bwp@ Profil 4 - September 2016

Kompetenzentwicklung im wirtschaftspädagogischen Kontext: Programmatik – Modellierung – Analyse.

Profil 4: Digitale Festschrift für SABINE MATTHÄUS

Hrsg.: Hermann G. Ebner & Jürgen Seifried

Versuch einer Laudatio aus der Perspektive einer langjährigen freundschaftlichen Verbundenheit – Trilogie, Teil 1

Von einer langjährigen freundschaftlichen Verbundenheit zu sprechen, erscheint zuweilen überzogen und vermittelt im Geschriebenen wie im Gesprochenen häufig den Eindruck, ein zusätzliches rhetorisches Schmuckelement zu sein, mit dem der Laudator die Berechtigung seines oft überbordenden Lobes für den zu Ehrenden nachzuweisen sucht. Wenn sich diese Langjährigkeit jedoch auf einen Zeitraum von mehr als 45 Jahren bezieht und auf dieser langen Wegstrecke nie der Kontakt unterbrochen war, sondern immer wieder befruchtet wurde durch einen anregenden, bereichernden Gedankenaustausch und wenn die Erinnerungen an diesen Zeitraum verbunden sind mit einem Rückblick auf viele Jahre kollegialer Zusammenarbeit, gegenseitiger Unterstützung und auch freudvollen gemeinsamen Feierns, dann darf dafür wohl auch zurecht das oben genutzte Wort von einer freundschaftlichen Verbundenheit in den Mund genommen werden.

Dieser Anspruch, dessen Ursprung im Jahre 1970 liegt, soll im Folgenden ein wenig ausgebreitet werden; denn 1970 ist genau das Jahr, in dem Sabine Matthäus ihr Studium der Wirtschaftspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin aufnahm. Ich war im gleichen Jahr Mitarbeiter des damaligen Wissenschaftsbereichs „Wirtschaftspädagogik“ geworden und begegnete ihr bereits zu diesem Zeitpunkt in meinen ersten selbstständigen Lehrveranstaltungen.

Dass Sabine Matthäus eine hervorragende Studentin war, stellte sich sehr schnell heraus und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie nach erfolgreicher Prüfung zur „Diplom-Ökonompädagogin“ vom damaligen Leiter des Wissenschaftsbereichs „Wirtschaftspädagogik“, Professor Dr. Alexander Schink, das Angebot für ein Forschungsstudium erhielt.

Die Institution „Forschungsstudium“ war eine spezifische akademische Fördermaßnahme an den Universitäten der damaligen DDR, um besonders leistungsstarke Studenten und Studentinnen auf einem schnellstmöglichen Weg zur Promotion zu führen. Ein Forschungsstudium umfasste in der Regel einen Zeitraum von 4 Jahren.

In dieser Zeit waren die Forschungsstudenten lehr- und forschungsmäßig, aber auch hinsichtlich vieler arbeitsrechtlicher Fragestellungen und natürlich auch sozialer Bindungen fest im Mitarbeiterstab des jeweiligen Wissenschaftsbereichs verankert.

Vier Jahre waren auch eine hinreichend lange Zeitspanne, in der Sabine Matthäus allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Wissenschaftsbereichs „Wirtschaftspädagogik“ und somit auch mir, ihre ausdrückliche Eignung für wissenschaftliches Arbeiten aufzeigen und bestätigen konnte, wobei sie dabei auch immer wieder ihre Zuverlässigkeit und Kollegialität unter Beweis stellte.

Sabine Matthäus beendete 1978 ihr Forschungsstudium mit der erfolgreich verteidigten Dissertation (im Sprachgebrauch der DDR-Wissenschaftler Dissertation A). Es entsprach ihrer Arbeitseinstellung, insbesondere ihrer Motivation und Zielstrebigkeit in der wissenschaftlichen Arbeit, sich nicht mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Recht bald wandte sie sich daher neuen Herausforderungen in der Unterrichtsmethodikforschung zu und zwar auf dem von ihr auch in der Lehre vertretenen Gebiet der Unterrichtsmethodik „Betriebsökonomik“, um sich hier auf die wissenschaftliche Qualifizierung zum Dr. sc. vorzubereiten.

Die entsprechende Dissertationsschrift (im Sprachgebrauch der DDR-Wissenschaftler Dissertation B) verteidigte sie bereits 1985 mit großem Erfolg. In dieser Schrift, die 1992 problemlos ihre habilitationsadäquate Anerkennung fand, befasste sich Sabine Matthäus mit Fragen der fachübergreifenden Koordinierung im Unterricht ökonomischer Disziplinen.

Wenn man sich dabei vor Augen hält, dass gerade ab Mitte der 80er Jahre in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DDR das didaktische Konzept der Handlungsorientierung zu einer zentralen Forschungsfrage wurde und in diesem Kontext Fragen nach der ganzheitlichen Handlung, die in gewisser Weise auch immer die ganzheitliche Sicht auf das Lernobjekt einschließen, in den Mittelpunkt traten, dann unterstreicht das nur die hohe Aktualität des Themas dieser Schrift zur damaligen Zeit.

