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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
WS 12 Produktionsschulen

Finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen von Produktionsschulen

 

Abstract

Die rechtliche und finanzielle Situation von Produktionsschulen stellt sich unübersichtlich dar. Ein Produktionsschulgesetz - wie in Dänemark -, das entsprechende Standards und Rahmenbedingungen festlegt - existiert nicht. Auch andere Rechtskreise der Sozialgesetzbücher (SGB) konkretisieren nicht die Möglichkeiten von Produktionsschulen. In diesem Dschungel haben sich in den letzten Jahren bundesweit mehr als 30 Produktionsschulen neu gegründet und weitere Initiativen stehen in den Startlöchern. In der derzeitigen bildungspolitischen Diskussion um die Zukunft der „Bildungsrepublik Deutschland“ geht es darum, die Produktionsschulen als Erfolg versprechende pädagogische Alternative im Übergangssystem Schule-Beruf zu platzieren.

1.  Produktionsschulen in Deutschland

Vermehrt wird in der Auseinandersetzung um die Perspektiven der beruflichen Bildung und des Ausbildungsmarktes, sowie im Besonderen bei der Verbesserung der beruflichen Qualifizierungschancen von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf, das Konzept der Produktionsschulen aufgegriffen.. Produktionsschulen müssen neuerdings in der Debatte zur Reform des Bildungssystems als Allzweckwaffe herhalten. Insbesondere beim Übergang Schule-Ausbildung stellen sich große Herausforderungen. Fachleute vertreten verstärkt die Position, dass Produktionsschulen besonders geeignet sind diesen Herausforderungen zu begegnen. Allerdings können sich Produktionsschulen nur dann zu einer echten Alternative entwickeln, wenn sie richtig konstruiert und bildungs- und ordnungspolitisch verortet sind.

1.1  Ausgangslage

Was den Auf- und Ausbau von Produktionsschulen angeht, steht Deutschland erst am Anfang. Dass sich das „dänische“ Modell nicht flächendeckend in Deutschland durchgesetzt hat, hängt sicherlich im Wesentlichen mit dem förderalen Aufbau der Bundesrepublik zusammen. Trotz der seit Mitte der 90er Jahre positiv geführten Diskussionen zu Produktionsschule - z.B. in zuständigen Landesministerien - ist es bislang nicht gelungen, Produktionsschulen als zusätzliche Bildungs- und Qualifizierungsalternative für junge Menschen in Deutschland bildungspolitisch zu etablieren.

Produktionsschulen sind bislang - quasi als „Neuentdeckungen“ auf alten pädagogischen Sternenkarten im Kosmos der Bildungs- und Ausbildungssysteme - nur einzelne „Fixsterne“ für benachteiligte Jugendliche. Die institutionellen und fachlichen Rahmenbedingungen zum Betrieb von Produktionsschulen sind in Deutschland z. Zt. nicht gegeben.

Bundesweit existiert kein rechtsverbindlicher Rahmen zum Betrieb von Produktionsschulen in Form eines Produktionsschulgesetzes. Auch die Standards und Qualitätskriterien von Produktionsschulen sind weder bundesweit noch auf Bundesländerebene ansatzweise abgestimmt bzw. definiert. Bestehende Produktionsschulen bewegen sich im Feld der Finanzierung und Organisation in höchst unterschiedlichen Rechtskreisen (SGB II, III, VIII) sowie verschiedenster bundesländerspezifischer Regelungen. Produktionsschulkonzepte sind sowohl in der Beruflichen Bildung als auch im Allgemeinbildenden Bereich angesiedelt.

