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15.09.04
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BERNADETTE
DILGER
Aspekte zur Implementation und Steuerung von Wissensforen - auf
den Spuren von Qualifizierungsnetzwerken
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Anstelle und in Ergänzung zu traditionellen, institutionalisierten
Formen der Fortbildung artikulieren Lehrende verstärkt den Bedarf
an stetigen, partizipativen Formen der Weiterbildung und des Erfahrungsaustausches,
die dazu dienen können, Fortbildungsbedarf zu eruieren, kooperative
Qualifizierungsmöglichkeiten zu nutzen sowie traditionelle Maßnahmen
zu begleiten bzw. den Transfer zwischen Maßnahmen und dem Einsatzfeld
zu unterstützen.
Diese neuen Formen der Qualifizierung werden durch die Vernetzung der
Beteiligten und mit Unterstützung von IuK-Technologie zu Qualifizierungsnetzwerken,
deren Ziel es ist, die Lernprozesse der Beteiligten aktiv zu fördern.
Die nachfolgenden Überlegungen widmen sich insbesondere der Frage
nach der Implementation und der Steuerung von Wissensforen (Zur Konzeption
des Begriffs Wissensforum siehe Dilger/ Kremer 2003, S. 60.). Wissensforen
sind hybride (sozio-technische) Kommunikationsräume, in denen mit
Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien interaktive Verarbeitungsprozesse
der Nutzer angeregt werden, die thematisch verankert sind. Wissensforen
stellen somit den sichtbaren Teil von Qualifizierungsnetzwerken dar, in
dem Teile der Interaktionsprozesse der Netzwerkteilnehmer dokumentiert
und damit expliziert werden können. Es werden im Folgenden die Gestaltungsoptionen
aus der Außen- (Implementation) und aus der Binnenperspektive (Steuerung)
beleuchtet. Dieser differenzierte Blick kann bei der Einführung und
Nutzung von Qualifizierungsnetzwerken bzw. Wissensforen helfen, verschiedene
Aspekte und Dimensionen zu fokussieren, um entsprechende Handlungsoptionen
zu generieren (Die Überlegungen wurden im Verlauf des Modellversuchs
WisLok (Wissensforum als Instrument der Lernortkooperation) gewonnen.
Zu der Grundstruktur des Modellversuchs WisLok siehe Dilger/ Kremer 2001.
Informationen zum Modellversuch WisLok können online unter http://s1.teamlearn.de/km
abgerufen werden.).
1 Dimensionen der Implementation von Wissensforen
Innovationen im Bereich der beruflichen Bildung treffen nicht auf ein
neutrales Feld. Bei der Einführung von Reformprojekten und Modellvorhaben
finden die Impulse und Konzeptionen Eingang in ein Implementationsfeld,
welches durch viele Einflusskräfte geprägt ist. In besonderer
Weise gilt dies für didaktische Felder, die durch die Konstellation
der Lernenden in ihrer jeweiligen Individualität, verbunden mit der
Zielsetzung und den Lehrenden als offen, komplex und vieldimensional (Winnefeld
1957, S. 32) zu beschreiben sind. Als mögliche Faktoren des Implementationsfeldes
für Wissensforen können die technologische, organisatorische,
kompetenzbasierte und kulturelle Dimension differenziert werden.
Zur Dimension der Informations- und Kommunikationstechnologie
Die erste Phase der Einrichtung von Qualifizierungsnetzwerken ist oftmals
dadurch gekennzeichnet, dass für die beteiligten Akteure (Lernende,
Lehrende) zunächst eine ausreichende Infrastruktur zu schaffen ist.
