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bwp@ Ausgabe 6
Hrsg. von Martin Kipp und Wolfgang Seyd

HoweKnutzen

Falk Howe & Sönke Knutzen (Technische Universität Hamburg-Harburg)

Kompetenzwerkstatt-Recycling - Arbeitsprozessorientierte Lehr-Lernarrangements mit integrierter Lernsoftware in der Berufsvorbereitung

1.  Einleitung

In der Recycling- und Entsorgungsbranche sind in zunehmendem Umfang Dienstleistungen zu erbringen, die auf unterschiedlichem Niveau spezifische Kompetenzen verlangen. Mit dem zeitgleich wachsenden Personalbedarf bieten sich in diesem Sektor besonders für benachteiligte Jugendliche berufliche Chancen und Perspektiven. An der Hamburger Gewerbeschule 8 (G8) werden daher für diese Zielgruppe berufsvorbereitende Maßnahmen im Bereich des Recyclings angeboten. Eine Schwierigkeit, die sich nach Erfahrung der G8 dabei allerdings stellt, ist die zeit- und betreuungsaufwendige Kompetenzförderung. Die Jugendlichen sind mit klassischen schulischen Lehr-Lernkonzepten schwer zu erreichen und weisen extrem heterogene Lernvoraussetzungen, -bedarfe und -verhalten auf.

Mit dem im BMBF-Programm "Kompetenzen fördern - Berufliche Qualifizierung für Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf" ( http://www.kompetenzen-foerdern.de ) angesiedelten Projekt Kompetenzwerkstatt-Recycling wird dieses Problem aufgegriffen. Bestehende Beispiele guter Unterrichtspraxis an der G8 werden in einen curricularen Gesamtrahmen gestellt, didaktisch-methodisch weiterentwickelt sowie durch eine neu entwickelte Lernsoftware mit weitreichenden und vielseitigen Anknüpfungspunkten für Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen ergänzt. Zentrales Anliegen ist es, die allgemeine und berufliche Handlungskompetenz der Jugendlichen nachhaltig zu fördern und ihnen ein Orientierungs- und Überblickswissen über die für sie in Frage kommenden Berufe zu vermitteln. Sie sollen Kompetenzen erwerben, die sie sowohl in der Recycling- und Entsorgungsbranche als auch in angrenzenden Berufsfeldern nutzen und die eine Grundlage für eine Ausbildung bilden können. Darüber hinaus soll ein Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen geleistet werden, indem Selbstwertgefühl, eine erste berufliche Identität sowie das Bewusstsein für die eigenen Fähigkeiten, aber auch das Erkennen von Grenzen unterstützt werden.

Der vorliegende Beitrag bietet einen Einblick in das seit Herbst 2002 laufende Projekt. Auf Grund des hohen Entwicklungsaufwands der Lernsoftware konnte mit einer über die Erprobung und Evaluation von Referenzmodulen hinausreichenden unterrichtlichen Umsetzung erst in diesem Frühjahr begonnen werden. Deshalb liegt der Beitragsschwerpunkt auf der Darstellung des Konzepts sowie der Struktur und der einzelnen Komponenten der Kompetenzwerkstatt-Software.

2.  Ziele der Kompetenzwerkstatt-Recycling

Die Kompetenzwerkstatt stellt ein umfassendes, berufswissenschaftlich begründetes, softwaregestütztes Lehr-Lernkonzept dar. Es ist so ausgelegt, dass eine Übertragbarkeit bzw. Umsetzung für den gesamten Bereich der gewerblich-technischen Berufsbildung, von der Berufsvorbereitung über die Erstausbildung bis hin zur Weiterbildung, grundsätzlich möglich ist. Je nach Anwendungsbereich, der auch den Projekttitel (z.B. Kompetenzwerkstatt-Recycling) bestimmt, lassen sich Spezifikationen bzw. Modifikationen am Konzept und damit die erforderliche Adaption vornehmen.

Mit der Kompetenzwerkstatt-Recycling wurde ein Vorhaben für den Bereich der Berufsvorbereitung mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Recycling entwickelt, das sich im Einzelnen zusammensetzt aus

•  einem ganzheitlichen didaktischen Ansatz, der auf aktuellen handlungs- und arbeitsprozessorientierten Ansätzen in der Berufsbildung und Erkenntnissen der situierten Kognition basiert,

•  einer curricularen Umsetzung in Form eines fächerübergreifenden Lehrplans, die sich am Lernfeldansatz der KMK (KMK 2000) orientiert,

•  einer partnerschaftlichen Einbindung einschlägiger Betriebe, um einerseits den Jugendlichen lernhaltige Einblicke in betriebliche Praxis zu gewähren und andererseits den Betrieben Impulse für die Lösung ihrer Qualifizierungsprobleme zu geben,

•  einer im Projekt entwickelten, arbeitsprozessbezogenen, interaktiven und modular gegliederte Lernsoftware, die in Lehr-Lernarrangements integriert wird, sowie

•  einem softwaregestützten Analyseinstrument (Arbeitsprozessmatrix), mit der sich einschlägige Arbeitsprozesse analysieren und als Grundlage für die Gestaltung arbeitsprozessorientierten Lernens aufbereiten lassen.

