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 bwp@ Ausgabe Nr. 13 | Dezember 2007
Selbstorganisiertes Lernen in der beruflichen Bildung Herausgeber der bwp@ Ausgabe 13 sind Karin Büchter und Tade Tramm

Selbstorganisiertes Lernen in der beruflichen Bildung – Abgrenzungen, Befunde und Konsequenzen


             

 

1.  Problemaufriss

Wie man aus der Problemlöse- und Handlungsregulationsforschung weiß, ist es ratsam, hinsichtlich angestrebter Handlungseffekte jeweils auch Neben- und Folgeeffekte zu beachten (DÖRNER/ KREUZIG/ REITHER/ STÄUDEL 1983; SEMBILL 1984). Erst wenn auch diese auf mögliche Risiken geprüft und deren Folgen als vertretbar erscheinen, ist eine geplante Problemlösung empfehlenswert. Dies gilt unserem Verständnis nach auch für Handlungsempfehlungen, die explizit und implizit mit Didaktikkonzeptionen verbunden sind.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die Konzeption des Selbstorganisierten Lernens („SoLe“: SEMBILL 1992a; 1992b; 1992c; 1996 et passim), die theoretisch fundiert und mehrfach empirisch geprüft wurde. Es werden in knapper Form einige „Haupteffekte“ dargestellt: Die an verschiedenen Forschungsstandorten und in unterschiedlichen Settings durchgeführten Studien zeigen, dass Lehr-Lern-Arrangements auf Grundlage des Selbstorganisierten Lernens hinsichtlich relevanter Zielgrößen (insbesondere hinsichtlich der als zentral betrachteten komplexen Problemlösefähigkeit sowie der Emotionalen Befindlichkeit) erfolgreich und „konventionellem“, d. h. fragend-entwickelndem Frontalunterricht überlegen sind. Die durchgeführten Prozessanalysen (und insbesondere die Interaktionsanalysen) zeigen, dass die Lernenden auf unterschiedliche Weise von einem selbstorganisationsoffenen Unterricht profitieren. Auf der Grundlage von mehrfach replizierten empirischen Befunden werden Handlungsempfehlungen als Optimierungsmöglichkeiten eines an den Prinzipien des Selbstorganisierten Lernens ausgerichteten kaufmännischen Unterrichts artikuliert.

2.  Die Lehr-Lern-Konzeption des Selbstorganisierten Lernens im Überblick

Als Bildungs- und Qualifikationsziele werden im Allgemeinen die Entwicklung der Persönlichkeit, eine Teilhabe an der Gesellschaft und Beschäftigungsfähigkeit gesehen. Einhergehend mit den als „Megatrends“ bezeichneten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Veränderungen (BAETHGE/ BUSS/ LANFER 2003) sinkt die Bedeutung einmal erworbenen Faktenwissens und an die Stelle traditioneller Wissensvorrats-Modelle (WEINERT 2002) tritt die Forderung nach höherwertigen Kompetenzen sowie die Fähigkeit und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen als Schlüsselfaktor für zukünftigen Arbeits- und Lebenserfolg (SEMBILL 2000). Diese Trends zeichnen sich auch in den Qualifikationsanforderungen am Arbeitsmarkt ab, wie Stellenanzeigenanalysen belegen (vgl. DIETZEN 1999 ). Zur Förderung entsprechender Kompetenzen werden Lehr-Lern-Arrangements gefordert, die Lernen als aktiven, zielorientierten, konstruktiven, situativen und sozialen Prozess verstehen (vgl. SHUELL 1986; REINMANN-ROTHMEIER/ MANDL 1994; DE CORTE 1996). Hinsichtlich der theoretischen Fundierung und konkreten Ausgestaltung entsprechender Arrangements findet man eine große Variationsbreite an Unterweisungs- bzw. Unterrichtskonzeptionen vor, die in unterschiedlicher Weise Schlagworte wie Selbstregulation, Selbststeuerung und/oder Selbstorganisation bedienen. Auch Qualität und Umfang der empirischen Fundierung der verschiedenen Ansätzen fallen höchst unterschiedlich aus, und gerade die geforderten (und notwendigen) Längsschnitt-, Prozess- und Replikationsstudien (BECK 2005; ACHTENHAGEN 2006) sind selten.

2.1  Perspektiven auf selbstorganisiertes Lernen

Verschiedene Wissenschaftsdisziplinen wenden sich Begriffen wie selbstgesteuert, -reguliert und -organisiert aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu ( GÖBEL 1998; REINMANN/ MANDL 2006 ) . Auch im Bereich der beruflichen Bildung existiert inzwischen eine Reihe von Klärungsansätzen (LANG/ PÄTZOLD 2006; SEMBILL/ SEIFRIED 2006). Wie im Folgenden gezeigt wird, lassen sich die terminologischen Begründungsmuster dementsprechend aus verschiedenen Perspektiven analysieren und systematisieren.

2.1.2  Perspektive 1: Innere Strukturierung des Lernprozesses: Selbstregulation

Der Fokus dieser Betrachtung liegt auf der Handlungsregulation, es geht also um die „innere“ Lernprozessstrukturierung durch die Lernenden selbst. Hier spielen kognitive (Vorwissen), metakognitive (Lern- und Kontrollstrategien) sowie motivationale Aspekte (Trait und State-Komponenten, volitionale Handlungssteuerung) eine Rolle. Selbstreguliertes Lernen lässt sich demnach als „zielorientierter Prozess des aktiven und konstruktiven Wissenserwerbs beschreiben, der auf dem reflektierten und gesteuertem Zusammenspiel kognitiver und motivational-emotionaler Ressourcen einer Person beruht“ (BAUMERT/ KLIEME/ NEUBRAND/ PRENZEL/ SCHIEFELE/ SCHNEIDER/ TILLMANN/ WEISS 2000). Akzeptiert man die Tatsache, dass objektivistische Lernvorstellungen zumindest theorieseitig mittlerweile der Vergangenheit angehören, so wird klar, dass jedes Lernen im engeren Sinne selbstreguliert ist und dass Selbstregulation mithin notwendige Voraussetzung und Zielkomponente aller formellen und informellen Lehr-Lernprozesse sein muss (WEINERT 1982). Und so betonen auch die gängigen, lehr-lern-psychologisch akzentuierten Modelle des Lernens in aller Regel primär den Aspekt der Selbstregulation. Beispielsweise stellen kognitive, metakognitive und motivationale Kontrollaspekte den Kernbereich des Zwei-Schalen-Modells von STRAKA/ NENNINGER/ SPEVACEK/ WOSNITZA (1996) dar. In ähnlicher Weise benennt BOEKAERTS (1999) drei Schichten der Regulation, nämlich (1) die Regulation des Verarbeitungsmodus (kognitive Kontrolle), (2) die Regulation des Lernprozesses (metakognitive Kontrolle) sowie (3) die Regulation des Selbst (motivationale Kontrolle). ZIMMERMAN (2006) greift zudem den mit dem Begriff der Regulation assoziierten Aspekt der Rückkopplung auf und beschreibt selbstreguliertes Lernen als Prozess, der aus den Phasen (1) Vorausschau, (2) Performanz und (3) Selbstreflexion besteht.

