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 bwp@ Ausgabe Nr. 11 | November 2006
Qualifikationsentwicklung und -forschung für die berufliche Bildung

Segmentierung von Anforderungsniveaus – Das Erkenntnis­potenzial von Qualifikationsentwicklungsforschung

 

 

 


1. Problemaufriss

Qualifikationsforschung gilt ein wichtiges Mittel zur vorausschauenden Modernisierung des Systems der beruflichen Aus- und Weiterbildung (BROSI 2000, 259). Ihre Grundlage ist der stetige Wandel der Bestimmungsfaktoren von Erwerbsarbeit: Märkte, Technik, Branchen- und Betriebsstrukturen usw. Dieser Wandel ist bisher grundsätzlich unter den Prämissen steigender Anforderungen und dem Trend zu höheren Bildungsabschlüssen diskutiert und untersucht worden. Nach der Seite der Bildungsbeteiligung und der qualifikationsspezifischen Beschäftigungsentwicklung ist diese Tendenz – seit Mitte der 90er Jahre verlangsamt (REINBERG/ HUMMEL 2001) – offenkundig und wird als zukunftsentscheidende Standortbedingung politisch propagiert und gefördert. Zumindest für den Bereich ‚gewerbliche Tätigkeiten in der Industrie' gibt es allerdings seit einiger Zeit Hinweise, die die Eindeutigkeit und Linearität der „Höherentwicklung“ für die Seite der Anforderungsstruktur der betrieblichen Arbeitsplätze relativiert (SPRINGER 1999; DÖRRE/ PICKHAUS/ SALM 2001; LACHER 2001; 2006). Bereits HENNINGES (1996) verwies anhand von quantitativen Analysen darauf, dass es zu den genannten Trends „gegenläufige Entwicklungen gibt“ (ebd., 74). Er hob dabei insbesondere auf die Diskrepanz zwischen der Entwicklung des Qualifikationsniveaus der Beschäftigten und den Anforderungen der Arbeitsplätze ab: Den formal immer besser qualifizierten Beschäftigten stünden bei weitem nicht im gleichen Umfang höherwertige betriebliche Positionen gegenüber. Dies habe eine Verdrängung von ungelernten Beschäftigten „auf allen Ebenen, durch Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung“ (ebd.) zur Folge und damit zugleich eine Zunahme von, qualifikatorisch gesehen, „inadäquater“ oder „unterwertiger“ Beschäftigung.

Für die duale Ausbildung, die Arbeitsmarktpolitik im Hinblick auf bestimmte Zielgruppen (vor allem gering Qualifizierte) und die Förderung der beruflichen Weiterbildung sind detaillierte Informationen über den qualifikatorischen Wandel von großer Bedeutung. Denn sie fließen ein u. a. in die Gestaltung von Aus- und Fortbildungsberufen, von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten und von Weiterbildungsordnungen. Dieser Informationsbedarf geht über makrostrukturelle Daten weit hinaus und umfasst detaillierte Informationen über die Arbeitsinhalte, Arbeitsvorgänge und betriebliche Abläufe, d. h. über die Genese und den Inhalt veränderter betrieblicher Anforderungen. Dazu gehören auch Erkenntnisse über technologische und arbeitsorganisatorische Veränderungen und betriebswirtschaftliche Motive, die zur Entstehung neuer Tätigkeitsbündel führen – gleichgültig, in welche Richtung sich das Anforderungsniveau bewegt.

Bei der Bestimmung von Trends muss nach Wirtschaftszweigen, Branchen und Zielgruppen differenziert werden. Während beispielsweise bei der Ausbildung und Beschäftigung von Akademikern in Deutschland weiterhin – im Vergleich mit anderen OECD-Staaten sogar nachholender – Bedarf prognostiziert wird (REINBERG/ HUMMEL 2005; OECD 2005), zeigt eine aktuelle Analyse der Beschäftigungsentwicklung gering Qualifizierter ein weiteres Sinken der Beschäftigterzahlen in den traditionell stark mit ungelernten Personal besetzten Branchen (insbesondere des verarbeitenden Gewerbes) und allenfalls leichte Beschäftigungsgewinne in bestimmten Dienstleistungsbranchen (HIERMING u. a. 2005, 21 ff.). Die oben angesprochenen Indizien für ein sinkendes bzw. stagnierendes Anforderungsniveau bei gewerblichen Tätigkeiten haben wiederum nur Gültigkeit für bestimmte Branchen in der Industrie, genauer: für die industrielle Großserienfertigung und -montage, insbesondere in der Automobilindustrie (LACHER ebd.).

Der Beitrag präsentiert Ergebnisse qualitativer Untersuchungen von einfachen Tätigkeiten in Industrie und Dienstleistung. Ausgehend davon wird ein Modell der Segmentierung betrieblicher Anforderungsniveaus vorgestellt. Abschließend werden daraus Schlussfolgerungen gezogen für die berufliche Aus- und Weiterbildung, für den Umgang mit Problemgruppen des Arbeitsmarktes sowie für die Qualifikationsforschung.