Die Tatsache, dass softwaregestützte Lehr-Lernarrangements für lernschwache Jugendliche entwickelt werden, scheint im Widerspruch zu Befunden zu stehen, nach denen E-Learning auf Grund der hohen kognitiven und motivationalen Voraussetzungen für diese Zielgruppe eher wenig geeignet zu sein scheint (vgl. Schaumburg 2002, 339). Allerdings bezieht sich die Vielzahl solcher Untersuchungen auf tendenziell unstrukturierte und didaktisch wenig aufbereitete Multi- oder Hypermedien. Zugleich wird darauf verwiesen, dass eine pauschale Beurteilung von E-Learningeffekten ohnehin kaum möglich sei, da sie stark von der Qualität ihrer didaktischen bzw. konzeptionellen Verankerung abhingen (vgl. Tergan 2002, 105 ff.). Die Einbettung in ein berufswissenschaftlich fundiertes Konzept, das auch die Analyse der Arbeitsprozesse einschließt, die die Grundlage der Lehr-Lernarrangements darstellen, ist deshalb von zentraler Bedeutung für die Kompetenzwerkstatt-Software. Im Gegensatz zu verbreiteten sog. "Stand-Alone-Lösungen" wie den Drill-and-Practice-Programmen (z.B. die klassische Sprachlernsoftware), die für definierte Lernzwecke programmiert sind und u.a. die Person des Lehrenden substituieren und in der Software abbilden sollen, kommt darüber hinaus den Lehrenden eine Schlüsselfunktion zu. Während die Software Lernanreize schafft und verschiedenste Lernangebote unterbreitet, an die auf vielfältige Weise angeknüpft werden kann, zeichnen die Lehrenden für die Gestaltung der konkreten Lehr-Lernarrangements verantwortlich und übernehmen eine beratende, moderierende und ggf. unterstützende Rolle. Lernwege sind somit nicht vorgegeben, sondern ergeben sich erst aus dem jeweiligen Aufgabenkontext. Insofern bietet sich für die Kompetenzwerkstatt-Software die Bezeichnung Bildungssoftware an. "Bildungssoftware hingegen ist kein bestimmter Typus von Software, sondern stellt ein didaktisch offenes Nutzungsangebot von Inhalten und Werkzeugen dar. [...] Es ist nicht die Software, die lehrt. Das Programm ist quasi nur ein Angebot in einer komplexen Lernumgebung" ( Baumgartner 2002, 435). (Da die Bezeichnung "Bildungssoftware" in der aktuellen E-Learning-Diskussion noch kaum verwendet wird, wird im Folgenden weiterhin der etablierte, jedoch nicht ganz treffende Begriff "Lernsoftware" verwendet. )

3.  Adressaten und Projektbeteiligte

Zielgruppe der Kompetenzwerkstatt-Recycling sind lernbenachteiligte, leistungsverweigernde bzw. schulmüde und verhaltensauffällige Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren in der Berufsvorbereitung an der Hamburger Gewerbeschule 8 (G8, http://www.gewerbeschule-8.de/ ). Nach Erfahrungen der Lehrkräfte sind ihre Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Berufsvorbereitungsjahrs durch die Erfahrung der Negativ-Selektion ihrer schulischen Karriere besonders labil und demotiviert. Sie fühlen sich in der Regel als Versager des Schulsystems, haben ein negatives Selbstbild und sehen für sich wenig Zukunft. Zu ihren Defiziten zählen mangelnde Kenntnisse im Schreiben, Lesen, Sprechen und Rechnen, aus denen naturgemäß Folgeprobleme resultieren, eine kaum entwickelte Lern- und Kommunikationskultur, Respektlosigkeit und Unhöflichkeit gegenüber Mitschülern und Lehrkräften, Unzuverlässigkeit, Unstetigkeit usw. Zugleich verfügen die Jugendlichen kaum über die Bereitschaft oder die Einsicht, diese Defizite zu kompensieren.

Um die Herausforderungen des Projekts zu bewältigen, arbeiten verschiedene Partner eng zusammen: So profitiert die Kompetenzwerkstatt-Recycling von der Einbindung der Lehrkräfte, die an der G8 für das S chul- P rojekt E lektro- und E lektronikschrott R ecycling SPEER und das P rojekt A uto- R ückbau in der S chule PARS mitverantwortlich sind. Für die Entwicklung der Lernsoftware ist die Medienagentur alive! media solutions ( http://www.alive.de/ ) mit langjähriger Erfahrung in den Bereichen Multimedia, Autorensysteme, Datenbank-Anwendungen, Programmiersprachen, Musikproduktionen und digitaler Videoschnitt zuständig. Die Expertise in abfallwirtschaftlichen Fragen einschließlich der umweltrechtlichen Implikationen bringt die Umwelt-Agentur McG in das Projekt ein. Die Erarbeitung des Kompetenzwerkstatt-Konzepts, das Projektmanagement und die Projektevaluation liegen, personell getrennt, beim Arbeitsbereich Prozesstechnik und Berufliche Bildung der Technischen Universität Hamburg-Harburg ( http://www.pbb.tu-harburg.de ), der u.a. für eine Verbindung berufswissenschaftlichen Know-hows mit medientechnischer Kompetenz steht.

