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Die Lernstrategien - Lernstrategien sind keine Unterrichtsstrategien
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1. Vorbemerkungen
Es wird Zeit, dass ich beginne, den Begriff und das Phänomen
"Lernstrategien" aufzuarbeiten, bevor dieser Ausdruck
gänzlich zerschlissen wird. Im Zuge der Fehlbenennungen in
den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden aus Lehrplänen
"Lernpläne" und aus Lehrzielen "Lernziele".
Man gab sich der Illusion hin, durch eine solche Änderung der
Termini den Lerner in den gedanklichen Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens
zu stellen. Nichts hat sich verändert, bis zum heutigen Tage.
Trotz aller Lippenbekenntnisse ist der Lerner (in aller Regel) weiterhin
Objekt, dem Wissen "vermittelt" wird. Immer noch wird
von der Voraussetzung ausgegangen, "Wissen" könne
"vermittelt" werden. Und das ist eben nicht möglich,
denn "vermitteln" meint: eine Einigung erzielen, intervenieren,
zustande bringen, herbeiführen, besorgen (vgl. DUDEN 2001,
Bd. 7, Herkunftswörterbuch, 533). Wissen, Kenntnisse, Erkenntnisse,
d.h. jede Art von Inhalten, die sich ein Mensch aneignen möchte,
muss sich ein Lernender erarbeiten, "konstruiert" sich
im Lernenden selbst. Es geschieht in dem Prozess des "Lernens",
den ich erziehungswissenschaftlich durch seine Merkmale gekennzeichnet
habe (vgl. KATH 1996, 8ff.). Das erfordert aber eine neue Zugehensweise
beim Unterrichten. Der dazu notwendige Paradigmawechsel (vgl. KATH
2000, 2000a, 2001 und 2002), der von der Art und Weise des Prüfens
und Kontrollierens ausgeht, wird noch Generationen brauchen, bis
er tatsächlich für Gesellschaft, Schule und Lehrer Allgemeingut
geworden ist. Dennoch muss heute damit begonnen werden, sich dementsprechend
zu verändern. Dazu gehört dann auch, von einem neuen Verständnis
des Lernens auszugehen und "Lernstrategien" eben nicht
als Formen des Unterrichtens eines Lehrers, also "Unterrichtsstrategien",
sondern als Mechanismen des Lernens beim Lernenden als "methodisches
Funktionselement" (vgl. KATH 1978, 26ff. + 48ff.) zu verstehen,
das der Lehrer als Denkzeug nutzt, um sich auf das Unterrichten,
seinem Arbeiten mit den Lernenden vorzubereiten. Nochmals: Lernstrategien
und Unterrichtsstrategien sind zwei Welten.
Wenn der Lerner sich einerseits seine Welt selbst konstruiert, andererseits
das Lernen nicht empirisch beobachtbar ist, weder vom Lernenden
selbst noch von einem Außenstehenden, muss es in möglichst
vielen Facetten indirekt beschrieben werden. Gelingt es diese als
Mechanismen des Lernens zu charakterisieren, d.h. sinnvoll zu mutmaßen,
wie ein Lerner lernend handelt und handelnd lernt, und könnten
diese zu einem relativ einfachen Denkzeug einem Lehrer angeboten
werden, sind ihm damit Hilfen für seine Arbeit mit den Lernern
angeboten. Mit einem differenzierten Vorschlag versuchte sich der
Verfasser (vgl. KATH 1973, 63ff. und LÜTZOW/KATH 2002, 299)
bereits vor mehr als 30 Jahren in dieser Richtung. An der Schwelle
des besagten Paradigmawechsels ist es nun angezeigt, dieses Thema
zu vertiefen.
2. Grundlegendes
Im Grunde weiß niemand, wie Lernen geschieht. Wir sind uns
aber dessen gewiss, dass es ein Prozess ist, genauer: es ist ein
offener Prozess, d.h. Lernen ist nicht durch "Beibringen",
"Einbläuen" oder "Vermitteln", im Sinne
der POPPERschen Kübeltheorie zu erreichen. Ist aber Lernen
ein Prozess, ist die einzige Möglichkeit ihn zu beeinflussen,
ihn prozesshaft anzugehen. Das bedeutet, es sind Theorien zu bemühen,
die es ermöglichen, Prozesse, die man nicht sehen kann zu vermuten,
um dann die daraus vermuteten möglichen Handlungen zu beobachten.
Obwohl es sich eigentlich von selbst versteht, unterstreiche ich
es besonders, dass nämlich beim Lernen immer der ganze Mensch
gefordert ist: affektiv, kognitiv und motorisch; mag der gelernte
Inhalt auch sehr eng begrenzt oder scheinbar einseitig gedacht sein.
Das betone ich deshalb, weil beim Unterrichten in der "Schule"
bis zum heutigen Tage fast ausschließlich der kognitive Aspekt
von Inhalten betrachtet und beurteilt wird. Bei all seiner Bedeutung
- und das gilt besonders für das Lernen junger Menschen (sowohl
von Kindern als auch von Jugendlichen) - wird die Energie für
das Lernen, die psychologisch mit dem Namen "Motivation"
belegt ist, vorausgesetzt. Vergleichbares ist auch bezüglich
der ausdrücklich geforderten Ziele, wie z.B. Kooperationsfähigkeit
oder Selbständigkeit zu erkennen, die die Lehrer im Rahmen
ihrer jeweiligen Unterrichtsstunden ebenso nur am Rande beachten.
Es sollte aber bei Lehrenden bereits Allgemeingut sein, was PIAGET
schon vor Jahrzehnten schriftlich so ausdrückte:
"Es gibt deshalb kein Verhalten, so intellektuell es auch sein
mag, das nicht als Triebfeder affektive Faktoren enthalten würde;
doch umgekehrt kann es auch keine affektiven Zustände geben,
ohne dass Wahrnehmungen und Anschauungen mitwirken, die ihre kognitive
Struktur ausmachen. Das Verhalten ist folglich eins, auch wenn seine
Strukturen nicht seine Energetik erklären und umgekehrt die
Energetik die Strukturen unberücksichtigt lässt: der affektive
und kognitive Aspekt sind weder von einander zu trennen noch aufeinander
zurückzuführen." (PIAGET/INHELDER 1966, 117; Hervorhebung
vom Verfasser)
Wir wissen nun aus Erfahrung, dass (1.) Menschen nicht nur sehr
unterschiedlich sind, sondern (2.) auch sehr unterschiedlich lernen.
Es ist sinnvoll, sich über ein Modell Gedanken zu machen, welches
die Mechanismen erklärt, die ein Lerner aktivieren könnte.
Diese sollen als "Strategien" des Lernens bezeichnet werden.
Der Ausdruck Strategien wurde deshalb gewählt, weil - wie sich
herausgestellt hat - Menschen, die etwas Neues aufnehmen, sich nie
gleichzeitig fragen können, wie sie es aufnehmen. Diese zwei
Gedankengänge können nicht gleichzeitig gefasst werden.
Sie folgen immer nacheinander. Da aber beim Lernen eines bestimmten
Inhalts der Lerner sich notwendigerweise bewusst auf den Inhalt
konzentriert, laufen Lernprozesse selbst unbewusst (quasi automatisch)
ab und zwar von der Art, welche der Lerner beherrscht. Das Aktivieren
von Lernprozessen geschieht im Lerner also nicht als (gewollte)
Taktik, sondern als gelernte Strategie. Ein Modell von Lernstrategien
darf modernen psychologischen, biologischen und soziologischen Erkenntnissen
nicht widersprechen und muss gleichzeitig pädagogische Bedingungen
erfüllen, nur dann ist es erziehungswissenschaftlich legitimiert.
