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Beitrag von GERHARD ZIMMER (Universität der Bundeswehr Hamburg)

Lerninhalte für das E-Learning aufgabenorientiert aufbereiten


1. Didaktik als zentraler Erfolgsfaktor des E-Learning

Nach der Ernüchterung über das zunächst euphorisch gefeierte E-Learning als zukünftigem Qualifizierungsweg in allen beruflichen Bildungsbereichen zeichnet sich nun ab, dass erst eine geeignete Didaktik zusammen mit professionellem Bildungspersonal wesentliche Erfolgsfaktoren des E-Learning sind. Es wurde bisher verkannt, dass der mit dem E-Learning verbundene paradigmatische Wechsel zum selbstorganisierten Lernen nicht bloß der Übergang zur Nutzung eines neuen Mediums ist, sondern vor allem eine neue Kultur des Lehrens und Lernens erfordert. Diese neue E-Learning-Kultur, die treffend auch als telematische Lehr- und Lernkultur bezeichnet werden kann, erfordert zu ihrer Entwicklung

· die aufgabenorientierte Aufbereitung von Lerninhalten, die den selbstorganisierten Kompetenzerwerb für die aktuellen und zukünftigen Berufsaufgaben in realitätsnahen Lernsituationen in das Zentrum stellen,
· die Förderung von autodidaktischen Lernkompetenzen, damit die Lernenden sich befähigen können, selbstorganisiert in Kooperation mit anderen zu lernen,
· die Unterstützung der Lernenden durch professionalisierte Teletutoren, die je nach Bedarf als erste beratende Ansprechpartner und Moderatoren zur Verfügung stehen,
· eine hervorragende telematische Infrastruktur, die alle Abschnitte der pädagogischen Handlungen der Lehrenden und Lernenden funktional unterstützt.

Dementsprechend wird im Folgenden eine didaktische Struktur für die aufgabenorientierte Aufbereitung von Lerninhalten vorgestellt.

2. Didaktische Struktur von E-Learning-Modulen

Zunächst ist von einer Analyse der Berufsaufgaben und deren Anforderungen an die beruflichen Handlungskompetenzen auszugehen. Anschließend sind Vorwissen, Lernsituation, Lernmotivation und Lernpotenzial der Zielgruppe zu analysieren. Aus der Differenz zwischen den erforderlichen Handlungskompetenzen und den vorhandenen Vorkompetenzen ergibt sich der Lernbedarf der Zielgruppe. Aus diesem Ergebnis lassen sich alle Dimensionen der Berufshandlungen und der Handlungskompetenzen gewinnen, anhand derer die Lernthematiken ausgewählt, gegliedert, dimensioniert und in Lernmodulen inhaltlich und methodisch abgebildet werden können.

Durch die in die Präsentationen eingebauten Interaktionsstrukturen werden einem Lernmodul die Nutzungsweisen strukturell eingeschrieben. Die möglichen Lernhandlungen mit den präsentierten Lerninhalten sind durch die telemedialen Objektivierungen weitgehend vorbestimmt. Durch die Integration von Telekommunikation und Telekooperation können die dadurch gesetzten Grenzen des Lernens jedoch wieder überwunden werden. Ein aufgabenorientiert aufgebautes E-Learning-Modul thematisiert - eventuell mit konkreten betriebsspezifischen Ergänzungen - die Inhalte und Methoden komplexer Berufsaufgaben und unterstützt den Transfer der erworbenen Handlungskompetenzen in die beruflichen Tätigkeitsfelder. Die inhaltliche und methodische Aufbereitung der modularen Lerninhalte muss dazu der Logik der Aufgabenbearbeitung folgend in Hypertextstruktur erfolgen, damit die Inhalte entsprechend der individuellen Lernlogik selbstorganisiert und in Kooperation mit anderen Lernenden erarbeitet werden können. In den Strukturen müssen zugleich inhaltlich und methodisch sowohl nachfragbare telemediale Unterstützungen durch Tutoren wie auch Wahlmöglichkeiten zwischen selbstbestimmten und empfohlenen Lernwegen vorgesehen sein.

