+
+ www.bwpat.de + + www.bwpat.de + + www.bwpat.de + + www.bwpat.de + +
www.bwpat.de + + www.bwpat.de +
+
URL: http://www.bwpat.de/spezial1/hertle-p.shtml
saved on:
15.09.04
 |
EVA M. HERTLE
Die Implementation des Lernfeldkonzepts - zwischen Individualstrategie
und Schulkultur
|
1 Fokus des Beitrags
Die Implementation des Lernfeldkonzepts, so hat sich seit der Einführung
lernfeldstrukturierter Curricula 1996 gezeigt, stellt sich nicht als Selbstläufer
ein. Neben Widerständen in Kollegien (fehlende Kooperations- und
Innovationsbereitschaft), mangelnder Unterstützung seitens der Schulleitungen
(keine aktive Förderung über Fortbildungsmaßnahmen, fehlende
Zugeständnisse bzgl. Handlungsspielräume sowie Ressourcen) sind
es häufig auch organisatorische Probleme (bspw. Zeitrahmen, Raumsituation),
die den Implementationsprozess an vielen Schulen beeinträchtigen
(Die verschiedenen Problembereiche der Implementation sind in einer Vielzahl
von Publikationen bereits aufgearbeitet worden. Vgl. hierzu bspw. Kremer/
Sloane 1999, Bader/ Sloane 2000, Kremer/ Sloane 2001, Kremer 2003, Hertle
2000.).
Die leitenden Fragestellungen des Workshops 2 Strategien zur Umsetzung
des Lernfeldkonzepts wurden in den vorangehenden Beiträgen bereits
vorgestellt. Im folgenden Beitrag sollen gezielt Eindrücke über
die Implementationsprozesse aus dem Modellversuch NELE (Der Modellversuch
NELE (Neue Unterrichtskonzepte durch berufliches Lernen in Lernfeldern)
wurde in den Bundesländern Hessen und Bayern durchgeführt und
von Prof. Peter F. E. Sloane wissenschaftlich begleitet. Hinweise zur
Organisation, zu den Ergebnissen sowie Publikationen, die im Rahmen des
Modellversuchs erstellt wurden, können auf den Internetseiten des
ISB unter: http://www.isb.bayern.de/bes/modell/nele/
sowie auf der Lernfeldplattform unter: http://www.isb.bayern.de/bes/brenn/Lernfeldpl/start.htm
gefunden werden.) skizziert und die hierbei brisant erscheinenden Aspekte
in Form von Thesen pointiert dargestellt werden, um auf diese Weise Anknüpfungspunkte
für die weitere Arbeit im Schwerpunktthema Lernfeldkonzept herauszustellen
(Der Erfahrungspool, auf den ich mich in den folgenden Ausführungen
stützen möchte, setzt sich maßgeblich aus den Ergebnissen
einer umfangreichen Fallstudie an einer Modellversuchsschule (vgl. Hertle
2000) sowie den Ergebnissen einer Abschlussbefragung, die an allen am
Modellversuch beteiligten Schulen durchgeführt wurde, zusammen (vgl.
Beek et. al. 2003).). Dabei soll der Fokus auf organisatorische Gesichtspunkte
gelegt werden, wobei bereits vorweggenommen werden muss, dass dies aufgrund
der komplexen Zusammenhänge der Implementationsaktivitäten nicht
durchgängig gelingt.
2 Strategien zur Umsetzung des Lernfeldkonzepts
Es ist in diesem Beitrag nicht leistbar, die unterschiedlichen Wege,
die an den am Modellvesrsuch beteiligten Schulen zur Implementierung verfolgt
wurden, nachzuzeichnen (Vgl. hierzu Kremer 2003. An dieser Stelle soll
auch nicht die Frage danach gestellt werden, inwiefern überhaupt
von Strategien im Sinne einer strategischen Planung an den Schulen gesprochen
werden kann.). Es kann jedoch festgestellt werden, dass es nicht das (oder
die) richtige(n) Implementationsmodell(e) gibt. Der Implementationsprozess
stellt sich an jeder Schule anders dar und es kann vermutet werden, dass
es eine fast ebenso hohe Anzahl an Implementationswegen gibt, wie es implementierende
Schulen gibt (Wobei sich auch zwischen den Abteilungen/Bildungsgängen
einer Schule der Implementationsprozess durchaus andersartig zeigen kann.).