4.  Das Kompetenzwerkstatt-Gesamtkonzept

Das Gesamtkonzept der Kompetenzwerkstatt basiert auf berufswissenschaftlichen Erkenntnissen zur Qualifikationsforschung, Curriculumentwicklung und didaktisch-methodischen Lehr-Lerngestaltung (zum Gegenstand der Berufswissenschaften vgl. Rauner 2002a) und nimmt darüber hinaus Befunde der Situierten Kognition (vgl. z.B. Gerstenmaier / Mandl 1995 oder Mandl u.a. 2002) auf. Seine spezifische Note erhält es durch die im Projekt entwickelte Lernsoftware als ein die klassischen Lernumgebungen "Schule" und "Betrieb" integrierendes, ergänzendes oder substituierendes Element.

4.1  Handlungssysteme

Übergeordnetes Bezugssystem des Projekts ist der Entsorgungs- und Recyclingsektor, der sich weiter in Sparten differenzieren lässt, die sich aus der Art des Abfalls wie z.B. Papier, Kunststoffe, Holz, Glas, Schutt, Altautos oder Elektronikschrott ergeben (vgl. Blings u.a. 2002). Die Sparten Elektronikschrott- und Kfz-Recycling eignen sich vor allem aus zwei Gründen für berufsvorbereitende Maßnahmen. Zum einen lässt sich ein Anschluss an die Berufsfelder Elektrotechnik bzw. Metalltechnik/Kraftfahrzeugtechnik herstellen, die sowohl für das System der Ausbildungsberufe als auch für die an das Berufsvorbereitungsjahr anschließenden Schulformen ein strukturierendes Element darstellen. Zum anderen bieten diese Sparten den leistungsschwachen Jugendlichen, die auch trotz des Berufsvorbereitungsjahrs nicht mit einem Ausbildungsplatz rechnen dürfen, zukünftig zumindest gute Beschäftigungschancen.

Über Sektorstudien in der Form von Literaturrecherchen, statistischen Auswertungen und Befragungen einschlägiger Betriebe wurden zentrale Eckpunkte der Handlungssysteme ermittelt, wie

•  institutionelle Strukturen,

•  wirtschaftliche Entwicklung(sperspektiven),

•  Beschäftigungsstruktur und Personalentwicklung,

•  Qualifizierungs- bzw. Aus- und Weiterbildungsstrategien und -traditionen sowie

•  die vorfindlichen Berufe (vgl. Kleiner u.a. 2002, 14 ff., Blings u.a. 2001, 17 sowie Howe/Knutzen ( Hrsg.) 2003, Anhang "Sektorauswahl").

Validiert und hinsichtlich des speziellen Projektinteresses präzisiert wurden die Ergebnisse durch Fallstudien in ausgewählten Unternehmen. Sie lieferten vor allem Hinweise

•  zur Betriebs- und Arbeitsorganisation,

•  zu den Beschäftigten,

•  zu charakteristischen Aufgabenbereichen und Arbeitsprozessen sowie

•  zum einschlägigen Qualifikationsbedarf (vgl. Howe/Knutzen (Hrsg.) 2004, Anhang "Fallstudien").

Die gewonnenen Erkenntnisse halfen, die Handlungssysteme im Hinblick auf die Zielsetzungen der Kompetenzwerkstatt-Recycling genauer zu fassen. Es wurde deutlich, welches die ordnenden Merkmale der Arbeit im Elektronikschrott- und Kfz-Recycling sind, und es konnten Kriterien für die Identifizierung charakteristischer Arbeitsprozesse abgeleitet werden. Zugleich ließ sich feststellen, mit welchen Qualifizierungskonzepten die Unternehmen versuchen, die kompetente Ausführung der anfallenden Arbeitsaufgaben zu sichern, wo sich ggf. Qualifizierungsdefizite zeigen und in welcher Form sich hier Möglichkeiten für die benachteiligten Jugendlichen in berufsvorbereitenden Maßnahmen bieten.

4.2  Arbeitsprozesse und berufliche Handlungsfelder

Das Konstrukt "Arbeitsprozess" dient im Kompetenzwerkstatt-Konzept als analytische Kategorie zur Erschließung und Analyse von Handlungssystemen (vgl. Hägele 2002). Arbeitsprozesse sind typisch für das Handlungssystem und repräsentieren Teilbereiche des Gesch&aum l;ftsprozesses eines Unternehmens entlang dessen Wertschöpfungskette. Sie sind an Arbeitsaufgaben bzw. Arbeitsaufträge (von Seiten eines Kunden oder betriebsintern) gebunden, deren Bewältigung von den Beschäftigten nicht als isolierte Verrichtung, sondern als Arbeitszusammenhang erlebt und wahrgenommen wird. Zentrales Charakteristikum von Arbeitsprozessen ist damit deren Sinnhaftigkeit, d.h. ihre Funktion und Bedeutung im Kontext übergeordneter betrieblicher Geschäftsprozesse müssen von den Beschäftigten verstanden, eingeordnet und bewertet werden können (vgl. Rauner 2002, 26).

Ein Arbeitsprozess greift konkrete Arbeitsergebnisse, Methoden, Werkzeuge und Organisationsformen berufsförmiger Arbeit mit ihren individuellen, betrieblichen und gesellschaftlichen Bezügen bzw. Anforderungen auf. Gegenstand sind konkrete Produkte oder Dienstleistungen, die hinsichtlich ihres Gebrauchswerts für den Kunden bzw. den Betrieb bewertbar sind. Ein Arbeitsprozess repräsentiert einen vollständigen Handlungszyklus aus Planung, Durchführung, Kontrolle und Bewertung (vgl. Hägele 2002, 77 ff.). Mit Hilfe der sog. "Arbeitsprozessmatrix" (vgl. Knutzen/Hägele 2002) lassen sich diese Elemente eines Arbeitsprozesses, differenziert nach Auftragsannahme, Auftragsplanung, Auftragsdurchführung und Auftragsabschluss, inhaltlich aufschlüsseln.