Die inhaltliche und methodische Struktur eines aufgabenorientierten E-Learning-Moduls ist in drei Abschnitte zu gliedern (Abb. 1):

· Im Startabschnitt (Abb. 1 links unten) muss die Ausgliederung von Lernaufgaben Thema sein. Dem gemäß dürfen die Lernaufgaben nicht definitiv vorgegeben werden. Vielmehr müssen die Lernenden durch Tests, Probeaufgaben, Simulationen, Problemexplorationen, Praxiserkundungen etc. sowie im Dialog mit dem Teletutor ihre Lernproblematik aus der komplexen Arbeitsaufgabe ausgliedern und als ihren individuellen Lernbedarf formulieren. Anschließend müssen sie ihren individuellen Lernplan nach Inhalten, Zeitablauf, Kommunikations- und Kooperationsschnittstellen und Erfolgskriterien aufstellen und im beratenden Dialog mit dem Teletutor oder einem Fachexperten eigenständig entscheiden.

· Im mittleren Abschnitt (Abb. 1 Mitte), in dem traditionell der "eigentliche" Lernprozess vollzogen wird, müssen die Lernenden ihre individuell geplanten Lernschritte in den didaktisch-methodisch vorwiegend in Hypertextstrukturen aufgebauten Lerninhalten vollziehen können. Das heißt, theoretische Grundlagen, Praxisbezüge, Übungsaufgaben, Zwischentests, Simulationen, Präsentationen erarbeiteter Lernergebnisse etc. müssen in vielfältiger Weise primär sachlogische, aber auch lernlogische Verknüpfungen haben, die den Lernenden in hohem Maße individuelles Lernen erlauben. Zusätzlich sollten optional empfohlene Lernschritte von den selbstständig Lernenden jederzeit gewählt oder verlassen werden können. Außer an den didaktisch vorgesehenen Orten müssen die Lernenden auch jederzeit die Möglichkeit haben, auf elektronischem Wege mit Tutoren, Lernenden, Lehrenden, Fachexperten etc. in einen Dialog bzw. eine Kooperation eintreten zu können.

· Im dritten und letzten Abschnitt (Abb. 1 oben rechts) eines Lernmoduls müssen die Lernenden beim Transfer ihrer Lernergebnisse in die im Praxisfeld anstehenden Aufgabenbearbeitungen durch den Teletutor oder einen Fachexperten unterstützt werden. Dies kann in unterschiedlichen Formen geschehen: beispielsweise durch die probeweise Bearbeitung ausgewählter Praxisfälle oder durch Simulationen oder in dem die Lernergebnisse auf die Aufgaben bzw. ihren Anforderungen bezogen werden oder durch die kontrollierte Vorführung der Bearbeitung komplexer Aufgaben in der Praxis.

Durch die aufgabenorientierte Aufbereitung der Lerninhalte sollen Chancen für expansives Lernen (vgl. HOLZKAMP 1993, 190ff.) eröffnet werden, um den Lernenden zu ermöglichen und sie zu befähigen, aus eigener Initiative weitergehende berufliche Handlungskompetenzen zu erwerben.

3. Chancen für expansives Lernen

Indem Lerndiskrepanzen erfahrbar und Lernproblematiken motiviert übernehmbar gemacht werden, entstehen Chancen für expansives Lernen (Abb. 2). Die Lernmodule ermöglichen und erfordern selbstorganisierte Lernprozesse. Die Lernenden müssen sich die Begründungen, Ziele, Inhalte, Methoden, Kontrollen und Bewertungen ihrer selbstbezüglichen Lernhandlungen selbstgesteuert erarbeiten. Dazu müssen sie sich autodidaktische Lernkompetenzen aneignen (vgl. ZIMMER 2001, 134ff.). Die eigenen selbstbezüglichen Lernhandlungen rücken erstmals als pädagogische Handlungen in das Blickfeld der Lernenden und der Lehrenden. Ihre Qualität wird zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor des E-Learning. In den traditionellen Bildungsprozessen haben die Lernenden aufgrund des vorherrschenden "Lehrlernkurzschlusses", nämlich dass so gelernt werde wie gelehrt wird, meist keine autodidaktischen Lernkompetenzen herausbilden können. Daher muss die Entwicklung autodidaktischer Lernkompetenzen durch entsprechende Funktionen und Hilfen in den Lernräumen, z.B. durch Protokollierung des Lernstandes, einen Assistenten für Lernmethoden etc., gefördert werden.