Die organisatorischen und personellen Bedingungen sowie die zur Verfügung
stehenden finanziellen und materiellen Kapazitäten stellen sich an
den Schulen zuweilen sehr unterschiedlich dar. Daher muss ein gangbarer
Implementationsweg der einen Schule nicht zugleich auch für andere
Schulen zweckmäßig sein. Es kann lediglich die Hoffnung geäußert
werden, dass erfolgreiche Implementationswege den ein oder anderen hilfreichen
Ansatzpunkt für andere Implementationsteams zur Verfügung stellen
oder dass Positivbeispiele motivierend auf diese wirken. Die Implementation
des Lernfeldkonzepts stellt somit keinen einfachen Rezeptionsakt dar,
sondern muss als ein komplexer Entwicklungsprozess verstanden werden,
der die einzelnen didaktischen Betrachtungsebenen in den Blick nimmt.
Optimalerweise müsste sich die Implementation als ein Schulentwicklungsprogramm
darstellen, durch das bisherige Strukturen so verändert werden, dass
sich das Lernfeldkonzept auf curricularer, organisatorischer und mikrodidaktischer
Ebene einfügen lässt.
2.1 Statt einer Auflistung hemmender und fördernder Faktoren:
Drei Thesen
2.1.1 These 1: Die Implementation des Lernfeldkonzepts bedarf einer Anbindung
an konkrete Maßnahmen!
In den Gesprächen mit den am Modellversuch beteiligten Lehrern erfolgten
immer wieder Hinweise darauf, dass sich für den Implementationsprozess
eine gezielte Anbindung an Maßnahmen/Neuerungen förderlich
darstellen. Solche konkreten Maßnahmen sind bspw.:
· Die Neuordnung von Berufsbildern: es zeigt sich, dass sich die
Implementation des Lernfeldkonzepts in Bildungsgängen, deren Berufsbild
neugeordnet wurde, deutlich einfacher gestaltete als in Berufsfeldern,
die bisher nach Fächern strukturiert waren und in denen es nun lernfeldorientiert
zu unterrichten gilt. Es bietet sich daher an, den Schwerpunkt der Implementationsaktivitäten
dort zu legen, wo sich berufsbildbezogene Veränderungen ergeben und
von dort aus die weiteren Entwicklungen voranzutreiben.
· Verankerung von Transferaktivitäten: Der innerschulische
Transfer und damit die Multiplikatorenfunktion der NELE-Teams verläuft
in den meisten Schulen eher bescheiden. Es bedarf einer stärkeren
Kommunikation über das Lernfeldkonzept sowie einer gezielten Einbindung
des Kollegiums in die Lernfeldarbeit.
· Aktionen außerhalb des Schulalltags: Durch Aktionen außerhalb
des regulären Schulalltags können kreative Ideen in einem Quasi-Schonraum
entwickelt werden. Zudem kann durch solche Maßnahmen der Teambildungsprozess
im Kollegium gefördert werden. Im Rahmen der Modellversuchsaktivitäten
haben sich folgende Aktivitäten im Implementationsprozess besonders
positiv, konstruktiv und motivierend herausgestellt:
- bundesland- und schulübergreifende Aktionen,
- gemeinsame Veranstaltungen mit den Lehrerbildungseinrichtungen der Hochschulen
sowie
- mit der Wissenschaftlichen Begleitung (Innerhalb der Modellversuchsaktivitäten
wurde von der Wissenschaftlichen Begleitung bspw. ein so genanntes Theorie-Praxis-Seminar
mit bayerischen und hessischen Lehrern sowie Studenten des Lehrstuhls
für Wirtschaftspädagogik der LMU München durchgeführt.
Hierbei wurde an der Konkretisierung von Lernfeldern und der Entwicklung
von Lernsituationen gearbeitet. Die Veranstaltung wurde im Rückblick
als sehr positiv für die Entwicklungen hervorgehoben (vgl. ISB 2000).
).
Diese Hinweise verweisen auf eine organisatorische Verankerung konzeptioneller
Arbeitsphasen zum Lernfeldkonzept, der gezielten Einbindung des bisher
nicht beteiligten Kollegiums sowie der Förderung des institutionsübergreifenden
Austausches im Implementationsprozess.
2.1.2 These 2: Die Implementation des Lernfeldkonzepts muss als bottom-up
Prozess begleitet werden!
Die Erfahrungen aus dem Modellversuch zeigen, dass die Implementation
nicht auf Anweisung aus der Schulleitung durchgesetzt werden kann. Lehrende,
welche die entscheidenden Akteure in diesem Prozess darstellen, müssen
eine eigene Motivation entwickeln, die Implementation voran zu treiben.
