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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
WS 09 Selbstgesteuertes Lernen

Unterstützung didaktischer Innovation durch Schulleitungshandeln

 

Abstract

Der folgende Beitrag beschreibt Ergebnisse einer empirischen Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Unterstützung didaktischer Innovationen und dem Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems untersucht. Im ersten Abschnitt wird zunächst der Stellenwert didaktischer Innovation in weit verbreiteten QM-Systemen beschrieben sowie das zu Grunde liegende Verständnis von Innovation als ein ganzheitlicher (systemischer) Prozess dargelegt. Es folgen Ergebnisse der Schulleitungsbefragung, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und der Unterstützung didaktischer Innovationen belegen können. Im zweiten Abschnitt wird die persönliche Haltung von Schulleitungsmitgliedern gegenüber didaktischen Innovationen untersucht. Ergebnisse aus der bundesweiten Befragung werden mit einer Einzelfallstudie kontrastiert.

Einleitung

Handlungsorientierung und Lernfeldkonzept implizieren eine „neue“ Lernkultur an beruflichen Schulen. Im Zentrum stehen dabei nicht nur die Gestaltung von Lernprozessen (bei Schüler/innen, Auszubildenden, Studierenden und nicht zuletzt auch bei den Lehrenden selbst), sondern auch das „Schulklima“, bzw. die „Organisationskultur“, die durch das Handeln der Schulleitungen beeinflusst sind. Die Einführung didaktischer Innovationen beinhalten hierbei in erster Linie Formen kooperativen und selbst gesteuerten Lernens, wie die Artikel in diesem Heft belegen. Ein direkter Einfluss des Handelns von Schulleitungen auf wichtige Qualitätsmerkmale von Unterricht (v.a.: Schülerleistung) kann jedoch zumindest empirisch zz. nicht nachgewiesen werden. Gleichwohl haben das Handeln der Schulleitung und deren Wahrnehmung durch das Kollegium einen Einfluss auf das Innovationsklima einer Schule und somit auch auf die Lehr-Lernkultur. Der Beitrag stützt sich auf Ergebnisse eines Forschungsprojektes im Rahmen des BLK-Modellversuchsprogramms „Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen in der beruflichen Erstausbildung (SKOLA)“. Im Forschungsprojekt wurde u.a. eine bundesweite Schulleitungsbefragung zu didaktischen Innovationen durchgeführt. Zusätzlich wurden ca. 75 BLK-Modellversuche einer Sekundärauswertung im Hinblick auf die Rolle der Schulleitung im Innovationsprozess zur Veränderung der Lernkultur unterzogen. Exemplarisch wurden schließlich einige Maßnahmen zur Schulleiterqualifizierung im Hinblick auf zu erreichende Entwicklung der Innovationskompetenz einer curricularen Analyse unterzogen (FAßHAUER/ RÜTZEL 2007).

1. Didaktische Innovation und Qualitätsmanagement

Die zentrale Bedeutung von Schulleitungshandeln für Schulentwicklung und Innovationen, für die Schulprogramm ­ arbeit und das Qualitätsmanagement an beruflichen Schulen ist unstrittig. Gegen den Willen und die Absichten von Schulleitungen können keine Innovationen erfolgreich eingeführt werden, schon das Fehlen einer aktiven, deutlich sichtbaren Unterstützung wird z.B. in Studien zu Transfer und Verstetigung von Modellversuchsergebnissen als hinderliche Bedingung beschrieben. Unklar sind allerdings die konkreten Wirkmechanismen, durch die Leitungshandeln die Implementation und Verstetigung von Innovationen fördert. Innovation bezeichnet nicht allein neue Maßnahmen, Produkte oder Ergebnisse, sondern wird zugleich auch als ganzheitlicher (systemischer) Prozess verstanden. Wichtig ist die normative Einschränkung, dass nicht jede Neuerung, nicht jeder Wandel auch schon als Innovation zu werten ist. Diese müssen erkennbar auf die Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität ausgerichtet sein. Dabei können Innovationen allgemein anhand verschiedener Kriterien ausdifferenziert und beschreiben werden:

•  Innovationsbereiche an beruflichen Schulen können verschiedene Entwicklungen auf der pädagogischen und didaktischen Ebene (Curriculum, Unterricht etc.), der Ebene der Organisation, der Führungsentwicklung (Teamarbeit, Entscheidungsstrukturen, Schulprogrammarbeit) sowie die Bereiche von Evaluation und Qualitätssicherung umfassen.

•  Innovationsphasen wurden bereits in den 1940er Jahren im Grundmodell der Organisationsentwicklung durch Kurt Lewin beschrieben. Das Modell umfasst die drei Phasen: De-freeze / Move / Re-Freeze. In der ersten Phase werden starre Verhaltensmuster und Kommunikationsroutinen „aufgetaut“, in der zweiten „bewegt“ sich die Organisation, indem Innovationen eingeführt bzw. neue Verhaltensmuster erprobt, und dann in der dritten Phase erneut gefestigt werden. Im Kontext von Innovationsprojekten an (beruflichen) Schulen wurde das Grundmodell vielfach angewandt und modifiziert und in einer zz. aktuellen Variante auf vier Phasen ausdifferenziert: Initiative, Programm, Implementation, Institutionalisierung (SLOANE 2005). Die Anforderungen an die Akteure sind phasenabhängig und im Hinblick auf die Innovationsziele zu differenzieren.

•  Innovationsziele sind im Spannungsfeld zwischen den Polen Optimierung und grundlegender Neuerung ebenso auszudifferenzieren wie in der zeitlichen Dimension zwischen kurzfristigem Umbruch und langfristiger Entwicklung. Ziele von Innovationen sind auch in Abhängigkeit ihrer Reichweite zu beschreiben. Sie können flächendeckend für die ganze Schule oder punktuell für bestimmte Klassen oder Bildungsgänge angestrebt werden.

•  Innovationsstrategien bewegen sich traditionell zwischen top-down und bottom-up Ansätzen. In einem modernen Verständnis von Schulentwicklung werden Innovationen aber eher in einem horizontalen Strategiemodell implementiert, das als middle-up & down (SEITZ/ CAPAUL 2004) zu beschreiben ist.