2.1.2  Perspektive 2: Äußere Strukturierung des Lernprozesses: Selbststeuerung

Nach WEINERT (1982, 102) zeichnen sich selbstgesteuerte Lernformen dadurch aus, dass „der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann“. Es steht also der Tätigkeitsspielraum (ULICH 2005) der Lernenden in institutionellen Lehr-Lern-Arrangements im Fokus. Dieser wird durch Handlungsspielraum (Flexibilität), Gestaltungsspielraum (Variabilität) und Entscheidungsspielraum (Autonomie) bei der „äußeren“ Strukturierung des Lernprozesses konstituiert. Deren Ausmaß lässt sich an objektiven Kriterien der Lernumgebung festmachen. Selbststeuerung ist also didaktisch akzentuiert und zielt auf die Förderung von Selbstregulationsprozessen ab. Der damit einhergehende Tätigkeitsspielraum kann freilich nur genutzt werden, wenn die Lernenden über entsprechende Dispositionen und Fähigkeiten verfügen – Selbststeuerung erfordert also notwendigerweise auch ein Mindestmaß an Selbstregulation.

2.1.3  Perspektive 3: Kooperative Verantwortungsübernahme für die innere und äußere Strukturierung von Lernprozessen: Selbstorganisation

Selbstorganisation wird seit Aristoteles in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen im Rahmen systemtheoretischen Denkens unterschiedlichster Provenienz und auf unterschiedlichen ontologischen Ebenen diskutiert. Sie basiert auf evolutionären Prinzipien, für die – auf molekularer Ebene schon nachweisbar (EIGEN 1987) – Konkurrenz und Kooperation zwei gleichermaßen wichtige Steuerungsparameter sind. In der jüngeren Wissenschaftsgeschichte (im 17. Jahrhundert sprach man bezüglich der Ordnungsprozesse in Gesellschaft und Wirtschaft von der „unsichtbaren Hand“) gewinnen entsprechend umgesetzte Modellierungen zunehmen an Durchschlagskraft (z. B. Kybernetik, Thermodynamik, Holismus, Chaos, Synergetik, komplexe Systeme, neuronale Netze, Funktionssysteme der Gesellschaft sensu LUHMANN; vgl. MATURANA/ VARELA 1987; PASLACK/ KNOST 1990; PROBST/ GOMEZ 1991; KROHN/ KÜPPERS 1992; SEMBILL 1995; LUHMANN 2002, 2005; HAKEN/ SCHIEPEK 2006; SEMBILL/ SEIFRIED 2006).

Als gemeinsamer Nenner der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen kann die Frage nach der Entstehung von Ordnung gelten, welche durch Begriffe wie „Gesetzlichkeit“, „Vorhersehbarkeit“ oder „Determination“ näher zu bestimmen versucht wird. Vereinfachend lassen sich zwei Auffassungen von Selbstorganisation unterscheiden:

1.  Die selbsttätige Entstehung von Ordnung (wie sie z. B. bei einem intakten Ökosystem zu beobachten ist) und

2.  die selbstbestimmte Entstehung von Ordnung (vgl. GÖBEL 1998, 17 ff.).

Es wird deutlich, dass die zweite Variante, also die selbstbestimmte Entstehung von Ordnung, einen handlungsregulierten Prozess innerhalb der Person, aber auch zwischen Personen sowie in der Person-Umwelt-Interaktion i. w. S. darstellt. Diese beiden Varianten sind insofern von besonderem Interesse, weil sie auf den Übergang von der Organebene, insbesondere jene des Gehirns, auf die Ebene der Individuen und damit zwangsläufig auf die des Sozialen verweisen. Und damit wird die Rahmung von Selbstbestimmung durch die evolutionäre Strukturkopplung deutlich, wie immer diese durch Lernen auch beschleunigt und variiert werden mag. Genauso wenig wie wir uns dieser zu entziehen vermögen, können wir auch sichere Prognosen wagen (SEMBILL 1995, 1999). Wir bleiben auf Passungsprozesse an das innere und äußere Milieu angewiesen, können diese allerdings gestalten und optimieren (SEMBILL 2007, 2008). Zwei Passungsparameter, die insbesondere von der psychologischen Lehr-Lern-Forschung in der Vergangenheit heftig unterschätzt wurden, sind „Zeit“ und „Emotionale Befindlichkeit“, die beide auf das engste mit Gedächtnisfunktionen und damit auch mit Möglichkeiten der Zukunftsbewältigung gekoppelt sind (ebd.). Damit wird klar, dass Selbstorganisationsprozesse selbstgesteuerte und selbstregulative Prozesse mit einschließen, aber deutlich darüber hinausgehen (siehe Abbildung 1): Fragen nach dem Selbst, von Identifikation bis hin zu einem gestaltbaren „guten“ Leben sind dann auch – letztlich als hinreichende Zielkomponenten – einzubinden. Selbstorganisiertes Lernen als eine Lehr-Lern-Konzeption, die dieser integrierten Perspektive Rechnung trägt, wird im Folgenden beschrieben. Zudem bietet Abbildung 1 bereits einen Ausblick auf zentrale Forschungsbefunde zum Selbstorganisierten Lernen.

 

2.2  Das didaktische Konzept des Selbstorganisierten Lernens nach SEMBILL

Die Suche gilt einer geeigneten Lernumgebung für den vielfach geforderten (aber selten realisierten) ganzheitlichen Kompetenzerwerb (SEMBILL 1992a). Dieses zwangsläufig auf Integration angelegte Unterfangen versuchte seinerzeit, Schwächen der Curriculum- und der Lehr-Lern-Forschung in Kombination mit den 1978 erstmals auf Basis von videografiertem Unterricht gewonnenen empirischen Befunden von Interaktionsanalysen aus dem kaufmännischen Unterricht (SEMBILL/ WESELOH 1978; SEMBILL 1984) konstruktiv aufzunehmen und didaktisch aufzubereiten. Das geschah zunächst noch eher „klassisch“ ausgerichtet unter Orientierung am didaktischen Dreieck (Lehrer – Schüler – Stoff) mit Blick auf Zielgrößen forschungsorientierten Lernens im Rahmen der Handelslehrerausbildung in Göttingen (SEMBILL 1989; 1992a). Als Zielgrößen stellten sich Problemlösefähigkeit, Handlungskompetenz und Emotionale Befindlichkeit heraus. Im Nachhinein ist dies nicht überraschend, denn die genannten Unterrichtsanalysen verwiesen auf starke Pygmalioneffekte insbesondere zu Lasten von vorzeitig durch die Lehrkraft als „schlecht“ eingestuften Schülerinnen und Schüler. Die Unterrichtssteuerung der beteiligten Lehrkräfte überließ diesen Schülern ein emotionales Erleben, das nur noch mit Theorieversatzstücken (u. a. double bind) aus der Schizophrenieforschung zu beschreiben war. Auch zeichnete sich schon deutlich die Kopplung von Erlebens- und Leistungsdaten ab. Dieser Zusammenhang konnte dann experimentell unter Prüfungsangstinduzierung im Rahmen der Hochschulausbildung repliziert werden. Theoretisch war die Diskussion um die Zusammenhänge und das Verständnis von subjektiven Lern- und dazu kompatiblen Lehr-Lern-Prozessen weiter im oben dargestellten Sinn vorangeschritten (SEMBILL 1992b), so dass eine Abkopplung vom herrschenden Trend psychologischer Instruktionsforschung (ANDERSON 1988) unübersehbar und notwendig war. Im Zuge der epistemologischen Subjektorientierung (GROEBEN/ SCHEELE 1977) sowie der „über Kreuz liegenden“ (gegenläufigen) und daher konfliktträchtigen Lehrer- vs . Schülererwartungen (ACHTENHAGEN/ SEMBILL/ STEINHOFF 1979) war eine konstruktive Lösung nur in lernerorientierten, dezentralen Gruppen-Settings zu suchen. Solche wurden zunächst in der Mannheimer Handelslehrerausbildung (1989-1992) entwickelt und geprüft (WUTTKE 1991; ZIMMERMANN 1991; HANSER 1992). Danach wurde das mehrfach – unter Aufhebung des didaktischen Dreiecks – restrukturierte Konzept im Rahmen eines Schwerpunkt-Programms der DFG (BECK/ MANDL/ SEMBILL/ WITT 1992) zunächst in Gießen (bis 1998), dann ab 1999 in Bamberg unter quasi-experimentellen Bedingungen in kaufmännischen Berufsschulen realisiert. Wichtige Beiträge leisteten insbesondere WUTTKE 1999, SCHUMACHER 2002, WOLF 2003 und SEIFRIED 2004, ein Abschlussbericht für die DFG steht als Download zur Verfügung (SEMBILL 2004).

