel, das in Abstimmung mit dem Modellversuch Pro-DEENLA[10] entstand:

<<Abbildung 8: Beispiel für Kompetenzbeschreibungen aus der Perspektive von Auszubildenden, aus dem Modellversuch Pro-DEENLA entlang des Kompetenzstrukturmodells für BBnE im Handel (eigene Darstellung)Abbildung 8: Beispiel für Kompetenzbeschreibungen aus der Perspektive von Auszubildenden, aus dem Modellversuch Pro-DEENLA entlang des Kompetenzstrukturmodells für BBnE im Handel (eigene Darstellung)

In diesem Sinne wurde und wird das Kompetenzstrukturmodell im Rahmen von Abstimmungsgesprächen mit den Modellversuchsakteuren am Beispiel konkreter Lerneinheiten getestet und weiterentwickelt. Durch die Verankerung in einschlägigen berufs- und wirtschaftspädagogischen Ansätzen ist es anknüpfungsfähig und für Sachkundige intuitiv handhabbar. Bislang wird es von den Beteiligten als hilfreiches analytisches Mittel wahrgenommen, aber auch kritisch diskutiert und an den spezifischen Kompetenzmodellen der jeweiligen Berufsfelder gespiegelt. Dieser Prozess läuft derzeit und soll in den angesprochenen Iterationen fortgeführt werden, sodass eine abschließende Prozessdokumentation und Synopse über alle Modellversuche hinweg für den Abschlussband des Förderschwerpunkts angestrebt ist.

Zentrale Leistung der Theorie- und Modellbildung ist somit die Konkretisierung eines domänenspezifischen, nachhaltigkeitsorientierten Berufsverständnisses. Dies schafft Klarheit und Orientierung und zeigt vor allem, dass nachhaltige Entwicklung weder abstrakter theoretischer Überbau noch optionale Zusatzdimension ist: Echte kaufmännische Nachhaltigkeit ist in der Tiefenstruktur beruflicher Handlungskompetenz angelegt. Sie muss ‚lediglich‘

  • als solche wahr- und ernstgenommen werden (emanzipatorische Wendung des Berufsbegriffs);
  • zwischen dem konkreten Status Quo der Berufsarbeit und berufsspezifischen Trends/Anforderungen einer nachhaltigeren Entwicklung vermitteln (Einklang von Befähigung und Innovation); und
  • sich gegen ökonomistische Verkürzungen und Imperialismen behaupten (ideologiekritisches Ökonomieverständnis).

BBnE wird somit nicht nur zum Leitprogramm der individuellen Bildung, sondern vor allem der formalen Bildung und ihrer Systeme und Akteure. Nach unserem Verständnis ist genau das mit dem zentralen Anliegen des Förderschwerpunkts gemeint, die Leitidee der Nachhaltigkeit „vom Projekt zur Struktur“ der Berufsbildung zu bringen (Hemkes 2014).

5 Ausblick

Zur Etablierung der BBnE werden sich konkrete curriculare und didaktische Konzepte bewähren müssen. Dies mündet in die vielen noch offenen Fragen des Förderschwerpunkts und über diesen hinaus. Wir wollen daher mit einem kurzen Ausblick abschließen, der die Fortschreibung unserer Strategie in die beiden noch ausstehenden Teilmodellierungen darstellt.

Für die beiden weiteren Modelle zu curricularen und didaktischen Konzepten und zur Qualifizierung des Berufsbildungspersonals sind erst wenige verallgemeinernde Aussagen möglich, da sich die Modellversuche derzeit größtenteils noch in der Entwicklung und Erprobung ihrer Curricula und didaktischen Konzepte befinden. Aus der bisherigen Beratung der Modellversuche und der Einsicht in erste curriculare Dokumente lassen sich jedoch bereits Referenzkategorien skizzieren, die zu einschlägigen Modellen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik anschlussfähig sind, u. a. zur Hamburger Curriculumstrategie (Tramm/Casper 2018), zur Berliner Lehr-Lern-Theoretischen Didaktik (Heimann et al. 1979) sowie zu Klafkis Perspektivenschema (Klafki 2007), aber auch zur empirisch orientierten Instruktionspsychologie (Klauer/Leutner 2012). :