Abb.1: Die Produktionsschule

(Für eine besser Auflösung Linksklick auf Bild)

1.2 Produktionsschulprinzipien des Bundesverbandes Produktionsschulen e.V.

Der 2007 ins Leben gerufene Bundesverband Produktionsschulen e.V. hat sich u. a. mit der Zielstellung gegründet, die Umsetzung des Produktionsschulgedankens qualitativ abzusichern und das Produktionsschulkonzept weiterzuentwickeln. Die abgestimmten Standards und Vorgaben für den Betrieb von Produktionsschulen müssen dann in entsprechenden Qualitätsmanagementprozessen vor Ort angepasst und evaluiert werden, um so die Weiterentwicklung zu sichern und zu forcieren. Auf seiner Gründungsversammlung hat der Bundesverband zunächst einen 13-Punkte umfassenden Prinzipienkatalog für Produktionsschulen verabschiedet. Sie beinhalten u. a. Aussagen über Ziele, Merkmale, Strukturen und reichen bis hin zum pädagogischen Rahmen, den didaktischen Leitlinien und der Organisation der Lern- und Arbeitsprozesse.

Zum Bereich Strukturen und Finanzierung ist folgendes formuliert:

„11. Strukturelles

•  Jede Produktionsschule entwickelt ihr originäres Leitbild, das neben pädagogischen Grundsätzen die Bezüge zu regionalen Märkten erläutert.

•  Jede Produktionsschule hat eine Leitung; bei der Leitung kann Rotation herrschen.

•  Die Leitung ist dem Kollegium und einem Beirat bzw. einer Steuerungsgruppe verantwortlich.

•  Neben der Leitung begleitet eine Steuerungsgruppe / Beirat die Entscheidungsprozesse einer Produktionsschule. Dieses Gremium besteht aus verschiedenen Vertretern, z. B.: regionale Wirtschaft, Tarifpartner, Religionsgemeinschaften, Politik, NGO`s, Gemeinwesen, etc.

•  Wenn in einer beruflichen Schule eine Produktionsschule errichtet wird, müssen grundsätzlich die strukturellen, organisatorischen und pädagogischen Produktionsschulprinzipien eingehalten werden.

•  Externe Überprüfung / Qualitätssicherung: Jede Produktionsschule sollte sich durch unabhängige Gutachter zertifizieren lassen. Eine Produktionsschule sollte sich landesweit vernetzen (regelmäßiges Treffs, Internet-Portal, „Good-practice-Foren“ etc.)

•  Eine Produktionsschule ist daran interessiert, zur rechtlichen Absicherung bzw. zur Modifikation bestehender Schulgesetze in Richtung Produktionsschule beizutragen.

12. Finanzielles

•  Eine Produktionsschule muss ein Jahres-Budget als Finanzierungsrahmen anstreben. Sie sorgt für die Gewährleistung einer längerfristigen Finanzierungssicherheit.

•  Gebäude und Boden einer Produktionsschule werden von der Produktionsschule eigenverantwortlich bewirtschaftet; zur Gewährleistung der „Nachhaltigkeit“ empfiehlt sich, dass die Gebäude sich im Eigentum der Produktionsschule befinden.

•  Eine Produktionsschule sollte im Laufe ihrer Entwicklung und ihrer regionalen Vernetzung ein finanzielles Minimum von 5% bis 10 % pro Jahr selber erwirtschaften.

•  Produktionsschule strebt langfristig an, mit einer stabilen staatlichen und kommunalen Finanzierung (bzw. einer Kombination beider) zu wirtschaften.“ (BUNDESVERBAND PRODUKTIONSSCHULEN 2007, 6)

1.3  Versuch einer Standortbestimmung von Produktionsschule

Im Folgenden wird beispielhaft dargestellt, wie bestehende Produktionsschulen z. Zt. in den unterschiedlichsten Rechtskreisen und länderspezifischen Förderprogrammen bzw. Regelungen organisatorisch und finanziell eingebunden werden. Dabei sind aktuell nur in den Grundsätzen in Mecklenburg-Vorpommern und der SGB II –Ausschreibung in Leipzig konkrete Aussagen über die Standards von Produktionsschulen ausgeführt. Sicherlich steht eine solche Diskussion z. Zt. in Hamburg an, wo es um die Konkretisierung des Koalitionsvertrages des neu gewählten Senats zu Produktionsschulen geht.