Besonders vorteilhaft ist es, wenn die vom Lernmedium geforderten Lernhandlungen nicht nur auf den Nachvollzug der präsentierten Lerninhalte beschränkt bleiben, sondern wenn das Lernen produktorientiert angelegt ist. Produktorientiert ist ein Lernen dann, wenn eine eigenständige Lösung der zu Beginn ausgegliederten Lernaufgaben zum Abschluss erarbeitet wird. Ein solches Lernprodukt kann beispielsweise die Lösung einer Konstruktionsaufgabe sein oder der reflektierte Bericht über Anwendungserfahrungen. Lernprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass die Lernenden eigenständig neue Lösungen oder zumindest neue Lösungsaspekte einer ausgegliederten Lernaufgabe gefunden haben und medial darstellen.

Für die Erarbeitung von Lernprodukten bietet es sich an, diese partizipativ mit Lehrenden oder Experten oder kooperativ mit anderen Lernenden zu organisieren. Daraus können die Beteiligten wechselseitige Anregungen beziehen und die Lernenden können durch die Zusammenarbeit zugleich ihre Selbst- und Sozialkompetenzen entwickeln. Indem das aufgabenorientierte E-Learning sowohl die Erarbeitung eines eigenständigen Lernprodukts zum Ergebnis macht als auch an geeigneten Schnittstellen in kooperativen Zusammenhängen organisiert wird, entstehen erweiterte Chancen für expansives Lernen.

Expansives Lernen benötigt eine hinreichende Eigenzeit, die verfügbar sein muss. Zum anderen müssen die telemedialen Objektivierungen von Lehr- und Lernhandlungen in den Lernmedien so in ihren Präsentationen, Interaktionen und Kontrollmechanismen strukturiert werden, dass diese nicht zu einer erheblichen zeitlichen Ausdehnung und Intensivierung eines definitiven und defensiven Lernens führen. Denn dies würde die für expansives Lernen notwendige Zeit einschränken. Oft wird durch die Strukturen der medialen Objektivierungen in den Lernmedien den Lernenden eine Form fremdbestimmten selbstgesteuerten Lernens vorgegeben, die den Anschein erweckt als handele es sich bereits um die Ermöglichung selbstbestimmten expansiven Lernens. Gleichwohl schließt dies nicht aus, dass durch definitives und defensives Lernen wichtige Handlungskompetenzen für Verfügungserweiterungen erworben werden können. Jedoch ist dies keine gute Grundlage für die Ermöglichung befriedigender und dauerhaft erfolgreicher individueller Lernprozesse.

4. Kooperatives und partizipatives Lernen

Es zeichnet sich ab, dass kooperative und partizipative Organisationsformen des Lernens auf der technischen Basis der Telematik (Abb. 3) die zukünftigen Formen des E-Learning bestimmen werden (vgl. ZIMMER 2001, 139ff.).

· Aufgrund der telemedialen Objektivierungen pädagogischer Routinehandlungen (ebd.) wächst den verbleibenden persönlichen pädagogischen Handlungen der Lehrenden eine besondere Bedeutung zu, z.B. für den Dialog über die Ausgliederung individueller Lernaufgaben. Dieser Bedeutungszuwachs persönlicher pädagogischer Handlungen schafft zugleich neue Anreize für weitergehende Kooperationen und Partizipationen mit anderen Lernenden sowie mit Lehrenden oder anderen Fachexperten.
· Die telemedialen Objektivierungen erfordern von den Lernenden permanent autodidaktisches Handeln. Passives Zusehen und Zuhören sind im Unterschied zu traditionellen Lehrveranstaltungen, in denen sie meist den größten Zeitraum einnehmen, auf wenige mediale Präsentationssequenzen beschränkt. Die selbstgesteuerte Auseinandersetzung mit den medial präsentierten Lerninhalten impliziert natürlicherweise die Möglichkeit zu einer unbegrenzten Vielfalt von Nachfragen und Anmerkungen, auf die auch ein intelligentes Lernsystem niemals komplette Antworten bereithalten kann.