  • Curriculare Analyse der Ordnungsmittel: Welche pädagogisch sinnvollen Kompetenzen/Inhalte/curricularen Funktionen lassen sich aus kodifizierten Normen und Theoriebezügen ableiten/interpretieren?
  • Sequenzierung: Auf welcher (Entwicklungs-)Logik basiert das Curriculum, welche Stufung und welche Dramaturgie werden abgebildet? Welches Lernverständnis wird über diese Strukturplanung deutlich?
  • Makroplanung der Lernhandlungen: Durch welche Lernhandlungen sollen die formulierten Ziele erreicht werden? Welche Handlungsprodukte sollen entstehen, welche Indikatoren lassen auf die erreichten Lerneffekte schließen, welche Impulse und welche Lernumgebung müssen durch Lehrende realisiert werden? Wie werden exemplarische, Gegenwarts- und Zukunftsbedeutungen zugänglich und darstellbar? Wie werden Lernerfolge sichtbar und messbar?
  • Mikroplanung der Veranstaltungen: Wie stehen konkrete Bedingungs- und Entscheidungsfelder zueinander, welchen Implikationszusammenhang bilden Ziele, Inhalte, Methoden und Medien? Welche Prinzipien didaktischen Designs sind anzuwenden?

Wie erwähnt sind diese Referenzkategorien noch vorläufig und daher allgemein gehalten. Im weiteren Projektverlauf wird sich zeigen, inwieweit sich aus den Modellversuchen andere, für das Förderprogramm spezifische Aspekte ergeben. Ähnliches gilt für das dritte Modell: Von pragmatischem Interesse für ein Qualifizierungsmodell ist zunächst die Erkenntnis, dass eine strukturelle Verankerung der Leitidee in die Aus- und Weiterbildung grundlegend vom Berufsbildungspersonal getragen wird. Sie werden als aktive Gestalter dieses innovativen Transformationsprozesses angesehen. Dementsprechend müssen sie über ein nachhaltigkeitsbezogenes Verantwortungsbewusstsein verfügen, dieses mit einer nachhaltigkeitsbezogenen professionellen Handlungskompetenz verbinden, um es unter Bezugnahme entsprechender didaktisch-curricularer Konzepte umsetzen zu können. Bisher gibt es aber kein dezidiertes Qualifizierungsmodell, das beschreibt, welche Einflussfaktoren entscheidend sind, um das Bildungspersonal entsprechend für die Umsetzung der Leitidee der Nachhaltigkeit in Berufsbildungsprozessen zu befähigen bzw. zu überzeugen.

Aus Sicht der prozessorientierten Evaluationsforschung (vgl. Tonhäuser 2017, 9ff.) zur Bewertung der Wirksamkeit von Weiterbildungsmaßnahmen und der Implementationsforschung (vgl. Altrichter/Wiesinger 2005, 32) lassen sich verschiedene Einflussfaktoren für den Transfererfolg einer Qualifizierung entnehmen. So bestätigen Tonhäuser/Büker (2016) drei zentrale Einflussfaktoren:

  1. Individuelle Faktoren der Teilnehmenden;
  2. Maßnahmenspezifische Faktoren des Lernfeldes;
  3. Organisationale Faktoren des Anwendungsfeldes.

Diese drei Kategorien bilden das Grundgerüst zur Modellierung des Angebots-Nutzungsmodells für die Weiterbildung des Berufsbildungspersonals. Grundsätzlich sollten alle drei gleichermaßen in die Modellbildung einfließen. In Abgrenzung zur Zielsetzung der Förderlinie 2 (nachhaltige Lernorte) beschäftigen wir uns jedoch vorrangig mit den individuellen und maßnahmenspezifischen Faktoren. Die organisationalen Faktoren des Anwendungsfeldes sollen verknüpfend über die Kooperation der beiden Förderlinien in das Angebots- Nutzungsmodell einbezogen werden.