Abb.1:  Arbeitsprozessmatrix

Arbeitsprozesse sind naturgemäß spezifisch und hängen z. B. von personellen, betrieblichen, regionalen, produkt- und verfahrensbezogenen Besonderheiten ab. Auf Grund dieser Spezifik und Vielgestaltigkeit existieren prinzipiell beliebig viele Arbeitsprozesse in einem Handlungssystem, die sich als konkrete Referenz für Lehr-Lernarrangements anbieten. Für die unmittelbare Strukturierung von Handlungssystemen eignen sie sich allerdings nicht. Es wird vielmehr eine Struktur benötigt, die den Prinzipien der Exemplarizität, Repräsentativität, Überschaubarkeit und Prospektivität folgt (vgl. Hägele 2002, 87 f.). Die im Kompetenzwerkstatt-Konzept gewählte Strukturierungskategorie, die diese Anforderung erfüllt und in der aktuellen berufswissenschaftlichen sowie berufs- und wirtschaftspädagogischen Diskussion eine etablierte Größe darstellt (vgl. z.B. Bader/Sloane 2000 oder Gerds/Zöller 2001), ist das berufliche Handlungsfeld. Handlungsfelder sind das Handlungssystem charakterisierende, zusammengehörige Aufgabenkomplexe, die eine berufs-, lebens- und gesellschaftsbedeutsame Dimension besitzen (vgl. Bader 2000, 42). Sie stellen eine dekontextualisierte Verallgemeinerung charakteristischer, berufsbestimmender Arbeitsprozesse dar und sind dementsprechend unspezifisch: Zu einem beruflichen Handlungsfeld lassen sich prinzipiell beliebig viele Arbeitsprozesse identifizieren.

Hinsichtlich der Festlegung von beruflichen Handlungsfeldern weist das Konzept der Kompetenzwerkstatt-Recycling eine Besonderheit auf. Die analysierten Handlungssysteme Elektronikschrott- und Kfz-Recycling stellen keine beruflichen Handlungssysteme im eigentlichen Sinne dar. Es gibt nicht den Ausbildungsberuf für die Branche, dementsprechend weisen die Beschäftigten hinsichtlich ihrer Qualifikation oder Beruflichkeit eine hohe Heterogenität auf (vgl. Blings u.a. 2002). Trotzdem lassen sich im Handlungssystem Recycling Arbeitsprozesse identifizieren, die zugleich auf andere, berufliche Handlungssysteme verweisen. So ist z.B. die Diagnose eines Altfahrzeugs (Kfz-Recycling) ein berufliches Handlungsfeld des Kfz-Mechatronikers oder die Analyse von PC-Komponenten (Elektronikschrott-Recycling) eine typische Aufgabe für Elektroniker. Insofern kann die Kompetenzwerkstatt-Recycling auf berufliche Handlungsfelder und damit auf Ausbildungsberufe vorbereiten, die außerhalb des Recyclingsektors liegen.

Abb.2:  Vom Handlungssystem zu beruflichen Handlungsfeldern

4.3  Lernfelder

Die weiteren Überlegungen widmen sich nun der zentralen Frage, wie sich die gewonnenen Erkenntnisse für die Gestaltung von Lehr-Lernarrangements nutzen lassen. Es geht also darum, einen Transfer von beruflichen Handlungsfeldern zu Lernfeldern als dem curricularen Strukturelement zu leisten. An dieser Stelle ergeben sich Anknüpfungspunkte des Kompetenzwerkstatt-Konzepts mit dem Lernfeld-Ansatz der KMK für den schulischen Teil der beruflichen Erstausbildung (KMK 2000). Lernfelder stellen demnach bildungsorientiert reflektierte, didaktisch erschlossene berufliche Handlungsfelder in Form von thematischen Clustern dar, die sich an beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientieren und die durch Zielformulierungen, Inhalte und Zeitrichtwerte beschrieben werden (vgl. ebd., 14 sowie Bader 2000, 42). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Lernfelder an einem Kompetenzbegriff orientieren und weniger an direkt verwertbaren Qualifikationen, die sich aus beruflichen Handlungsfeldern ergeben. Lernfelder zielen über die Fachkompetenz hinaus auch auf die Förderung sozialer, methodischer und personaler Kompetenzen (vgl. KMK 2000, 41).

Im Unterschied zu den KMK-Lernfeldern, die in ihrer Gesamtheit als Rahmenlehrplan das komplette schulische Curriculum eines Ausbildungsberufs darstellen, haben die Lernfelder in der Kompetenzwerkstatt-Recycling anderen Anforderungen gerecht zu werden. Ihre primäre Intention ist es, über die Anknüpfung an die Vorerfahrungen und Vorkenntnisse der Jugendlichen den Erwerb eines Orientierungs- und Überblickswissens zu unterstützen. Die Lernfelder spiegeln berufsorientierende Arbeitsaufgaben wider, die einen Überblick über die Arbeit im Recyclingsektor geben und ein Verständnis für entsprechende Produktions- und Dienstleistungsprozesse schaffen. Darüber hinaus verweisen die Lernfelder auch auf die benachbarten Berufsfelder Elektro-, Metall- und Kfz-Technik.