Wichtig hierfür sind geeignete Rahmenbedingungen, die sich insbesondere
in einem vergrößerten Entscheidungsspielraum hinsichtlich Lehrereinsatz-,
Raum- und Stundenplanung sowie ggf. finanzieller Mittel zeigen. Erst so
wird es den Bildungsgangteams ermöglicht, in einem geeigneten Rahmen
lernfeldorientiert zu arbeiten, insbesondere Unterrichtssequenzen zu entwickeln,
durchzuführen und auszuwerten. Es bedarf somit einer Verlagerung
von Entscheidungskompetenz aus der Schulleitungsebene nach "unten"
in das Kollegium, um die Implementation auf Kollegiumsebene zu ermöglichen.
Eine Vergrößerung des Entscheidungsspielraumes erfolgte insbesondere
in den hessischen Schulen. Hier konnten die Entwicklungen vergleichsweise
zügig vorangetrieben werden, da eine stärkere Verantwortungszuschreibung
in bezug auf unterschiedliche organisatorische, personelle sowie finanzielle
Entscheidungen an die einzelnen Abteilungen erfolgte und die Implementation
des Lernfeldkonzeptes von diesen aus vorangetrieben wird. In den bayerischen
Schulen erfolgte keine offensichtliche Kompetenzverlagerung, so dass sich
die Arbeit in weitgehend festgelegten engen organisatorischen Strukturen
vollziehen muss.
Die erfolgreiche Umsetzung des Lernfeldkonzepts bedarf einer breit angelegten
innerschulischen Dissemination. Bezogen auf die Modellversuchsarbeit stellt
sich daher die Frage, ob an den Schulen eine Verbreiterung des Lernfeldkonzepts
stattgefunden hat (Der Frage, welche konkreten Transfereffekte sich einstellten,
kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden.). Es zeigte sich, dass
dies an den NELE-Schulen nur begrenzt erfolgte und die NELE-Teams nur
selten aus dem Status einer isoliert agierenden Arbeitsgruppe heraus kamen.
Sowohl in eher autoritär geprägten Strukturen als auch in eher
nicht-autoritären Strukturen ist daher das Engagement im Implementationsprozess
durch die Schulleitung unverzichtbar. Während es in vergleichsweise
autoritären Strukturen neben den geeigneten Rahmenbedingungen tendenziell
einer stärkeren Steuerung der Transferaktivitäten bedarf (An
einer Schule zeigte sich, dass durch die Schulleitung zwar relativ gute
Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt wurden, der Implementationsprozess
jedoch nicht über das Modellversuchsteam hinausging. Dies kann dadurch
erklärt werden, dass hierbei keine Steuerung durch die Schulleitung
erfolgte, die jedoch in autoritären Strukturen notwendig wäre.),
sind es in eher nicht autoritär geprägten Strukturen dagegen
vielmehr die geeigneten Rahmenbedingungen in Verbindung mit einer unterstützenden
Begleitung, die für einen schulweiten Transfer förderlich sind.
Es kann festgehalten werden, dass die Schulleiterrolle eine entscheidende
Funktion bei der Implementation sowie beim schulweiten Transfer, sich
jedoch je nach Führungsstil differenziert darstellen muss. Weitere
Aspekte, welche die Verbreiterung des Lernfeldkonzeptes beeinflussen sind
zum einen die Schulgröße, in kleineren Schulen stellt sich
in der Tendenz eine Verbreiterung einfacher dar, sowie die Betroffenheit
der einzelnen Abteilungen vom Lernfeldkonzept. Abteilungen, deren Bildungsgang
noch nicht nach Lernfeldern geordnet wurde, befinden sich meist in einer
abwartenden Haltung diesem Konzept gegenüber.
2.1.3 These 3: Eine maßgebliche Determinante des Implementationsprozesses
ist die Schulkultur!
Bereits zu Beginn des Beitrags wurde die These vertreten, dass die Implementation
des Lernfeldkonzepts keinen Rezeptionsakt darstellen kann, sondern einen
"schulindividuellen" Implementationsprozess, den jede Schule
für sich gestalten muss. Der Erfolg hängt auch nicht von einzelnen
Faktoren ab, sondern von vielen, sich gegenseitig bedingenden, die immer
auch Ausdruck der jeweiligen Schulkultur sind. In einem didaktischen Ebenenmodell
gedacht, geht es also um das Zusammenspiel curricularer, organisatorischer
und personeller Faktoren. Der Schulleiter nimmt dabei eine zentrale steuernde
Funktion ein und es liegt sehr stark an seiner Verantwortung, ob sich
das Lernfeldkonzept schließlich durchsetzt oder ob dieses lediglich
eine weitere Reformoption darstellt, die von den Beteiligten "ausgesessen
werden kann".