Literatur

Altrichter, H./Wiesinger, S. (2005): Implementation von Schulinnovationen – aktuelle Hoffnungen und Forschungswissen. In: Journal für Schulentwicklung, 9, H. 4, 28-36.

Avery, G. C./Bergsteiner, H. (2011): Sustainable leadership. Honeybee and locust approaches. New York.

Binning, J. F./Barrett, G. V. (1989): Validity of Personnel Decisions: A Conceptual Analysis of the Inferential and Evidential Bases. In: Journal of Applied Psychology, 74, H. 3, 478-494.

Blömeke, S./Gustafsson, J./Shavelson, R. J. (2015): Beyond Dichotomies. In: Zeitschrift für Psychologie, 223, H. 1, 3-13.

Bojanowski, A. (2015): Kommen Sie mir bloß nicht mit Nachhaltigkeit – meine Kritik am Umwelt-Etikettenschwindel. Online: http://axelbojanowski.de/kommen-sie-mir-bloss-nicht-mit-nachhaltigkeit-kritik-am-etikettenschwindel/ (21.08.2017).

Bowen, F./Aragon-Correa, J. A. (2014): Greenwashing in Corporate Environmentalism Research and Practice. In: Organization & Environment, 27, H. 2, 107-112.

Brand, K./Jochum, G. (2000): Der deutsche Diskurs zu nachhaltiger Entwicklung. Abschlussbericht eines DFG-Projekts zum Thema Sustainable Development/Nachhaltige Entwicklung – Zur sozialen Konstruktion globaler Handlungskonzepte im Umweltdiskurs. Münchner Projektgruppe für Sozialforschung e.V., MPS-Text 1/2000. Online: http://www.sozialforschung.org/wordpress/wp-content/uploads/2009/09/kw_brand_deutscher_nachh_diskurs.pdf (27.01.2018).

Bromwich, J. E. (2017): Defying Trump, Hawaii Becomes First State to Pass Law Committing to Paris Climate Accord. In: New York Times, 07.06.2017. Online: https://www.nytimes.com/2017/06/07/climate/hawaii-climate-paris-trump.html (27.01.2018).

Bundesinstitut für Berufsbildung (2017): Modellversuche Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung 2015-2019. Bundesinstitut für Berufsbildung. Bonn. Online: https://www2.bibb.de/bibbtools/de/ssl/42885.php (27.01.2018).

Casper, M. (2017): Wächter der Werte – Studierende auf der Suche nach dem Sinn des Kaufmännischen. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (Spezial 14). Online: http://www.bwpat.de/spezial14/casper_bwpat_spezial14.pdf (27.01.2018).

Dyllick, T./Muff, K. (2016): Clarifying the Meaning of Sustainable Business. In: Organization & Environment, 29, H. 2, 156-174.

Egan-Krieger, T./Ott, K./Voget, L. (2007): Der Schutz des Naturerbes als Postulat der Zukunftsverantwortung. In: Aus Politik und Zeitgeschehen (APuZ), 24, 10-17. Online: http://www.bpb.de/apuz/30431/der-schutz-des-naturerbes-als-postulat-der-zukunftsverantwortung?p=all (27.01.2018).

Elkington, J. (2002): Cannibals with forks. The triple bottom line of 21st century business. Reprint. Oxford.

Engelhardt, P. (2016): Woran liegt es, dass weder die Lehrer aus der ökonomischen Lehrbuchwissenschaft noch die Schüler aus ihren Schulbüchern etwas darüber lernen können, „wie die Wirtschaft wirklich funktioniert“? In: Wirtschaft und Erziehung, 68, H. 6, 207-214.