Für alle Formen schulischer Innovationen gilt, dass Initiative, Gestaltung und Umsetzung letztlich von der Mehrheit akzeptiert und aktiv mit getragen werden müssen. Hierbei haben persönliche Werte, das professionelle Selbstverständnis, innere Einstellungen und emotionale Grundhaltungen aller Akteure eine besondere Bedeutung. Innovationen brauchen zugleich ein Mindestmaß an Langlebigkeit und Nachhaltigkeit, um in den Routinebetrieb der Organisation übergehen zu können. Dies ist das erwünschte Ende einer Innovation und zugleich der mögliche Beginn eines weiteren Entwicklungsabschnittes.

1.1 Stellenwert didaktischer Innovationen in Qualitätsmanagement-Systemen

Die zentrale Rolle der Schulleitung in der Initiierung von Qualitäts-Projekten und vor allem der Schulprogrammarbeit ist vielfach beschrieben worden. Zugleich sind erfolgreiche Schulentwicklungsprozesse (häufig) mindestens so stark von Kontextfaktoren (wirtschaftliches Umfeld, politische Maßgaben, regionale Entwicklungsprozesse etc.) wie von pädagogischen Grundorientierungen der Lehrenden abhängig. Zugespitzt formuliert, kann Schulleitungshandeln (allein) die Qualität von Unterricht nicht direkt beeinflussen, es bedarf zumindest einer Ergänzung des Führungsverhaltens der Schulleitung durch selbst organisierte und selbst gesteuerte Prozesse der Lehrenden (BONSEN 2003). Vor diesem Hintergrund wird die Beeinflussbarkeit der organisationalen Kernprozesse durch Schulleitung in schulischen QM-Systemen (i.d.R. adaptierte Q2E bzw. EFQM Modelle) im Hinblick auf den Stellenwert didaktischer Innovationen untersucht. Wie sind didaktische Innovationen in den Modellen Q2E und EFQM systematisch verankert?

Bundesweit gab es in den letzten Jahren einen starken Entwicklungsschub in der Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen (QMS) zunächst an beruflichen Schulen, der sich jüngst und verstärkt auch an allgemein bildenden Schulen fortsetzt. Dabei handeln die Bundesländer sehr unterschiedlich (ZÖLLER 2007). Während einige vorgeben, welches QMS einzuführen ist stellen andere Ländern lediglich die Anforderung, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein zertifiziertes QM nachzuweisen oder verzichten zz. noch völlig auf landesweite verbindliche Regelungen. Derzeit haben sich sechs Bundesländer zur landesweit einheitlichen Einführung von QM-Systemen entschlossen und diese im Rahmen von Modellvorhaben geprüft. Das in der (deutschsprachigen) Schweiz in den 1990er Jahren entwickelte Modell „Qualität durch Evaluation und Entwicklung (Q2E)“ scheint sich dabei gegenüber anderen v.a. in Unternehmen entstandenen Modellen EFQM und ISO 9000ff. durchzusetzen. Mit Baden-Württemberg hat ein Bundesland die Einführung eines Q2E-basierten Modells für alle beruflichen Schulen verpflichtend eingeführt. Niedersachsen hat ebenfalls die Einführung eines bestimmten QMS angeordnet, in diesem Fall EFQM. In Bayern, Hessen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern wird jeweils eine landesspezifische Adaption des Q2E Modells flächendeckend eingeführt werden, entsprechende Pilot- oder Projektphasen laufen (Tab. 1; sie ist als eine Momentaufnahme zu Beginn des Jahres 2007 zu lesen).

Allerdings unterscheiden sich die weit verbreiteten Modelle Q2E, EFQM und ISO im Stellenwert, den sie didaktischen Innovationen einräumen (können).

Stellenwert didaktischer Innovationen im Q2E Modell

Es hat sich vor allem in den Jahren 2005-2007 eine Tendenz hin zu dem aus der Schweiz kommenden Q2E gezeigt. Dieses System wurde von Schulen für Schulen entwickelt und basiert auf dem TQM-Ansatz. Durch „Entwickeln“ und „Evaluieren“ wird Qualität erzeugt und überprüft. Durch seine Entwicklungsgeschichte im schulischen Bereich bietet es den Vorteil, in der Verbesserung von Unterrichtsprozessen Orientierung zu bieten. Die Erfahrungen aus Modellversuchen haben gezeigt, dass es Akzeptanz in den Kollegien genießt, die nicht zuletzt durch die starke Einbeziehung aller Mitarbeitenden erforderlich ist. Q2E ist übersichtlich aufgebaut, basiert auf einem in einem partizipativen Vorgehen erstellten Qualitätsleitbild und kann schrittweise in die Schule eingeführt werden.

Bei Q2E (OES, ReBiz) ist die Erstellung eines Qualitätsleitbildes, das konkret formulierte Aussagen zu schulischer Qualität in vier vorgegebenen Qualitätsbereichen umfasst, von zentraler Bedeutung (STEINER/LANDWEHR 2003). Darin sind auch Anforderungen an Unterrichtsqualität enthalten, an denen sich die jeweilige Schule selbst messen will. Jegliche didaktische Innovation kann hier durch die Schule aufgenommen werden. Als hilfreich und im weiteren Verlauf effektiv hat sich die Priorisierung einzelner Qualitätsaussagen erwiesen. Konkret bedeutet dies, dass sich eine Schule entscheidet, welche Qualitätsbereiche sie in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren sowohl intern als auch im Bereich des Individual-Feedback intensiv reflektieren möchte. Diese am Leitbild ausgerichtete systematische Vorgehensweise ermöglicht die Einbeziehung didaktischer Innovationen. Von daher umfasst das Modell die Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung immer auch didaktischer Themen und es entsteht eine hohe Identifikation mit der schuleigenen Qualität, da in vielen Leitbildern Aussagen darüber getroffen werden. Das Leitbild wird als Steuerungs- und Reflexionsinstrument verstanden, das in einen Regelkreis von Entwicklung und Evaluation eingebunden ist.