Das heißt, im Modell müssten Aktivitäten des Lernens
formuliert werden, deren Ergebnisse differenziert beobachtet und
beurteilt werden könnten: einmal von den Lehrenden, die sich
Basiswissen dazu über Erkenntnisse der Wissenschaften aneignen
könnten, aber auch von Lernern, die befähigt werden müssten,
ihr eigenes Handeln zu beobachten und zu beurteilen. Wie zu zeigen
sein wird, ordnen sich die Strategien in einem solchen Modell taxonomisch.
Wir nennen es dann eine "Taxonomie der Lernstrategien"
(TdL). Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, unterteilt sie sich in
6 Phasen, die - verständlicherweise - nahtlos und fließend
ineinander übergehen. Detailliert wird das im folgenden Abschnitt
besprochen. Zunächst sei nur betont, dass diese Lernstrategien
das Lernen des ganzen Menschen meinen, d.h. sein Aktivsein in allen
drei Handlungsfeldern: dem affektiven, dem kognitiven und dem motorischen.
Die methodisch anspruchsvolleren oberen drei Phasen sind nochmals
dreifach unterteilt. Dieses Differenzieren entspricht durchaus den
alltäglichen Erfahrungen von routinierten Lehrern oder Ausbildern
- die ich nun zusammendenkend als Unterrichtende bezeichne.
Auf der Basis dieses Denkzeuges ist es nun die Aufgabe des Unterrichtenden,
für die unterschiedlich Lernenden die "Bedingungen für
ihr Lernen" bereitzustellen. Es zeigt sich, dass der hier gewählte
Ansatz sich in dem Sinne von dem von GAGNÈ (1965) unterscheidet,
dass die Lerntypen nicht vorausgesetzt werden können, sondern
erst gelernt werden müssen. Jener entwarf Bedingungen des menschlichen
Lernens und die Lehrer meinten, die Lerntypen (nach GAGNÈ)
voraussetzen zu dürfen, weil sie vorhanden seien. Weil dem
aber nicht so ist, wird von ihm heute verlangt, zu versuchen abzuschätzen,
wie der Lerner lernt, d.h. welche Strategien er aktiviert, um dann
die für ihn geeigneten Lernstrategien zu fördern. Ein
solches Modell nimmt dann taxonomischen Charakter an, was im weiteren
zu erläutern ist. Die Taxonomie der Lernstrategien wird so
(in der Hand) im Kopf des Lehrers zu einem methodischen Funktionselement
(vgl. Abs. 4.2).
Auf folgendes sollte jedoch aufmerksam gemacht werden. Wie wir wissen,
hat die Lerntheorie, die auf der Stadientheorie PIAGETs beruht,
taxonomischen Charakter. Ihr liegt die konstruktivistische Denkweise
zugrunde, denn PIAGET war ja selbst Konstruktivist. Das sage ich
heute, obwohl dieser Terminus zu seiner Zeit noch nicht gebräuchlich
war. Daraus lernen wir u.a., dass es einem Menschen nicht möglich
ist, einem anderen Menschen zum formalen Denken zu verhelfen, wenn
er selbst nicht formal zu denken imstande ist. Noch deutlicher wird
das bei dem Modell von KOHLBERG (vgl. KOHLBERG 1971; KATH 1990).
Bei diesem Denkzeug, das ich modifiziert als "Taxonomie der
Moralerziehung" (TdM) bezeichne (KATH 1980, 87), sagt KOHLBERG
ausdrücklich, dass der Lehrer, der versucht seine Schüler
zu einer bestimmten moralischen Stufe zu begleiten, die Dilemmata
- damit arbeitet ja KOHLBERG - eine Stufe höher anzusiedeln
hat. Er selbst muss dann nicht nur über diese Stufen Bescheid
wissen, sondern auch in ihnen zu handeln in der Lage sein.
Die Analogie zur Taxonomie der Lernstrategien ist deutlich. Der
Lehrer (mit seinen Lernenden) oder der Erziehungswissenschaftler
(mit seinen Studenten) oder der Ausbilder (mit seinen Auszubildenden)
müsste schon (1) die Lernstrategien in allen Formen kennen
und beherrschen und zudem (2) sich die psychologischen Hintergründe
zu eigen gemacht haben, die Menschen mit mehr oder weniger stabile
Hirnstrukturen aktivieren. Wir kennen sie zwar nicht, wir können
aber beobachten, dass und wie Menschen in ihnen agieren. Abgesehen
davon, dass es auch den "geborenen Erzieher" (vgl. SPRANGER
1958) tatsächlich geben kann - wann, wie und unter welchen
Voraussetzungen das möglich wäre, können wir nur
vermuten und müsste gesondert ausgeführt werden -, ist
es heute erforderlich dem zukünftigen (gelernten) Lehrer in
seiner universitären Ausbildung entsprechende Denkzeuge mitzugeben,
um ihn zu einem kompetenten Erzieher zu machen. Diese sind dann
im Referendariat zu üben.
3. Die Lernstrategien im Detail
3.1 Einführendes
Nochmals sei es unterstrichen, dass der Ansatz der Lernstrategien
davon ausgeht, dem Unterrichtenden, der ja ein Beratender sein sollte,
ein leicht zu handhabendes Denkzeug anzubieten, das dennoch erziehungswissenschaftlichen
Erkenntnissen nicht widerspricht. Das ist notwendig, weil es in
dieser Form für den gesamten Bereich der formalen Erziehung
angewendet werden können soll. Das heißt, es wird von
der Grundbefähigung ausgegangen, dass der Lernende des Sprechens
fähig ist. Das bedeutet weiter, die Lernstrategien werden anders
strukturiert sein, als die Lerntypen bei GAGNÉ. Angestrebt
wird auch, durch das bewusste Einsetzen der Taxonomie der Lernstrategien
die Lerner vom fremdbestimmten zum selbstbestimmten Lernen zu führen.
3.2 Das sogenannte fremdgesteuerte Lernen
Warum das "sogenannte"? Erinnern wir, was PIAGET und
INHELDER gesagt haben: kognitive und affektive Aspekte sind beim
menschlichen Handeln, also auch beim Lernen, nicht zu trennen. Gleiches
gilt für das motorische Feld, das in der Berufserziehung von
großer Bedeutung sein kann. Die Energie, sowohl für das
kognitive als auch für motorische Aktivitäten, sind im
Affektiven zu finden. Dieser Tatbestand steht auch hinter dem 9.
Merkmal des Lernens: "Kein bewusstes Lernen geschieht gegen
den Willen des Lernenden." (LÜTZOW/ KATH 2002, 292) Oder
mit anderen Worten: Ohne Motivation kein Lernen. Mithin muss auch
bei Fremdbestimmung dem Lerner Möglichkeit und Gelegenheit
gewährt werden, Energie zum Lernen breit zu stellen. Oder noch
anders gesagt: Auch für fremdgesteuertes Lernen sind Impulse
effektiver als Befehle.
3.2.1 Das einfache Konditionieren
Das, was wir mit "einfachem Konditionieren" bezeichnen,
geht auf das klassische Konditionieren von PAWLOW zurück. Damit
war eigentlich ein Signallernen gemeint. Bekannt aus den Untersuchungen
an Tieren ist es auch für menschliches Lernen von Bedeutung.
Dabei wird ein "unbedingter Reiz", wodurch es zu einer
"unbedingten Reaktion" kommt, durch einen "bedingten
Reiz" erweitert, der dann zu einer "bedingten Reaktion"
führt. Die bedingte Reaktion und die unbedingte gleichen sich
sachlich. Viele Beispiele kennen aus dem Sport: vom Startschuss
bis zum Pfeifen des Schiedsrichters beim Fußball. Psychologisch
sind alle dieser Aktionen und Reaktionen auf das Signallernen zurückzuführen.