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern

Auszug: Grundsätze von Produktionsschulen (PS)

•  Produktionsschulen sind Einrichtungen der Jugendberufshilfe

•  PS sind Angebote für 15-20-Jährige zur Integration in Berufsbildung bzw. in den ersten Arbeitsmarkt

•  Lernen findet in Werkstätten unter betriebsgleichen Bedingungen statt

•  Die jungen Menschen arbeiten freiwillig in PS. Sie werden nicht aus maßnahmegebundenen Zuweisungen grundständig finanziert

•  PS sind Teil der in SGB VIII geregelten örtlichen Jugendhilfeplanung

•  Zeitraum in der PS gestaltet sich nach individueller Notwendigkeit (zwischen 3 Monaten und 1 ½ Jahren)

•  PS hat zwei Leitungsorgane: Schulleitung (Pädagogik, Inhalte, Personal und Beiratsleitung (Abstimmung Wirtschaft, Preise)

(vgl. WERGIN/ ACHTENHAGEN 2005)

Bundesland Hessen

Auszug: Fördergrundsätze Qualifizierung und Beschäftigung für junge Menschen des Landes Hessen/ESF
Unter 2 .6 Vorgaben zu den Projekten

•  „Qualifiziertes Fachpersonal, bestehend aus sozialpädagogischen Fachkräften und Fachanleiter(inne)n ist zu gewährleisten, wobei für je 10 geförderte Qualifizierungs- und Beschäftigungsplätze mindestens 1,5 Stellen bis maximal 2,5 Stellen zur Verfügung stehen müssen. In begründeten Ausnahmefällen kann dieser Standard unterschritten werden.

•  Die Projekte sollen an den Stärken und Potenzialen der jungen Menschen anknüpfen. Bisherige Bewerbungs- und Ausbildungssituationen sind aufzuarbeiten und nötige berufskundliche Informationen zu geben. Problemen und Defiziten ist mit Angeboten zur Persönlichkeitsentwicklung und -stabilisierung zu begegnen. Den jungen Menschen soll ein kontinuierlicher Aufbau von Kompetenzen ermöglicht werden, der sie zu einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Berufs- und Lebensgestaltung befähigt und die Basis für ein lebensbegleitendes Lernen legt.

•  Junge Menschen, die den Hauptschulabschluss nachholen wollen, sind auf die Hauptschulabschlussprüfung angemessen vorzubereiten.
Die im Förderplan festgelegten Förderziele sind in regelmäßigen Abständen mit den Jugendlichen und dem beteiligten Fachpersonal zu überprüfen und fortzuschreiben.
Bei der Qualifizierung sind Theorie und Praxis eng zu verknüpfen. Die berufsvorbereitende Qualifizierung soll in überschaubaren, in sich abgeschlossenen modularen Einheiten mit Lernzielüberprüfung erfolgen. Diese Module sollen sich an anerkannten und von den Kammern zertifizierten Qualifizierungsbausteinen orientieren.

•  Zusätzliche, sozialpädagogisch begleitete und betreute Praktika in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkes von insgesamt mindestens 4 Wochen Dauer sind pro Beschäftigungsjahr abzuleisten. In begründeten Ausnahmefällen kann auf ein Praktikum verzichtet werden. Die Verweildauer der Teilnehmerinnen und Teilnehmer soll 24 Monate nicht überschreiten.“

(HESSISCHER STAATSANZEIGER 2007, 1933)

Sozialgesetzbuch III

Auszug: Neues Fachkonzept Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) der Bundersagentur für Arbeit(BA) vom 12.1.2004