Die Veränderungen sind u.a. im Bereich der Lernkultur zu spüren, in der ein anderes Verständnis von Unterricht verankert wird. Die Bedeutung dieser neuen Kultur, die von Vertrauen geprägt ist, wird zum einen für die direkte Umsetzung didaktischer Innovationen auf der Ebene Lernende – Lehrpersonen als auch für das Arbeiten zwischen den Hierarchien betont. Auf dieser übergreifenden Ebene kommen die Zielvereinbarungen zu didaktischen Innovationen zwischen Behörde bzw. Ministerium und den Schulen zum Tragen.

Stellenwert didaktischer Innovationen im EFQM-Modell

EFQM hat seinen Ursprung in europäischen Unternehmen und muss für schulische Zwecke (z.T. aufwendig) angepasst werden. Da Unterrichtsprozesse im Modell zunächst nicht benannt sind, ist hier ein hohes Engagement der jeweiligen Schule gefordert. Eine Unterstützung bieten verschiedene Handbücher und Leitfäden (exemplarisch: KOTTER 2005). Das Vorgehen in EFQM orientiert sich u.a. an der ‚Radar-Logik', mit der ein Fortschritt in den Excellencebereichen festgestellt werden kann. Results= Ergebnisse, die erreicht werden sollen, Approach= Vorgehen zum Erreichen der Ziele, Deployment= Umsetzung, Assessement, Review= Bewertung, Überprüfung. Die vereinbarten Verbesserungsprojekte werden mit Radar geplant, durchgeführt und bewertet. Zugleich dient das Vorgehen auch der gesamten Entwicklung des QMS. EFQM ist ein sehr komplexes System, wodurch eine hohe Anforderung an den systematischen Aufbau besteht.

EFQM (ProReKo) bietet den Schulen ein offenes Referenzsystem. Lehrerbefragungen im Modellversuch haben gezeigt, dass es ein umfassendes Instrument ist, das im schulischen Einsatz an die Lehrpersonen sehr hohe Anforderungen stellt, die für einige Schulen auch eine Überforderung mit sich bringen. Auch der Einsatz ausgebildeter Assessoren an den Schulen und externer Berater/innen ändert an dieser erfahrungsbasierten Einschätzung nichts, da diese häufig nicht über die Kompetenz der Gruppenmoderation verfügen.

Eine weitere Schwierigkeit des Modells hinsichtlich didaktischer Innovationen besteht darin, dass der Bezug zum unterrichtlichen Alltagsgeschäft und der damit verbundene direkte Nutzen für die pädagogische Arbeit wenig offensichtlich ist. In der Umsetzung von EFQM hat es sich als hilfreich erwiesen, entlang der gewählten Strategie einige wenige Projekte zu vereinbaren, die systematisch verfolgt werden. Vor dem Hintergrund des offenen Referenzrahmens und der je spezifischen Ausrichtung der Schulen bleibt es somit offen, ob didaktische Innovationen im EFQM der Schule systematisch aufgenommen werden.

Die DIN EN ISO 9000 Normenreihe ist in der Industrie entwickelt worden und hat seitdem erheblich an Bedeutung im Nonprofit-Bereich gewonnen, z.B. in Sozialunternehmen und im Pflegebereich. Im Zuge der Diskussion um schulische Qualität scheint sich die ISO-Reihe auf Länderebene insgesamt nicht durchzusetzen. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von beruflichen Schulen v.a. mit fachlichen Schwerpunkten in den Feldern von Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen; möglicherweise auf Grund der sehr starken Verbreitung von QMS der ISO-Reihe in der Sozialwirtschaft, in Krankenhäusern etc.

Unabhängig vom zu Grunde liegenden Modell ist die Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen (QMS) selbst ein Innovationsprojekt. Sie zielt systematisch auf Kontinuität, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Maßnahmen und eingeführten Änderungen, z.B. in der verstärkten Förderung und Etablierung von selbstgesteuerten und kooperativen Lernformen. Die Implementierung von QMS bedeutet, eine standardisierte Schulentwicklung anzustreben, die – unabhängig vom gewählten oder landespolitisch verordneten QM-System – sowohl Prozesse auf der Mikroebene (Unterricht) als auch auf der Mesoebene (Schule als Gesamtorganisation) analysiert, beschreibt, im Hinblick auf gesetzte Ziele evaluiert und gegebenenfalls verändert.

Ob nun das Vorhandensein eines Qualitätsmanagement-Systems tatsächlich die Unterstützung didaktischer Innovationen an beruflichen Schulen fördert, wurde im Rahmen einer Schulleitungsbefragung untersucht, deren Methode und Ergebnisse in den beiden folgenden Abschnitten dargestellt werden.

1.2 Methode der Datenerhebung

Es wurde ein Online-Fragebogen erstellt und auf einem Internetserver platziert, der über ein anonymisiertes Verfahren zugänglich gemacht wurde. Per Email wurden alle Schulleitungen beruflicher Schulen in Deutschland angeschrieben und gebeten, sich an der Befragung zu beteiligen, dem mitgesendeten Internetlink zu folgen und die ebenfalls mitgesendete TAN als Zugang zum Erhebungsinstrument einzusetzen. Der Erhebungszeitraum war Juni bis August 2007. Die Zielgruppe waren alle Schulleiter/inne/n beruflicher Schulen in Deutschland. Die Beteiligung lag mit n=286 bei 14% (bezogen auf die Anzahl versendeter Email) bzw. 16% (bezogen auf die Anzahl beruflicher Schulen lt. DESTATIS 2005) noch im zufrieden stellenden Bereich. Bezogen auf einzelne Bundesländer war sie allerdings mit Werten zwischen 7 - 30% (bzw. 5 - 50% auf Basis der Angaben des statistischen Bundesamtes) sehr unterschiedlich, sodass auf eine länderspezifische Auswertung verzichtet wurde. An der Umfrage haben sich mit 82% weit überwiegend Schulleiter/innen (davon 22% Frauen) beteiligt, knapp ein Viertel der Fragebogen wurde von Mitgliedern der erweiterten Schulleitung bzw. von Abteilungsleitungen bearbeitet.