Wichtiger ist es aber in der Berufserziehung für alle Aktionen
und Reaktionen, die mit Unfallverhütung zu tun haben, bei denen
auf ein bestimmtes Signal in ganz bestimmter Weise reagiert werden
muss. Diese Lernstrategie, das Signallernen, das einfache Konditionieren,
ist auch auf das Lernen im kognitiven Feld anwendbar. Hier tritt
z.B. als unbedingte Reaktion anstelle der Speichelsekretion auf
das Futter (PAWLOW) die gedankliche Vorstellung auf das gesprochene
Wort als Symbol. Die Reaktion der Vorstellung z.B. eines Tisches
beim Hören des Wortes "Tisch" ist sein langem gelernt.
Das Symbol "Tisch" ist so als unbedingter Reiz zu bezeichnen.
Beim Lernen einer Fremdsprache ist das Symbol "table"
(der Ton bei PAWLOW) der bedingte Reiz. Wird das Symbol "table"
als bedingter Reiz des öfteren mit dem unbedingten Reiz "Tisch"
zusammengebracht, wird die Vorstellung eines Tisches bald durch
den bedingten Reiz "table" hervorgerufen und damit zur
bedingten Reaktion. Das ist das erhoffte Ergebnis, in der neu gelernten
Sprache zu denken. Für Beispiele dieser Art gibt es keine Grenzen.
In unserem Zusammenhang kann auch das "operante Konditionieren"
(nach SKINNER) mit dem "einfachen Konditionieren" subsumiert
werden. Denn auch hier geht es um ein Lernen, bei dem Verstärkung
eine Rolle spielt. Das entspricht unserem heutigen pädagogischen
Denken, bei dem Lernen durch Belohnung dem durch Strafen vorgezogen
wird. Selbst wenn das operante Konditionieren ein fremdbestimmtes
Lernen ist, sollte es wegen der fehlenden Strafen heute nicht mehr
als "Drill" bezeichnet werden.
3.2.2 Das Diskriminieren
In der Alltagssprache hat dieses Wort einen etwas abwertenden Klang.
Hier wird es in seinem objektiven, seinem sachlichen Verständnis
benutzt. Es drückt aus, dass es sich um etwas handelt, das
anders ist als etwas Bekanntes, obwohl es vielleicht ähnlich
aussieht. Das heißt, eines wird von Anderem unterschieden.
Beide sind nicht mehr gleich, z.B. ein Fünfeck ist kein Sechseck
oder eine Feile ist keine Raspel oder ein Mercedes sieht anders
aus als ein Opel. Das kann zu einer eminent wichtigen Aktivität
des Lerners führen: Er hat zu entscheiden. Dazu ist die Bereitschaft
zu entwickeln. Der Mensch sollte lernen, dass es Alternativen gibt,
aus denen man auswählen kann - das war nicht immer so.
Oft sind die Alternativen leicht zu unterscheiden, mitunter sind
sie aber auch so komplex, dass es äußerst schwierig wird,
sie überhaupt als Alternativen zu erkennen und dann entsprechend
der Bedingungen (der Wünsche, der Ansprüche oder Ziele)
des Entscheidenden zu wählen. Die Fähigkeit zum Diskriminieren
setzt den Menschen in den Stand, verschiedene Gegenstände (Vorgänge,
Aktivitäten, Elemente,
) zu unterscheiden. Das ist nicht
so selbstverständlich, wie es sich anhört. Vielen Menschen
fällt es schwer, die Unterschiede bei Gegenständlichem
zu erkennen. Bei Nicht-Gegenständlichem, d.h. bei Abstraktem
ist es noch schwieriger. Von allem Anfang an sollte deshalb gefördert
werden, Kindern und jungen Menschen Freiräume zu geben, ihren
Fähigkeiten entsprechend zu entscheiden, um es zu lernen.
3.2.3 Mehrfaches Konditionieren
Mehrfaches Konditionieren hat zum Ziel, verschiedene Elemente so
miteinander zu verbinden, dass sie ein neues Ganzes ergeben. So
einfach die einzelnen Elemente auch sein mögen, sie erfüllen
oft die chinesische Weisheit: Das Ganze ist mehr als die Summe der
Teile. Aus behavioristischer Sicht hat OSGOOD (zit. n. HUNT 1961,
71ff ) dies ausführlich beschrieben. Als ein Beispiel, bei
dem das mehrfache Konditionieren möglicherweise bereits die
Schwelle des selbstbestimmten Lernens erreicht, ist in der Fahrschule
das Lernen des Gangschaltens durch angemessenes Betätigen von
Gas-, Kupplung und Schalthebel. Es ist einsichtig, dass das Gangschalten
(als ganzes gesehen) für den Fahrer eine andere Qualität
besitzt als jede einzelne der Teilbewegungen.
Bis heute ist "die Schule" - bei aller Vorsicht wegen
der zu groben Vereinfachung - beim Erziehen junger Menschen über
diese drei Lernstrategien kaum hinaus gekommen. Das hat auch mit
der Zeit zu tun, die Lernenden zur Verfügung gestellt wird,
um Inhalte aufzunehmen aus Lehrplänen, die immer umfangreicher
werden. Das Lernen findet aber nicht außerhalb des Lernenden
satt, sondern in ihm. Es sind also seine Voraussetzungen, die die
von ihm benötigte Zeit bestimmen. Die Aufnahmefähigkeit
eines Lerners ist notwendig begrenzt. Auch die raffiniertesten Unterrichtsmethoden
helfen da nichts. Es geht also darum, Lernenden zu ermöglichen,
sich Inhalte auf andere Weise zu eigen zu machen, als es bisher
üblich war. Das kann nur so geschehen, dass der Lernende aus
seiner nur rezeptiven Rolle entlassen wird und aktiv wird. Das kann
aber nur er entscheiden. Er entscheidet, wie er sein Lernen zu einem
"Superlernen" gestaltet - so zu sagen -, d.h. in unserem
Falle, das Lernen zu lernen. Der Unterrichtende kann und sollte
ihm heute dabei helfen. Eine der Möglichkeiten ist, ihn vom
fremdbestimmten zum selbstbestimmten Lernen zu führen.
3.3 Der Weg zum selbstbestimmten Lernen
Die neun folgenden Lernstrategien eröffnen dem Unterrichtenden
Wege, wie er dem Lerner helfen kann, vom fremdbestimmten zum selbstbestimmten
Lernen zu gelangen. Eine solche Formulierung mag seltsam anmuten,
insbesondere, da das selbstbestimmte Lernen das meist benutzte Schlagwort
für Politiker und Pädagogen gleichermaßen zu sein
scheint. Warum eigentlich? Erstens ist festzustellen, in früheren
Zeiten haben Menschen ihr Lernen (fast) immer selbst bestimmt und
zweitens sind heute die wissenschaftlichen und organisatorischen
Gegebenheiten durchaus nicht dazu geeignet, selbstbestimmtes Lernen
zu fördern. Das ausführlich zu erörtern, auch in
seinem historischen Zusammenhang, ist nicht Aufgabe dieses Beitrages.
Darum nur soviel:
Zum ersten: In den vergangenen Jahrhunderten wurden die Kinder des
Adels selbstverständlich von Privatlehrern oder in für
den Adel eingerichteten "Schulen" unterrichtet. Die meisten
Menschen hatte jedoch diese Möglichkeiten nicht. Auch sie wollten
lernen - und sie taten es. Als ein besonders eindrucksvolles Beispiel
will ich Moses MENDELSOHN nennen. 1729 wurde er in Dessau in ärmlichen
Verhältnissen in einer Umgebung geboren, in der nur Judendeutsch
(eine Art Jiddisch) gesprochen wurde, das man in hebräischen
Buchstaben schrieb. Von seinem Vater lernte er Lesen und Schreiben
(hebräisch) und von seinem Rabbiner (Rabbiner Fränkel)
Grundlagen der hebräische Literatur. 14-jährig wagte sich
Moses im Oktober 1743 allein nach Berlin, wo er Unterkunft und Nahrung
bei Glaubensbrüdern erhält. Als Jude durfte er keine deutsche
Schule besuchen. Wissbegierig wie er aber war, lernte er autodidaktisch
deutsch, lateinisch, griechisch, englisch und konnte sich so auch
durch die Texte von Platon, Aristoteles und anderen quälen.