“ Förder- und Qualifizierungssequenzen sind Grundlage individueller Qualifizierungsverläufe und damit ein Instrument der Binnendifferenzierung. Sie sollen berufsübergreifende Grundqualifikationen oder Teile einer Berufsausbildung beinhalten und bereiten damit gezielt auf eine Berufsausbildung vor. Das setzt ausbildungs- und arbeitsmarktrelevante Qualifizierungsangebote voraus. Im Unterschied zu Qualifikationen sind Kompetenzen lern- und trainierbare Verhaltensdispositionen. Die Entwicklung und Förderung von Schlüsselkompetenzen als berufsübergreifende Kompetenzen hat eine große Bedeutung, um junge Menschen auf die wachsenden Anforderungen z.B. im Bereich der Selbstorganisation und Problemlösung in der Arbeitswelt vorzubereiten. Insbesondere sollen gefördert werden:

•  Persönliche Kompetenzen (z.B. Motivation, Leistungsfähigkeit aber auch Selbstbild, Selbsteinschätzung, Wertehaltung)

•  Soziale Kompetenzen (z.B. Kommunikation, Kooperation/Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit)
Methodische Kompetenzen (z.B. Problemlösung, Arbeitsorganisation, Lernfähigkeit, Einordnung und Bewertung von Wissen)

•  Lebenspraktische Fertigkeiten (z.B. Umgang mit Behörden, Umgang mit Geld, Hygiene, Tagesstruktur, Nutzung ö ffentlicher Verkehrsmittel, Umgang mit Ämtern, Einkauf, Selbstversorgung, Erscheinungsbild, Freizeitgestaltung)

•  interkulturelle Kompetenzen (Sprachkompetenz, Verständnis und Toleranz für andere Kulturen u. a. auch Religions-, Geschichtskenntnisse, Umgang mit fremden/ungewohnten Verhaltensweisen, Traditionen, Erscheinungsformen)

•  IT -und Medienkompetenz (z.B. Fähigkeiten im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechniken).

Die Förderung und Entwicklung von Kompetenzen im Rahmen einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung stellt eine Querschnittsaufgabe dar. Sie wird durch eine ressourcen- und kompetenzorientierte individuelle Entwicklungsbegleitung unterstützt.“ (BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2004, 8-9)

Sozialgesetzbuch II

Aus: In der Öffentlichen Ausschreibung § 16 (2) SGB II ARGE Leipzig 2006 Leistungsbeschreibung Produktionsschule heißt es sinngemäß:

•  Produktionsschule ist eine arbeitsorientierte berufliche Bildungseinrichtung, für Jugendliche bis 25 Jahre, die die Berufschulpflicht erfüllt haben

•  Reale Produktionsaufgaben bilden das didaktische Zentrum. Der Jugendliche ist das eigentliche Produkt und nicht die hergestellte Ware

•  Grundsätze der PS sind die Standards der Benachteiligtenförderung z.B. Individualisierung, Kompetenzansatz

•  Freiwilligkeit durch Bewerbung statt Zuweisung

•  Zeitraum zwischen 3 bis max. 12 Monaten, 4 Wochen Betriebspraktikum

•  Schulleitung ist für Inhalt, Pädagogik, Personal zuständig

•  Personalschlüssel ist definiert (1:12 plus Lehrkraft + Leitung)

•  Kooperation und Netzwerkbildung mit allen Akteuren des regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes

(vgl. ARGE LEIPZIG 2006)

Sozialgesetzbuch VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz

㤠13 Jugendsozialarbeit.

(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.

(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.

(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.

(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.“

in Verbindung mit

㤠27 Hilfe zur Erziehung.

(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. (...)

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Sie soll bei Bedarf Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 2 einschließen.“ (SGB VIII, 2008)

Diese Beispiele zeigen, wie uneinheitlich sich das Bild für Produktionsschulen zeichnet. Neue Produktionsschulinitiativen können schwerlich mit generellen Informationen ausgestattet und beraten werden. Im Gegenteil: Vor Ort müssen individuelle und politische Strategien entwickelt und durchsetzt werden, um Produktionsschulen zu betreiben.