Abb.3:  Vom beruflichen Handlungsfeld zum Lernfeld

4.4  Lehr-Lernarrangements

Die Umsetzung der Kompetenzwerkstatt-Lernfelder erfolgt in projektförmigen, handlungsorientierten Lehr-Lernarrangements. In ihrer konzeptionellen Ausrichtung orientieren sie sich am in der gewerblich-technischen Berufsbildung etablierten Ansatz der Lern- und Arbeitsaufgaben (vgl. Howe u.a. 2002). Die in der Kompetenzwerkstatt realisierten Lehr-Lernarrangements durchlaufen ebenfalls prinzipiell die Phasen Entwicklung, Durchführung und Auswertung, weisen allerdings im Unterschied zu Lern- und Arbeitsaufgaben der Erstausbildung eine engere Führung und ein kleinschrittiges Vorgehen auf. Zu ihrer Planung werden an Hand der im Zentrum stehenden beruflichen Aufgabenstellung Ziele und Inhalte des Lernfelds konkretisiert und die Lernumgebung spezifiziert. Zugleich sind die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und zu klären, welche Ressourcen für das Lehr-Lernarrangement zur Verfügung stehen. Um einen möglichst weitgehenden Praxisbezug zu realisieren, wird auch geprüft, inwieweit Betriebe eingebunden werden können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Kompetenzwerkstatt-Software einzusetzen.

Abb.4.  Vom Lernfeld zum Lehr-Lernarrangement

Die Aufgabe des Kompetenzwerkstatt-Teams, insbesondere der Lehrenden, ist es nun, unter Nutzung aller Möglichkeiten ein möglichst optimales Lehr-Lernarrangement zu schaffen. Schule, Betriebe und Software bilden gemeinsam e inen Ressourcenpool, auf den je nach Voraussetzungen und Bedarf zurückgegriffen werden kann. Grundsätzlich ergeben sich dabei drei verschiedene Umsetzungskonstellationen:

Bei Typ 1 handelt es sich um eine rein schulische Umsetzung, bei der keine Betriebe zur Verfügung stehen. Die Vorbereitung, Planung und Reflexion der Aufgabe erfolgt im Klassenraum oder einem speziellen Bereich in der Schulwerkstatt, die praktische Umsetzung in der Schulwerkstatt. Die Lernsoftware besitzt in diesem Fall zwei Funktionen. Zum einen wird sie genutzt, um das schulische Lernen zu ergänzen, z.B. über das Lexikon zur Vertiefung und Präzisierung oder das Spielen zur Motivation. Zum anderen kann über das Video, die Darstellung der Arbeitsschritte und die arbeitsprozessbezogenen Inhalte ein Bezug zur betrieblichen Realität hergestellt werden.

Typ 2 steht für eine rein betriebliche Umsetzung im Sinne einer bedarfsorientierten Qualifizierung ohne schulische Unterstützung. Die Vorbereitung und Planung der Aufgabe geschieht im Normalfall "on the job", bei anspruchsvolleren Aufgaben auch im Seminarraum, praktisch umgesetzt wird die Aufgabe in der Betriebswerkstatt. Auch hier bietet die Software zwei Optionen. Sie kann genutzt werden, um das betriebliche Lernen zu ergänzen, z.B. über die Exemplarizität der Lexikoninhalte oder die Webanbindung für weitergehende Informationen zu Kunden, Lieferanten usw. Weiterhin hilft sie durch ihre arbeitsprozessorientierte Struktur, das erworbene Wissen zu systematisieren, in Zusammenhänge zu stellen, zu verallgemeinern und damit besser transferierbar zu machen.

Typ 3 ist eine idealtypische kooperative Umsetzung, bei der das Lernen unter bestmöglicher Nutzung der Ressourcen organisiert werden kann. Die Vorbereitung, Planung und Reflexion der Aufgabe übernimmt in der Regel die Schule, die das Exemplarische und Verallgemeinerbare des Arbeitsprozesses für das berufliche Handlungsfeld herausarbeitet. Sie bietet eine weitgehend geschützte Lernumgebung und kann so den heterogenen Bildungsvoraussetzungen und Bildungsbedürfnissen der Lernenden gerecht werden. Im Betrieb werden die Jugendlichen mit konkreten Qualifikationsanforderungen konfrontiert, die einer fachgerechten Ausführung bedürfen. Der Schwerpunkt liegt auf dem Erwerb prozeduralen und impliziten Wissens, darüber hinaus lassen sich hier erste berufliche Erfahrungen sammeln. Die Lernsoftware besitzt in diesem Zusammenhang in erster Linie eine Integrationsfunktion, d.h. sie repräsentiert mit dem Arbeitsprozess die gemeinsame Basis und bietet zahlreiche inhaltliche Anknüpfungspunkte.