2.  Einfache Arbeit im Wandel

Das Beschäftigungssegment der einfachen Tätigkeiten rückt vor allem in Zusammenhang mit arbeitmarktpolitischen Themen in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Die Hintergründe der hohen Arbeitslosigkeit unter gering qualifizierter Erwerbspersonen und Strategien für bessere Beschäftigungschancen sind daher seit einigen Jahren viel diskutiertes Thema (ARBEITSGRUPPE BENCHMARKING 1999; RAUCH 2001; FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG 2003; SOLGA 2005).

Als hauptsächliche Ursachen für die prekäre Arbeitsmarktsituation gering Qualifizierter (Höhe und Verlauf der Arbeitslosenquote, Erwerbsquote usw.) gelten (siehe ebd.; REINBERG 1999, 2003):

•  Die Verdrängung durch formal qualifizierte Arbeitskräfte;

•  Gestiegene Arbeitsanforderungen auch auf Nicht-Facharbeiter-Positionen;

•  Verlagerung arbeitsintensiver Fertigungs- und Montagearbeitsplätze in Billiglohnländer;

•  Beschäftigung in prekären Arbeitsverhältnissen; häufig von Arbeitslosigkeit unterbrochen.

Im Folgenden wird anhand von qualitativen Untersuchungsergebnissen vor allem auf den Aspekt der gestiegenen Tätigkeitsanforderungen eingegangen.

2.1  Untersuchung einfacher Tätigkeiten

Das f-bb beschäftigt sich seit dem Jahr 2000 mit der Früherkennung von Qualifikationsentwicklungen im Rahmen der Früherkennungsinitiative „FreQueNz“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (bmbf). Gegenstand der Untersuchungen sind „einfache Hilfs- und Fachtätigkeiten“ (WEIDIG et. al. 1999, 34).

In einer qualitativen Untersuchung wurden allgemeine Trends der Entwicklung von Helferqualifikationen mit branchenübergreifender Bedeutung ermittelt (ZELLER et al. 2004a; dies. 2004b). Dieser Untersuchung lag die These zugrunde, dass insbesondere die permanenten technischen und betriebsorganisatorischen Wandlungsprozesse und eine veränderte Qualität von berufsförmiger Facharbeit auch Auswirkungen auf die unteren Hierarchieebenen in den Betrieben haben. Die Charakteristik des Wandels von Hilfs­tätigkeiten und einfacher Facharbeit wurde mit Hilfe von betrieblichen Fallstudien, Arbeits­prozessanalysen, Expertenworkshops und Befragungen in Betrieben (14 Fallstudien, ca. 40 Interviews) unterschiedlicher Branchen erhoben.

2.1.1  Exkurs: An- und Ungelernte, gering Qualifizierte, Nicht-formal-Qualifizierte – einfache Arbeit, Hilfsarbeit, Anlerntätigkeiten?

Die in der Überschrift genannten Begriffe werden von unterschiedlichen Perspektiven aus verwendet. Das jeweils Gemeinte ist daher nicht notwendig identisch. Dies gilt sowohl für die Bezeichnung von Kollektiven (gering Qualifizierte, An- und Ungelernte usw.), als auch für die Charakterisierung von Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsbündeln. Zu unterscheiden sind u. a. die Sichtweisen der Forschung, von Unternehmensvertretern und der Fachöffentlichkeit:

•  Die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung verwendet das Kriterium eines staatlich anerkannten Berufsabschlusses um die Gruppe der „Nicht-formal-Qualifizierten“ (RAUCH 2001; REINBERG 2003) zu definieren. Das Tätigkeitsniveau wird zum einen über die qualifikatorischen Anforderungen des Arbeitsplatzes, zum anderen über das betrieblich hergestellte Qualifikationsniveau der Arbeitsplatzinhaber bestimmt. So sind Hilfstätigkeiten solche, „für die eine qualifizierende Berufsausbildung i. d. R. nicht vorausgesetzt wird“ (WEIDIG/ HOFER/ WOLFF 1999, 34). Als „Einfache Fachtätigkeiten“ gelten Tätigkeiten, „die häufig von angelerntem Personal ausgeübt werden“ (ebd.).

•  Unternehmensvertreter definieren Tätigkeiten einerseits nach dem Aufwand zur Befähigung des Mitarbeiters („reine“ Anlerntätigkeiten vs. qualifizierte Facharbeit), andererseits, und weitaus häufiger, nach dem tariflichen Status, d. h. nach der Leistungsgruppe (Hilfsarbeiter, angelernter Arbeiter). Hier ist die Frage, ob die Einstufung der Beschäftigten in die Tarifstruktur nach formalen (Abschlüsse) und/oder inhaltlichen Kriterien (Können, Erfahrungswissen usw.) erfolgt.

•  In der aktuellen arbeitsmarktpolitischen Diskussion, Stichworte: Kombilohn, Niedriglohnsektor, ist die Gleichsetzung von einfachen Tätigkeiten mit niedrig entlohnter Arbeit zu beobachten. D. h. als einfache Arbeit gilt, wofür geringe Löhne oder Gehälter gezahlt werden. Die Aspekte „Arbeitsanforderungen“ und „Qualifikationen“ werden somit völlig ausgeblendet.