Fischer, A. (2013): Übergänge zwischen ökonomischer und nachhaltiger Rationalität. In: Fischer, A./Frommberger, D. (Hrsg.): Vielfalt an Übergängen in der beruflichen Bildung. Zwölf Ansichten. Baltmannsweiler, 215.

Fischer, A./Hahn, G./Hantke, H. (2017): Gesucht: Resonanzräume für Wahrnehmung und Erkennen in der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung sowie in der sozio-ökonomischen Bildung. Vom „Wahrnehmen-Müssen“ zum „Mehr-wahrnehmen-Können“. In: bwp-schriften (Band 18), 4-32. Online: http://bwp-schriften.univera.de/Band18_17/03_fischer_hahn_hantke_Band18_17.pdf (27.01.2018).

Fischer, A./Mertineit, K./Skrzipietz, F. (2009): Vom Elfenbeinturm zum Ladentisch - nachhaltige Potenziale im Handel. Theoretische Reflexionen und empirische Analysen. Baltmannsweiler.

Friedman, M. (2007): The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits. (Erstveröffentlichung: The New York Times Magazine, September 13, 1970). In: Zimmerli, W. C./Holzinger, M./Richter, K. (Hrsg.): Corporate Ethics and Corporate Governance. Berlin, Heidelberg, 173-178.

Geißler, K./Orthey, F. (2002): Kompetenz: Ein Begriff für das verwertbare Ungefähre. In: Nuissl, E./Schiersmann, C./Siebert, H. (Hrsg.): Thema: Kompetenzentwicklung statt Bildungsziele? Bielefeld, 69-79.

Graupe, S. (2016): ‘Gefangene der Bilder in unseren Köpfen’. Die Macht abstrakten ökonomischen Denkens. In: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, 41, H. 3, 341-364.

Grober, U. (2010): Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffs. München.

Hampden-Turner, Ch./Trompenaars, F. (1995): The seven cultures of capitalism. Value systems for creating wealth in the United States, Britain, Japan, Germany, France, Sweden and the Netherlands. 1. paperback ed. London.

Heimann, P./Otto, G.; Schulz, W. (1979): Unterricht: Analyse und Planung. 10., unveränd. Aufl. Hannover.

Hemkes, B. (2014): Vom Projekt zur Struktur – Das Strategiepapier der AG „Berufliche Aus- und Weiterbildung“. In: Kuhlmeier, W./Vollmer, T./Mohoric, A. (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Modellversuche 2010-2013: Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und Ausblicke. 1. Aufl. Bonn, 255-235.

Hill, R./Myatt, A. (2010): The economics anti-textbook. A critical thinker’s guide to microeconomics. Halifax, Winnipeg, London, New York.

Kastrup, J./Kuhlmeier, W./Reichwein, W./Vollmer, Th. (2012): Mitwirkung an der Energiewende lernen - Leitlinien für die didaktische Gestaltung der Berufsbildung. In: lernen & lehren, 107, 117-124.

Klafki, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 5. Aufl. Basel.

Klafki, W. (2007): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 6., neu ausgestattete Aufl. Basel.

Klauer, K. J./Leutner, D. (2012): Lehren und Lernen. Einführung in die Instruktionspsychologie. Basel.

Kuhlmeier, W./Vollmer, Th. (2018): Ansatz einer Didaktik der Beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Tramm, T./Casper, M./Schlömer, T. (Hrsg.): Didaktik der beruflichen Bildung. Selbstverständnis, Zukunftsperspektiven und Innovationsschwerpunkte. Bielefeld, 131-152.

Lempert, W. (1979): Zur theoretischen und empirischen Analyse von Beziehungen zwischen Arbeiten und Lernen. Grundprobleme und Lösungsstrategien. In: Groskurth, P. (Hrsg.): Arbeit und Persönlichkeit. Berufliche Sozialisation in der arbeitsteiligen Gesellschaft; Ergebnisse der Arbeitswissenschaft für Bildung, psychosoziale und gewerkschaftliche Praxis. Reinbek, 87-111.