· Im E-Learning werden, wie Erfahrungen zeigen, die Lernenden mit den Instrumenten der Telekommunikation wesentlich häufiger aktiv.

Diese Entwicklungen führen dazu, dass die Lehrenden einen erheblich höheren zeitlichen und inhaltlichen Aufwand für die telekommunikativen Tätigkeiten haben. Daher wird zunehmend die Online-Betreuung der Lernenden Teletutoren übertragen. Erst wenn diese nicht alle organisatorischen, technischen und inhaltlichen Fragen beantworten können, wird die Kommunikation mit den Lehrenden "freigeschaltet". Außerdem werden zunehmend zu Beginn und gegen Ende von E-Learning-Modulen kurze Präsenzphasen optional oder verpflichtend angeboten. Die für partizipative Lernprozesse konstitutive Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden wird durch das Dazwischenschalten von Teletutoren gefiltert und hierarchisiert. Die eigentlich wachsenden Chancen partizipativen Lernens im E-Learning werden gerade dadurch wieder eingeschränkt und reduziert.
Dagegen hat die Entfaltung kooperativen Lernens ungebremste Chancen im E-Learning. Die telekommunikativen und telekooperativen Möglichkeiten moderner Lernräume werden von den Lernenden nach einer Eingewöhnungsphase zu extensivem Informationsaustausch und zur gemeinsamen Bearbeitung von Lernaufgaben genutzt. Es bilden sich Communities of Practice heraus (vgl. ARNOLD 2003), in denen die Lernenden sich wechselseitig beraten und unterstützen bis hin zur gemeinsamen Bearbeitung von Lerninhalten. Kooperative Lernprozesse unterstützen nicht nur die selbstgesteuerte aktive Bearbeitung von Lernaufgaben, sondern schaffen auch ein Potenzial für expansives Lernen. In ihnen können sie leichter über die präsentierten Lerninhalte hinausgehen und für ihre Kompetenzentwicklung weitergehenden Lernbedarf artikulieren und gegebenenfalls auch realisieren. Kooperative Lernprozesse enthalten somit die Chance, weitergehende Lernergebnisse zu produzieren, die auch für andere Lernende interessant sein können.

Kooperatives Lernen mit anderen Lernenden und partizipatives Lernen mit Lehrenden und Fachexperten kann in sechs methodischen Schritten organisiert werden:

 

1. Eingangs ist ein Dialog über Handlungsdiskrepanzen, Lernproblematiken sowie die Ausgliederung und Definition von Lernaufgaben zwischen Lehrenden oder Fachexperten und Lernenden zu führen, unterstützt durch entsprechende mediale Präsentationen.

2. An die Ausgliederung und Definition der Lernaufgaben schließt sich die Planung und Entscheidung der Bearbeitung der Lernaufgaben und erwarteten Ergebnisse an. Diese sollten in der Lerngruppe abgestimmt und mit den Lernenden oder Fachexperten beraten und anschließend eigenständig entschieden werden. Dazu sind auch die Kriterien festzulegen anhand derer die Zwischenergebnisse und schließlich erreichten Lernergebnisse kontrolliert und bewertet werden sollen.

3. Die Planungen sind in der Bearbeitung der verteilten und individuell übernommenen Lernaufgaben einzeln oder gemeinsam zu realisieren. Dazu sind die in den E-Learning-Modulen bereitgestellten Lernressourcen zu nutzen. Darüber hinaus müssen Hinweise für die Heranziehung weiterer Informationsressourcen, z.B. aus dem Internet, und für die Einbeziehung reflektierter eigener Erfahrungen gegeben werden.