Gemessen an den Lehrerstellen arbeiten ein Drittel der sich beteiligenden Personen an mittelgroßen (60-90 Stellen), ein Viertel an kleineren Schulen (30-59 Stellen) sowie jede/r sechste an einer großen Schule (91-120 Stellen). Zum Vergleich: berufliche Schulen in Baden-Württemberg haben im Durchschnitt 66 Lehrerstellen (Tab. 2)

Betrachtet man weiterhin die Verteilung auf bestimmte Berufsfelder sowie den Einsatz von Lehrerstunden im Dualen System (Tab. 3), ergibt sich eine aussagekräftige Beteiligung an der Befragung, die – bis auf den vermutlich leicht überproportionalen Anteil gewerblich-technischer Schulen – den Verteilungen in der Grundgesamtheit aller beruflichen Schulen in Deutschland entsprechen dürfte. Ein Vergleich mit der tatsächlichen Verteilung von beruflichen Schwerpunkten, Lehrereinsatz in bestimmten Schulformen sowie der Größe von beruflichen Schulen (in Lehrerstellen) kann nicht vorgenommen werden, da dazu keine bundesweit einheitlich erhobenen Daten vorliegen. Die Ergebnisse der Befragung beziehen sich somit auf eine aussagekräftige Stichprobe, sie sind aber nicht repräsentativ.


1.3 Ergebnisse der Schulleitungsbefragung

Der Stellenwert didaktischer Innovationen an einer Schule zeigt sich u.a. auch durch deren Beteiligung an entsprechenden Modellversuchen oder Projekten sowie der Fortbildungsbeteiligung von Lehrer/innen. Die Frage, ob sich die Schule in den letzten drei Schuljahren an Modellversuchen/Projekten beteiligt hat, die ausdrücklich didaktische Innovationen zum Ziel hatten, verneinen immerhin 42% der Befragten. Knapp 30% beteiligten sich an Landesprojekten und ca. 20% an EU-finanzierten Maßnahmen. Mit ca. 60% gab die deutliche Mehrheit der Befragten an, dass seit 2005 weniger als die Hälfte der Lehrer/innen Fortbildungen zu didaktisch-methodischen Themen absolvierten (Mindestdauer: ein ganzer Tag). Dem stehen 14% der Schulen gegenüber, bei denen über 90% der Lehrer/innen eine solche Fortbildung besuchten. Bemerkenswert im Hinblick auf die Einführung systematischer Schul- und damit auch Personalentwicklung ist der Umstand, dass genau die Hälfte der Antworten zu Fragen der Fortbildung auf systematisch dokumentierten Daten beruht. Noch vor wenigen Jahren konnten die Angaben zur gleich lautenden Frage im Rahmen einer Untersuchung zur Lehrerweiterbildung in Hessen, von fast allen der befragten Schulleiter/innen lediglich geschätzt werden (FAßHAUER 2005).

Der Verbreitungsgrad von QMS im Rücklauf der Befragung ist differenziert zu betrachten. Für etwas mehr als ein Drittel der Schulen wird die Frage, ob es ein QMS gibt, verneint (Abb. 1). Jeweils ca. ein Viertel der Befragten führt zurzeit ein QMS ein oder hat bereits ein QMS, allerdings (noch) ohne Zertifizierung. Immerhin jede siebte Schule verfügt über ein bereits zertifiziertes QMS. Auch zu dieser Frage fehlen leider bundesweite, verlässliche statistische Angaben, sodass eine Bewertung dieser Zahlen nicht möglich ist. Für die Beantwortung der Leitfrage, ob es einen Zusammenhang zwischen QMS und der Unterstützung didaktischer Innovationen gibt, kann aber somit auf eine aussagekräftige Anzahl von Schulen mit und ohne QMS zurückgegriffen werden. Zugleich wurde von den Schulleitungen auch erfragt, welches QMS an ihrer Schule eingeführt ist bzw. eingeführt wird. Die Werte in Abb. 1 sind ohne Berücksichtung der Antworten aus Niedersachsen und Baden-Württemberg, da diese Bundesländer ein bestimmtes QMS verpflichtend für alle beruflichen Schulen eingeführt haben. Für diese Bundesländer können also mögliche Präferenzen für bestimmte QMS in Abhängigkeit von Schultyp und -größe erkannt werden. Mit Ausnahme der Schulen mit Schwerpunkt im Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich, wird durchgängig über die Schultypen die größere Akzeptanz des Q2E deutlich. Dabei spielt, neben der eingangs erwähnten Verbreitung der ISO-Normenreihe in der Sozialwirtschaft und im Gesundheitswesen, möglicherweise eine bedeutende Rolle, dass Schulen in den genannten Bereichen mit durchschnittlich 35 Lehrerstellen relativ klein sind. Damit fällt es unter Umständen leichter, ein hoch formalisiertes QMS wie die ISO Reihe umzusetzen.

Um den Grad der Unterstützung didaktischer Innovationen durch das Schulleitungshandeln erfassen zu können, wurden Items zur Nutzung räumlicher, zeitlicher und personaler Ressourcen formuliert. Weiterhin wurde der Stellenwert didaktischer Innovationen im Rahmen der Bedarfserhebung von Lehrerfortbildung und in Sitzungen von Leitungsgremien der Schule erfragt. In der Formulierung der Items wurde kein Bezug zu QMS genommen. Die Befragten konnten ihre Einschätzungen auf einer fünfstufigen Skala geben (1 = stimme voll zu; 5 = stimme gar nicht zu). Die interne Konsistenz der eingesetzten Items ist als gut zu bewerten (Cronbachs alpha = ,768). In den hier dargestellten Ergebnissen werden die Einschätzungen aus Schulen mit QMS zusammengefasst, unabhängig davon, welches QMS eingeführt ist bzw. zurzeit eingeführt wird und ob eine Zertifizierung vorliegt.