Michaelis, C. (2016): Kompetenzentwicklung zum nachhaltigen Wirtschaften. Frankfurt a. M.

Mulligan, T. (1986): A Critique of Milton Friedman‘s Essay ‚The Social Responsibility of Business Is to Increase Its Profits‘. In: Journal of Business Ethics, 5, 4, 265-269.

Piaget, J./Inhelder, B. (1972): Die Psychologie des Kindes. Olten.

Rastetter, D. (1996): Personalmarketing, Bewerberauswahl und Arbeitsplatzsuche. Stuttgart.

Robinsohn, S. B. (1981): Bildungsreform als Revision des Curriculum und ein Strukturkonzept für Curriculumentwicklung. Unveränd. Nachdr. der 5. Aufl. Neuwied.

Roth, H. (1971): Pädagogische Anthropologie. 2 Bände. Hannover.

Severing, E. (2014): Weiterentwicklung von Berufen – Herausforderungen für die Berufsbildungsforschung. In: Severing, E./Weiß, R. (Hrsg.): Weiterentwicklung von Berufen – Herausforderungen für die Berufsbildungsforschung. Bielefeld, 5-10.

Sloane, P. F. E. (2007): Berufsbildungsforschung im Kontext von Modellversuchen und ihre Orientierungsleistung für die Praxis - Versuch einer Bilanzierung und Perspektiven. In: Nickolaus, R./Zöller, A. (Hrsg.): Perspektiven der Berufsbildungsforschung - Orientierungsleistungen der Forschung für die Praxis. Ergebnisse des AG BFN-Expertenworkshops vom 15. und 16. März 2006 im Rahmen der Hochschultage Berufliche Bildung in Bremen. Bielefeld, 11-60.

Stachowiak, H. (1973): Allgemeine Modelltheorie. Wien.

Tafner, G. (2015): Reflexive Wirtschaftspädagogik. Wirtschaftliche Erziehung im ökonomisierten Europa. Eine neo-institutionelle Dekonstruktion des individuellen und kollektiven Selbstinteresses. Berlin, Detmold.

Tagesschau (2017): Trump kündigt Pariser Vertrag. Auch beim Klima „America First“. In: Tagesschau.de, 08.08.2017. Online: https://www.tagesschau.de/ausland/trump-austritt-klimaabkommen-101.html (27.01.2018).

Tonhäuser, C. (2017): Wirksamkeit und Einflussfaktoren auf den Lerntransfer in der formalisierten betrieblich-beruflichen Weiterbildung. Eine qualitative Studie. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik-Online (32), 1-27. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe32/tonhaeuser_bwpat32.pdf (27.01.2018).

Tonhäuser, C./Büker, L. (2016): Determinants of Transfer of Training: A Comprehensive Literature Review. In: International Journal for Research in Vocational Education and Training, 3, 2, 127-165.

Tramm, T./Casper, M. (2018): Lernfeldübergreifende Kompetenzdimensionen als gemeinsamer Gegenstand curricularer Entwicklungsarbeit von Praxis und Wissenschaft. In: Tramm, T./Casper, M./Schlömer, T. (Hrsg.): Didaktik der beruflichen Bildung. Selbstverständnis, Zukunftsperspektiven und Innovationsschwerpunkte. Bielefeld, 89-113.

Ulrich, H. (1970): Die Unternehmung als produktives soziales System. 2. Aufl. Bern, Stuttgart.

Vašek, T. (2013): Work-Life-Bullshit. Warum die Trennung von Arbeit und Leben in die Irre führt. Orig.-Ausg., 2. Aufl. München.

Vollmer, T./Kuhlmeier, W. (2014): Strukturelle und curriculare Verankerung der Beruflichen Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. In: Kuhlmeier, W./Mohorič, A./Vollmer, T. (Hrsg.): Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung. Modellversuche 2010 - 2013: Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und Ausblicke. Bielefeld, 197-225.