4. Bereits während der Bearbeitung muss die Selbstkontrolle von Zwischenergebnissen unterstützt werden, so dass ein möglichst effektiver und effizienter Verlauf der individuellen und kooperativen Lernprozesse erreicht wird. Zum Ende sind die erreichten Ergebnisse entsprechend den Kriterien zu kontrollieren. Die durch expansives Lernen hervorgebrachten innovativen Lernergebnisse sind im Hinblick auf die erworbenen Handlungskompetenzen für konkrete Berufsaufgaben qualitativ auszuwerten.

5. Die weitergehenden Lernergebnisse sollten anschließend aufbereitet und telemedial präsentiert werden. Dies festigt zum einen die erreichten Lernergebnisse und ermöglicht zum anderen, dass auch andere Lernende etwas davon lernen können. Auch die Erfahrungen beim Transfer der Lernergebnisse sollten medial präsentiert werden.

6. Abschließend sollten die sich aus den Auswertungen ergebenden offenen Fragen und Probleme, die Anregungen für andere oder weitergehende Lernaufgaben geben, ebenfalls telemedial präsentiert werden. Sie können auch Anlass für weitergehende Diskussionen in Fachforen sein, also das kommunikative Lernen fördern.

5. Modell für die aufgabenorientierte Aufbereitung der Lerninhalte

Ausgangspunkt für die aufgabenorientierte Aufbereitung von Lerninhalten (vgl. ZIMMER 1998) sind typische bzw. verallgemeinerte Aufgaben in beruflichen, individuellen oder gesellschaftlichen Feldern. Am Beispiel der Berufsaufgaben soll dies näher erläutert werden (vgl. Abb. 4).

Zur erfolgreichen und effizienten Bearbeitung von Berufsaufgaben, die immer mehr oder weniger spezialisiert bzw. verallgemeinert sind, sind immer spezifische Ensembles von Berufshandlungen notwendig. Berufsaufgaben sind in einem ganzheitlichen Verständnis von Aufgabe als absichtsvolle Aktivitäten zur Sicherung und Gewinnung individuellen und gesellschaftlichen Lebens durch Arbeit zu begreifen. Dementsprechend können auf einem hohen Abstraktionsniveau systematisch sechs Dimensionen aller Berufshandlungen unterschieden werden (Abb. 4 links). Je nach Spezialisierung und Komplexität der Berufsaufgabe können die sechs Dimensionen unterschiedliche Ausprägungen annehmen, so dass von Profilen von Berufshandlungen gesprochen werden kann. Auch sind bei arbeitsteilig zu bewältigenden Berufsaufgaben je nach Position und Funktion manche Dimensionen anders ausgeprägt, z.B. bei Führungskräften im Unterschied zu ausführenden Fachkräften.

Aus den Berufsaufgaben, die durch Berufshandlungen konstituiert werden, werden durch Lehrhandlungen und Lernhandlungen die Lernaufgaben ausgegliedert. Den Lernaufgaben müssen die für die jeweilige Berufsaufgabe relevanten Lerninhalte, Informationen, Übungsaufgaben, Simulationen, Hinweise, weitergehende Fragen und Anregungen als Lernressourcen zur Verfügung stehen. Durch die individuell oder kooperativ organisierten Lernhandlungen mit den Lernaufgaben können die entsprechenden beruflichen Handlungskompetenzen erworben werden, die zur kompetenten Bewältigung der Berufsaufgaben, aus denen die Lernaufgaben zuvor ausgegliedert wurden, beitragen.