Er wurde dann - wie wir wissen - zu einem der großen Philosophen
der Aufklärung.
Wissbegierde ist also eine Eigenschaft des Menschen und das Lernen
die Aktivität, sie zu stillen. Die Gesellschaft, die ja den
Menschen beeinflusst und prägt, kann sie fördern oder
hemmen.
Zum Zweiten: Damit sind wir bei der Diskussion von heute. Die PISA-Studie
ist in aller Munde (Die PISA-Studie (Programme for International
Student Assessment) ist ein Test zum internationalen Vergleich der
15-jährigen in 32 Ländern. Die deutschen Jugendlichen
nehmen im Lesetest den 22. Platz ein.). Politiker überbieten
sich mit Vorschlägen, wie dem schlechten Abschneiden der Schüler
zu begegnen sei. Über alles wird geredet - meistens aus parteipolitischer
Sicht -, hauptsächlich sind das organisatorische und finanzielle
Aspekte, nur nicht über die Voraussetzungen und Bedingungen
des Lernens, die zu diesen Resultaten führten.
In unserer Wohlstandsgesellschaft, in der die Kinder alles haben
- zu viel haben -, wodurch die Wohlstandsgesellschaft zur Wegwerfgesellschaft
wird, wächst sogar die Gefahr, sich selbst wegzuwerfen. Phasen
des Wohlstandes mit dazugehörender Degenerierung hat es auch
in früheren Zeiten gegeben. Die Warner wurden offensichtlich
damals auch nicht gehört. BRACKER zitiert MENDELSOHN mit genau
einer solchen Warnung, wiewohl sie damals noch nicht so akut war,
wie sie heute ist: "Haben die Eltern Ehre und Vermögen
erworben und den Kindern hinterlassen, so bleibt diesen nichts übrig
als der leidige Genuss. Haben jene die Freiheit erfochten und wider
allen Angriff gesichert, so erfolgt bei Kindern Gemächlichkeit,
Sklavensinn." (BRACKER 1979, 16, Hervorhebung v. Verfasser
) Ähnliches lässt Goethe auch seinen Faust sagen und zwar
mit einem pädagogischen Rat: "Was du ererbt von deinen
Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen." GOETHE hatte
die Thematik in ein elegantes Gewand gekleidet. "Lebenslanges
Lernen" und "Lernen lernen" wurde von MENDELSOHN
und GOETHE noch nicht verlangt. Sie taten es aber, obwohl es zu
seiner Zeit noch keine Schlagwörter waren. In unserer Zeit
der sich rasant entwickelnden technologischen Neuerungen, die zu
Wohlstand, aber auch zu Bequemlichkeit führen, ist die wichtigste
Aufgabe von Schule für sehr viele junge Menschen nicht mehr
das Anbieten von Inhalten, sondern sie begierig zu machen, zu wissen.
Die Erziehungswissenschaftler sind gehalten, den Unterrichtenden
Denkzeuge anzubieten, die ihnen dabei helfen könnten. Neben
anderen (vgl. hierzu den in Anm, 1 benannten Paradigmawechsel.)
kann hier das bewusste Berücksichtigen der drei Gruppen von
Lernstrategien eine große Hilfe sein.
3.3.1 Die drei aufsteigenden Lernstrategien
Bereits von GAGNÉ her, aber auch schon aus dem klassischen
Erfahrungsschatz von Lehrern, sind die drei Grundformen des Lernens
bekannt, die wir
- Begriffslernen,
- Regellernen und
- Problemlösen
nennen (siehe Abbildung 1). Alle drei bieten sich dazu an, dass
Lernende das Lernen lernen, sie sind aufeinander taxonomisch aufgebaut.

Abb. 1: Taxonomie der Lernstrategien
Um eine Tätigkeit in bestimmter Weise zu tun zu wollen, ist
es notwendig - unter der Voraussetzung von "Lernen lernen"
- zu wissen, was man tun will. Da sind zunächst die Gegenstände
mit Begriffen zu belegen. Sie gilt es kennen zu lernen und in ihrer
Bedeutung zu verstehen. Erst dann wird es möglich sein, sinnvoll
tätig zu werden,
· was nach bestimmten Regeln (Zum Unterschied von "Aufgabe"
und "Auftrag" vgl. KATH 2000, S. 45.) geschieht. Sie sind
dazu da, Aufgaben in einer vorgegebenen Form zu lösen. Diese
Form steuert das Verhalten des Lerners, wobei er durch Übung
zur Fertigkeit gelangt. Hat sich der Lernende befähigt, Struktur
und Form solcher Regeln zu beherrschen, wird er sich in die Lage
versetzen, Regeln modifizieren zu können und zu wollen, um
damit
· Probleme zu lösen. Denn um Probleme zu lösen,
muss er kreativ sein (vgl. AUSUBEL 1963, 98ff. ). Wir wissen z.B.
von AUSUBEL: Bedingung kreativ zu sein ist es, eine Anzahl von Alternativen
in dem entsprechenden Gebiet kennen gelernt zu haben.
Zum Abschluss dieser Übersicht sei nochmals darauf hingewiesen,
dass diese Lernstrategien so angeregt werden sollten, dass sie den
Lernenden helfen, ihr Lernen selbst zu bestimmen und zu steuern.
Das wird natürlich nur dann erfolgreich sein, wenn die Unterrichtenden
die zu lernenden Inhalte nicht bis ins Kleinste vorbereiten, sondern
den Lernenden zumindest einen Teil des Planens selbst überlassen
.
3.3.2 Das Differenzieren der Lernstrategien
Die drei eben beschriebenen Grundformen der Lernstrategien werden,
anders als bei GAGNÈ, dreifach unterteilt (s. wieder Abb.
1). Sie eröffnen dem Unterrichtenden Möglichkeiten, Lernern
unterschiedliche Impulse zu geben, um ihnen zu helfen, sich ihrer
eigenen Art entsprechend zu entwickeln. Es erweist sich als sinnvoll,
PIAGET zu folgen und dabei immer sein eigenes Zitat (s. S. 2) im
Hinterkopf zu haben, der in seiner Entwicklungspsychologie drei
Stadien der kognitiven Entwicklung des Menschen formuliert. Sie
bauen in dem Sinne taxonomisch aufeinander auf, dass ein Mensch
in seiner Entwicklung ein Stadium zunächst vollständig
erarbeitet, bevor er versucht, sich im nächsten zu erproben.
Dabei ist es durchaus möglich, dass Menschen das dritte Stadium
nur unvollständig erreichen. Die genannten drei Grundformen
der Lernstrategien werden in folgende Stadien weiter unterteilt:
· intuitive,
· praktische und
· formale.
Es ist wichtig, PIAGET zu folgen - im heutigen Verständnis
pflegte er bereits konstruktivistisches Gedankengut (vgl. PIAGET/INHELDER
1966, 113ff.) - , weil trotz aller Lippenbekenntnisse die pädagogische
Praxis immer noch von BRUNERs Zugehensweise beherrscht wird: Jeder
Mensch kann in jedem Alter jeden Gegenstand lernen, vorausgesetzt
er wird adressatengerecht aufbereitet (vgl. AUSUBEL 1963, 123f .).
Das heißt, es wird immer noch "Unterricht" als vorbereiteter
"Gegenstand durchgezogen", obwohl es sich doch um eine
gemeinsame Tätigkeit von Unterrichtenden und Lernenden handelt.
Darum wird bei diesem Denkzeug auch immer wieder die Aktivität
hervorgehoben.