Auch wenn an den einzelnen Standorten eine durchaus zufrieden stellende
technologische Ausstattung vorzufinden ist, bedeutet dies nicht automatisch,
dass diese für die Einrichtung und flexible Nutzung von Wissensforen
zur Verfügung steht. Hier sind Fragen der Zugangsmöglichkeit,
der Anbindung, der Berechtigung usw. zu klären. Dies bedeutet, dass
neben der Konzeption zunächst auch der Aufbau der Infrastruktur zu
gewährleisten ist. Da sich die Konzeption von technologisch gestützten
Netzwerken jedoch auf deren potenzielle Nutzungsmöglichkeiten bezieht,
ist hier ein ständiges Wechselspiel zwischen der fortwährenden
Entwicklung der technologischen Grundlage und der sich darauf stützenden
Konzeption zu bewerkstelligen. Eine Anforderung, die des Dialogs zwischen
den Betreuenden der technologischen Systeme und den Anwendern bedarf.
Zur Dimension der Organisationsentwicklung
Wissensforen bieten ein Rahmenkonzept, welches durch die Akteure selbst
zu gestalten ist. Es hat sich gezeigt, dass gewisse virtuelle Musterstrukturen
entwickelt werden können. Die Nutzungsformen und Ausprägungen
müssen jedoch vor Ort festgelegt werden. Die Entwicklung von Wissensforen
verlangt darüber hinaus, dass Konzepte nicht nur durch einzelne Personen
getragen werden, sondern im Konsens der daran Beteiligten. Dies führt
dazu, dass individuelle Freiräume zu Gunsten von Kooperationsabsprachen
aufgegeben werden. Für die Einrichtung von Wissensforen haben traditionelle,
bereits bestehende Kooperationsverhältnisse einen hohen Stellenwert.
Die vorhandenen Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren können durch
Wissensforen unterstützt und weiterentwickelt werden. Impulse für
die Weiterentwicklung sind nicht in der Konkurrenz sondern eher aus dem
Zusammenspiel zwischen traditionellen und virtuellen Kooperationsformen
zu erwarten. Aus einer organisatorischen Entwicklungsperspektive gilt
es somit, Kooperationsverhältnisse - sowohl im Innen- wie auch im
Außenverhältnis einer Institution - durch persönliche
und technologisch unterstützte Interaktionen zu gestalten.
Zur Dimension der Personalentwicklung
Im Rahmen der Entwicklung von Wissensforen zeigen sich einige Aspekte,
die dem Bereich der Personalentwicklung zuzurechnen sind. Die Beteiligten
setzen sich mit technologischen und konzeptionellen Innovationen auseinander
und qualifizieren sich individuell und im Austausch mit anderen über
Wissensforen. Die Konzeption von Wissensforen erfordert dabei neben dem
Umgang mit den technologischen Diensten insbesondere auch die didaktische
Modellierung der intendierten Funktionen. Aus einer vordergründig
technologischen Innovation können sich damit Impulse für eine
pädagogisch-didaktische Professionalisierung der beteiligten Personen
einerseits und der Institutionen andererseits ergeben.
Zur Dimension der kulturellen Entwicklung
Ein wesentliches Einsatzfeld von Wissensforen in Qualifizierungsnetzwerken
ist die Unterstützung der Lehr-/Lernprozesse der Teilnehmer. In der
Entwicklung und Nutzung von Wissensforen für den Austausch zwischen
Lehrenden und Lernenden verändern sich Kommunikationsformen (z. B.
hin zu einer stärkeren Textbasierung) bzw. Interventionsmöglichkeiten.
Dies fordert von den Lehrenden die Handhabung der Infrastruktur und die
entsprechende Gestaltungskompetenz. Für den Lernenden kann es zu
einer Veränderung der Steuerungsintensität seines eigenen Lernprozesses
führen. Das Potenzial der Integration der neuen Medien ist insbesondere
hinsichtlich der Vernetzungsmöglichkeit zwischen unterschiedlichen
Lebensräumen und deren Exploration zu sehen. Diese Öffnung kann,
kombiniert mit den Informations- und Kommunikationspotenzialen, zu einem
kulturellen Wandel im Lehren und Lernen in Qualifizierungsnetzwerken führen.