Der aktuelle Entwicklungsstand lässt sich wie folgt skizzieren: Selbstorganisiertes Lernen überwindet einerseits die Enge psychologischen Denkens in Konzeptionen wie „Selbstregulation“ und „motiviertes Lernen“ und andererseits die Begrenztheit, die pädagogisches Denken „kooperativem Lernen“ und „offenem Unterricht“ beimisst (SEMBILL/ SEIFRIED 2007). Zentrale Leitidee stellt das (problemlösende) geplante Handeln dar, dessen Ermöglichung beim gemeinsamen Lernen in Kleingruppen sowohl die sozialen als auch die emotionalen, motivationalen und kognitiven Prozesse evoziert. Bezug nehmend auf reformpädagogische Ansätze weist Selbstorganisiertes Lernen eine hohe Affinität zum Projektunterricht im ursprünglichen Sinne auf und zeichnet sich durch eine umfassende Übertragung von Lernverantwortung auf Lernende aus. Es sind vier Lerndimensionen zu unterscheiden: Neben „Lernen für sich“ umfasst diese Lehr-Lern-Konzeption „Lernen mit anderen“ (Lernen in Gruppen) sowie „Lernen für andere“ (arbeitsteiliges, verantwortungsbehaftetes Lernen). Die Dimension „Lernen mit Risiko“ verweist auf die Möglichkeit, bzgl. der komplexen Anforderungen Fehler zu machen und aus diesen zu lernen. Dies erfordert von allen Beteiligten ein konstruktives Fehlerverständnis und -management, wobei die vier Lerndimensionen jeweils antagonistisch die Perspektiven des Einzelnen vs. die der Anderen (der Gemeinschaft) gegenüberstellen. Der prinzipiellen Dezentralisierungsidee werden so eine selbstreflexive und explizite Kontrolle zur Seite gestellt (SEMBILL 1992a et passim; SEIFRIED/ SEMBILL 2005a; siehe Abbildung 2).

 

Konkret gesprochen verliert die Darbietung von Lerninhalten im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht an Bedeutung. Etwa zwei Drittel des Unterrichts sind für Eigenaktivitäten der Lernenden reserviert. Die restliche Zeit dient der Hinführung zum Thema, der Ergebnissicherung, der Vertiefung und Wiederholung sowie der Leistungsbeurteilung. Da Lehr- und Lernverhalten sich in institutionalisierten Lehr-Lern-Kontexten rational an Prüfungsmodalitäten orientieren, liegt genau dort der Hebel für Veränderungen. Die Feststellung der Lernleistung (forschungsseitig: Messung) muss sich an der Bearbeitung komplexer Probleme orientieren und dabei nicht nur summativ (produktbezogen), sondern auch formativ (prozessbezogen) evaluieren. Zentrale Aufgabe der Verantwortlichen bei der Umstrukturierung zu einem selbstorganisationsoffenen Unterricht ist also die Generierung authentischer komplexer Probleme sowie die Entwicklung von Erhebungs- und Auswertungsverfahren zur Bewertung deren Bearbeitungsgüte (die weit oberhalb einer dualistisch geprägten „Richtig/Falsch-Sichtweise“ anzusiedeln ist).

3.  Eckdaten und Befunde der empirischen Studien zum Selbstorganisierten Lernen

Um die „Praxistauglichkeit“ der Konzeption zu überprüfen, wurden im Rahmen mehrerer aufwendiger Forschungsprojekte (Prozessanalysen Selbstorganisierten Lernens) in Kooperation mit interessierten Lehrkräften so genannte selbstorganisationsoffene Lernumgebungen gestaltet, in denen sich Lerner über längere Zeiträume hinweg mit komplexen Problemstellungen auseinandersetzen, ihre Ziele definieren und ihren Lernprozess selbst steuern und kontrollieren müssen. Die Lehrpersonen der Experimentalklassen (SoLe-Klassen) wurden im Vorfeld geschult und bei ihren Unterrichtsplanungen unterstützt, während in den Kontrollklassen eher traditionelle, lehrerzentrierte Methoden zur Anwendung kamen (TraLe-Klassen). Die Anlage dieser Studien und zentrale empirische Befunde werden nun dargestellt.

Im Rahmen der Eingangserhebungen wurden neben biografischen Merkmalen insbesondere Selbstauskünfte zu Selbstorganisationsfähigkeit, Selbstwirksamkeitserwartung, Lernstrategien und zum inhaltspezifischen Interesse mittels Standardfragebögen erhoben, Intelligenz- und Vorwissenstests durchgeführt sowie die allgemeine Problemlösefähigkeit erhoben. In allen Studien ergaben sich hinsichtlich der Eingangsvoraussetzungen nur wenige signifikante Vorteile, und diese fielen zu gunsten der Kontrollklassen aus, so dass man von konservativen Prüfbedingungen sprechen kann. Im Mittelpunkt der Ausgangserhebungen standen neben Wiederholungsmessungen (Interesse, Lernstrategien etc.) lernzielorientierte Tests (LOT) nach IHK-Standard sowie verschiedene Problemlösefälle zur Messung fachspezifischer und allgemeiner Problemlösefähigkeit anhand des analytischen Idealtypus (AIT: SEMBILL 1992b). Bei der Operationalisierung der Problemlösekompetenz orientierten wir uns am Grundprinzip geplanten Handelns, einem Schema, das den Ablauf einer „idealen“ Problemlösung beschreibt und mit der TOTE-Einheit (Test-Operate-Test-Exit) kompatibel ist: Diesbezüglich erfolgt die Auswertung der von den Schülern bearbeiteten Problemfälle hinsichtlich vier quantitativer Kategorien (Ist-Zustand, Soll-Zustand, Maßnahmen, Handlungskontrolle), die anschließend zu einem Gesamtkriterium (Analytischer Idealtypus gewichtet, AITG) zusammengefasst werden. Weiterhin wird die fachinhaltliche Qualität der Problemlösung erfasst. Dabei kamen studienübergreifend so genannte qualitative Kriterien wie „deklaratives Wissen“, „Logik“, „Erfolgsaussichten der Problemlösung“ und „Wissensvernetzung“ zur Anwendung (Expertenratings) (siehe Abbildung 3) .