3.3.3 Intuitive Lernstrategien
Was wird unter intuitiv als charakteristisch für Lernprozesse
verstanden? In der Entwicklung des Kindes ist das intuitive Stadium
die Phase, in der es spontan entscheidet. Formen- und Größenkonstanz
gibt es für das Kind noch nicht. Es sagt z.B. nach den berühmten
und auch vielfach modifizierten Untersuchungen, im Becher B ist
mehr Wasser enthalten als in Becher A, obwohl es mit eigenen Augen
gesehen hat, dass die gleiche Wassermenge aus A in B umgeschüttet
wurde (siehe Abbildung 2) (vgl. HUNT 1961, 203f.).
Abb. 2: Mengenkonstanz
Auch erwachsene Menschen aktivieren mitunter Denkprozesse intuitiv.
Das geschieht normalerweise unter zwei Bedingungen:
· einmal, wenn jemand von einem Gegenstandsbereich keine
Ahnung hat und dennoch darüber etwas sagen will - aus welchen
Gründen auch immer. Er gibt seiner Meinung intuitiv, unüberlegt,
oft vorurteilsvoll Ausdruck, ohne sich dessen bewusst zu werden;
· zum anderen kann es aber auch bei Experten vorkommen, dass
sie vor einem Problem stehen, dessen Gegenstand sie eigentlich beherrschen.
Weil sie sich die Zeit (des Denkens, des Aufwandes) verkürzen
wollen, verzichten sie auf ein Überdenken jeglicher Art (auf
ein Analysieren). Möglicherweise glauben sie auch, spontan
Antwort geben zu müssen - und zu können (vgl. AUSUBEL
1963, 122).
Das intuitive Entwicklungsstadium geht bei Kindern etwa im Alter
zwischen fünf und sieben Jahren in das Stadium der "konkreten
Denkoperationen" über. Dennoch ist es "normal",
dass auch ältere Kinder noch "intuitiv denken", wenn
sie es noch nicht gelernt haben in Formen der höheren Stadien
zu denken. Es ist also durchaus keine Ausnahme, dass es auch Erwachsene
gibt, die intuitiv agieren oder reagieren, weil es bequemer ist.
Wenn nun von intuitivem Begriffslernen die Rede ist, meinen wir
das Lernen konjunktiver Begriffe. Das heißt, es geht um das
Finden von Gemeinsamkeiten verschiedener Items, die ihr Spezifisches
ausmachen, es geht um ein Generalisieren. BRUNER u.a. haben bereits
vor Jahrzehnten die besondere Art dieses Begriffslernens erkannt
und nannten es "focus-gambling" (vgl. BRUNER/ GOODNOW/
AUSTIN 1962). Dabei geht es um ein intuitiv-assoziatives Verknüpfen
eben dieser Items. Die Richtigkeit des gelernten Begriffs ist damit
nicht gewährleistet. Mag diese Form des Lernens von Begriffen
selbstbestimmt - was durchaus möglich ist - oder auch fremdbestimmt
sein, taxonomisch ist es der Stufe K1.0 zuzuordnen (Der Verfasser
benutzt hier den aus der Literatur bekannten Ausdruck "Stufen"
der TdU von BLOOM u.a.. In seinem Beitrag (KATH 1976) machte er
deutlich, dass es sich nicht um Stufen, sondern um "Phasen"
handelt. Dieses ist erforderlich, weil die höheren Phasen der
Lernstrategien höhere psychische Anforderungen an die Lernenden
stellen.).
Auch das Regellernen kann intuitiv erfolgen. Ganz deutlich stellt
sich das für einen Beobachter in der Form dar, die heute mit
Aktionismus bezeichnet wird. Das heißt, es handelt sich um
das häufig beobachtete Verhalten. Jemand wird sofort und ohne
Nachdenken tätig, nachdem er eine "Aufgabe" oder
einen "Auftrag" (KATH 2000, 45) erhält. Er überlegt
nicht, wie er vielleicht vorgehen könnte, er plant nicht, er
fängt einfach an, etwas zu tun. Das ist typisch für ein
Hantieren im Sinne von "Versuch und Irrtum". "Klappt's,
ist gut! Klappt's nicht, fange ich von vorn an."
Obwohl diejenigen, die anders arbeiten, nicht nachvollziehen können,
was sich im Kopf eines solchen Menschen abspielt, ist das intuitive
Regellernen als eine eigenständige Lernstrategie darstellbar
und für einen Unterrichtenden erkennbar. Taxonomisch ist diese
Lernstrategie in die Stufe A2.0 (das Reagieren) des affektiven Feldes
einzuordnen, kognitiv gehört es jedoch eindeutig zur Stufe
A1.0. Mitunter steht dahinter aber das undeutliche Gefühl eines
Verstehen-Wollens oder das eines sich Vormachens von Verstehen-Wollen
(die Schwelle zu K2.0/A3.0). Vom Standpunkt der Autonomie ist diese
Lernstrategie in hohem Maße selbstbestimmt, was mitunter sogar
krankhafte Züge annehmen kann. In solchen Fällen kann
es für Unterrichtende sogar schwierig werden, den jungen Menschen
anzuregen, eine höhere Lernstrategie zu aktivieren.
In Abbildung 1 ist über dem Kästchen "intuitives
Regellernen" ein dicker Strich gezogen. Damit sei gesagt: genuin
intuitive Lernstrategien enden hier. Dennoch kann auch von einem
intuitiven Problemlösen gesprochen werden. Auf Seite 11 (2.
Spiegelpunkt) wurde es bereits als ein Verkürzen des systematischen
Analysierens angedeutet. Diese Lernstrategie wird also in der Regel
erst durch das "praktische Regellernen" initiiert, um
dann auf ein intuitives Denkmuster zurückzufallen. Solch ein
Denken ist natürlich selbstbestimmt, birgt aber die Gefahr
in sich, auf Irrwege zu führen.
3.3.4 Praktische Lernstrategien
Die praktischen Lernstrategien gehen von anderen Voraussetzungen
aus als die intuitiven. Was ist nun hierbei praktisch? Psychologisch
begründen das PIAGET und INHELDER mit dem Argument, Aktionen
gehen in konkrete Operationen über (vgl. PIAGET/ INHELDER 1966,
71ff.), d.h. spontane Aktionen, die zunächst charakteristisch
für das Intuitive sind, wandeln sich in verinnerlichte und
reversible Operationen. Damit wird dem Kind jetzt möglich,
die Begriffe des Erhaltens von Raum, Mengen, Gewichte u.a. zu realisieren.
Jetzt sagt das Kind in Bezug auf die Übung von Abbildung 2,
"das Wasser wurde doch nur umgeschüttet". Das hat
es jetzt im wahrsten Sinne "erfahren". Nun kann es auch
Klassifizieren, mit Räumen geometrisch umgehen und vieles andere.
Das beinhaltet auch, dass das, was zuvor als Aktion erworben wurde,
nun auf der Ebene der Vorstellungen, weil eben verinnerlicht, rekonstruiert
wird. Erfahren heißt also auch, sich vorstellen. Das benötigt
Zeit, Übung und Anstrengung. Es ist also Energie zu investieren.
Deshalb ist auch verständlich, dass Menschen mitunter in die
Phase des Intuitiven zurückfallen. Es ist bequemer.
Konkrete Operationen werden im Agieren, Reagieren und Handeln konkret.
Sie werden gelebt und erlebt und damit praktisch. Der Mensch erfährt
sie als real. Es sind keine Gedankenspiele. Darin ist auch einer
der Gründe zu suchen, warum Kinder keine Ironie vertragen;
sie nehmen gesagte Dinge für wirklich - d.h. für wahr.