Zunächst fällt in Abb. 2 das insgesamt niedrige Zustimmungsniveau in den Einschätzungen der Befragten auf. Bei allen Items zu potenziellen Unterstützungsfaktoren ergibt sich eine Zustimmung nur knapp um den mittleren, neutralen Wert 2,5. Vor allem in Sitzungen der Schulleitungen sind didaktische Innovationen und Maßnahmen zu deren Unterstützung kaum ein Thema. Offensichtlich werden diese Faktoren aber in Schulen mit einem QMS durchgängig positiver eingeschätzt. Der Zusammenhang ist – mit Ausnahme des flexiblen Einsatzes räumlicher Ressourcen – signifikant (T-Test für Mittelwertgleichheit zwischen ,001 und ,058).

Bei genauerer Betrachtung der Einschätzung zum flexiblen Einsatz von Ressourcen fällt auf, dass offensichtlich vor allem die zeitlichen Strukturen eine Schwierigkeit in der Unterstützung darstellen (Abb. 3). Zugleich wird in der starken Streuung der Einschätzungen deutlich, dass es durch schulspezifische Maßnahmen gelingen kann, auch diese Rahmenbedingungen förderlich zu gestalten. Der flexible Einsatz räumlicher Ressourcen wird von den Befragten relativ einheitlich als (noch) gut eingeschätzt. Immerhin 60% der Befragten geben darüber hinaus an, dass an ihrer Schule Lern-/Arbeitsräume zur Verfügung stehen, die an Schultagen für Schüler/innen frei zugänglich und mit PC/Internet ausgestattet sind. Weitere 10% haben solche räumlichen Ressourcen ohne IT-Infrastruktur.

Abschließend werden in Abb. 4 die Einschätzungen der Befragten zur Unterstützung didaktischer Innovationen durch das QMS und das Schulprogramm/Leitbild dargestellt, das fast alle Schulen in der Stichprobe vorweisen können. Beide Instrumente werden ebenfalls nur mäßig positiv als unterstützend bewertet. Allerdings fällt die positive Einschätzung des Schulprogramms in Schulen mit QMS erheblich deutlicher aus als in Schulen ohne QMS (Mittelwerte 2,24 bzw. 2,8). Möglicherweise wird durch die systematische Schulentwicklung das Schulprogramm/Leitbild häufiger oder intensiver in die Tätigkeit der Leitung mit einbezogen. In dem weit verbreiteten Q2E-Modell, auch in all seinen unterschiedlichen landesspezifischen Adaptionen, ist das Leitbild fester Bestandteil. Mit einem Mittelwert von 2,34 wird das QMS selbst insgesamt sogar knapp schwächer in der Unterstützung didaktischer Innovationen gesehen als das Schulprogramm/Leitbild (nur Antworten von Schulen, die ein QMS haben).

2.  Persönliche Haltung von Schulleitungen gegenüber didaktischen Innovationen

Die (wechselseitige) Abhängigkeit von Lern- und Organisationskultur in Schulen ist zumindest in Deutschland noch wenig systematisch untersucht (HOLTAPPELS/ VOSS 2006). Dabei ist in der pädagogischen Alltagspraxis diese Abhängigkeit subjektiv erlebbar. So sind viele Elemente einer „neuen Lernkultur“ sicherlich von einer flexiblen Zeitstruktur, von einer beweglichen schulischen Raumorganisation und Personaleinsatz zumindest ebenso abhängig, wie von einer allgemein motivierenden und auffordernden Haltung des/der Schulleiter/in.

Zu der nunmehr seit fast zehn Jahren in Deutschland verstärkt geführten Diskussion um Qualität von Schule gehören die Lernkultur im Schulleben, das soziale Klima in der Schule genauso als unstrittige Größe hinzu wie die Faktoren: Gestaltungswille und Reformbereitschaft des Kollegiums, das dort vorfindliche Arbeitsklima sowie das Niveau der Kooperationsbereitschaft. All diese Faktoren stehen in einer wechselseitigen Beeinflussung zueinander und wirken überdies sehr situations- und personenabhängig. Aufgrund dieser Kontingenzproblematik ist wirksame oder erfolgreiche Schulführung nicht an einen bestimmten Führungsstil gebunden. Gerade das Handeln von Schulleitungen und deren Führungsverständnis wird sich z.B. durch die Innovationsbereitschaft des Kollegiums beeinflusst zeigen.

Studien aus der empirischen Schulforschung belegen, dass eine grundlegende Innovationsbereitschaft sehr wohl eine differenzierte Lernorganisation, variable Lernformen im Unterricht und eine entwickelte Lernkultur mit sich bringt (ebd.). Im Rahmen einer längsschnittlichen Studie in der Begleitforschung zum Modellprojekt Selbstständige Schule in NRW untersuchen die Autoren u.a. den Zusammenhang von Organisationskultur und Unterrichtsqualität an Hand des als einflussstark zu bewertenden Faktors Schulleitungshandeln. Untersuchungsleitend ist die Hypothese, dass effektives Schulleitungshandeln (Führungsfähigkeit, Managementkompetenz, unterrichtsbezogene Lehrerbegleitung) förderlich für die Qualität der Unterrichtsgestaltung – und damit für die Lernkultur – ist. In die Erhebung sind einige (wenige) Berufkollegs einbezogen. In einem ersten Fazit konstatieren die Autoren, dass auch Schulen, die im Leitungshandeln als stark entwickelt gelten können, unterschiedliche Qualität im Unterricht aufweisen. Offensichtlich würde Unterricht nur selten so stringent und merkmalbezogen systematisch entwickelt, wie es die didaktischen Theorien und Befunde der Unterrichtsforschung nahe legten. Zumindest aber auf der Ebene der bei Lehrer/inn/en erhobenen Daten könne im Weiteren gezeigt werden, dass eine differenzierte Lernkultur in den Kollegien dann praktiziert wird, wenn zum erreichten Zielkonsens weiterhin das Schulleitungshandeln als effektiv, die Lehrerkooperation als intensiv eingeschätzt und der Unterricht durch regelmäßiges Schülerfeedback überprüft wird (ebd., 275).