 

Ferner wurden umfangreiche Prozesserhebungen durchgeführt: Der Unterricht wurde jeweils videografiert und die Schüler-Schüler-Interaktion aufgezeichnet. Um das als zentral erachtete emotional-motivationale Erleben der Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu erfassen, wurde als Variante der Experience Sampling Method (ESM: CSIKSZENTMIHALYI/ LARSON 1987) die Continuous State Sampling Method (CSSM: SEMBILL/ WOLF/ WUTTKE/ SANTJER/ SCHUMACHER 1998; SEMBILL/ SEIFRIED/ DREYER 2008) entwickelt. In fünf- bis zehnminütigen Abständen (je nach Studie) wurden die Lernenden durch ein mobiles Datenerfassungsgerät aufgefordert, Angaben zu emotionalen, motivationalen und kognitiven Erleben zu machen. Hierdurch wurden insbesondere Validitätsprobleme retrospektiver Befragungen und traditioneller Unterrichtsbeobachtungen umgangen. Die Berücksichtigung beider Perspektiven (Innen- und Außensicht) eröffnet die Möglichkeit, Lehr-Lern-Prozesse in Abhängigkeit von situativen Bedingungen zu untersuchen und mehr über die beim Wissenserwerb vermittelnden emotionalen, motivationalen und kognitiven Prozesse zu erfahren.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über Eckdaten der SoLe-Studien sowie Anmerkungen und Abweichungen zum oben beschriebenen Design. In Tabelle 2 stellen wir überblicksartig zentrale Befunde aus den drei Hauptuntersuchungen dar.

 

Wie Tabelle 2 zu entnehmen, konnte jeweils festgestellt werden, dass Schüler in einer selbstorganisationsoffenen Lernumgebung bezüglich Gütekriterien wie Faktenwissen mindestens einen vergleichbaren Lernerfolg erzielen wie Lernende, die eher traditionell unterrichtet werden. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Schüler bezüglich der von uns als zentral betrachteten Problemlösekompetenz sowie hinsichtlich der Emotionalen Befindlichkeit Vorteile aufweisen. Mittels detaillierter Analysen von Lehr-Lern-Prozessen ließen sich eine Vielzahl von Hinweisen finden, die Erklärungsansätze für die Gründe der vielfältigen Überlegenheit der SoLe-Klassen bieten. Diesbezüglich ist insbesondere die gewinnbringende Nutzung der eingeräumten Zeit- und Handlungsfreiräume während des Unterrichts zu nennen. Lernende entscheiden gemäß ihrer Dispositionen und Eigenzeiten selbstständig über Auswahl, Intensität, Zeitdauer sowie über Art und Weise der Bearbeitung von Lerninhalten (z. B. Sozialform, arbeitsgleiche oder arbeitsteilige Vorgehensweise etc.).

Die Breitenwirksamkeit des SoLe-Konzepts konnte zudem in einem BLK-Schulversuch bei zwölf Klassen an vier beruflichen (kaufmännischen und gewerblichen) Schulen gezeigt werden (SEMBILL/ SCHUMACHER/ WOLF 2001). Darüber hinaus wurde der SoLe-Ansatz auch in der virtuellen Hochschullehre erfolgreich implementiert und evaluiert (WOLF/ SEIFRIED/ STÄDTLER 2005; WOLF/ RAUSCH 2006). Schließlich diente die Konzeption als Referenzmodell in Studien zum betrieblichen Lernen (z. B. SEMBILL/ SCHEJA 2003; 2008).

4. Weiterführende Befunde – Chancen und Chancennutzung

Im Rahmen der beschriebenen Studien zeigen sich aber auch Hinweise darauf, dass nicht alle Lernenden in gleichem Maße vom selbstorganisierten Lernen profitieren und dass nach wie vor Optimierungsbedarf besteht. Die in diesem Abschnitt angeführten Chancen werden nicht immer konsequent genug genutzt. Im Folgenden soll das beispielhaft an ausgewählten Schüleraktivitäten (Argumentationssequenzen, Problemlöseaktivitäten, Lernerfragen) gezeigt werden. Dabei sollen exemplarisch zwei forschungspragmatische Problemen angesprochen werden:

(1) Die Analysekategorien sind nicht überschneidungfrei. Es liegt auf der Hand, dass sich beispielsweise die Kontrolle der erarbeiteten Problemlösungen in Form von Fragen in Argumentationssequenzen vollzieht. Ähnliches gilt in abgeschwächter Form auch für Interaktionen im Rahmen der Definition des im Unterricht zu bearbeitenden Problems sowie der Problembearbeitung selbst.

(2) Schüleraktivität wird im vorliegenden Fall ausschließlich über die Verbalisierungen der Lernenden erfasst. Als Kovariate zu berücksichtigen wären daher beispielsweise die Artikulationsfähigkeit der Lernenden sowie die Bereitschaft und Fähigkeit der Schüler, gemeinsam mit Mitlernenden eigene Problemlösungen zu entwickeln und zu überprüfen.

4.1  Schülerfragen und Argumentationssequenzen

4.1.1  Schülerfragen

Im herkömmlichen Unterricht steht die Quantität von Lehrerfragen zumeist im krassen Gegensatz zur Qualität : So stellen Lehrkräfte vergleichsweise selten „Denkfragen“, also Fragen, deren Beantwortung eine tiefere Elaboration bzw. schlussfolgerndes Denken erfordern (entsprechende Quantifizierungsversuche variieren zwischen 4 und 20 % der Lehrerfragen). Das Gros bilden Fakten- und Erinnerungsfragen, Lehrerfragen bleiben meist an der „Oberfläche“. Während also im traditionellen fragend-entwickelnden Unterricht Schülerfragen keine große Rolle spielen , können im selbstorganisationsoffenen Unterricht durchaus auch drei Viertel der Fragen von den Lernenden gestellt werden. Die Gegenüberstellung von SoLe- und TraLe-Klassen zeigt, dass in schülerzentrierten Lernumgebungen Schüler signifikant häufiger inhaltsbezogen miteinander kommunizieren als das in lehrerzentrierten Lehr-Lern-Arrangements möglich und erwünscht ist (SEMBILL/ GUT-SEMBILL 2004, SEIFRIED/ SEMBILL 2005b).