Bei den Lernhandlungen, die den Erwerb der Handlungskompetenzen ermöglichen, können auf einem hohen Abstraktionsniveau sieben Dimensionen systematisch unterschieden werden (Abb. 4 rechts). Auch hier gibt es je nach Lernaufgaben unterschiedliche Ausprägungen in den durch die Bearbeitung der Lernaufgaben erwerbbaren Kompetenzprofilen; und auch hier gibt es hierarchisch bestimmte Defizite und Förderungen in der Herausbildung der Kompetenzprofile. Die erworbenen Kompetenzen sind wiederum durch einen didaktisch zu fördernden Transferprozess in die Bearbeitung der Berufsaufgaben einzugliedern.
E-Learning-Module nach dem Modell aufgabenorientierter Didaktik müssen entweder repräsentative Lernressourcen für typische oder verallgemeinerte Berufsaufgaben zur Verfügung stellen, z.B. für die Unterstützung einer beruflichen Erstausbildung, oder einen repräsentativen Ausschnitt an Lernressourcen, die den Erwerb der für eine Berufsaufgabe erforderlichen erweiterten Handlungskompetenzen ermöglichen, wie z.B. in der beruflichen Weiterbildung. Die inhaltliche Entwicklung und didaktische Gestaltung von E-Learning-Modulen ergibt sich nach diesem Modell aus den notwendigen berufsspezifischen Konkretisierungen der Dimensionen der Berufshandlungen einerseits und der Dimensionen der Lernhandlungen andererseits. Die bereitgestellten Lernressourcen müssen immer zu allen Dimensionen der Berufshandlungen und der Lernhandlungen einen Beitrag leisten, damit die Lernenden gute Chancen zum Erwerb ganzheitlicher Handlungskompetenzen erhalten.
Die aufgabenorientierte Aufbereitung der Lerninhalte für E-Learning muss dementsprechend 10 Anforderungen genügen, die in den Abbildungen 5 und 6 näher bezeichnet sind.

 

6. Infrastruktur für das E-Learning

Das E-Learning bedarf einer neuen pädagogischen Infrastruktur (vgl. ZIMMER 2000). Sie ist derzeit erst in groben Strukturen erkennbar. Die Entwicklung entsprechender telematischer Lernräume oder Lernplattformen ist noch in vollem Gange. Bislang entsprechen diese noch nicht in allen Funktionalitäten den Erwartungen der Lehrenden und Lernenden, die Erwartungen befinden sich selber noch in der Entwicklung und können daher auch noch nicht immer hinreichend konkret artikuliert werden. Gleichwohl müssen für die Nutzung des E-Learning hier und jetzt Entscheidungen über die Beschaffung entsprechender Lernplattformen getroffen werden. Dazu sollen im Folgenden einige grobe Anhaltspunkte für die Entwicklung, Prüfung und Auswahl geeigneter Lernplattformen gegeben werden.

Telelernräume bzw. Telelernplattformen sollten um den zentralen Arbeitsbereich herum von sechs Funktionsabteilungen flankiert werden, die sechs Klassen von Aktivitäten der Lernenden unterstützen (siehe Abb. 7).

Angebot & Auskunft: Eingangs müssen die Lernangebote in kurzen Beschreibungen mit Angaben zu Voraussetzungen, Ablauf, Lerngegenständen, Ergebnissen, Zertifikaten, Zielgruppen, Zeitaufwand und Kosten vorgestellt werden. Hier müssen auch weitergehende Informationen und Hinweise zu finden sein, die auf erwartbare Fragen der Lernenden Auskunft geben.
Planung & Verwaltung: Hier müssen den Lernenden Hinweise und Instrumente zur Planung ihrer individuellen oder gemeinsamen Lernaktivitäten zur Verfügung gestellt werden. Hierher gehören auch Kursverwaltung, Teilnahmelisten, persönliche Hinweise der Lernenden, Lehrenden und Experten sowie geschützte Informationen zu Lernverlauf und Lernerfolg.