Die Frage nach dem Anforderungsniveau der Arbeit kann nur mittels inhaltlicher Kriterien (Autonomie, Wissensbasis, Verantwortung usw.) empirisch beantwortet werden. Hinsichtlich der Abgrenzung der Personengruppe ist, in Anbetracht des moralischen Verschleißes formaler Qualifikationen und des Phänomens nicht qualifikationsadäquater Beschäftigung, davon auszugehen, dass die Gruppe der „formal nicht Qualifizierten“ nicht gleichzusetzen ist mit der der An- und Ungelernten. Diese reicht vom formal gesehen ungelernten Hilfsarbeiter über den berufsfremd eingesetzten Facharbeiter bis zum berufserfahrenen Angelernten in gehobener Position. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass der tatsächliche Qualifikationsstand, also das individuell verfügbare Wissen und Können, wesentlich durch Berufserfahrungen sowie durch informelle und auch nicht formal zertifizierte Formen der Weiterbildung bestimmt wird.

„Gering Qualifizierte“ und „An- und Ungelernte“ werden im Folgenden synonym verwendet.

2.1.2  Allgemeine Tendenzen der Entwicklung einfacher Arbeit

Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich in der Aussage zusammenfassen, dass der allgemeine Qualifikationsshift auch den Bereich der einfacheren Tätigkeiten erfasst hat. D. h., „einfache Arbeit“ erfordert mehr und andere Kompetenzen als noch vor 10 oder 15 Jahren. Die verallgemeinernde Gleichsetzung von einfacher Arbeit - gekennzeichnet durch die Stellung der Ausführenden im Betrieb und deren Qualifikation – mit einem sehr geringen Anforderungs­niveau spiegelt die Realität in der Arbeitswelt nicht mehr wider: War Arbeit unterhalb des Facharbeiterniveaus in der Vergangenheit gekennzeichnet durch die reine, d. h. unselbständige Ausführung von gleichförmigen, isolierten, anregungsarmen Handgriffen und Verrichtungen, so prägen heute in innovativen Unternehmen vielschichtige, teilweise selbst gesteuert zu bewältigende Anforderungssituationen das Bild, die auf einer breiteren Wissens- und Könnensbasis gründen. D. h., „einfache Arbeit“ wird komplexer durch die betriebs- und arbeits­platz­spezifische Verknüpfung von manuellem Arbeitshandeln mit Entscheidung, Kom­munikation und Verstehen. Der Trend bei gewerblichen Tätigkeiten geht zu Dienstleistungstätigkeiten am Produktionsprozess, die von generalistischen Fähigkeiten, mehr fachlichem know how und Verantwortung getragen sind. Eine Tendenz zu mehr Selbständigkeit, Verantwortung und Können zeigt sich auch bei einfacheren Tätigkeiten im Dienstleistungssektor. Hier sind insbesondere soziale Kompetenzen, Belastbarkeit sowie zeitliche und räumliche Flexibilität wichtig (HIERMING u. a. 2005).

2.2  Forschung an der Schnittstelle von einfacher Arbeit und Facharbeit

Derzeit führt das f-bb eine Untersuchung von elektrotechnischen Tätigkeiten in der Metall- und Elektroindustrie durch. Das Vorhaben zielt auf die Spezifizierung der allgemeinen Trends der Entwicklung einfacher Arbeit (siehe 2.1). Bisher wurden 13 Fallstudien in Betrieben der Elektroindustrie und des Maschinenbaus in Bayern durchgeführt. Die untersuchten Betriebe beschäftigen zwischen 200-1000 Mitarbeiter am jeweiligen Standort; Großserienproduktion gibt es in keinem der Fälle. Gegenstand der Untersuchung sind Veränderungen des Anforderungsniveaus an der Schnittstelle von einfacher bzw. Anlerntätigkeiten und Facharbeit. Dabei sind neben Anforderungsprofilen unterhalb von Facharbeit vor allem die Segmentierungsprozesse in der betrieblichen Qualifikationsstruktur sowie deren Hintergründe (technologische Entwicklungen, Änderung der Betriebsorganisation usw.) Ziel- bzw. Fragestellungen des Projektes.

Für Früherkennung mit dem Fokus „Entwicklungen an der Schnittstelle Facharbeit – einfache Arbeit“ ist in der betrieblichen Wertschöpfungs­kette das Segment Fertigung/Montage relevant. Dort ist die Mehrheit sowohl der un- und angelernten gewerblichen Mitarbeiter wie auch der Facharbeiter beschäftigt. Branchenberichte und Forschungs­projekte zeichnen ein vielgestaltiges Bild der Veränderungen in diesem Bereich. Die wenigen verfügbaren, nicht repräsentativen Daten und Informationen zeugen vor allem von einer hohen Dynamik der Veränderungen bei Produkten, Produktionstechniken und Unternehmensstrukturen, Aufgaben- und Funktionszuschnitten; wobei zwischen den Subbranchen und Regionen Unterschiede angenommen werden müssen.