In Anlehnung an das Organisationskulturmodell von Kolbeck/ Nicolei würde
sich die Schulkultur auf drei Ebenen manifestieren: der Sinnebene, der
organisatorischen Ebene sowie der sichtbaren Ebene. Die Sinnebene ist
der Kernbereich einer Organisationskultur in dem Grundannahmen über
die Identität und die angestrebten Ziele verankert sind. Auf der
Strukturebene manifestieren sich die durch die Sinnebene determinierten
Erwartungen an Rollen, Personen oder auch Programme sowie die vorhandenen
Werte und Normen einer Organisation. Die sichtbare Ebene einer Organisation
ist die Ebene, auf der für einen Beobachter u. a. Mitteilungen, sprachliche
Äußerungen, Sagen, Legenden, Feste direkt zugänglich sind
(vgl. Kolbeck/ Nicolai 1996).
Für die erfolgreiche Implementation des Lernfeldkonzepts ist es
somit notwendig, dass zum einen der schulkulturelle Rahmen passt, d. h.
dass die drei Ebenen in sich konsistent sind und zum anderen, dass dieser
eine Implementation des Lernfeldkonzeptes zulässt und diese fördert.
Dies ist sehr knapp formuliert dann der Fall, wenn erstens ein innerschulischer
Konsens hinsichtlich Leitbilder und Zielvorstellungen existiert (Sinnebene),
bezogen auf das Lernfeldkonzept wäre dies bspw. die Förderung
einer umfassenden Handlungskompetenz, zweitens die notwendigen organisatorischen
Voraussetzungen und Entscheidungsspielräume zur Verfügung gestellt
oder entwickelt werden (organisatorische Ebene), für die Arbeit im
Lernfeldkonzept sind hierbei insbesondere raum-zeitliche, personelle sowie
finanzielle Zugeständnisse von Bedeutung, und drittens, dass das
Lernfeldkonzept schließlich auch sichtbar gelebt', d. h. gemäß
der leitenden Zielvorstellungen praktiziert wird (sichtbare Ebene).
Literatur:
Bader, R./ Sloane, P.F.E. (2000): Lernen in Lernfeldern - Theoretische
Analysen und Gestaltungsansätze zum Lernfeldkonzept. Beiträge
aus den Modellversuchsverbünden NELE und SELUBA. Markt Schwaben.
Beek, H./ Binstadt, P./ Hertle, E. M./ Kremer, H.-H./ Sloane, P.F.E. (2003):
Abschlussbericht BLK-Modellversuch "Neue Unterrichtsstrukturen und
Lernkonzepte durch berufliches Lernen in Lernfeldern". München
und Wiesbaden.
Hertle, E. (2000): Analyse von Kommunikations- und Kooperationsstrukturen
innovativer Arbeitsgruppen, unveröffentlichte Diplomarbeit. München.
ISB (2000): Modellversuchsinformation NELE Nr. 3: Running into practice
- Theorie-Praxis-Seminar zum Lernfeldkonzept, 9/00. Hrsg. vom Institut
für Schulpädagogik und Bildungsforschung, Abteilung Berufliche
Schulen. München. Online: http://www.isb.bayern.de/bes/download/modell/nele/Nele-Flyer3.pdf
(22.07.03).
Kolbeck, C./ Nicolai, A. (1996): Von der Organisation der Kultur zur Kultur
der Organisation. Marburg.
Kremer, H.-H./ Sloane, P.F E. (1999): Lernfelder implementieren - erste
Umsetzungserfahrungen lernfeldstrukturierter Curricula. Münchener
Texte zur Wirtschaftspädagogik, Heft 17. München.
Kremer, H.-H./ Sloane, P.F.E. (2001): Lernfelder implementieren. Zur Entwicklung
und Gestaltung fächer- und lernortübergreifender Lehr-/ Lernarrangements
im Lernfeldkonzept. Paderborn.
Kremer, H.-H. (2003): Implementation didaktischer Theorie - Innovationen
gestalten. Annäherung an eine theoretische Grundlegung im Kontext
der Einführung lernfeldstrukturierter Curricula. Paderborn.
|