Ein direkter Einfluss des Schulleitungshandelns auf Merkmale der Leistungsfähigkeit von Schüler/innen scheint also empirisch kaum belegbar zu sein, nicht zuletzt auf Grund des komplexen Bedingungsgefüges der Organisation Schule, das auf den „Kernprozess“ Unterricht einwirkt. Wohl aber kann man von indirekten Effekten einer unterrichtsbezogenen Führung ausgehen. So zeigt beispielsweise BONSEN (2003) auf Basis seines Strukturmodells den Schulleitungseinfluss auf intensivierte Lehrerkooperation, vermehrte pädagogische Innovationen auf Schulebene sowie Einflüsse auf differenzierten und fördernden Unterricht. Eine unterrichtsbezogene Führung zeichnet sich u.a. durch Unterrichtsbesuche, curriculare Planung, regelmäßige Gespräche und Vereinbarung über Ziele von Unterricht aus. Vergleichbare Studien, die konkret den Zusammenhang von Leitungshandeln und Lern- bzw. Unterrichtskultur im Kontext beruflicher Schulen untersuchen, liegen allerdings zz. nicht vor.

Betrachtet man nicht die Einflussmöglichkeiten von Leitungen auf Schülerleistungen und den „Kernprozess“ Unterricht, sondern erweitert den Fokus auf die Mesoebene der Einzelschule, wird die besondere Rolle der Schulleitung für didaktische Innovationen und die Gestaltung des Schulklimas insgesamt deutlich. Die Wirksamkeit persönlicher Haltungen von Leitungsmitgliedern auf effektive und nachhaltige Innovationen in Organisationen ist für den Bereich des Schulmanagements in der Fachliteratur umfangreich dokumentiert. Empirisch abgesichert ist u.a. das „Concerns Based Adoption Modell (CBAM)“ von HALL/ HORD aus der US-Amerikanischen school-effectiveness Forschung, das für den deutschen Sprachraum angepasst wurde (CAPAUL 2002). Im Rahmen dieses Modells wurden Profile zum Innovations­verhalten entwickelt (Mitarbeiter-, Aufgabenorientierung, strategisches Verständnis) und Typisierungen des Führungsstils im Hinblick auf Innovationen vorgenommen. Ergebnisse des o.a. Forschungsprojektes in SKOLA, die mit der deutschsprachigen Version eines auf dem CBAM basierenden Fragebogens durchgeführt wurde, werden im nächsten Abschnitt genannt.

2.1 Ergebnisse einer bundesweiten Onlinebefragung und einer Einzelfallstudie

Eines der wesentlichen Elemente des Concerns Based Adoption Model ist die empirische Absicherung einer sechsstufigen Graduierung des Engagements für (didaktische) Innovation im zeitlichen Verlauf:

•  Anfangs fühlen sich Lehrkräfte (die nicht Mitglieder in entsprechenden Lenkungs-, Steuer- oder Projektgruppen sind) von Innovationen nicht betroffen und/oder ignorieren entsprechende vorhandene Informationen und Hinweise. Sie sind sich aber der Tatsache bewusst, dass Innovationsprojekte an ihrer Schule initiiert sind. Diese Stufe wird mit „Bewusstsein“ (CAPAUL 2002) beschrieben.

•  Nach und nach entwickeln sie ein Bedürfnis nach Information und nehmen die Innovation aus ihrer persönlichen Sicht und Betroffenheit wahr. Diese beiden Stufen beschreiben zusammenfassend den „Ich“-Aspekt. (informational/personal)

•  Im weiteren Verlauf – so die Idealvorstellung des Modells – legen sich negative emotionale Befangenheiten und es tritt die sachlich-rationale Befassung mit der Innovation in den Vordergrund. Es entsteht ein Bedürfnis nach effizienter Umsetzung. Diese Stufe beschreibt den „Aufgabe“-Aspekt (management).

Im optimalen Fall stellen die Beteiligten Überlegungen zur Effektivierung und Effizienzsteigerung an und beginnen, ihre Arbeit im Hinblick auf die Innovation zu verändern. Es entsteht also im zeitlichen Verlauf ein Interesse an den Auswirkungen und Konsequenzen, ein Bedürfnis nach Zusammenarbeit sowie schließlich ein Bedürfnis nach Optimierung und Überprüfung der Innovation. Diese Stufen beschreiben zusammenfassend den Wirkungs-Aspekt (consequence, collaboration, refocusing).

Für die bundesweite Online-Befragung von Schulleitungen (s.o.) wurde der Fragebogen um die Skalen zur Erfassung der ersten und letzten Stufe gekürzt sowie die Anleitung zum Fragebogen um Bezüge auf selbst gesteuertes/kooperatives Lernen ergänzt (FAßHAUER/ RÜTZEL 2007). Damit wurde der Umstand berücksichtigt, dass die Befragten im Rahmen der Studie nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Innovationsprojekt antworten können, sondern generalisierend zu Innovationen hinsichtlich des selbst gesteuerten/kooperativen Lernens befragt werden. Die interne Konsistenz der Skalen kann insgesamt als gut gewertet werden (Cronbach´s alpha zwischen .695 und .792).