2.2.1  Branchenmerkmale

Der Maschinenbau und die Elektroindustrie (Umfasst die Unterbranchen Büromaschinen/Datenverarbeitungsgeräte, Herstellung von Elektrizitätsgeräten, Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik, Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik/Optik und ggf. Teile des ITK-Sektors, z. B. Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen (siehe IG METALL 2003a).) sind wachstums- und umsatzstarke Branchen mit essentieller Bedeutung für den gesamten Produktionsstandort Deutschland (VDE 2005; IG METALL 2003a/b). Ihre Rolle als Leitindustrien und Innovationsmotoren zeigt sich an dem hohen Anteil von Unternehmen, die Innovationen einführen und an der Innovationsintensität (siehe ebd.). Beide Branchen liegen hier klar vor den meisten anderen des verarbeitenden Gewerbes. Hinzu kommen - als Indikatoren für Innovationskraft - ein hoher Anteil von neuen bzw. jüngeren Produkten am Umsatz, die steigende Anzahl der angebotenen Varianten von Hauptprodukten und der wachsende Einsatz neuer Materialien (KINKEL 2005).

a) Allgemeine Entwicklung der Produktionsstrukturen, Beschäftigtenstruktur

In der Elektroindustrie hat eine Abkehr von tayloristischen Produktionskonzepten im Vergleich etwa zur Automobilindustrie relativ spät eingesetzt und nur Teile der Branche erfasst. Innovative arbeitspolitische Konzepte waren bis in die 90er Jahr hinein seltener zu finden als anderswo und sie sind in Ihren Wirkungen durchaus ambivalent (KUHLMANN u. a. 2004). Der Maschinenbau war wegen der kleinbetrieblichen Struktur, wenig ausgeprägter Produktstandardisierung und kleiner Losgrößen bisher keine Domäne tayloristischer Arbeitsorganisation (KUHLMANN u. a. 2004, 244). Die damit verbundene „vergleichsweise geringere Arbeitsteilung und die höhere Komplexität der Arbeitsaufgaben“ (vgl. ebd., 245) schlagen sich unter anderem in der Beschäftigtenstruktur nieder: Der Anteil der An- und Ungelernten ist in dieser Branche seit 1980 besonders drastisch gesunken und liegt nunmehr deutlich unterhalb dem anderer Branchen des verarbeitenden Gewerbes (IG METALL 2003b, 14).

Die Beschäftigtenstruktur in den beiden Branchen hat sich in den letzten 5-10 Jahren indes kaum verändert. In der Elektroindustrie beträgt der Facharbeiteranteil seit 1997 konstant 57%, der der Un- und Angelernten ca. 33%. Im Maschinenbau werden ca. 16% der gewerblichen Mitarbeiter als An- und Ungelernte beschäftigt, die Facharbeiterquote liegt bei knapp 43 % (IG Metall 2003). Auch hier gibt es seit 1998 keine große Dynamik (GESAMTMETALL 2005; IG METALL 2003b).

In beiden Branchen sind neben die traditionell manuellen Fertigungs- und Montageprozesse automatisierte Abläufe getreten, die inzwischen weit von Informations- und Kommunikations­technologie durchdrungen sind (ZECH 2000, 78 ff.). Allerdings setzen die hohe Varianten­vielfalt, Unikatfertigung, Kleinserien, wechselnde Liefer­kombinationen sowie – insbesondere in der Elektroindustrie – die Vorteile der taktilen und feinmotorischen Eigenschaften des Menschen einer weitgehenden Montage­automatisierung Grenzen. So gibt es in der Metall- und Elektroindustrie weiterhin manuelle Montage­tätigkeiten in relevantem Umfang (vgl. ebd., 81).

b) Arbeitsorganisation

Arbeitsorganisatorische Umstrukturierungen finden in den beiden Branchen permanent statt, allerdings variiert die Entwicklung und die Geschwindigkeit der Prozesse von Betrieb zu Betrieb (EQUIB 2004, 43). Charakteristisch sind die Einführung von Gruppen- und Projektarbeit, die mit einer Verringerung der Vorarbeiterpositionen ein­hergehen (KUHLMANN u. a. 2004, 211). Gefragte Qualifikationen sind in diesem Zusammenhang Selbst­management, Prozesswissen, Grundwissen aus den Berufsfeldern Elektro­technik und Metall.

c) PE-Praxis

Trotz allgemein steigender Anforderungen ist die Gruppe der an- und ungelernten Produktionsarbeiter(innen) kaum in systematische Weiterbildungsmaßnahmen mit fachlichen Inhalten einbezogen. Die Angebote beschränken sich auf kurze Anpassungs­unterweisungen und “partielle Nachqualifizierung“ (ZECH 2000, 98) im Rahmen von Reorganisationsprojekten (KUHLMANN u. a. ebd.; ZECH ebd., 98 ff., 228 ff.). Hauptquelle für die Rekrutierung von Fachkräften ist die Ausbildung; seit 2003 in den neuen industriellen Elektro-, seit 2004 in den neu geordneten Metallberufen. Dabei gibt es Berichte über den Mangel von Fachkräften (Elektriker, Konstrukteure) auf regionalen Arbeits­märkten (EQUIB 2004, 44).