Walter, J. (1996): Prüfungen und Beurteilungen in der beruflichen Bildung. Kritik der aktuellen Praxis und Entwurf einer Neuorientierung vor dem Hintergrund einer veränderten Qualifikationsentwicklung und neuerer erkenntnistheoretischer und berufspädagogisch-didaktischer Ansätze. Frankfurt am Main, New York.

Weiß, R. (2016): Vorwort. In: Dietzen, A./Nickolaus, R./Rammstedt, B./Weiß, R. (Hrsg.): Kompetenzorientierung. Berufliche Kompetenzen entwickeln, messen und anerkennen. Bielefeld, 5-6.

Wenger, E. (2008): Communities of practice. Learning, meaning, and identity. 16th pr. Cambridge.

Wiek, A./Withycombe, L./Redman, C. L. (2011): Key competencies in sustainability. A reference framework for academic program development. In: Sustain Sci, 6, 2, 203-218.

 

[1]    Wir verwenden hier das im Förderschwerpunkt geläufige Begriffspaar, wenngleich sich anmerken ließe, dass die Begriffe „curricular“ und „didaktisch“ weniger nebeneinanderstehen als ineinander aufgehen.

[2]    Wir nutzen hier das Attribut „amerikanisch“ im kulturhistorischen Sinne. Dass damit im Alltagsverständnis vor allem die Geschichte Nordamerikas und der USA angesprochen ist (unter Auslassung der Mittel- und Südamerikanischen Kulturen), ist ein weiteres Indiz für den kulturimperialistischen Charakter dieses Paradigmas.

[3]    Dieses Phänomen sieht man an einigen deutschen Universitäten, so auch bei uns in Hamburg.

[4]    Auch dies lässt sich im ökonomistischen Sprachspiel darstellen, z. B. im vielzitierten “A society can be Pareto optimal and still perfectly disgusting” von Amartya Sen.

[5]    Wir schreiben „Ökonomische Bildung“ bewusst mit einem großen Ö, in Anlehnung an Casper (2017, 4).

[6]    Hier werden einige der oben skizzierten Dilemmata deutlich, z. B. zum erwähnten ceteris paribus-Grundsatz der Ökonomik: Welchen Erklärungswert kann ein Modell eines komplexen Originals haben, wenn es auf je einen Faktor hin verkürzt werden muss, um Aussagen zu generieren? Weiterhin zur allokationsdiagnostischen Verkürzung: Wie sinnvoll kann ein BBnE-Modell sein, das schwer messbare, aber förderungswürdige Merkmale ausblendet?

[7]    Dies ist insbesondere begründet durch ihren pragmatischen Kontext der higher education und Nachhaltigkeitsorientierter Studiengänge.

[8]    Wiek et al. legitimieren ihr Referenzmodell über die Sichtung und Zuordnung einschlägiger Nachhaltigkeitstheoretiker wie de Haan, dessen Kompetenzdimensionen wir auf einem ähnlichen Abstraktionsniveau sehen (vgl. Kuhlmeier/Vollmer 2018, 133).

[9]    Wobei uns der Begriff der „Einsicht“ wesentlich sprechender und treffender erscheint als der heute geläufige Rückgriff auf „Kompetenzen“

[10]   https://www.leuphana.de/institute/bwp/forschung-projekte/pro-deenla-spedition-und-logistik.html (27.01.2018).

Zitieren des Beitrags

Casper, M./Kuhlmeier, W./Poetzsch-Heffter, A./Schütt-Sayed, S./Vollmer, T. (2018): Berufs­bildung für nachhaltige Entwicklung in kaufmännischen Berufen – ein Ansatz der Theorie- und Modellbildung aus der Modellversuchsforschung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschafts­päda­gogik – online, Aus­gabe 33, 1-29. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe33/casper_etal_bwpat33.pdf (19-05-2018).