Bei der Interpretation ist zu beachten, dass sich der Fokus der Stufen „personal“ bis „collaboration“ auf die Rolle als Change Facilitator, also in einer verantwortlichen bis moderierenden Rolle, bezieht (SEITZ 2005, 9). Insgesamt lässt sich bei den Leitungspersonen über diese Stufen ein gleichmäßiger Abfall der „Betroffenheit“, vielleicht besser: des Engagements feststellen, bei insgesamt niedrigen Skalenwerten. Der im Vergleich zur Pilotstudie – die aber im Hinblick auf ein konkretes schulisches Innovationsprojekt durchgeführt wurde – höhere Wert auf Stufe „personal“ lässt sich so interpretieren, dass die Leitungspersonen in der Onlinebefragung etwa Bedenken bezüglich ihrer Fähigkeiten zur Umsetzung von Innovation haben. Die Werte auf den folgenden Stufen zeigen an, dass es für die Schulleitung (noch?) kein sehr wichtiges Anliegen ist, Innovation im Hinblick auf selbst gesteuertes und kooperatives Lernen effizient umzusetzen, positive Effekte für die Lernenden zu ermöglichen und Kooperation innerhalb des Kollegiums zu verbessern. Dieser Abfall der Skalenwerte ist kompatibel zur Grundannahme des Modells, dass von Akteuren in Innovationsprozessen die unterschiedlichen Stufen nacheinander zu durchlaufen sind. Die Antworten in dieser Befragung variieren insgesamt nicht nach Geschlecht und (Dienst-)alter.

Einzelfallstudie

Als Beispiel für eine außergewöhnlich nachhaltig innovative Schule kann das Berufliche Schulzentrum Scheinfeld im ländlich strukturierten Landkreis Neustadt/Aisch in Bayern gelten (HOLZMANN/VÖLKER 2007). Das BSZ beteiligt sich kontinuierlich seit Jahren an Modellversuchen und Projekten zu didaktischen Innovationen. Die Befragung der Schul- und Projektleitung erfolgte im paper-pencil Verfahren mit dem selben Instrument aus der bundesweiten Onlinebefragung, allerdings in der ungekürzten Version. Die Befragung wurde im Kontext des Modellversuchs MODUS-21 durchgeführt, der zum Befragungszeitpunkt nach 5-jähriger Laufzeit am BSZ beendet wurde.

Das Antwortverhalten der Schul- und Projektleitung des BSZ Scheinfeld folgt den Werten aus der Pilotstudie (Seitz 2005). Der Fokus der Stufen informational und refocusing liegt stärker auf dem Inhalt der Innovation selbst, jener der anderen Stufen hingegen auf der Rolle als Change Facilitator (s.o). Insgesamt lässt sich bei den Leitungspersonen des BSZ über die Stufen informational bis collaboration ein merklicher Anstieg des Engagements feststellen. Der Wert auf Stufe 0 („Bewusstheit“) weist darauf hin, dass sich die Leitungspersonen mit der Innovation auseinandersetzen, der relativ niedrige Wert auf Stufe 1 (informational) zeigt, dass kaum weitere Informationen benötigt werden. Der Wert auf Stufe 2 (personal) lässt sich so interpretieren, dass die Leitungspersonen keine großen Bedenken bezüglich ihrer Fähigkeiten zur Umsetzung der Innovation haben. Die Werte auf den folgenden Stufen zeigen an, dass es für die Schul- und Projektleitung in Scheinfeld ein wichtiges Anliegen ist, die Innovation effizient umzusetzen, positive Effekte für die Lernenden zu ermöglichen und eine verstärkte Kooperation innerhalb des Kollegiums zu fördern. Aufgrund der Werte auf Stufe 6 ist zu vermuten, dass zum Befragungszeitpunkt nur wenig Interesse an Weiterentwicklungen des soeben (erfolgreich) beendeten MODUS-21 Projektes vorhanden ist.

Von besonderem Wert sind die Daten aus dieser Einzelfallstudie, da im Rahmen des Modellprojekts MODUS-21 in erheblichem Umfang schulbezogene Rückmeldungen durch eine wissenschaftliche Begleitung extern erhoben wurden (Liebau u.a. 2007). So schätzen 54% der Lehrenden und der Schulleitung die Modus-Maßnahmen als „sehr innovativ“ im Vergleich zu denen anderer Modusprojekten in derselben Schulart ein (alle Modusschulen: 23%). Offene Lehr-Lernformen, wie Freiarbeit, Stationenlernen, Projektarbeit und Planspiel werden in der Selbsteinschätzung von 26% „täglich“ und 52% „mindestens einmal wöchentlich“ eingesetzt. Bei anderen beruflichen Schulen in Modus liegt der Einsatz offener Lehr-Lernformen bei 5% bzw. 23%. Gruppen- und Partnerarbeit werden zu 70% täglich eingesetzt. Bei anderen beruflichen Schulen in Modus liegt dieser Wert bei 25%. Das BSZ hat also selbst im Vergleich mit anderen Modellversuchsschulen, bei denen einige Jahre nach Beginn des Projektes ein überdurchschnittlicher Anteil an (didaktischen) Innovationen unterstellt werden kann, ein recht deutliches Niveau an „Neuer Lernkultur“ entwickelt.

Die in der Auswertung des CBAM-Fragebogen deutlich gewordene starke Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung der Schulleitung wird in den Aussagen der Lehrkräfte bestätigt, die im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Modus-21 Projektes erhoben wurden (Tab. 4). Die langjährige, kontinuierliche Arbeit der Schulleitung zur Implementierung einer „Neuen Lernkultur“ war sicherlich auf Grund dieser Faktoren erfolgreich. Im Übrigen sind zentrale Elemente der Modellversuche (Lernbausteine, Lehrer/innen als Lernberater/innen, neue Formen der Leistungsprüfung etc.) schulweit in den Regelbetrieb übernommen worden.

Unterstützung didaktischer Innovationen durch Schulleitung im Rahmen von BLK-Modellversuchen

Zur Förderung einer neuen Lernkultur wurde in den letzten 10 Jahren eine ganze Reihe von schulischen Modellversuchen in der beruflichen Bildung durchgeführt. Im Rahmen von vier großen Modellversuchsprogrammen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung haben sich insgesamt ca. 100 Modellversuche direkt mit Merkmalen von Lernkultur („Neue Lernkonzepte in der dualen Berufsausbildung, 1998-2003“, „Selbstgesteuertes und Kooperatives Lernen in der beruflichen Erstausbildung, 2005-2008“) sowie der Organisationskultur befasst („Kooperation der Lernorte in der beruflichen Bildung, 1999-2004“, indirekte Beeinflussung über Personalentwicklung und Gestaltung der Berufseinstiegsphase im Programm „Innovative Konzepte der Lehrerbildung in der 2. und 3. Phase, 2001-2006“).