2.2.2  Vorläufige Untersuchungsergebnisse

Einfache, d. h. in sehr kurzer Zeit erlernbare Arbeit mit elektrotechnischen Inhalten gibt es nur sehr wenige. Beispiele dafür wären Löten (manuelle Bestückung von Platinen), das Konfektionieren von Kabeln und das Testen von Baugruppen. In gewissen Umfang sind in den besuchten Betrieben noch Frauen als Ungelernte auf Lötarbeitsplätzen eingesetzt. Ansonsten sind ungelernte Mitarbeiter in diesen Firmen auf einfachen Montagearbeitsplätzen und in peripheren Bereichen (Verpackung, Logistik usw.) zu finden. Angelernte, d. h. Mitarbeiter mit meist branchenfremder Berufsausbildung – finden sich auf den folgenden Arbeitsplätzen:

 

Zum Teil werden diese Aufgaben, z. B. Schaltschrankbau/Schaltschrankverdrahtung, Maschinen- und Anlagenverdrahtung, Montage von Bauteilen/Baugruppen/Systemen, von einschlägig Qualifizierten, also in einem industriellen Elektroberuf ausgebildeten Fachkräften ausgeführt. Für die befragten Betriebsvertreter, in aller Regel Ausbildungsverantwortliche und Fertigungsleiter, sind 3,5 jährig Ausgebildete für diese Tätigkeiten jedoch überqualifiziert. Sie werden von den Unternehmen bevorzugt in den Bereichen Inbetriebnahme, Wartung, Instandhaltung, Reparatur, Kundenservice eingesetzt. Diese Tätigkeiten nähern sich partiell denen eines Konstrukteurs, Ingenieurs an, etwa bei der Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen, bei der Fehlersuche oder bei Programmieraufgaben. Letztlich sind deshalb nach Auskunft der Befragten in einem industriellen Elektroberuf ausgebildete Mitarbeiter für die o. g. Fertigungs- und Montageaufgaben „zu schade“. Ein längerer Einsatz dort birgt für die Firmen das Risiko der Abwanderung der Facharbeiter. Für die Facharbeiter selbst sind diese Tätigkeiten eine notwendige Durchgangsstation auf dem Weg zu anspruchsvollen Aufgaben.

In den indirekten Bereichen der Produktion (Anlagensteuerung, Reparatur, Instandhaltung) und in der Endkontrolle sind die Anforderungen an die Facharbeit gestiegen: Gefragt ist vor allem die Anwendung komplexen Fachwissens (Elektrotechnik, Elektronik) auf spezifische betriebliche Problemstellungen. Dies schließt die Spezialisierung auf bestimmten, jeweils betrieblich relevanten Feldern ein, z. B. Hochfrequenztechnik, Steuerungstechnik usw., und setzt auch ausgeprägte PC-Kenntnisse (Hard- und Software, Bedienung, Programmsprachen) voraus. In dem Maße, wie Facharbeit auf hochwertige Gewährleistungs- und Servicefunktionen verlagert wird, ist auf Vorarbeiterpositionen, die meist mit Angelernten besetzt sind, ein deutlicher Anstieg der Anforderungen zu beobachten. Sie sind für sichere Prozesse, optimale Auftragsbearbeitung, Einhaltung von Qualitätskriterien und die Behebung kleinerer technischer Störungen verantwortlich. Ein Beispiel dafür ist die Führung und Bedienung von SMT-Bestückungsanlagen.

2.2.2.1  Beispiel SMT-Bestückung

Eine SMT-Fertigungslinie besteht aus mehreren, mit einander verketteten Komponenten. Hauptbestandteile sind der Surface mounted device-(SMD)-Drucker, der Bestückautomat und der SMD-Ofen, dazwischen gibt es Magazine, Bänder, Kontroll- und Reparaturplätze. Mit diesen Maschinen werden Leiterplatten mit elektronischen Bauteilen bestückt und verlötet. An die SMD-Bestückung schließt sich in aller Regel die manuelle Nachbestückung an. Hier werden die Bauteile, die nicht automatisiert bestückt werden können, von Hand verlötet. Bisher sind es Angelernte, die diese Fertigungslinien bedienen, ihnen steht pro Schicht ein Facharbeiter (z. B. Industriemechaniker) vor. Für größere Wartungs- und Reparaturarbeiten wird auf die interne Instandhaltung oder Personal des Herstellers der Maschinen zurückgegriffen. Die Anlernzeit für Bediener in der SMD-Bestückung beträgt sechs Monate bis ein Jahr.

Die Anforderungen an die angelernten Bediener, von denen jeweils einer als Linienführer fungiert, steigen aus unterschiedlichen Gründen:

•  Die Firmen sind daran interessiert, Facharbeiterpositionen in diesem Bereich einzusparen. D. h. die Aufgaben der Schichtführer sollen von angelerntem Personal übernommen werden. Dieses Motiv ist insbesondere bei Schichtbetrieb relevant, insofern in der Spät- und Nachtschicht mit weniger Personal kalkuliert wird.