Wenn man den aktuellen Stand (30.6.2008) der Auseinandersetzung zum SGB II und III mit einbezieht, so scheint zukünftig eine (Mit-)Finanzierung von Produktionsschulen unter Berücksichtigung qualitativer Standards bestehender Produktionsschulen innerhalb dieser Rechtkreise fast unmöglich. Weiter bleibt es interessant zu beobachten, ob es auf Seiten der Bundesländer weitere Initiativen zur Förderung von Produktionsschulen gibt. Die Signale aus Hamburg (500 neue Produktionsschulplätze) stimmen zumindest erst einmal positiv.“

1.4 Finanzierungsmodell am Beispiel der Kasseler Produktionsschule BuntStift

Am Beispiel der Kasseler Produktionsschule BuntStift soll die Finanzierung einer Produktionsschule konkretisiert werden.

Im Einzelnen:

•  kommunale Mittel der Erziehungshilfe SGB VIII

•  Berufsvorbereitung und andere Leistungen des SGB III

•  Sonstige weitere Leistungen nach §16 Abs. 2 SGB II

•  Europäischer Sozialfonds in Kombination mit hessischen Landesmitteln

•  weitere EU-Mittel (URBAN II, EUROFORM, Jugend für Europa)

•  Mittel des Landes Hessen (Sozial-, Wirtschafts- und Kultusministerium)

•  Modellmittel des Bundes (Bildungs- und Jugendministerium)

•  Mittel des Bund-Länderprogramms „Soziale Stadt“

•  Mittel des Schwerbehindertengesetzes

•  Jugendamt der Stadt Kassel

•  Stiftungen, Spenden, Bußgelder.

Alle Finanzierungsmöglichkeiten sind weder mittel- noch langfristig abgesichert. BuntStift hat einen relativ hohen personellen Aufbau zur Akquirierung, Abwicklung und Verwendung der Mittel, dabei gelten unterschiedlichste Haushaltsordnungen und Förderrichtlinien, die in der Regel nicht miteinander abgestimmt sind.

1.5  Versuch der Verortung von Produktionsschule

Produktionsschulen als Teil des beruflichen Bildungssystems

•  Die Erfahrungen der bestehenden Produktionsschulen zeigen, dass das Produktionsschul-Prinzip sehr geeignet ist auf Ausbildung und Arbeit vorzubereiten. Es hat gegenüber herkömmlichen Förderangeboten qualitative Vorteile. Praxis und Theorie, statt Theorie pur.

•  Jugendliche in Produktionsschulen werden besser auf eine spätere Erwerbsarbeit vorbereitet, weil ihre Qualifizierung unter betrieblichen Bedingungen erfolgt. Dieser individuelle Kompetenzansatz vermindert Fehlplatzierungen und Maßnahmekarrieren.

•  Produktionsschulen können neben Produktion und Teilqualifizierungen auch schulische Abschlüsse anbieten

•  Produktionsschulen nutzen die erfolgreichen Ansätze der Benachteiligtenförderung (z.B. Kompetenzansatz, Kompetenzfeststellung, Förderplanung)

•  Die guten Erfahrungen und Erkenntnisse der Produktionsschulen sollten in der Weiterentwicklung der Berufsausbildungsvorbereitung genutzt werden.