Mediathek & Ergebnisse: Für die zeitflexible Nutzung der Module auf den Computern der Lernenden müssen dieselben in Datenbanken verwaltet werden können, insbesondere auch wegen der laufenden Aktualisierungen, Ergänzungen und Erweiterungen. Diese müssen einerseits gegen unbefugte Eingriffe und Veränderungen geschützt sein, andererseits aber den Lernenden auch das Einstellen selbst erarbeiteter Lernergebnisse zur Nutzung durch andere Lernende erlauben.
Schnittstellen zu Anwendungssoftware: Damit Lernende schon während der Bearbeitung der Lernmodule Zwischenergebnisse in möglichen Anwendungsfeldern - soweit sie auf dem Computer darstellbar oder über denselben zugänglich sind - zu überprüfen oder anzuwenden, sollten Schnittstellen zu Anwendungssoftware vorhanden sein. Auch für die Erarbeitung der Präsentation weitergehender Lernergebnisse durch die Lernenden sind diese Schnittstellen notwendig.

Kommunikation & Kooperation: Werkzeugen und Formen für Raum und Zeit übergreifendes kooperatives und partizipatives Lernen kommt eine wachsende Bedeutung zu. Zukünftig wird es nicht hinreichend sein, wenn Telelernräume nur E-Mail, Chat und Diskussionsforen unterstützen. Vielmehr wird die Unterstützung von Audio- und Videokonferenzen sowie von geteilten Anwendungen zunehmend wichtiger (vgl. GAISER 2002).

Prüfung & Evaluation: Lernende möchten eine Bestätigung ihrer Lernleistungen und Lernerfolge erhalten und den Lehrenden und Experten ihre Bewertung der Lernunterstützung mitteilen. Dazu müssen passwortgeschützte Bereiche für das Einstellen von Prüfungen und Prüfungsergebnissen vorhanden sein ebenso wie für Evaluationen zur Verbesserung der Qualität laufender und zukünftiger Bildungsangebote.

 

Literatur:

ARNOLD, P. (2003): Kooperatives Lernen im Internet. Qualitative Analyse einer Community of Practice im Fernstudium. Münster: Waxmann Verlag.

ARNOLD, P./THILLOSEN, A. (2003): Gestaltung von Teletutoren-Schulungen am Beispiel der Virtuellen Fachhochschule. In: HOHENSTEIN, A./WILBERS, K. (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst (Beitrag 6.1.3.).

GAISER, B. (2002): Die Gestaltung kooperativer telematischer Lernarrangements. Aachen: Shaker Verlag.

HOHENSTEIN, A./WILBERS, K. (Hrsg.) (2002/2003): Handbuch E-Learning. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst.

HOLZKAMP, K. (1993): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Frankfurt/Main: Campus Verlag.

ZIMMER, G. (1997): Konzeptualisierung der Organisation telematischer Lernformen. In: AFF, J., U.A. (Hrsg.), Zwischen Autonomie und Ordnung - Perspektiven beruflicher Bildung. Köln: Botermann & Botermann, 107-121.

ZIMMER, G. (1998): Aufgabenorientierte Didaktik. Entwurf einer Didaktik für die Entwicklung vollständiger Handlungskompetenzen in der Berufsbildung. In: MARKERT, W. (Hrsg.), Berufs- und Erwachsenenbildung zwischen Markt und Subjektbildung. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 125-167.

ZIMMER, G. (2000): Konzeptualisierung der Pädagogischen Infrastruktur für die telematischen Lehr- und Lernformen an der "Virtuellen Fachhochschule". In: DE CUVRY, A., U.A. (Hrsg.), Erlebnis Erwachsenenbildung. Zur Aktualität handlungsorientierter Pädagogik. Neuwied: Hermann Luchterhand Verlag, 98-109.

ZIMMER, G. (2001): Ausblick: Perspektiven der Entwicklung der telematischen Lernkultur. In: ARNOLD, P., Didaktik und Methodik telematischen Lehrens und Lernens. Lernräume, Lernszenarien, Lernmedien. State-of-the-Art und Handreichung. Münster: Waxmann Verlag, 126-146.

ZIMMER, G. (2003): Aufgabenorientierte Didaktik des E-Learning. In: HOHENSTEIN, A./WILBERS, K. (Hrsg.), Handbuch E-Learning. Köln: Deutscher Wirtschaftsdienst (Beitrag 4.15).