•  Die Komplexität der Abläufe nimmt unter anderem zu durch die steigende Anzahl der zu fertigenden Baugruppen (Platinen) bei jeweils geringerer Stückzahl. Das macht u. a. häufiges Umrüsten der Maschinen nötig, verkompliziert die Planung der Auftragsfolge und erhöht die Zahl der möglichen Fehler bei der Bestückung und beim Löten.

•  Die Maschinentechnik wird aufwendiger, enthält mehr Elektronik und ist mit EDV-Systemen vernetzt. Das wirkt sich vor allem bei der technischen und prozesstechnischen Problembehebung, also bei Defekten an Maschinen und bei Störungen ihres Zusammenspiels aus. Zudem gibt es eine wachsende Zahl von Bedienungs-, Kontroll- und Programmiermöglichkeiten sowie Programmvarianten, die ein Bediener wenigstens zum Teil kennen und beherrschen muss.

•  Das Material (Platinen, Bauteile, Lötmaterial usw.) wird empfindlicher und stellt höhere Anforderungen an das Handling. Auch gibt es ständig neue, tendenziell kleinere Bauteile bzw. Typen, zum Teil mit neuen Eigenschaften, die sich im Fertigungsprozess auswirken können.

Die Anforderungen an angelernte Bediener von „Surface mounted“-Fertigungstechnologie (als Schichtführer) sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Neben der Maschinenbedienung (SMD-Bestückung) gibt es weitere Anforderungsprofile, die mit jeweils ähnlichem Zuschnitt in mehreren Betrieben zu finden sind. In Elektrobetrieben gehören dazu z. B.

•  Montage von Geräten (Springer/Reparateur, Montagekraft)

•  Bedienung von Prüfautomaten

•  EDV-gestützte Prüfung von Baugruppen und Geräten.

•  Überwachung manueller Fertigung (manuelle Bestückung)

Im Maschinenbau zählen die Maschinen- und Anlagenmontage und -verdrahtung sowie die Tätigkeiten im Bereich Schaltschrankbau und -verdrahtung zu diesen branchenspezifischen Arbeitsplätzen, die nicht notwendig Facharbeiterniveaus voraussetzen.

3. Segmentierung von Anforderungsniveaus

Qualifikatorische Segmentierungsprozesse verlaufen in den untersuchten Betrieben sowohl nach unten (a), wie nach oben (b). (Zur qualifikatorischen Segregation, also der Entmischung verschiedener Qualifikationsgruppen, siehe die Ergebnisse von GERLACH/ MEYER/ TSERTSVADZE 2002. )

Zu a) Vereinfachung von Tätigkeiten: Eine Vereinfachung ist z. B. an Prüfarbeitsplätzen festzustellen, die zunehmend automatisiert werden. Die Tätigkeiten beschränken sich dann auf das Anschließen von Geräten, einfache Funktionstests, Bedienung der Prüfautomaten bzw. der Prüfsoftware. Die Auswertung der Prüfprotokolle, die Fehlersuche und -behebung übernimmt, zumindest bei komplexen oder seltenen Fehlern, eine ausgebildete Fachkraft. Montagetätigkeiten wie der Aufbau und Verdrahtung von Schaltschränken vereinfachen sich insofern, als die Montage von der Inbetriebnahme und Prüfung getrennt wird. Die Tätigkeiten sind in diesem Fall überwiegend handwerklich-manueller Art, elektrotechnisches Wissen bleibt im Wesentlichen auf die Kenntnis der Betriebsmittel und das Lesen von Schaltplänen beschränkt.

Zu b) steigende Komplexität bei Facharbeit und Anlerntätigkeiten: Facharbeiter der Elektroberufe sind vor allem als Spezialisten gefragt, die in wechselnden Arbeitszusammenhängen technische und serviceorientierte Problemlösungskompetenz beweisen müssen. Ihre Tätigkeit entspricht der anspruchsvollen Ausbildung in den neu geordneten Elektroberufen. Ein Teil der Absolventen beginnt im Anschluss an die Lehre eine Technikerausbildung oder ein Ingenieurstudium.

In dem Maße allerdings, wie ausgebildete Elektroniker exklusiv in indirekten Positionen für komplexe Aufgaben zuständig sind, hinterlassen sie eine Lücke, d. h. ein Tätigkeitsfeld, welches mit Ungelernten nicht und mit Angelernten aus Sicht der Betriebe immer weniger befriedigend zu besetzen ist. Denn diese Tätigkeiten basieren u. a. auf elektrotechnischem Grundwissen und entsprechenden Fertigkeiten, Kenntnissen der Elektronik und zum Teil auch aus dem Bereich Metall (Metallverarbeitung, Messtechnik). Aktuell werden diese Tätigkeiten von Angelernten, zum Teil von Gelernten (auch Zeitarbeiter) ausgeführt. Das Anlernen dauert oft ein halbes Jahr und länger; es befähigt lediglich zur Verantwortung für ein eingeschränktes Tätigkeitsfeld. Mehr Wissen und Können würde aus der Sicht der Unternehmen vor allem die Prozesssicherheit, die Maschinenauslastung und die Qualität verbessern. In diesem Zusammenhang ist bei den Verantwortlichen von „kleinen Vorteilen“ (bezüglich des Wissens und Könnens) die Rede, die für den reibungslosen Ablauf „große Wirkung“ haben würde. Wissen und Erfahrungen, die zwar bei einigen Angelernten durchaus vorhanden sind, aber eben nicht generell vorausgesetzt werden können, bieten die Grundlage dafür, die Mitarbeiter schneller und selbständiger an verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzen zu können: „Ein hoher Grad an Flexibilität ist verlangt. Es ist nicht mehr so, wie in der Vergangenheit, dass jeder auf seiner Position bleibt“ (Bereichsleiter Gerätemontage eines Maschinenbauunternehmens), und: „Höhere Qualifikation führt auch zu kürzeren Einarbeitungszeiten“ (ders.).