5.  Die Kompetenzwerkstatt-Lernsoftware

Auf der Grundlage des Gesamtkonzepts wird für die Kompetenzwerkstatt-Recycling eine Software entwickelt und erprobt, die den Jugendlichen differenzierte Lernangebote unterbreitet, ihnen Lernanreize bietet und sich weitgehend offen in die Lehr-Lernprozesse der Berufsvorbereitung integrieren lässt. Intention ist es,

•  mit dem Softwareeinsatz den Schulcharakter des Lernens zu durchbrechen,

•  über multimediale Präsentation und Interaktion die Motivation zu fördern,

•  die große Menge an Informationen und Wissen nachvollziehbar zu strukturieren sowie zielgruppengerecht anschaulich zu präsentieren,

•  die Einbettung der Arbeitsprozesse in Gesamtzusammenhänge zu verdeutlichen und

•  ggf. Freiräume für die intensive Betreuung der Jugendlichen durch die Lehrkräfte zu schaffen.

Eine besondere Herausforderung bei der Softwaregestaltung besteht darin, das umfassende Gesamtkonzept so zu berücksichtigen, dass es, aus der jeweiligen Perspektive, sowohl von den Jugendlichen als auch von Lehrenden nachvollzogen werden kann. Die folgenden Ausführungen zu den Softwarekomponenten und der Navigation verdeutlichen allerdings, dass sich das komplexe Konzept in besonderer Weise für eine einfache Strukturierung der Software eignet:

5.1  Einstieg

Auf Grund der Komplexität der Inhalte folgt die Gestaltung des Programmstarts insbesondere den Kriterien der Übersichtlichkeit und der Darstellung des Gesamtzusammenhangs. Nach dem Log-In erhält der Nutzer den Einstieg in die Software über eine Darstellung des Handlungssystems Recycling und einer Weiche, die zu den Sparten Elektronikschrott- oder Kfz-Recycling verzweigt.

Abb. 5

5.2  Sektor- und Modulwahl

An der Weiche zum Programmstart entscheidet sich der Nutzer für einen der beiden Sektoren Elektronikschrott- oder Kfz-Recycling.

In dem neu erscheinenden Fenster wird ein Video angeboten, das einen detaillierten Einblick in den Sektor mit seinem Zuschnitt, seinen Besonderheiten usw. gibt. Darüber hinaus findet der Nutzer die Rubriken "Annahme", "Bearbeitung" und "Logistik" als eine für alle Recyclingsektoren gültige Grobstruktur. Wird eine dieser Rubriken ausgewählt, öffnet sich eine Übersicht mit den in der Software zur Verfügung stehenden beruflichen Handlungsfeldern. Von hier aus können die einzelnen korrespondierenden Software-Module angewählt werden.

Abb. 6

5.3  Softwaremodule

Alle Softwaremodule sind grundsätzlich identisch aufgebaut, zur Veranschaulichung der Zuordnung zu einer Sparte allerdings entweder als elektrische Schaltzentrale oder als Kfz-Cockpit angedeutet. Sie bestehen aus vier zentralen Elementen, deren entsprechende Hauptnavigationselemente sich rechts unten auf dem Bildschirm befinden: Einer Arbeitsprozessdarstellung, einem Lexikon, einer Spielesammlung und einer Web-Anbindung.

Abb. 7

5.3.1  Arbeitsprozess

Der Moduleinstieg erfolgt jeweils über die Darstellung eines für das berufliche Handlungsfeld repräsentativen Arbeitsprozesses per Video. Das Video ist in einzelne, fortlaufende Kapitel unterteilt, die der Arbeitsprozessstruktur entsprechen und für die einzelnen erforderlichen Arbeitsprozessschritte stehen. Mit einer Kurzbezeichnung versehen werden die Arbeitsschritte auch parallel zum Video auf der linken Bildschirmseite angezeigt. Des Weiteren werden in einer Bildlaufleiste zentrale Bilder aus dem Video mit hohem Wiedererkennungswert zum jeweiligen Arbeitsprozessschritt angeboten.

Gesteuert werden kann das Video entweder mit den direkt unter dem Videofenster platzierten Videobedienelementen oder aber über die angezeigten Arbeitsprozessschritte. Ihre Bezeichnungen verzweigen als Hyperlink direkt auf den gewählten Arbeitsprozessschritt, so dass ggf. nur bestimmt Abschnitte des Videos (wiederholt) betrachtet werden können.

Das Video dient einem ersten Überblick über die Herausforderungen im entsprechenden beruflichen Handlungsfeld und der Schaffung einer Vorstellung, wie diese Herausforderungen grundsätzlich bewältigt werden können. Die Darstellung ist allerdings bewusst nicht detailliert und präzise genug, um ein Lehr-Lernarrangement, das auf einem vergleichbaren Arbeitsprozess fußt, unmittelbar bearbeiten zu können. Dazu bedarf es weitergehender Kenntnisse, die z.B. im Lexikon angeboten werden.

5.3.2  Lexikon

Das Lexikon der Kompetenzwerkstatt-Software stellt k ein Kompendium zum Elektronikschrott- bzw. Kfz-Recycling dar, das beliebige Themen zu diesem Handlungssystem anbietet. Vielmehr generiert sich das Lexikon für jedes Softwaremodul neu und enthält jeweils nur die Inhalte, die für das entsprechende Handlungsfeld bzw. den repräsentativen Arbeitsprozess relevant sind.