2 Ansatzhebel zur Steuerung von Wissensforen
Wechselt man die Perspektive in die Innenansicht, rückt die Frage
nach der Steuerung von Wissensforen in den Fokus. Mittelbar ist damit
die Interventionsmöglichkeit in Qualifizierungsnetzwerken thematisiert,
da über die Steuerung der expliziten Teile auch wirksame Eingriffe
in die impliziten Bereiche der Qualifizierungsnetzwerke vordringen. Deren
intendierte Richtung kann von den Gestaltern noch hinreichend bestimmt
werden. Schwieriger ist es hingegen, die implizite Wirkung auf die einzelnen
Lerner nachzuzeichnen, da diese oftmals nur über individuelle, reflexive
Prozesse bewusst gemacht werden können. Netzwerkstrukturen, die als
Organisationsform zwischen Marktstruktur und Hierarchie angesiedelt sind,
benötigen andere Abstimmungsmechanismen, als Austausch (im Marktprinzip)
oder Anweisung (in der Hierarchie). Die durch Dezentralität geprägten
Strukturen zielen auf gegenseitiges Aushandeln und Vertrauen (vgl. Willke
1995, S. 109 ff.). Die Steuerung von Netzwerkstrukturen kann über
folgende drei Ansatzhebel (vgl. Kirsch 1997, S. 222 ff.) erfolgen: Beteiligte
(Arena), Programme (Agenden) und Inhalte (Themen).
Ansatzhebel Beteiligte
Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Gestaltung von Wissensforen bzw.
Qualifizierungsnetzwerken ist die Frage, wer daran beteiligt ist. Dabei
gilt es eine Balance zu finden zwischen der Berücksichtigung der
Betroffenen einerseits und der Arbeitsfähigkeit andererseits. Eine
Vielzahl an Teilnehmern ist vor dem Hintergrund von Netzwerkeffekten zwar
wünschenswert (Unter Netzwerkeffekt wird die Gesetzmäßigkeit
verstanden, dass mit zunehmender Teilnehmeranzahl der individuelle Nutzen
steigt (vgl. Shapiro/ Varian 1999, S. 242). Dieser Effekt kann insbesondere
bei Kommunikations- oder Internetdienstleistungen nachgezeichnet werden.
Dieser positive Rückkopplungsmechanismus wird z. B. in der Entwicklung
und Ausdehnung des Internets sichtbar.), jedoch ist bei Qualifizierungsnetzwerken,
bedingt durch die intentionale Ausrichtung des Netzwerkes, der Kreis der
Teilnehmer nicht unbegrenzt. Es ist demnach bereits in der Konzeptionsphase
wichtig, den richtigen Adressatenkreis zu bestimmen.
Weiterer Klärungsbedarf im Rahmen der Beteiligung besteht darin,
welche Funktionen bzw. Rollen zugewiesen oder von den Personen selbst
eingenommen werden. Vorrangig werden Wissensforen aufgrund der Initiative
einzelner Personen installiert und konzipiert. In der Regel übernehmen
diese hierbei zumindest am Anfang die moderierenden und administrativen
Funktionen. Die Zuweisung von Funktionen bzw. die Zentralisierung steuernder
Aktivitäten auf Einzelne trägt jedoch das Problem in sich, dass
diese Personen oftmals überlastet werden. Eine Verlagerung bzw. Dezentralisierung
einzelner Funktionen ist daher für eine nachhaltige Arbeit notwendig.
Verbunden damit ist ebenfalls der Ruf nach Anerkennung von Moderation
oder Administration als Arbeitsleistung.