Im Sinne dieser Auffächerung betrieblicher Qualifikationsniveaus können die Beobachtungen als Segmentierung von Arbeit verstanden werden: Veränderte Anforderungen in einem Qualifikationssegment wirken sich direkt auf die anderen Qualifikationsniveaus aus. Es kommt zur Unterteilung sowie zur Zu- und Abnahme des Umfangs bislang weitgehend homogener Anforderungsniveaus. D. h. die traditionellen Bereiche Hilfstätigkeiten, Anlerntätigkeiten und Facharbeit stellen keine monolithischen Blöcke mehr dar, sondern differenzieren sich aus und bilden Überschneidungsbereiche. Dabei ist ein anhaltendes Abnehmen jener einfachen Hilfstätigkeiten im direkten Produktionsprozess festzustellen, die in erster Linie bestimmte körperliche Eigenschaften erfordern. Zu wachsen scheinen hingegen, zumindest in der Metall- und Elektroindustrie, Tätigkeiten, die erweitertes Wissen, Können und Verantwortung beinhalten, ohne dabei das Niveau eines Facharbeiters zu erreichen. Dieser Segmentierungsprozess ist an sich kein neues Phänomen, sondern Ausdruck des oftmals schleichenden Wandels der Tätigkeitsinhalte, Arbeitsanforderungen und Qualifikationen. Dass dieser nicht als lineare Höherentwicklung verläuft, macht diese Prozesse für die Qualifikationsforschung und in ihren Konsequenzen für die Berufs- und Arbeitsmarktpolitik nicht weniger interessant.

 

3.1  Der betriebliche Umgang mit segmentierten Anforderungsniveaus

In den Unternehmen werden diese Segmentierungsprozesse als Stellenbesetzungs-, Flexibilitäts- oder Qualitätsprobleme wahrgenommen und mit Instrumenten wie Leiharbeit oder „partielle Nachqualifizierung“ (ZECH ebd., 98) bearbeitet. Die betriebliche Fachkräfterekrutierung steht vor der Aufgabe, einerseits ausreichend „gute“ Schulabsolventen für die anspruchsvolle Ausbildung in den Elektroberufen zu finden, andererseits Arbeitsplätze mit einfachen Fachtätigkeiten durch einschlägig Qualifizierte (etwa aus dem Handwerk) oder erfahrene Angelernte zu besetzen. Durch die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt haben die Unternehmen zur Zeit keine größeren Schwierigkeiten, auch Facharbeiter für Arbeitsplätze bzw. Tätigkeiten zu rekrutieren, die eigentlich Anlerncharakter haben. Wenn mittelfristig der viel beschworene Fachkräftemangel eintritt und auch die Facharbeiterebene ergreift, dürfte die Rekrutierung von geeignetem Personal schwieriger werden. Dabei wären Arbeitsplätze wie die oben skizzierten nach Aussagen der befragten Unternehmensvertreter potenziell für schwächere Schulabgänger, d. h. Hauptschulabsolventen geeignet. Diese hätten faktisch keine Chance, eine Ausbildung zum Elektroniker zu beginnen oder erfolgreich zu Ende zu führen. Damit verweist die Problematik der Segmentierung von Arbeit auf die Strukturen der beruflichen Aus- und Weiterbildung und ihren permanenten Reformbedarf.

4.  Schlussfolgerungen

Schlussfolgerungen können aus diesen qualitativen, nicht repräsentativen Ergebnissen nur sehr begrenzt gezogen werden. Sollte die Auffächerung der Qualifikationsniveaus ein Trend sein, der über die untersuchten Betriebe und Branchen hinaus existiert – und dafür sprechen die Untersuchungen von Einfacharbeitsplätzen aus den letzten Jahren (ZELLER u. a. 2004a/b; LEICHT u. a. 2004; HIERMING u. a. 2005) – dann wäre über Implikationen für die berufliche Aus- und Weiterbildung (a) und die Arbeitsmarktpolitik (b) nachzudenken.

Zu a) Eine mögliche Konsequenz aus der Differenzierung von Anforderungsniveaus, die von Reorganisationsprojekten, Wettbewerbs- und Kostendruck weiterhin angetrieben wird, ist die Verbesserung des Anlernens in den Unternehmen. Notwendig ist eines systematisches Vorgehen auf der Basis detaillierter Anforderungsprofile und Qualifikationspläne. Entscheidend dabei wird die Verknüpfung von betrieblichem Erfahrungswissen mit fachlichen Inhalten sein, weil bei elektrotechnischen Tätigkeiten nur mit einem Grundstock an fachlichem Wissen den weiter steigenden Anforderungen entsprochen und die nötige Flexibilität in der Aufgabenwahrnehmung gewährleistet werden kann.

Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Strukturen der dualen Ausbildung wäre die Schaffung von Ausbildungen mit reduziertem Anforderungsniveau zu prüfen. Diese Ausbildungen sollten Hauptschülern offen stehen und spätere Weiterqualifizierung ermöglichen.

Zu b) Die skizzierten Ergebnisse bestätigen, dass es in innovativen, hoch technisierten Branchen der Industrie immer weniger Arbeitsplätze mit sehr geringen kognitiven und überfachlichen Anforderungen gibt. Ungelernte haben sowohl angesichts des Anforderungsniveaus wie auch in Anbetracht der Konkurrenz auf einem „überfüllten“ Arbeitsmarkt kaum eine Chance, in den untersuchten Betrieben einen Arbeitsplatz zu bekommen. Ein Berufsabschluss, möglichst mit Nähe zur Branche, ist auch für Tätigkeiten unterhalb des Facharbeiterniveaus zur notwendigen Einstiegsbedingung geworden. Das bedeutet einerseits, die nachholende abschlussorientierte Weiterbildung zu fördern. Andererseits müssen arbeitslose Erwerbspersonen jenseits von kurzen, aktivierenden Trainingsmaßnahmen systematisch auf Tätigkeiten in der Industrie vorbereitet, d. h. auch fachlich geschult werden.

5.  Schluss

Die vorgestellten Untersuchungen und Ergebnisse exemplifizieren eine Form der Qualifikationsforschung, die auf detaillierte Informationen der Mikroebene des Systems der Arbeit ausgerichtet und dabei auch an Ursache-Wirkungszusammenhängen interessiert ist. Charakteristisch ist zudem ein starker Anwendungsbezug, d. h. der Aufbereitung der Ergebnisse für den Transfer in die betriebliche Praxis. Dies soll in Form von überbetrieblich standardisierten Anforderungsprofilen von Anlernarbeitsplätzen geschehen.

Qualifikationsforschung kann mit unterschiedlichen Ausrichtungen und entsprechenden Zielstellungen betrieben werden. Sie kann sich auf den aktuellen Stand der Anforderungen und Qualifikationen richten, etwa im Sinne einer Qualifikationsverwertungsforschung (siehe BECKER/ MEIFORT 2004) oder mit dem Ziel der „Vermessung der Berufelandschaft“ (DOSTAL 2006, 280). Qualifikationsforschung kann als vorausschauende Identifikation von qualifikatorischen Trends, eben als „Qualifikationsentwicklungsforschung“ oder „Früherkennung“ konzipiert werden (siehe BULLINGER 2006). Sie kann mit durch die Erforschung berufsförmiger Arbeit in abgrenzbaren Domänen oder Sektoren der Entwicklung beruflicher Curricula dienen (RAUNER 2004). Methoden, Herangehensweisen und Resultate werden sich bei diesen Formen jeweils mehr oder weniger von einander unterscheiden. Um alle relevanten Ziele von Qualifikationsforschung vom wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über die Bereitstellung von Wissen für die Entwicklung der Aus- und Weiterbildungsstrukturen bis hin zur Unterstützung betrieblicher Bildung und Personalarbeit zu erreichen, sollte unterschiedliche Zugänge zum Forschungsgegenstand „Qualifikationsentwicklung“ praktiziert und – soweit möglich – mit einander vernetzt werden.

 

Literatur

ARBEITSGRUPPE BENCHMARKING (Bündnis für Arbeit, Ausbildung, Wettbewerbsfähigkeit) (1999): Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschäftigungschancen gering qualifizierter Arbeitnehmer. Berlin.

BECKER, W./ MEIFORT, B. (2004): Ordnungsbezogene Qualifikationsforschung als Grundlage für die Entwicklung beruflicher Bildungsgänge. In: RAUNER, F. (Hrsg.): Qualifikationsforschung und Curriculum. Analysieren und Gestalten beruflicher Arbeit und Bildung. Bielefeld, 45-60.

BROSI, W. ( 2000): Einführung in Workshop 3 – Früherkennung von Qualifikationsbedarf. In: KAISER, F.-J. (Hrsg.): Berufliche Bildung für das 21. Jahrhundert, zugleich: Beiträge zur Berufsbildungsforschung der AG BFN Nr. 4. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nr. 238. Nürnberg, 259-261.

BULLINGER, H.-J. (Hrsg.) (2006): Qualifikationen im Wandel. Nutzen und Perspektiven der Früherkennung. Band 12 der Reihe „Qualifikationen erkennen, Berufe gestalten“. Bielefeld.

DÖRRE, K./ PICKHAUS, K./ SALM, R. (2001): Re-Taylorisierung. Arbeitspolitik contra Marktsteuerung. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 9/2001. Hamburg.

DOSTAL, W. (2006): Berufsgenese. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nr. 302. Nürnberg.

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