Auf seiner ersten Ebene bietet das Lexikon thematische Cluster, die die Inhalte zusammenfassen und dem Nutzer helfen sollen, sein Wissen zu strukturieren. Die weitere Navigation, die zu den konkreten Inhalten führt, erfolgt weitgehend über Icons und Kurztexte. Die Darstellung erfolgt dabei möglichst illustrativ mit Abbildungen und kleineren Animationen. Texte sind knapp gefasst und sprachlich der Zielgruppe angepasst.

Auf der linken Bildschirmseite befindet sich zusätzlich ein Index, so dass das das gesamte Lexikon auch nach Schlagwörtern durchsucht werden kann. Auf der rechten oberen Bildschirmseite veranschaulicht ein Navigationsbaum die augenblickliche Position im Lexikon.

Abb. 8

5.3.3  Spiele

Das dritte Hauptelement eines Softwaremoduls ist die Spielesammlung. Je nach Modul findet der Nutzer hier über das entsprechende Hauptnavigationselement verschiedene Spiele, in denen Inhalte des jeweiligen beruflichen Handlungsfelds in spielerischer Form interessant und motivierend aufbereitet sind. So bietet sich die Möglichkeit, erworbenes Wissen spielerisch zu vertiefen, wieder zu erinnern, zu überprüfen oder auch um weitere Aspekte zu ergänzen. Als zusätzlicher Anreiz kann der Nutzer im Internet seine Spielleistungen mit denen anderer Nutzer über eine Highscoreliste vergleichen.

Abb. 9

5.3.4  Web-Anbindung

Wird die Software an einem System mit Online-Anschluss eingesetzt steht auch das Element "Web" zur Verfügung. Mit ihm wird dem Anwender eine Liste verschiedener Internet-Links zum beruflichen Handlungsfeld zur Verfügung gestellt, die in erster Linie der thematischen Weiterführung und Vertiefung dienen. Neben entsprechenden Downloadoptionen sind hier weiterhin auch Kommunikationsforen und ein "Ehemaligentreff" eingerichtet. Schließlich existiert noch eine Online-Zeitung, in der regelmäßig von den Schülerinnen und Schülern verfasste Artikel zu verschiedensten Themen erscheinen.

5.4  Lehrenden-Modus

Die Software verfügt im "Lehrenden-Modus" über einen speziellen, den Lehrenden vorbehaltenen Bereich, der einen Pool möglicher Lehr-Lernarrangements zum jeweiligen Softwaremodul zur Verfügung stellt.

Die Auswahl eines Lehr-Lernarrangements kann über drei Zugangsmöglichkeiten erfolgen: zwei Buttons "Fächer" und "Kompetenzen" verzweigen zu solchen Lehr-Lernarrangements, die sich besonders zur Umsetzung im gewählten Unterrichtsfachs bzw. für die Förderung der gewählten Kompetenzkategorie eignen. Darüber hinaus steht auch ein Index zur Verfügung, so dass über Schlagwörter Aufgaben gefunden werden können, in denen dieser Inhalt eine zentrale Rolle spielt. Mit der Auswahl aus einer stichwortartigen Auflistung potenzieller Lehr-Lernarrangements gelangt der Nutzer zur Spezifizierungsebene, die eine szenarische Beschreibung, Ziele und Inhalte enthält. Das gesamte Lehr-Lernarrangement steht im pdf-Format als Download zur Verfügung, darüber hinaus können auch weitere Dokumente wie Arbeitsblätter, Musterlösungen, Aufgabenzettel, Tests usw., sowie ausgewählte Links abgelegt sein.

Dem Lehrenden steht es nun offen, wie er das ausgewählte Lehr-Lernarrangement nutzt. Die Angaben, Downloads und Links besitzen lediglich Vorschlags- bzw. Anregungscharakter und müssen noch auf einen konkreten Anwendungsfall, seine Spezifika sowie die jeweiligen Lernenden angepasst werden.

6.  Zwischenfazit

Nachdem ca. zwei Drittel der Projektlaufzeit beendet sind, lässt sich zur Kompetenzwerkstatt-Recycling ein erstes Zwischenfazit ziehen.

Für die Produktion der Lernsoftware hat sich die Kombination aus berufswissenschaftlicher Expertise (Curriculum, Didaktik), Know-how in der Medienproduktion, inhaltlichen, d.h. abfallwirtschaftlichen und recyclingtechnischen Kenntnissen sowie langjähriger Erfahrung mit Jugendlichen in der Berufsvorbereitung als wichtiger Faktor erwiesen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Potenziale von Multimedia für ein zielgruppengerechtes Lernen über ein anspruchsvolles Konzept genutzt werden. Zugleich ist die Gefahr einer "abgekoppelten", didaktisch und inhaltlich unangemessenen Softwareentwicklung vermieden. Auf der anderen Seite bietet Multimedia auf Grund der rasanten technischen Entwicklung im Hard- und Softwarebereich mittlerweile Umsetzungsmöglichkeiten, die nur Fachleute einschätzen können und an Berufsbildungsexperten zurückzuspiegeln sind.