Die folgenden Befunde zeigen exemplarisch auf, welche Arten von Fragen im selbstorganisationsoffenen Unterricht gestellt werden und wie diese mit dem Lernerfolg zusammenhängen. Hierzu wird auf Daten der ersten SoLe-Studie (Materialwirtschaft) zurückgegriffen (WUTTKE 2005). Ähnliche Befunde lassen sich auch aus den anderen beiden Studien berichten (s. o.). Analysiert wurden Auftreten und Qualität von Schülerfragen (neun Lernende über 20 Unterrichtsstunden im Lerninhaltsbereich „Materialwirtschaft“) und Lehrerfragen. Diese lassen sich nach ihrer kognitiven Anforderung klassifizieren (KAWANAKA/ STIGLER 2001; ausführlich WUTTKE 2005), die an der Qualität der auf eine Frage zu erwartenden Antwort festgemacht wird. Die Beobachterübereinstimmung erwies sich als gut (Cohens Kappa = .75). Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Fragetypen.

Tabelle 4 zeigt die Verteilung der Schüler- und Lehrerfragen auf die einzelnen Kategorien. Es wird auch hier deutlich, dass Schüler in einer selbstorganisationsoffenen Lernumgebung – verglichen mit lehrerzentriertem Unterricht – relativ viele Fragen stellen. Meist sind das allerdings Kurzantwortfragen, die nur eine kurze Zustimmung oder Ablehnung (F 1) bzw. eine klar definierte Antwort (F 2) erwarten lassen. Nur 44 Fragen (ca. 8% der insgesamt gestellten Fragen) sind von einer Qualität, die als Antwort eine Erklärung nach sich ziehen sollte und von der ein substanzieller Beitrag zur Wissensgenerierung zu erwarten wäre. Der Lehrer stellt im Vergleich zu den Schülern etwas häufiger qualitativ hochwertige Fragen (25 F 3-Fragen, das entspricht 28% der Fragen). Das Gros bilden trotzdem die Faktenfragen (F 2) (vgl. dazu auch NIEGEMANN/ STADLER 2001).

Prüft man den Zusammenhang der Frageaktivität der Lernenden mit deren Lernerfolg, dann zeigen sich die in Tabelle 5 dargestellten Befunde (zur Erfassung des Lernerfolgs siehe Abschnitt 3). Angesichts des geringen Stichprobenumfangs werden auch tendenzielle Zusammenhänge (p < .10) ausgewiesen.

Insbesondere Fragen der Kategorie 2 (Nenne-Fragen) scheinen mit der Wissensgenerierung der Schüler in Zusammenhang zu stehen. Sowohl zu den Ergebnissen aller Wissenstests als auch zur inhaltsspezifischen Problemlösefähigkeit (Gesamtmaß AITG, logische Nachvollziehbarkeit und Erfolgsaussicht der Problemlösung) finden wir überzufällige Zusammenhänge. Allerdings stehen durchaus auch Fragen der ersten Kategorie in Zusammenhang mit dem erworbenen Wissen und der inhaltsspezifischen Problemlösefähigkeit (deklaratives Wissen, AITG, logische Nachvollziehbarkeit und Erfolgsaussicht der Problemlösung). Es scheint also nicht notwendig zu sein, ausschließlich hochwertige Fragen zu stellen, um den Wissenserwerbsprozess zu unterstützen.

4.1.2  Argumentationssequenzen

Argumentationssequenzen stehen seit einigen Jahren besonders in britischen und amerikanischen Studien zur Unterrichtskommunikation zunehmend im Fokus des Interesses ( z. B. CAZDEN 1988; SWEIGART 1991; FISHER 1993; WEGERIF/ MERCER 2000 ). Auf der Basis von HABERMAS' Theorie kommunikativen Handelns und Befunden aus Studien zum kollaborativen Lernen sowie aus Projekten der Unterrichtsforschung und Unterrichtskommunikation wurde exploratory talk als eine Form erfolgreicher Kommunikation identifiziert. Sie lässt sich von zwei weiteren (unerwünschten) Kommunikationstypen abgrenzen, dem cumulative talk und dem disputational talk (SWEIGART 1991, 469; FISHER 1993, 255; WEGERIF/ MERCER/ DAWES 1999, 496; WEGERIF/ MERCER 2000, 180). Tabelle 6 zeigt die angesprochenen Typen und Ausprägungsformen von Unterrichtskommunikation .

 

Bei exploratory talk soll beispielsweise das eigene Wissen durch Gegenargumente der Mitschüler infrage gestellt werden. Die dadurch potenziell ausgelösten kognitiven Konflikte (vgl. PIAGET 1989) sollen zu kognitiver Entwicklung beitragen (FISCHER/ BRUHN/ GRÄSEL/ MANDL 2002). Ein möglicher Erklärungsansatz wäre auch – in der Tradition von VYGOTSKY (1964, 1987) – dass durch allmähliche Internalisation von zuerst extern in der Diskussion präsentierten Argumenten und Wissensbestandteilen eine individuelle kognitive Weiterentwicklung stattfindet. Lernende werden durch die Interaktion in den Gruppen mit Hilfe der Verbalisierungen von Mitschülern, so genannten „linguistic scaffolding tools“ (FERNANDEZ/ WEGERIF/ MERCER/ ROJAS-DRUMMOND 2001, 3), in eine „Zone der nächsten Entwicklung“ (VYGOTSKY 1987) gebracht. Die ursprüngliche Idee des scaffolding wurde von BRUNER (1985) zwar so gefasst, dass die Person, die das „Gerüst“ zur Verfügung stellt, schon eine Ahnung des zu erlernenden Konzepts haben muss. Aber obwohl Peers das in der Regel nicht haben, können z. B. FERNANDEZ/ WEGERIF/ MERCER/ ROJAS-DRUMMOND (2001) zeigen, dass sprachliches scaffolding durch Peers den Wissenserwerb vorantreibt. Zudem könnte man erwarten, dass durch die Beteiligung vieler Schüler an der Diskussion nicht nur die Sicht einer Person – i. d. R. die des Lehrers – sondern eine Vielzahl begründeter Argumente und Lösungswege angeboten wird. Dadurch bieten sich auch vielfältige Anbindungsmöglichkeiten an je individuelles Vorwissen, was wiederum die Wissensvernetzung erleichtern sollte (WUTTKE 2005). Allerdings scheint exploratory talk , wie auch andere qualitativ hochwertige Kommunikationstypen, in Lerngruppen selten spontan produziert zu werden. Bestenfalls wird kumulativ kommuniziert, häufig kommt es auch zu (vermeintlich) unproduktiven Streitgesprächen (FISHER 1993, 256).

Untersucht man Quantität und Qualität der Argumentationssequenzen und analysiert deren Wirkung auf den Lernerfolg, so zeigt sich, dass (a) Schüler insgesamt häufig in Argumentationssequenzen eingebunden sind (226 Argumentationssequenzen der Schüler in den beobachteten 20 Unterrichtsstunden) und dass (b) Varianz bei der Wissensvernetzung insbesondere durch qualitativ hochwertige Argumentationssequenzen ( exploratory talk ) aufgeklärt wird (45 %). Je häufiger Schüler also an kritisch begründeten Sequenzen beteiligt sind, desto eher sind sie in der Lage, vernetztes Wissen aufzubauen.