Sie prägen sich als Erinnerung ein, aus denen möglicherweise
Konsequenzen gezogen werden. Wir sprechen dann von "Erfahrung"
(Erfahren ist eine der 13 Formen des Erziehens und damit des Lernens
(vgl. KATH 1996, 12ff.). ). So gesehen basiert sie immer auf etwas
Praktischem und hat Einfluss darauf, in welcher Weise beim Lernen
welche Lernstrategien Menschen aktivieren.
Beim praktischen Begriffslernen bringt also der Lerner seine Erfahrungen
ein. Es ist ein bewusstes Generalisieren, bei dem z.B. verschiedene
Items zu einem oder mehreren Begriffen kategorisiert werden. Wohl
vollzieht sich dieser Prozess in der Regel in der Anschauung, doch
können Items auch verbal so erläutert werden, dass sie
praktisch, d.h. in der Vorstellung, erscheinen. Die gewonnenen Begriffe
entsprechen den Tatbeständen, wie sie sich dem Lerner darstellen,
wie er sie "sieht". BRUNER/GOODNOW/AUSTIN bezeichnen diese
Lernstrategie schlicht als "conservative-focussing". Zwar
ist es möglich, Lerner so zu beraten, dass sie lernen, Gemeinsamkeiten
zu neuer Begrifflichkeit selbst zusammenzufassen, doch geschieht
das praktische Begriffslernen in den verschiedensten Formen in der
Regel fremdbestimmt. Die Angemessenheit bzw. Brauchbarkeit des Begriffs
ist aber gewährleistet.
Aus beiden Quellen, dem intuitiven Regellernen und dem praktischen
Begriffslernen, wird das praktische Regellernen gespeist. Es stellt
sich als das Vermögen dar, Begrifflichkeiten aus der Erfahrung
zueinander in Beziehung zu setzen und handelnd zu agieren bzw. zu
reagieren. Diese Lernstrategie ist affektiv bereits der Stufe A4.0
(Wertordnung) zuzuordnen, obwohl sie noch in erheblichem Maße
fremdbestimmt sein kann (Stufe M3.0 des motorischen Feldes (vgl.
KATH 1970) [kognitiv angeregtes primäres Lernen]). Kognitiv
kann dabei die Stufe K2.0 (Verstehen) angesprochen werden, obwohl
nicht verhehlt wird, dass es bei strenger Fremdbestimmung auch weitgehend
bei Stufe K1.0 (Wissen) verbleiben kann. Dennoch kann das praktisch
Gelernte durch theoretische Angaben gestützt werden, die durch
Üben in dieser Lernstrategie zum Verstehen der Regeln führen
kann.
Das durch Üben geförderte Verstehen der Regeln bringt
es mit sich, diese Regeln hier oder dort auch zu modifizieren, wodurch
dem Lerner schließlich die Möglichkeit zum praktischen
Problemlösen eröffnet wird. Dazu ist es wichtig zu wissen,
was erziehungswissenschaftlich als Problem bezeichnet wird. Das
Wort "Problem" wird ja umgangssprachlich sehr vielfältig
benutzt. Von daher besteht die Gefahr, es auch in der pädagogischen
Literatur mehrdeutig zu benutzen, wodurch der Begriff schwammig
wird. In diesem Zusammenhang bedeutet "Problemlösen"
die bestimmte Art des Herangehens an die Arbeit (vgl. DREHER/ SPÖTTL
2002), wie sie auch für das "Arbeiten mit Projekten"
als Merkmal 1 (vgl. KATH 1985, 100) gekennzeichnet ist. Es sind
damit die drei in Abbildung 1 unterschiedlichen Art und Weisen des
Problemlösens benannt: das intuitive, das praktische und das
formale. Psychologisch finden sich Deutungen dieser Lernstrategien
insbesondere bei PIAGET und AEBLI (vgl. z.B. PIAGET/ INHELDER 1966;
PIAGET 1969; AEBLI 1983), erziehungswissenschaftlich sind "Aufgabe"
und "Auftrag" deutlich voneinander zu unterscheiden. In
beiden Anliegen kann es geschehen, dass es zu Schwierigkeiten, zu
"Problemen" kommt. Das ist dann der Fall, wenn der Tätige
beim Lösen einer Aufgabe oder beim Erfüllen eines Auftrages
in eine Situation gerät, in der er mit den ihm bekannten Regeln
nicht mehr zurecht kommt. Er sollte sich etwas Neues einfallen lassen
- es ist üblich zu sagen, er sollte kreativ werden. Sein Denken
muss nun divergent werden, im intuitiven, praktischen oder formalen
Sinne.
Hier, für das praktische Problemlösen bedeutet das, der
Lernende versucht, die Regeln, die er bereits praktisch erprobt
hat und beherrscht, zu modifizieren, damit ihm das Lösen des
Problem gelingt. Gelingt es ihm nicht, sollte er sich Hilfe holen.
3.3.5 Formale Lernstrategien
PIAGET und INHELDER drücken den Übergang in die Voradoleszenz
so aus, dass "der junge Mensch sich vom Konkreten löst
und das Wirkliche in ein System von möglichen Transformationen
einordnet. Diese letzte grundlegende Dezentrierung vollzieht sich
am Ende der Kindheit und bereitet die Adoleszenz vor, [
] die
sich auf das Unaktuelle und die Zukunft richtet." (PIAGET/
INHELDER 1966, 97) Zu Vielem ist das Kind (der Mensch) beim Aktivieren
konkreter Operationen noch nicht fähig. Das ist deshalb so
- um es noch einmal zu sagen -, weil konkrete Operationen auf das
Wirkliche gerichtet sind, formales Denken hingegen ermöglicht
Transformationen, wie z.B. Implikationen, Disjunktionen oder Ausschließungen,
die das Wirkliche kraft ihrer Bildhaftigkeit eben nur oder auch
assimilieren. Nun befähigen sich die Lernenden auch klar zwischen
Form und Inhalt zu unterscheiden, mit Wahrscheinlichkeiten zu arbeiten,
deren wichtige Ausprägung es ist, hypothetisch zu argumentieren.
Dass ein Lerner nicht nur praktische Lernstrategien aktiviert, sondern
beginnt, formal zu denken, geschieht nach PIAGET zwischen dem 11.
und dem 15. Lebensjahr. Es darf aber angenommen werden, dass ein
Mensch diese Phase des formalen Denkens nur insoweit entwickelt,
als es seinen Anlagen und seinem erworbenen Erfahrungsschatz entspricht.
Das formale Begriffslernen ist eigentlich ein selbständiges
und selbstbestimmtes Begriffslernen. Das konstruktivistische Denken
bedingt es, so zu sagen. Während beim intuitiven und beim praktischen
Begriffslernen methodisch induktiv vorgegangen wird, kann das formale
Begriffslernen sowohl induktiv als auch deduktiv erfolgen. Diese
Lernstrategie wird als ein bewusstes und gewolltes Generalisieren
höherer Ordnung aktiviert, dass von einem Erkennen von Gleichheiten
und Ähnlichkeiten ausgeht. Dabei kann es notwendig werden,
Merkmale einer Erscheinungs- bzw. Darstellungsform in eine andere
zu überführen (Bild in Worte, Diagramm in Zahlen u.a.)
und/oder diese zu interpretieren. Taxonomisch entspricht das der
Stufe K2.0 (Verstehen). Auch BRUNER und seine Kollegen hatten das
Unterscheiden der verschiedenen Arten von Begriffslernen bereits
erkannt und auch, dass diese Lernstrategie eines höheren Energieaufwandes
bedarf. Sie nannten sie "simultanious scanning" oder "successive
scanning". Der erste Ausdruck zeigt aber auch, dass sie sich
noch nicht darüber klar waren, dass verschiedene Denkvorgänge
niemals gleichzeitig stattfinden können, sondern nur nacheinander.
Dieses Aufeinanderfolgen findet jedoch so schnell statt, dass es
als quasi gleichzeitig erscheint.