Modellversuche werden als Instrumentarien verstanden, die zur innovativen Veränderung von Bildungspraxis eingesetzt werden. Sie zielen primär auf eine Förderung und Entwicklung des Innovationspotentials in der Praxis. Die Spannweite der hierfür erforderlichen Aktivitäten innerhalb der Modellversuchsarbeit reicht dabei von der Unterstützung bei der Erfüllung gesetzlicher Mindestanforderungen über die Vorbereitung und Erprobung bildungspolitischer Initiativen bis hin zur Suche nach didaktischen und organisatorischen Prototypen der Berufsbildungspraxis. Insgesamt kann man die meisten schulischen Modellversuche als Maßnahmen zur Generierung und Umsetzung didaktischer Innovationen und der gezielten Veränderung der Lernkultur verstehen. Zugleich berichten beispielsweise viele wissenschaftliche Begleitungen schulischer Modellversuche (in der beruflichen Bildung) von dem Umstand, dass der eigentliche „Kernprozess Unterricht“ kaum direkt beobachtbar und der Einfluss von Schulleitungen nur wenig nachweisbar sei. Vor allem Letztgenanntes wird aus einer Sekundäranalyse von Abschlussberichten zu berufsschulischen Innovationsprojekten deutlich (FAßHAUER/RÜTZEL 2007).

Kompetenz zur Entwicklung einer neuen Lernkultur ist Teil der Schulleitungsqualifizierung

Innovationen für eine neue Lernkultur haben dann Einfluss auf Leistungsmerkmale der Schule, wenn sie auf Strategien der Schulleitung beruhen, die auf der Grundlage von Schulentwicklungsprogrammen, Lehrerfortbildungen, Evaluations-, Unterrichts-, Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen entwickelt wurden. Die Innovationskompetenz von Schulleitungsmitgliedern besteht somit aus mehreren Aspekten, wie der Kooperations-, Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit sowie der Kompetenz, Schulentwicklungsprozesse zu initiieren, zu steuern, zu planen usw. Schulische Führungskräfte müssen demzufolge verschiedene Fähigkeiten, Kompetenzen und Fertigkeiten erlernen, wenn sie innovativ und effektiv für ihre Schule handeln wollen.

Eine exemplarische Curriculumanalyse der Schulleitungsqualifizierungen von fünf Landesinstituten und zwei Universitäten im Rahmen des o.a. SKOLA Forschungsprojektes verdeutlicht, dass die Notwendigkeit der Schulleitungsqualifizierung vor allem für Schulentwicklungs- bzw. Innovationsprozesse erkannt wird (FAßHAUER/ RÜTZEL 2007). Schulleiter/innen werden im Rahmen der spezifischen Weiterbildungsangebote in ihren pädagogisch-gestalterischen und innovativen Kompetenzen gestärkt. Aspekte der Kommunikation, Kooperation, Innovation, Evaluation und Qualitätssicherung sind zentral curricular verankert. Fast alle Weiterbildungsmaßnahmen sind praxis-, teilnehmer- und prozessorientiert sowie auf Basis erwachsenenpädagogischer Lehr- und Lernmethoden konzipiert. Sie sollen ein ganzheitliches, selbst gesteuertes und anwendungsbezogenes Lernen der Schulleiter/innen begünstigen. Die Kurskonzeptionen und Studiengänge unterscheiden sich allerdings hinsichtlich der Verbindlichkeit, der Kursdauer, der Zielsetzung und der Inhalte. Die exemplarische Analyse der Curricula der fünf Landesinstitute und zwei Hochschulen gibt Aufschluss darüber, dass die für innovatives Führungshandeln notwendigen Kompetenzen und Kenntnisse feste Zielgrößen in den Weiterbildungen sind. Auf die Veränderung von Lernkultur bzw. auf die Unterstützung didaktischer Innovationen beziehen sich in bestehenden Bildungsangeboten zu Schulleitungsqualifizierung v.a. die Themen: Kooperation; Unterrichtsentwicklung, Organisationsentwicklung, Schulprogramm/Leitbild, Qualität/Evaluation sowie Kommunikation. Inwieweit das Weiterbildungsangebot als qualitativ ausreichend von den Schulleiter/inne/n selbst bewertet wird, muss an dieser Stelle offen bleiben.

3. Fazit

Die Selbstauskünfte von Schulleiter/innen bzw. Schulleitungsmitgliedern aus 286 beruflichen Schulen, die an der bundesweiten Befragung im Sommer 2007 teilgenommen haben, können einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und der Unterstützung didaktischer Innovationen in bestimmten Bereichen belegen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, welches QMS eingeführt ist bzw. wird. Offensichtlich führt die systematische Schulentwicklung, die mit einem QMS unweigerlich verbunden ist, zu innovationsförderlicheren Rahmenbedingungen. Das Vorhandensein eines QMS kann zugleich die innovationsförderlichen Wirkungen anderer Steuerungsinstrumente stärken, wie z.B. die des Schulprogramms.

Ein direkter Einfluss des Schulleitungshandelns auf Merkmale der Leistungsfähigkeit von Schüler/innen ist empirisch kaum belegbar. Wohl aber kann man von wirksamen indirekten Effekten zur Entwicklung einer neuen Lernkultur durch eine mitarbeiter-, aufgaben- und unterrichtsbezogene Führung ausgehen. Systematische Schulentwicklung, wie sie beispielsweise durch die Einführung von Qualitätsmanagement-Systemen erreicht wird, verstärkt die Abkopplung didaktischer Innovationsfähigkeit der Schulen vom Rollenhandeln und Führungsverständnis von Einzelpersonen in der Schulleitung. Der im Antwortverhalten zur bundesweiten Schulleitungsbefragung gezeigte relativ niedrige Grad des allgemeinen Engagements für didaktische Innovationen kann also nicht unbedingt als schwierige Rahmenbedingung zur Entwicklung einer neuen Lernkultur interpretiert werden.

 

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