Allerdings wird deutlich, dass die Argumentationsqualität nicht durchgängig hoch ist. Von den oben genannten 262 Argumentationssequenzen sind 159 (61%) dem cumulative talk zuzuordnen. 55 Sequenzen (21%) können als disputational talk und 48 Sequenzen (18 %) als exploratory talk kategorisiert werden. Die Unterrichtskommunikation ist also von Argumentationssequenzen geprägt, die unkritische Zustimmung einmal geäußerter Vorschläge beinhalten ( cumulative talk ). Sequenzen des disputational talks sind im Vergleich mit cumulative talk und exploratory talk im Mittel eher kurz (29,4 Wörter im Vergleich mit 44,3 bei cumulative talk und 104,8 bei exploratory talk ), insgesamt nehmen sie aber immer noch einen relativ großen Teil der Kommunikation ein (1607 von 13003 geäußerten Wörtern, das entspricht 12 %). Vergleicht man nun zwei Subgruppen innerhalb der Klasse, zeigt sich, dass der hohe Anteil an disputational talk vor allem in Gruppe 1 zu finden ist.

Während die Teilnehmer von Gruppe 1 in hohem Maße in (vermeintlich) unproduktive Streitgespräche verwickelt sind ( disputational talk ), findet man diese bei den Teilnehmern der Gruppe 2 selten. Stattdessen argumentieren sie häufiger qualitativ hochwertig, diskutieren also im Stil von exploratory talk . Die Gruppen unterscheiden sich hier deutlich, was durch die hochsignifikanten Mittelwertunterschiede belegt wird (p = .000 sowohl bei disputational als auch bei exploratory talk ). Die Frage ist nun, ob der Lehrer in den 20 Stunden versucht hat, die Gruppen – womöglich unterschiedlich – zu unterstützen. Die Antwortet lautet, dass dieser in beiden Gruppen praktisch überhaupt nicht an den Argumentationssequenzen der Schüler teilnimmt. Positiv gewendet könnte man das so interpretieren, dass der Lehrer nicht in die eigenständigen Problemlöseprozesse der Schüler eingreifen möchte. Negativ gewendet läge die Interpretation nahe, dass er entweder nicht erkannt hat, dass zumindest Gruppe 1 Unterstützung benötigt, oder nicht wusste, wie diese Unterstützung aussehen könnte. Es hätte der Versuch unternommen werden können, die zahlreichen Sequenzen aus dem disputational talk abzubrechen. Das leistet der Lehrer aber nicht. Ein Beispiel aus Gruppe 1 soll dies illustrieren:

Der Lehrer zeigt ein vergleichbares Argumentationsverhalten wie die Schüler, er wiederholt nur mehrfach, das sei doch machbar, der Ordner sei da, müsse da sein. Statt sein Argument zu belegen, damit adäquates Argumentationsverhalten zu modellieren und zusätzlich unterstützend Strategien anzubieten, wie „verlorene“ Ordner wieder aufgefunden und die Daten damit gerettet werden können, beharrt auch er auf seiner Meinung. Faktisch gerät diese Lerngruppe immer mehr ins Hintertreffen. Aus wissenspsychologischer Sicht ist das in Kenntnis weiterer Teilergebnisse als kontraproduktiv einzuschätzen (WUTTKE 2005). Dies der Sozialform oder dem Analyseintrumentarium anzulasten wäre ebenso kurzschlüssig wie die Zwangsläufigkeit, negative Wirkungen solcher Schüler-Schüler-Interaktionen prognostizieren zu wollen. Deutlicher wird hier eher, dass die Lehrperson ihre modifizierte Rolle in dem neuen setting noch nicht internalisiert hat. Sie versagt an der Hilfestellung, den „disputional“- in einen „exploratory“-Modus wandeln zu helfen.

Wichtig für die Lehrerbildung wird aus selbstorganisatorischer und pädagogischer Sicht, perlokutionäre Effekte nicht nur unter kognitiven Aspekten des Wissenserwerbs zu betrachten, sondern auch die gemeinten Wirkungen auf Gefühle und Handlungen „lesen“ zu lernen. Fügt man die verschiedenen sprachanalytischen Ergebnisse aus den Teilstudien zusammen, erkennt man Folgendes: Die Daten zeigen, dass es nicht so wichtig ist, ob und inwieweit Schüler höherwertige Fragen stellen, sondern dass sie Fragen stellen können (s. o.). Es lässt sich auch zeigen, dass aufgabenirrelevante Kommunikation sich nicht (auch in den unterschiedlich kommunizierenden Gruppen nicht) negativ auf die Wissensgenerierung auswirkt, sondern – ähnlich wie die cumulative talks – eher für das Gruppenmanagement bedeutsam ist. Problemorientierte Gruppenarbeit unter Selbst- und Zielverantwortung könnte überhaupt nicht funktionieren, wenn man die aufgabenirrelevante Kommunikation und die cumulative talks (gleichsam mathematisch gedacht) auf „Null“ setzen würde. Alle aktiven Lerneräußerungen sind bedeutsam, jedoch in unterschiedlichen Settings in unterschiedlicher Weise. Bezogen auf die gleichen Datensätze zeigte sich z. B. im Unterschied zu der TraLe-Klasse, dass jeder SoLe-Schüler im Durchschnitt viermal so viele Äußerungen zur Wissensreproduktion tätigte, um sich selbst erst einmal die Wissensbasis zu verschaffen. Die TraLe-Schüler bekommen diese quasi „frei Haus“ von der Lehrperson mitgeteilt, aktive Verarbeitung ist möglich, aber nicht sicher. Da Problemlösen eine gute – eigene – Wissensbasis braucht, verwundert es nicht, dass aktive Lerninhaltsäußerungen aller taxonomischen Stufen (Wissensreproduktion, Reorganisation, Transfer und Problemlösen) einen signifikanten Beitrag sowohl zum komplexen Problemlösen als auch zur Lösung des Lernzielorientierten Tests (IHK-Aufgaben) leisten (PFEIFER 1998).

In der SoLe III-Untersuchung finden wir auf der Basis des Theorieansatzes der Fragengenerierung von GRAESSER/ PERSON/ HUBER (1992) die Bestätigung, dass „nicht lernzielrelevante Fragen“ signifikant mit der intrinsischen Motivation und mit der „Erfolgsaussicht“ einer komplexen Problemlösung korrelieren, also, wie vermutet, wichtig für den Lernerfolg sind. Gleichwohl hat auch hier die „wertvollste“ Fragenkategorie (Langantwortfragen mit deep reasoning-Charakter), ähnlich wie die explanatory talks auf den Wissenserwerb, einen größeren direkten Einfluss auf den Problemlöseerfolg (SEIFRIED/ SEMBILL 2005b). Im Übrigen hat die Dauer der verschiedenen talks ebenfalls einen bedeutsamen Einfluss auf den Lernerfolg (WUTTKE 2005; SEMBILL 2006; 2008; SEMBILL/ DREYER 2008).