Die bereits formal gebildeten Begriffe bieten sich oft an, formal
in Regeln umgesetzt zu werden, wenn es notwendig wird. Das heißt
z.B., dass praktisch gelernte Regeln nun auch in ihren theoretischen
Beziehungen erkannt werden. Sie werden dadurch freier, sicherer
und offener genutzt. Das bedeutet auch, dass bereits beim formalen
Regellernen Grundlagen zum Planen gelegt werden.
Beim formalen Problemlösen werden die Lernstrategien, die zuvor
gelernt ( Begriffslernen und Regellernen) und situationsbedingt
aktiviert wurden (intuitiv und praktisch), bewusst eingesetzt. Das
bereits seit 15 Jahren in der Neuordnung der Metall- und Elektroberufe
von den Auszubildenden geforderte selbständige Planen, Durchführen
und Kontrollieren fordert, in solchen komplexen Lernstrategien zu
arbeiten. Es wird also deutlich, dass es nicht ausreicht, solches
schlicht zu verlangen und in ein Gesetz zu schreiben. Schüler,
Auszubildende, Lehrer und Ausbilder schaffen das nicht, wenn nicht
gleichzeitig die Voraussetzungen und Bedingungen angepasst werden
(s.o. Paradigmawechsel). Das Scheitern der vielerorts durchgeführten
Versuche in dem vorhandenen Rahmen belegt diese These. Lernende
und Unterrichtende müssen es lernen, das Aktivieren komplexer
Lernstrategien bei den Lernenden zu erreichen. Es wird nicht von
selbst zum Allgemeingut. Auch die Ausbildung von Unterrichtenden
muss geändert werden, denn es geht, wie oben bereits gesagt,
um einen Paradigmawechsel beim Unterrichten mit all seinen theoretischen
und organisatorischen Konsequenzen.
Das selbständige Planen, Durchführen und Kontrollieren
ist eingebunden in ein "lernendes Handeln" und ein "handelndes
Lernen", das das Präplanen und das Evaluieren einschließt
(LUTZOW/KATH 2002, 311ff.). Dies entspricht einem Arbeiten im kognitiven
Feld der Taxonomie der Stufe K4.0 (Analyse) für das Präplanen
und der Stufe K5.0 (Synthese) für das Planen. Denn es wird
Neues geschaffen sein, wenn das Problem gelöst sein wird. Für
das Evaluieren kann durchaus die kognitive taxonomische Stufe K6.0
(Bewertung) angesetzt werden. Das alles wird aber nur möglich
werden, wenn im affektiven Feld die taxonomische Stufe A4.0 (Wertordnung)
(vgl. KATH 1976, 18f.) aktiviert wird. Sonst wäre es schwer
vorstellbar, dass der Lernende mit seiner ganzen Person hinter der
Lösung seines Problems steht.
4. Ausblick auf das Benutzen des Denkzeuges "Lernstrategien"
4.1 Der Unterrichtende bereitet sich auf seine Tätigkeit vor
Im letzten Kapitel wurden die Lernstrategien im Detail vorgestellt
und erläutert. Sie stellen für den Unterrichtenden als
Element ein Denkzeug dar, dessen Ausgangspunkt außerunterrichtlicher
Art ist, und das beim Unterrichten eine ganz bestimmte Funktion
erfüllt. Das heißt, es ist ein "methodisches Funktionselement",
ein Denkzeug, das sich ein Unterrichtender während seiner Ausbildung
aneignet und während seiner Tätigkeit durch Üben
beherrschen lernt, wenn er sich auf seine Arbeit mit den Lernenden
vorbereitet (vgl. KATH 1978, 47ff.). Ich weise immer wieder darauf
hin, dass ein Unterrichtender nicht "den Unterricht" vorbereiten
sollte, den er als Plan aufstellt und der dann durchgezogen werden
könnte. Er sollte sich auf das Unterrichten vorbereiten, d.h.
auf sein Arbeiten mit den Lernern, und ihnen die Chance geben, sich
gleichfalls darauf vorzubereiten. So kommt aber "Unterricht"
(heute) selten zustande. Es geht darum, Lernende in die Lage zu
versetzen, in eigener Initiative und selbständig das zu vollbringen,
was sie einerseits selbst von sich verlangen und andererseits die
Gesellschaft von ihnen fordert. Um sie dazu zu befähigen, reicht
ein Modell "Zeigen-Vormachen-Mitmachen-Nachmachen" - eben
die 4-Stufen-Methode - nicht mehr aus. Ein Unterrichtender muss
(zunächst) bereit und willens sein, dem Lernenden zu helfen,
das Lernen zu lernen. Dazu ist es notwendig, Denkzeuge zu benutzen,
die unsere Väter noch nicht kannten. Sie können sie aber
nur dann angemessen und wirksam benutzen, wenn sie sie beherrschen,
ähnlich wie der Handwerker das Benutzen seines Handwerkzeuges
erlernt, indem er sich in seinem Umgang übt, um es dann zu
beherrschen und damit kompetent umzugehen.
Auch ein Unterrichtender muss mit seinen Denkzeugen kompetent umgehen.
Das kann er aber zunächst noch nicht. Die Mehrzahl der Unterrichtenden
leben immer noch in der Illusion, Experten in ihrem Fach zu sein
reiche aus, dieses Fach auch zu unterrichten. Und viele Lehrer,
insbesondere in der Berufspädagogik, bemühen sich weiterhin
krampfhaft, im Formalen das Neueste in ihrer Disziplin zu erfahren.
Es nützt aber den Lernenden wenig, wenn sie Experten werden.
Darum sollten sie das auch nicht anstreben. Sie sollten als Lehrer
(als Berater) in ihrem Fach, von dem sie mehr verstehen als der
Normalbürger, die Lerner dafür interessieren und begeistern;
sei es in Geschichte oder Mathematik oder in der Technologie des
Maschinenbaus. Ihre praktischen und theoretischen Einsichten in
diese Inhalte sollten das ermöglichen. Dazu ist aber in der
Berufspädagogik unbedingt vonnöten, diese in Werkstätten
und Betrieben zu aktualisieren. Der Unterrichtende erfährt
hier das Unterscheiden von "praktisch" und "formal",
wie es in den Lernstrategien dargestellt ist, hautnah in der eigenen
Weiterbildung. Möglicherweise erkennt er damit auch, dass die
zentralste Kategorie der Erziehungswissenschaft "Das Umsetzen
von Aussagen und Inhalten" ist -, das sei nur eine Anmerkung,
wegen seiner Relevanz auch zu dieser Thematik (vgl. KATH 1990).
Experten sollten Unterrichtende im Gebrauch ihrer erziehungswissenschaftlichen
Denkzeuge sein, um die lernenden Menschen optimal in ihrer Entwicklung
zu helfen. Damit öffnet sich ein sehr weites Feld, dass dazu
führen muss, z.B. das universitäre Lehramtsstudium völlig
anders zu gestaltet als es heute üblich ist. Hier ist aber
nicht der Ort, dies weiter auszuführen. Die Arbeit des Unterrichtenden
sei jedoch insoweit angesprochen, dass der Ort der Lernstrategien
deutlich wird:
· In der didaktischen Sphäre bereitet sich der Unterrichtende
auf die Intentionen, Ziele und Inhalte seiner Arbeit als Unterrichtender
vor.
· Die Unterrichtsvorbereitung ist der Ort, an dem der Unterrichtende
sich auf das gemeinsame Arbeiten mit den Lernenden vorbereitet.
Das er das zum Teil auch schriftlich tun kann und wird, steht
außer Frage. Inwieweit er es jeweils zu einem formalen Unterrichtsentwurf
verdichtet - abgesehen von den Lehrproben in der 2. Staatsprüfung
- muß ihm selbst überlassen bleiben.