Ansatzhebel Programme (Agenden)
Unter dem Begriff "Agenda" bzw. "Programm" wird die
Zielsetzung von Wissensforen gefasst. Zielvorstellungen bzw. daraus abgeleitete
Teilziele wirken im Rahmen der Arbeit in Wissensforen dann steuernd, wenn
diese a) transparent sind, b) von den Beteiligten geteilt werden und c)
wenn Aktivitäten sich auf den Grad der Zielerreichung hin überprüfen
lassen bzw. an diese zurückgebunden werden können. Für
die Steuerung von Wissensforen heißt dies einerseits, dass gerade
zu Beginn sehr viel Wert auf die Definition und die Aushandlung der von
den Beteiligten gemeinsam verfolgten Ziele zu legen ist. Andererseits
bedeutet dies aber im Verlauf der gemeinsamen Nutzung, dass es auch Reflexionsphasen
bedarf, inwieweit durchgeführte Aktionen zielführend waren,
die Zielsetzung angemessen ist oder ob eine Veränderung der Zielformulierung
vorgenommen werden muss. Die steuernde Wirkung von Zielen, insbesondere
vom Prozess der Zielaushandlung und -formulierung, kann im Rahmen von
Netzwerkstrukturen einen Beitrag zur effektiven Arbeit leisten.
Ansatzhebel Inhalte (Themen)
Themen und deren "Etiketten" stehen immer auch in einem Konkurrenzverhältnis
zueinander. Durch die Festlegung auf bestimmte Themen in einem Wissensforum
sind Diskussionen anschlussfähig oder auch nicht. Das Schicksal einiger
Themen liegt z. T. dann auch im Versanden oder Versiegen. Diejenigen Themen,
die in Kommunikationsprozessen zwischen den Teilnehmern bearbeitet werden,
werden durch die Interaktion in einer spezifischen Weise konnotiert, dies
kann zu einer konsensuellen oder auch divergierenden Auslegung und Interpretation
der Sachverhalte führen. Die steuernde Wirkung der Themenstellung
ist dabei z. T. durch die dem Thema inhärente Struktur selbst bedingt.
Weiterhin kann auch das Einbringen sowie die Ausgrenzung von neuen Themenstellungen
bzw. spezifischen Auslegungen zur Themenstellung die Diskussion im Rahmen
von Wissensforen prägen.
Die dargestellten Ansatzhebel sind in unterschiedlicher Weise als Steuerungsmechanismen
von Wissensforen im Einsatz. Eine Vielzahl von Foren wird vorrangig über
die Funktionszuweisung auf einzelne Personen gesteuert. Dabei könnten
die beiden anderen Ansatzhebel bzw. eine mögliche abgestimmte Kombination
aus unterschiedlichen Hebeln eine Optimierung und Qualitätsverbesserung
der Arbeit in Wissensforen erwarten lassen. Zusammenfassend zeigt sich,
dass die Implementierung und nachhaltige Steuerung von Wissensforen als
sichtbarer Teil von Qualifizierungsnetzwerken ein vieldimensionales Aufgabengebiet
ist, welches durch verschiedene Interventionsmöglichkeiten gesteuert
werden kann.
Literatur
Dilger, B./ Kremer, H.-H. (2001): Modellversuch WisLok - Wissensforen
als Instrumente der Lernortkooperation - Projektbericht 2001, Heft 3 der
wirtschaftspädagogischen Beiträge, Paderborn.
Dilger, B./ Kremer, H.-H. (2003): (Virtuelle) Wissensforen als Keimzelle
eines schulischen Wissensmanagements. In: Dilger, B./ Kremer, H.-H./ Sloane,
P. F. E. (Hrsg.): Wissensmanagement an berufsbildenden Schulen. Paderborn,
S. 59-72.
Kirsch, W. (1997): Wegweiser zur Konstruktion einer evolutionären
Theorie der strategischen Führung, 2. überarbeitete und erweiterte
Fassung, München 1997.
Shapiro, C./ Varian, H. R. (1999): Online zum Erfolg: Strategien für
das Internet-Business. München.
Willke, H. (1995): Systemtheorie III, Steuerungstheorie. Stuttgart.
Winnefeld, F. (1957): Pädagogischer Kontakt und pädagogisches
Feld. Beiträge zur pädagogischen Psychologie. Beiheft der Zeitschrift
Schule und Psychologie, Heft 7, München.
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