Operationalisiert werden dispuational talks (Tabelle 6) durch Begriffe wie Herausforderung und Gegenherausforderung, Meinungsverschiedenheiten (also Streit) und Wettbewerb auf (Kommunikation als Streitgespräch). Dies prognostisch eindeutig negativ zu akzentuieren, hieße AEBLI (1980, 25) in dessen Irrtum zu folgen, Emotionen verfälschen lediglich die kognitive Ordnung und behindern den Wissenserwerb. Das ist nicht nur neurophysiologisch und lernpsychologisch nicht (mehr) akzeptabel, sondern auch pädagogisch und sozialpsychologisch nicht (siehe hierzu SEMBILL 1989/1992a, 2003b; SCHUMACHER 2002). Die in den Gruppen zu beobachtenden unterschiedlichen individuellen Motiv-Bedürfnislagen bringen auf dem Wege differierender Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten emotionale Spannungen hervor und die Notwendigkeit mit sich, diese interaktiv-diskursiv (auch mit Unterstützung der Lehrperson) zu lösen (SEMBILL 2004). Wenn dies dauerhaft nicht gelingt, und – wie im obigen Beispiel – die Lehrpersonen nicht zielgerichtet eingreifen, muss man negative Effekte befürchten. Ebenso gut können aber auch aus Spannungen und „Positionskämpfen“ in Gruppen in Kombination mit ausgeprägten Lernmotiven sehr starke Problemlösungen hervorgehen (ebd.). Es geht also immer darum, über Begründungen in länger angelegten Argumentations- und Lernzeiten substanziell eine gemeinsame Rationalität zu suchen.

Wir sehen also genau das, was theoretisch als evolutionäre Strukturkopplung auch in seiner „zivilisatorischen“ Entwicklung begrenzend postuliert wurde (siehe Abschnitt 2.1.3): Die Beschleunigung (Zeit!) von selbstorganisatorischen Konkurrenz-Kooperations-Beziehungen erzeugen – i. S. von entweder Beibehalten oder Verändern situationaler Bewertungen – fortlaufend pulsierende mentale Entscheidungsprozesse, die quasi seismografisch aufgenommen und gesteuert werden durch die individuelle emotionale Befindlichkeit aller Beteiligten (SCHUMACHER 2002; SEMBILL 2003b; SEMBILL/ GUT-SEMBILL 2004).

4.2  Gruppenprozesse 2: Problemlöseprozesse

Im Folgenden wird anhand des Beispiels der SoLe III-Studie (SEIFRIED 2004) gezeigt, wie Schülerinnen und Schüler bei der Problemlösung vorgehen. Dabei werden die Unterkategorien „Problemdefinition“, „Problembearbeitung“ und „Handlungskontrolle“ unterschieden. Die Ergebnisse basieren auf der Analyse einer gegen Ende des Schuljahres angesiedelten Unterrichtseinheit, die fünf Unterrichtsstunden umfasst. Dabei wurden die Interaktionsprozesse in zwei von fünf Lerngruppen näher untersucht (acht Schülerinnen und ein Schüler, Alterspanne: 16 bis 18 Jahre). Gegenstand dieser Lernsequenz ist die Bearbeitung eines Beleggeschäftsgangs (vorbereitende Abschlussbuchungen) inklusive der Aufbereitung der Daten für einen Geschäftsbericht. Die selbstständige Bearbeitung von Beleggeschäftsgängen sowie die Interpretation der Daten erscheinen gut geeignet, Informationen sowohl zur Buchungskompetenz als auch zum Verständnis ökonomischer Zusammenhänge zu gewinnen, da die Lernenden sowohl eigenständig Daten und Kennzahlen generieren müssen (Vornahme von Buchungen, Kontenabschluss, Erstellung der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz) als auch diese Informationen aus ökonomischer Sicht beurteilen und in einen übergeordneten Gesamtzusammenhang einordnen müssen (Analyse, Beurteilung und Beschreibung der Geschäftsentwicklung anhand von Bilanzkennzahlen im Zeitablauf und vor dem Hintergrund der Branchenentwicklung sowie der gesamtwirtschaftlichen Situation etc.).

Insgesamt wurden in zwei Unterrichtseinheiten je fünf Unterrichtstunden bei neun Lernenden 492 Schüleräußerungen als problemlösendes Verhalten gekennzeichnet. Im Mittel ergeben sich somit pro Schüler knapp 55 Problemlöseaktivitäten. Davon entfallen auf die Unterkategorie „Problembearbeitung“ ungefähr 70 % der Schüleräußerungen. Die restlichen 30 % verteilen sich auf die Unterkategorien „Problemdefinition“ (ca. 7 %) und „Handlungskontrolle“ (ca. 23 %). Zur Überprüfung eines möglichen Zusammenhangs zwischen den beobachtbaren Problemlöseaktivitäten und dem Lernerfolg (Faktenwissen und Problemlösekompetenz) werden Rangkorrelationen (Spearman's rho) berechnet (wegen Verletzung der Normalverteilungsannahme). Tabelle 8 beinhaltet die ermittelten Korrelationen.

 

Alles in allem ist davon auszugehen, dass die Schülerinnen und Schüler die Unterrichtszeit genutzt haben, um die gestellten Probleme zu bearbeiten. Die Eigenaktivitäten der Lernenden haben wiederum etwas mit dem Lernerfolg zu tun: Die durchgeführten Korrelationsanalysen fördern eine Reihe überzufälliger Zusammenhänge zwischen den beobachtbaren Problemlöseaktivitäten und den Indikatoren für Lernerfolg zutage. Dies gilt sowohl für die Häufigkeit der Problemdefinition und der Problembearbeitung als auch für die Aktivitäten im Bereich Handlungskontrolle. Es bestehen beispielsweise signifikante (p < .05) bzw. tendenzielle (p < .10) positive Korrelationen zwischen der Häufigkeit der Problemdefinition und zwei der vier qualitativen Kriterien der fachspezifischen Problemlösekompetenz („deklaratives Wissen“ und „Logik“). Ähnlich stellt sich die Situation für die Kategorie Handlungskontrolle dar (signifikante positive Zusammenhänge mit den Kriterien „deklaratives Wissen“ und „Logik“, tendenzieller Zusammenhang mit den Variablen „AITG“ und „Erfolgsaussichten der Problemlösung“). Für die Problembearbeitung zeigen sich ebenfalls signifikante oder tendenzielle positive Zusammenhänge mit den Kriterien „LOT“, „AITG“, „deklaratives Wissen“ und „Logik“. Die Befunde unterstützen letztlich die Vermutung eines Zusammenhangs zwischen der beobachtbaren Problemlöseaktivität und dem Lernerfolg, obgleich sich für das Kriterium „Wissensvernetzung“ kein substanzieller Zusammenhang feststellen lässt.

Auch in dieser Studie variieren die Lernprozesse nicht unerheblich. So konnten zwei Gruppen identifiziert werden, die sich hinsichtlich des Lernerfolgs, aber auch hinsichtlich emotionaler und motivationaler Kriterien signifikant unterscheiden. Der Problemlöseprozess der „ Positivgruppe“ (fünf Schülerinnen) kann insgesamt gesehen als zielgerichtet und effektiv gekennzeichnet werden. Die Art und Weise des Herangehens an die Problemstellung zeigt, dass die Schülerinnen im Laufe des Schuljahrs Routinen entwickelt haben. Alle fünf Gruppenmitglieder beteiligen sich ungefähr in gleichem Ausmaß an der Gruppenarbeit und treiben nahezu gleichberechtigt den Arbeitsprozess voran. Dabei legen die Schülerinnen vergleichsweise viel Wert auf eine prozessbegleitende Handlungskontrolle (siehe Abbildung 4). Zum Teil gehen sie arbeitsteilig vor, um die Problemstellung zu bearbeiten. Anschließend werden die Resultate zusammengetragen und auf Plausibilität hin überprüft. Die Stimmung in der Gruppe ist gut, die Mädchen gehen auf die Mitschülerinnen ein, lachen viel und haben offensichtlich Freude am Unterricht. Diese Beobachtungen stimmen mit dem selbstberichteten subjektiven Erleben des Unterrichts (das hier nicht dargestellt wird), überein (vgl. SEIFRIED 2004, 241 ff.).