· Im Unterrichtsgeschehen arbeiten Unterrichtende und Lernende
gemeinsam und spontan, um Situationen zu schaffen, die geeignet
sind, die angestrebte Ziele zu erreichen. Das geschieht vor dem
Hintergrund dessen, auf was und wie sich die am Unterrichten Beteiligten
vorbereitet haben.
· Jede gemeinsame Arbeit von Unterrichtenden und Lernenden
muss nachbereitet werden. Dies ist die Basis für eine fruchtbare
gemeinsame Weiterarbeit. Die Form einer solchen Nachbereitung
kann sehr unterschiedlich sein (vgl. KATH 1985, 97f.).
Hier wurde von Unterrichtsvorbereitung gesprochen. Es gilt jedoch
in sehr ähnlicher Weise für Ausbildungsvorbereitung (vgl.
LÜTZOW/KATH 2002).
4.2 Sinn und Wesen methodischer Funktionselemente
In diesem letzten Abschnitt soll der Ort der Lernstrategien bei
der Unterrichtsvorbereitung, die auch Ausbildungsvorbereitung sein
kann, lokalisiert und benannt werden. Dies, weil der Paradigmawechsel
die Ausbildung in Betrieben mit Lehrwerkstatt, aber auch in der
Schule radikal verändern wird.
Es kann nicht angehen,, dass in den heutigen technologisierten -
der deutschen und anderen - Gesellschaften das Unterrichten und
Ausbilden (in Lehrwerkstätten und außerhalb derselben)
ähnlich geschieht wie vor 50 oder 150 Jahren, nämlich
mehr oder weniger im Sinne einer Meisterlehre: Der Lehrer sagt es,
die Schüler lernen es, um es zu rekapitulieren; der Ausbilder
macht es vor, die Auszubildenden machen es nach. Im Kern bedeutet
der schon mehrfach genannte Paradigmawechsel, dass die Lernenden
sich ihre im Ausbildungs-(Lehr-)Plan verzeichneten Inhalte mit intensiver
Unterstützung der Unterrichtenden selbst erarbeiten (vgl. LÜTZOW/KATH
2002). Das erfordert nicht nur eine andere Form des Prüfens:
· weg vom Beurteilen und Bewerten nur konkreter (kognitiv-handwerklich-sachlicher)
Gegenstände,
· hin zum Beurteilen und Bewerten der Aktivitäten der
Lernenden,
sondern auch eine andere Kompetenz des Unterrichtenden als es bisher
üblich war. Das Sich-Vorbereiten auf das Unterrichten bedeutet
in erster Linie, den Lernenden selbst, als Person, als sich entwickelnden
jungen Menschen, in den Blick zu nehmen und nicht nur den fachlichen
Inhalt, mit dem er es zu tun hat. Das heißt, sich mit den
dazu dienenden erziehungswissenschaftlichen Denkzeugen auseinanderzusetzen
und in ihrem kompetenten Gebrauch zu üben, um sie zu beherrschen.
Die jeweilige fachliche Kompetenz wird beim Unterrichtenden schlicht
vorausgesetzt. Ist sie doch in der Tat nur ein Element unter den
vielen in Abbildung 3 (hier "Sachlogik" genannt als "Phänomen").
In unserer Zeit, in der vielen jungen Menschen die Orientierung
fehlt, ist es wichtiger denn je, sich ihrer anzunehmen und ihnen
zu helfen, selbständig und verantwortungsbewusst zu werden.
In diesem Beitrag geht es darum, den Lernstrategien als methodisches
Funktionselement ihren Ort zu weisen und ihre Bedeutung aufzuzeigen.
Dazu soll das "Struktogramm zum Sich-Vorbereiten des Unterrichtenden
helfen (s. Abbildung 3 ). Das Bild verdeutlicht in graphischer Weise
noch einmal das zuvor Gesagte: für die gemeinsame Arbeit von
Lernenden und Unterrichtenden ist der fachliche Inhalt - aus erziehungswissenschaftlicher
Sicht - ausschließlich Mittel . Das Feld des Sich-Vorbereitens
- eben die Unterrichtsvorbereitung, wie sie landläufig genannt
wird - ist in zwei Aspekte differenziert: links die Entscheidungsmomente,
rechts die Funktionselemente.
Die Entscheidungsmomente bilden beim handelnden Menschen, sowohl
beim Lernenden als auch beim Unterrichtenden immer eine Einheit.
Sie sind aber erziehungswissenschaftlich zu differenzieren, um sich
ihrer Details in aller Klarheit bewusst zu werden. Sie entsprechen
prinzipiell genau dem, was im Detail in dem "dialektischen
Verlauf von Handeln und Lernen" (LÜTZOW/KATH 2002, 311)
dargestellt ist. Jedes Handeln setzt ein Entscheiden voraus, mag
es voll bewusst oder nur vorbewusst sein. Entschieden wird aber
immer Etwas und je nach Situation immer etwas Anderes. Dieses je
Andere in dem Sich-Vorbereiten des Unterrichtenden bezieht sich
dann auf je ein Element, das in dieser Situation eine bestimmte
Funktion erfüllt, hier eine methodische. Es ist also ein methodisches
Funktionselement.

Abb. 3: Struktogramm der Elemente zum Sich-Vorbereiten der Unterrichtenden
Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, sind sie drei Gruppen zugeordnet,
die unterschiedlichen Charakter haben:
· die Phänomene, die einen Themenkreis beinhalten, der
für das Unterrichten relevant ist und einen bestimmten nämlich
seine spezifische Fundierung hat, z.B. die Motivation, die ein Thema
der Individualpsychologie ist oder die Sachlogik der Inhalte; diese
sind aus der Sicht der Lernenden das primäre Anliegen für
die gemeinsame Arbeit,
· Techniken: das sind die Aktivitäten und Handlungsweisen,
die der Mensch (hier der Unterrichtende) lernt, um mit den Gegenständen
jeglicher Art möglichst spontan umzugehen und
· Instrumente, die für eindeutig formulierte methodische
Funktionen entwickelt wurden. Ihre Struktur bzw. ihr Aufbau basieren
auf Kriterien nicht-unterrichtsmethodischer Herkunft. Während
ihrer funktionsgerechten Anwendung bleiben die Instrumente selbst
unverändert.
Eines dieser Instrumente ist nun die "Taxonomie der Lernstrategien".
Sie ist in Abbildung 1 dargestellt, in Abbildung 3 geortet und in
Kapitel 3 beschrieben. Um dem Lernenden helfen zu können, sich
zu entwickeln, ist es für den Unterrichtenden durchaus sinnvoll,
sich die Taxonomie der Lernstrategien anzueignen. Das heißt,
er übt sich darin, die Lernenden zu beobachten, wie sie bestimmte
Inhalte zu begreifen suchen: indem sie versuchen sie auswendig zu
lernen, indem sie sie intuitiv, praktisch oder formal angehen. Der
Unterrichtende wird bald erkennen, wie sehr es ihm beim Reflektieren
seiner Arbeit mit den Lernenden unterstützt, den Inhalt und
die Form der Impulse - nicht der Fragen, nicht der Erklärungen
und schon gar nicht der Anweisungen - an sie treffender und angemessener
zu gestalten. Übung macht auch hier den Meister. Die beschriebenen
Lernstrategien sind psychologisch fundiert und in der psychologischen
Literatur mag ein jeder seine Kenntnisse vermehren, soweit er es
als sinnvoll ansieht. Und, es ist durchaus spannend, den Lernenden
und sein Handeln in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen und
dieses psychologisch zu vertiefen. Abbildung 3 weist aber noch auf
ein weiteres hin, dass nämlich die Taxonomie der Lernstrategien
nur eines der methodischen Elemente ist, um sich auf das Unterrichten
mit den Lernenden vorzubereiten. Die Fachkompetenz ist dabei vorauszusetzen
und sie ist wirklich nur ein kleiner wenn auch wichtiger Teil der
Gesamtkompetenz eines Unterrichtenden.
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