Die Evaluation des Referenzmoduls "Nichtautomatisierte Demontage von Bildschirmgeräten" ergab eine grundsätzliche Akzeptanz der Software bei den Jugendlichen in der Berufsvorbereitung. Entgegen der landläufigen Einschätzung, dass bei dieser Zielgruppe unzureichende Medienkompetenz vorliege, zeigte sich bei der Handhabung der Software keine Überforderung. Im Gegenteil scheint es eher erforderlich zu sein, bei der Installation der Lernsoftware in Schulungsräumen Schutzmaßnahmen zu treffen, damit die Jugendlichen den Internet-Anschluss nicht missbrauchen oder "kleinere Änderungen" im System vornehmen. Probleme zeigten die Schülerinnen und Schüler dagegen, wie erwartet, mit der Strukturierung ihres Wissens oder einem planvollen Vorgehen bei der Bearbeitung von Aufgaben. So fällt es ihnen schwer, trotz der vorgegebenen Struktur im Lexikon Inhalte zu recherchieren oder die Exemplarizität und Relevanz der angezeigten Arbeitsprozessschritte für andere Arbeitsprozesse des beruflichen Handlungsfelds zu erkennen. Trotzdem ist überraschend, mit welcher Konzentration die Mehrzahl der Jugendlichen mit der Software arbeitet. Allerdings kann derzeit noch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei um einen Neuigkeitseffekt handelt. Zum Teil zeigten sich sogar Ergebnisse, die im Vorfeld der Softwareentwicklung nicht erwartet worden waren. Beispielsweise scheint das von einem Sprecher erläuterte Arbeitsprozessvideo für Jugendliche mit mangelnden Deutschkenntnissen eine große Unterstützung zu sein, die Aussprache von Fachbegriffen zu erlernen. In Bezug auf die Lernspiele zeigen die Schülerinnen und Schüler als "Playstation-Generation" ausgesprochen hohe Ansprüche und beurteilen einige Spiele als langweilig. Hier ist in nächster Zeit zu prüfen, ob sich der Entwicklungsaufwand bei der Programmierung eigener Spiele lohnt und sie tatsächlich zu Lernerfolgen und einer höheren Motivation führen.

Eine Erweiterung in der Software, die in der ursprünglichen Konzeption nicht vorgesehen war, ist der Lehrenden-Modus. Es hat sich gezeigt, dass die bloße Bereitstellung der Kompetenzwerkstatt-Software nicht per se zu einem Einsatz im Unterricht oder in der betrieblichen Qualifizierung führt. Insofern soll ein Angebot potenzieller Lehr-Lernarrangements einschließlich ergänzender Downloads und Links Anregungen bieten, wie softwaregestützter Unterricht gestaltet werden kann. Es bleibt abzuwarten, inwieweit eine eventuelle Hemmschwelle in Bezug auf den Softwareeinsatz in der Berufsvorbereitung auf diese Weise überwunden werden kann.

< p>Grundsätzlich verbinden alle Projektbeteiligten mit der Kompetenzwerkstatt-Recycling die Hoffnung, einen Nachweis führen zu können, dass sich E-Learning bei entsprechender konzeptioneller Einbettung auch für die Zielgruppe der lernschwachen und schulmüden Jugendlichen eignet. Der mit der Kompetenzwerkstatt-Recycling verfolgte Ansatz der curricularen und didaktischen Fundierung, der Arbeitsprozessorientierung sowie der integrativen Einbindung der Lernsoftware in Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mit persönlicher tutorieller Unterstützung bei gleichzeitig bestmöglicher Nutzung des technischen Potenzials von Multimedia deckt sich weitgehend mit Forderungen in der aktuellen E-Learning-Diskussion. So verweist Heinz Mandl auf ein erforderliches Umdenken in einer E-Learning-Konsolidierungsphase und auf "eine neue Lernkultur, in der Lernende mit authentischen Problemen konfrontiert und innerhalb des Lernens vom Lehrer angeleitet, unterstützt und beraten wird." Er fasst zusammen, "nicht die technische, sondern die menschliche Seite müsse beim E-Learning an erster Stelle stehen. Es nütze halt nichts, wenn das Studienmaterial technisch brillant, didaktisch aber miserabel aufbereitet ist und der Lernende am PC frustriert vereinsame. Skepsis gegenüber reinen E-Learning-Programmen ist also angebracht" (Die Welt, 20.03.2004, S. B4).

Solche Äußerungen vor dem Hintergrund der ersten eigenen Erfahrungen bestärken das Team der Kompetenzwerkstatt, im Sinne ihrer Zielsetzungen auf dem richtigen Weg zu sein.

7.  Weitere Informationen

Die Kompetenzwerkstatt-Software, weitergehende Informationen und Downloads zum Projekt finden sich unter www.kompetenzwerkstatt.net .

 

Literatur

Bader, R. (2000) : Konstruieren von Lernfeldern - Eine Handreichung für Rahmenlehrplanausschüsse und Bildungsgangkonferenzen in technischen Berufsfeldern. Aus: Bader, R./Sloane, P. (Hrsg.). 33-50.

Bader, R./Sloane, P. (Hrsg.) (2000): Lernen in Lernfeldern. Theoretische Analysen und Gestaltungsansätze zum Lernfeldkonzept. Markt Schwaben.

Baumgartner, P. (2002) : Pädagogische Anforderungen für die Bewertung und Auswahl von Lernsoftware. In: Issing, L./Klimsa, P. (Hrsg.). 427-444.

Blings, J. u. a. (2002): Qualifizieren für die Kreislaufabfallwirtschaft. Bremen.

Fischer, M./Rauner, F. (Hrsg.) (2002): Lernfeld: Arbeitsprozess. Baden Baden.

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