Aus heutiger Sicht ließe sich hinzufügen, dass die partielle Lösung der Probleme einer fachübergreifenden Koordinierung in einem Lehrobjektsbereich wie dem der Ökonomie, der sich in mehrere lerngegenstandsgebundene Unterrichtsdisziplinen gliederte (im kaufmännisch-verwaltenden Bereich der Berufsausbildung der DDR waren das die Fächer Betriebsökonomik, Rechnungswesen, Wirtschaftsmathematik und Politische Ökonomie), durchaus auch als eine wichtige, ja geradezu notwendige Vorstufe zur Konstruktion der heutigen lernfeldstrukturierten Curricula gesehen werden kann.

Es zeichnete die Arbeit von Sabine Matthäus als Lehrerbildnerin über die Jahre hinweg aus, dass sie in der gesamten Sektion „Wirtschaftswissenschaften“ nicht nur ein von allen anerkanntes Mitglied des Mitarbeiterstabs des Wissenschaftsbereichs der Wirtschaftspädagogik war, sondern sie auch eine hohe Wertschätzung von den Studierenden in der von ihr vertretenen Fachrichtung erfuhr. Ihre Berufung zur Dozentin im Jahre 1988 war deshalb eine ebenso logische wie folgerichtige Entscheidung der damaligen Leitung der Sektion „Wirtschaftswissenschaften“.

Die Sektion „Wirtschaftswissenschaften“ gehörte im Jahr 1990 zu den fünf Sektionen der Humboldt-Universität, die einer sogenannten Abwicklung unterworfen waren.

Der Wirtschaftspädagogik, die seit der 3. Hochschulreform der DDR im Jahre 1968 in dieser Sektion angesiedelt war, wurde damit ihre bisherige wissenschaftliche Heimstatt genommen, zumal zu einem sehr frühen Zeitpunkt bereits feststand, dass eine neustrukturierte wirtschaftswissenschaftliche Fakultät an der Humboldt-Universität nur noch über zwei Studiengänge, einen betriebswirtschaftlichen und einen volkswirtschaftlichen, verfügen würde.

Ein Verbleib an der traditionellen Berliner Ausbildungsstätte der Diplom-Handelslehrer, der ehemaligen Handelshochschule und späteren sowie auch wieder heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, war damit von vornherein ausgeschlossen.

Mit der Ausgliederung aus der Sektion Wirtschaftswissenschaften verbunden, war demzufolge auch eine Ausquartierung aus dem bislang angestammten Gebäude. Übergangsweise wurde das Gästehaus der Humboldt-Universität zum neuen Standort der Berliner Wirtschaftspädagogik.

Unter diesen auch räumlich stark veränderten Bedingungen erfolgte die Neugründung eines Instituts für Wirtschaftspädagogik mit stark veränderter personaler Struktur.

Wenn ich heute auf diese Zeit des Umbruchs, in der ich zwei Jahre lang als Institutsdirektor fungierte, zurückschaue, dann steht mir immer noch deutlich vor Augen, dass die damals zu bewältigenden Aufgaben nur mit einem überaus hohen persönlichen Einsatz und Engagement aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu lösen waren. Und auch hier stand Sabine Matthäus als stellvertretene Institutsleiterin mit an vorderster Front.

Was galt es zu bewältigen?

Im Folgenden soll nur auf die wesentlichen und zentralen Problem- und Aufgabenstellungen dieses Überganges hingewiesen werden:

  • Oberstes Gebot war, dass alle Maßnahmen der Umgestaltung des Studiums möglichst so durchzusetzen waren, dass sie nicht zu einer Verlängerung der neunsemestrigen Studienzeit der künftigen Wirtschaftspädagogen führen durften.
  • Ideologieüberfrachtete Lehrprogramme mussten in Gänze ausgetauscht werden. Das betraf natürlich den gesamten fachwissenschaftlichen Bereich der Ökonomie. Aber auch hinsichtlich des didaktisch-methodischen Bereiches der akademischen Ausbildung waren essenzielle Überarbeitungen und inhaltliche Neustrukturierungen erforderlich. Die Mehrzahl der zwar bereits überarbeiteten DDR-Lehrprogramme auf dem Sektor des Didaktisch-Methodischen war noch bis in das Jahr 1991 hinein Richtschnur der universitären Ausbildung. Die Einführung neuer Lehrprogramme an der Humboldt-Universität erfolgte erst ab Sommersemester 1991.
  • Ein bis 1990 einphasig strukturiertes Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem Abschluss zum Diplom-Ökonompädagogen war in eine zweiphasige Ausbildung zu überführen. Entsprechende Kontakte zum Berliner Studienseminar waren aufzunehmen, um die Inhalte beider Phasen aufeinander abzustimmen. Das führte u. a. zu einer völligen Umgestaltung der studienbegleitenden Praktika, die naturgemäß in einer einphasigen Ausbildung einen anderen Stellenwert besaßen als in einer zweiphasigen. Die gesamte Regelstudienzeit der einphasigen akademischen Ausbildung von Diplom-Ökonompädagogen mit insgesamt 9 Semestern war durchwoben von einem System schulpraktischer Übungen und kontinuierlich zu absolvierenden Praktika. Letztere begannen im ersten Studienjahr mit einem Erzieherpraktikum – in der Regel durchgeführt als Betreuer/Betreuerin in einem Kinder- bzw. Betriebsferienlager – , wurden im zweiten bis vierten Studienjahr in unterschiedlichen Formen, verbunden mit schulpraktischen Übungen, fortgesetzt und schlossen im neunten Semester mit einer zwölfwöchigen einsatzbezogenen Spezialisierung ab. Diese wurde bereits an der künftigen Einsatzschule absolviert.
    • Zum Diplomstudiengang, der vorerst so erhalten blieb, nur der traditionsgebundene Titel des Diplom-Handelslehrers trat wieder an die Stelle des Diplom-Ökonompädagogen, kam nunmehr noch der Lehramtsstudiengang hinzu, der aber gleichzeitig die Installierung eines Zweitfaches erforderlich machte. Für die bereits unter DDR-Bedingungen immatrikulierten Studierenden wurde die bisherige Unterrichtsmethodik „Rechnungswesen“ zu einer Fachdidaktik für das gleichnamige Zweitfach erweitert.
    • Ein gravierendes Problem bestand auch in der Absicherung der Lehrveranstaltungen auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. Die Abwicklung der ehemaligen Sektion führte dazu, dass viele der damaligen Lehrkräfte frühzeitig ihre bisherige Arbeitsstätte verließen und deshalb kurzfristig, manchmal von einem Tag zum anderen, ersetzt werden mussten.

Diese Probleme, die sicher noch erweitert und detaillierter dargestellt werden könnten, waren von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des neuen Instituts für Wirtschaftspädagogik zu lösen, für die meisten von ihnen begleitet von einem Gefühl subjektiver Verunsicherung, denn eine Sicherheitsgarantie für eine Übernahme in die neuen universitären Strukturen gab es für die wenigsten.

Auch für Sabine Matthäus war eine solche Sicherheit nicht gegeben. Umso mehr muss ihr Einsatz und ihre Leistung gerade in dieser komplizierten Zeit des Umbruchs gewürdigt werden.

Es erfüllte das wissenschaftliche Personal des Instituts für Wirtschaftspädagogik schon mit nicht geringem Stolz, diese Zeit des universitären Umbruchs so mitgestaltet zu haben, dass die bereits zu DDR-Zeiten immatrikulierten Studenten und Studentinnen ihre Diplomprüfung ohne eine bemerkenswerte Verlängerung der akademischen Phase ablegen konnten.

Erst ab 1992, mit der Übernahme des Instituts für Wirtschafts-und Erwachsenenpädagogik durch Prof. Dr. Jürgen van Buer, festigten sich die neuen Strukturen für die Ausbildung in den nunmehr vollständig etablierten zwei Studiengängen: dem Lehramtsstudiengang und dem Diplomstudiengang.

Sabine Matthäus wurde Mitarbeiterin in dem neu strukturierten und der Philosophischen Fakultät IV der Humboldt-Universität angegliederten Institut für Wirtschaftspädagogik und widmete sich neben ihrer Lehre auf dem Gebiet der Fachdidaktik in der Forschung vor allem den Fragen der Entwicklung und Ausprägung der kommunikativen Kompetenz von Auszubildenden im Bereich kaufmännisch-verwaltender Berufe.

Unter der Leitung von Prof. Dr. van Buer arbeitete sie hauptverantwortlich in einem von der DFG geförderten gleichnamigen Projekt mit und trug maßgeblich zu seinem erfolgreichen Abschluss im Jahr 1994 bei.

1995 erfolgte ihr Ruf auf die Professur für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Mannheim, wo sie ihre wissenschaftliche Arbeit bis zum heutigen Tage fortgesetzt hat.

Zurückblickend auf die vielen Jahre gemeinsamer Arbeit mit Sabine Matthäus bleibt mir nur, ein großes Dankeschön zu sagen und ihr für die nun folgende Zeit des Ruhestandes (oder, was ihrem Naturell besser entspricht: eines sich anfügenden, aber nunmehr eher stressfreien Unruhestandes) alles erdenklich Gute zu wünschen. 

Zitieren des Beitrags

Squarra, D. (2016): Versuch einer Laudatio aus der Perspektive einer langjährigen freundschaft­lichen Verbundenheit – Trilogie, Teil 1. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädago­gik – online, Profil 4: Kompetenzentwicklung im wirtschaftspädagogischen Kontext: Programmatik – Modellierung – Analyse. Digi­tale Festschrift für SABINE MATTHÄUS, 1-5. Online: http://www.bwpat.de/profil4/squarra-trilogie1_profil4.pdf (09-09-2016).