2. Fazit

Eine neue Berufliche Bildung braucht Produktionsschule und unterstützt dabei die strukturelle Weiterentwicklung der dualen Ausbildung z.B. bei der Ausbildung über Ausbildungsbausteine. Das eklatante Strukturdefizit in der Berufsausbildungsvorbereitung (Nebeneinander von schulischen und außerschulischen Angeboten) wird keinesfalls durch die zusätzliche Etablierung von Produktionsschulen beseitigt. Will man Produktionsschulen als Teil der beruflichen Bildung, so braucht es neue Ansprech- und Bündnispartner auf allen Politikebenen. Dazu gehört ebenfalls eine auf Bund- Länderebene abgestimmte Regelung wie z.B. KMK-Rahmenvereinbarung . Auch müssen bei den aktuellen Diskussionen zu SGB II und III Produktionsschulen einbezogen werden. Zur Fortentwicklung und flächendeckenden Umsetzung sind gemeinsame pädagogische Standards und didaktische Leitlinien für Produktionsschulen zu entwickeln. Der Bundesverband Produktionsschulen kann hier mit Unterstützung von Partnern (z.B. BIBB, KMK) wichtige Vorarbeiten leisten. Ob die Zusammenführung der gesamten beruflichen Grundbildung in Produktionsschulen - d.h. das (berufs-)schulische Berufsvorbereitungs- und Berufsgrundbildungsjahr und Teile der Berufsfachschule sowie die von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) den richtigen Weg darstellt, bliebe abzuwarten - angesichts der aktuellen Situation erscheint dieser Weg visionär.

Produktionsschulen sollten nicht nur als Teil kurzfristiger sozial- und arbeitsmarktpolitischer Überlegungen bewertet werden. Sie müssen eingebettet sein in eine grundlegende Reform der beruflichen Bildung und des dualen Ausbildungssystems. Eine Reform der beruflichen Bildung erfordert, dass die berufliche Aus- und Weiterbildung als eine der drei Säulen des Bildungssystems (neben dem Hochschul- und dem Allgemeinen Bildungssystem) auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird. Das primäre Ziel ist also nicht die Schaffung von Ausbildungsplätzen.Ziel ist vielmehr die Erhöhung der Ausbildungsqualität junger Menschen bei Erhalt der Berufsform der Arbeit als ein innovatives Reformvorhaben mit dem schließlich die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit von Untenehmen gestützt werden soll. Das Berufsbildungssystem muss seine Attraktivität für alle Schulabgänger erhalten und Risikogruppen einbeziehen, die gleichberechtigt und angemessen auf die Berufsausbildung vorbereitet werden. Produktionsschulen auf entsprechender gesetzlicher Grundlage können hierbei eine zentrale bildungsstrategische Rolle spielen.

Wenn es innerhalb der bildungspolitischen Diskussion zur Zukunft der beruflichen Bildung aktuell nicht gelingt das Produktionsschulprinzip als bessere pädagogische Alternative zum BVJ oder der BvB zu etablieren, bleiben Produktionsschulen exotische Randerscheinungen in der Bildungslandschaft. Das Argument, dass nicht genügend Mittel vorhanden seien, kann vor diesem Hintergrund wohl niemanden mehr überzeugen.

Literatur

ARGE LEIPZIG (2006): Öffentliche Ausschreibung § 16 (2) SGB II Leistungsbeschreibung Produktionsschule. Leipzig.

BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT (2004): Neues Fachkonzept Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Bundesagentur für Arbeit. Nürnberg.

BUNDESVERBAND PRODUKTIONSSCHULEN (2007): Produktionsschulprinzipien. Hannover.

HESSISCHER STAATSANZEIGER (2007): Fördergrundsätze Qualifizierung und Beschäftigung für junge Menschen des Landes Hessen/ESF. Wiesbaden.

SOZIALGESETZBUCH (SGB) Achtes Buch (VIII): Kinder- und Jugendhilfegesetz (2008). 35., vollständig überarbeitete Auflage. München: Deutscher Taschenbuchverlag.

SOZIALGESETZBUCH (SGB) Drittes Buch III: Arbeitsförderung (2008). 35., vollständig überarbeitete Auflage. München: Deutscher Taschenbuchverlag.

SOZIALGESETZBUCH (SGB) Zweites Buch III: Grundsicherung für Arbeitssuchende (2008). 35., vollständig überarbeitete Auflage. München: Deutscher Taschenbuchverlag.

WERGIN, C./ ACHTENHAGEN, C. (2005): Grundsätze der Produktionsschulen in MV. Schwerin.

 

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