In den letzten Jahren haben sich aufgrund der neuen Medien neue Formen der Arbeitsorganisation sowie neue Geschäftsmodelle entwickelt, die auch in Lernfirmen berücksichtigt werden bzw. werden sollten. Diesbezüglich sind insbesondere Telearbeit und E-Business in Verbindung mit EDV-technischen Lösungen (z. B. Online-Shops, ERP-Software, E-Mail, Groupware) zu nennen. In zahlreichen Übungsfirmen kommen ERP-Programme zum Einsatz; darüber hinaus wird die Einrichtung von Online-Shops von der Zentralstelle des Deutschen Übungsfirmenrings unterstützt.
In diesem Beitrag wird schwerpunktmäßig der Einsatz von Telearbeit fokussiert. Der vollständige oder teilweise Betrieb von Übungsfirmen via Telearbeit kann sich aus verschiedenen Gründen anbieten. Einerseits können die Lernenden diese neue Form der Arbeitsorganisation praktisch erleben und die erforderlichen Kompetenzen (z. B. telekooperatives Arbeiten, Handhabung der Software). Anderseits können Lernende angesprochen werden, für die eine Arbeit in der Übungsfirma vor Ort (z. B. aufgrund der Fahrtzeiten, der familiären Verpflichtungen oder wegen körperlichen Behinderungen) nur bedingt möglich ist.
Der virtuelle Betrieb von Übungsfirmen wirft hinsichtlich der didaktisch-methodischen und technischen Ausgestaltung neue Herausforderungen auf. Aus didaktisch-methodischer Sicht ist beispielsweise zu fragen, in welchem Umfang Telearbeit betrieben werden soll (ausschließliche oder alternierende Telearbeit) und wie die virtuelle Zusammenarbeit der Lernenden und Betreuung durch Lernenden gestaltet werden kann. Aus technischer Sicht ist bedeutsam, dass die ERP-Software über das Netz betrieben werden kann und welche weiteren Tools zur Unterstützung der netzbasierten Kommunikation und Kooperation eingesetzt werden sollen.
In diesem Beitrag werden die Potentiale sowie didaktisch-methodische und technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Telearbeit in Modellunternehmen aufgearbeitet. Dabei werden zwei Praxisbeispiele berücksichtigt:
Die Berufsbildungswerke in Neckargemünd und Hannover bilden seit dem Jahr 2000 schwerstkörperbehinderte Menschen nahezu vollständig virtuell via E-Learning und Telearbeit zu Bürokaufleuten inklusive Abschlussprüfung aus.
Zum Schuljahr 2006/07 führt das Berufskolleg Ennepetal (BEN) den Bildungsgang „Staatlich geprüfte Kaufmännische Assistentin / Staatlich geprüfter Kaufmännischer Assistent und Fachhochschulreife“ in der einjährigen Form für die Absolventinnen und Absolventen der Höheren Handelsschule ein. Pro Woche wird an zwei Tagen in der Übungsfirma gearbeitet. Nach der Startphase sollen die Schülerinnen und Schüler einen Tag von zu Hause aus arbeiten.
Während die schwerstkörperbehinderten Auszubildenden der besagten Berufsbildungswerke ausschließlich via Telearbeit in den Übungsfirmen tätig sind, wird in der Übungsfirma des Berufskollegs Ennepetal alternierende Telearbeit betrieben.