Die Abbildungen 1 und 2 spiegeln jeweils die Häufigkeit der Kodierungen für die verschiedenen Arbeitsgruppen während einer ausgewählten Unterrichtseinheit wider. Bei den Grafiken wurde auf der Abszisse die Unterrichtszeit abgetragen, die Ordinate gibt die Anzahl der Kodierungen an. Bei der Interpretation der Abbildungen ist zu beachten, dass die Häufigkeiten der kodierten Problemlöseaktivitäten jeweils für zehn Minuten aufaddiert wurden.

Der Problemlöseprozess der „ Problemgruppe “ verläuft völlig anders. Von Anfang an führt die mangelnde Mitarbeit von zwei Gruppenmitgliedern zu Spannungen in der Gruppe. Der Umgangston ist scharf, stellenweise auch verletzend, die Stimmung ist schlecht. So äußert beispielsweise eine Schülerin mehrfach ihren Unmut darüber, dass nicht alle Gruppenmitglieder zur Problemlösung beitragen. Folgender kurzer Gesprächsauszug kann als Beleg für die Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe gelten:

Schülerin 1: „Ich mach jetzt überhaupt nichts mehr.“

Schüler 2: „Ich auch nicht, ich mache heute gar nichts.“

Schülerin 3: „Ja alleine mach ich auch nicht euren Dreck.“

Schüler 2, der einzige männliche Untersuchungsteilnehmer der Arbeitsgruppe, verweigert nahezu durchgängig die Mitarbeit. Der Unmut der Gruppe richtet sich insbesondere gegen ihn. Aus der Unterrichtsbeobachtung sowie den Interaktionsprotokollen geht zudem hervor, dass er im Verlauf des Schuljahres immer mehr zum Außenseiter wurde und das Verhältnis zu den anderen Gruppenmitgliedern als angespannt zu kennzeichnen ist. Dagegen wird die fehlende Mitarbeit von Schülerin 4 von der Gruppe weitgehend toleriert. Dies könnte auf die massiven Schulprobleme dieser Schülerin zurückzuführen sein, die in der Gruppe auch thematisiert werden (In einer vorangegangenen Unterrichtseinheit spricht sie über ihren Plan, die Berufsausbildung abzubrechen. Sie befürchtet in diesem Zusammenhang u. a. Streit mit den Eltern.). Schülerin 1 und Schülerin 3 zeigen sich im Verlauf der Gruppenarbeit solidarisch und bemühen sich des Öfteren, Schülerin 4 die bereits durchgeführten bzw. noch notwendigen Arbeitsschritte zu erklären. Im Endeffekt sind Schülerin 3 (Anteil an den Problemlösebeiträgen: 63 %) und Schülerin 1 (Anteil an den Problemlösebeiträgen 34 %) auf sich alleine gestellt. Die Abbildung 2 zu entnehmenden Interaktionsprozesse beziehen sich somit in erster Linie auf diese beiden Lernenden. Trotz gegenteiliger Aussagen (s. o.) übernimmt Schülerin 3 die Rolle der Gruppensprecherin und versucht mehrfach, insbesondere Schüler 2 zur Mitarbeit zu bewegen (was jedoch nicht gelingt). Die ab 9:26 Uhr zu beobachtenden umfangreichen Kontrollaktivitäten sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass Schülerin 1 und 3 mehrere fehlerhafte Buchungen feststellen und daraufhin die bisherigen Arbeitsergebnisse nochmals durchsehen (vgl. Abbildung 5).

 

Es spricht einiges dafür, dass die Lernenden im Verlauf des Schuljahres Problemlöseroutinen und -kompetenzen erworben haben. In Analogie zu der hier dargestellten Analyse wurden auch Unterrichtseinheiten, die zu Beginn des Schuljahrs angesiedelt waren, ausgewertet. Die Schülerinnen und Schüler hatten – und zwar lerngruppenübergreifend – bei den ersten Problemlöseversuchen vergleichsweise große Schwierigkeiten, die gestellten Herausforderungen zu bewältigen. Die Auswertung der mehrfach durchgeführten Problemlösetests zeigt zudem, dass bei nahezu allen Lernenden der SoLe-Klassen eine deutliche Steigerung der Problemlösekompetenz zu verzeichnen ist. Es wird aber auch deutlich, dass sich zu Beginn der Untersuchung bestehende kleinere Unterschiede vergrößert haben und dass nicht alle Lernenden gleichermaßen am Leistungszuwachs partizipieren. Dies gilt beispielsweise für die beiden Lernenden 2 und 4 in der dargestellten Problemgruppe, wohingegen Schülerin 1 und 3 die aus der letztlich auf Arbeitsverweigerung hinauslaufende Haltung der beiden „Problemschüler“ entstandenen Situation als Chance nutzen konnten und bei den Problemlösetest weit über dem Klassenmittel abschnitten.

5.  Fazit und Ausblick : Chancen konsequent nutzen

Vor dem Hintergrund der skizzierten Forschungsergebnisse empfiehlt sich eine Ausweitung des Selbstorganisierten Lernens auf Basis theoretisch fundierter und empirisch überprüfter Ansätze. Im Vergleich zu „Praxiskonzepten“ wie dem SOL-Ansatz (HEROLD/ LANDHERR 2003), der bspw. in der Lehrerfortbildung in Baden-Württemberg eingesetzt wird, zeichnet sich unser Ansatz nicht zuletzt auch durch den Nachweis der mehrfachen Replikation wünschenswerter Effekte aus. Ziel der Bemühungen muss es sein, Lehr-Lern-Prozesse gemeinsam (in Lehrerteams und gemeinsam mit Lernenden) so zu gestalten, dass im Vergleich zur herkömmlichen Qualifizierung ein größeres Ausmaß an Selbst- und Mitbestimmung, die zwingend auch mit einer wachsenden Selbstverantwortung und entsprechenden Beurteilungsprozessen zu koppeln sind, erreicht wird. Vor dem Hintergrund der empirischen Befunde können zusammenfassend Empfehlungen für den kaufmännischen Unterricht formuliert werden. Schlüsselelemente für eine nachhaltige Steigerung der Schülerorientierung und Lerneraktivität im Unterricht sind:

•  Die Lernenden als Person und potenzielle Problemlöser ernst nehmen,

•  ein hohes Ausmaß an Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten im Unterricht,

•  der Einbezug der Schüler bei der Auswahl und zeitlichen Gewichtung der Lerninhalte,

•  das projektorientierte Vorgehen (inkl. der „Terminverantwortung“ auf Seiten der Lernenden),

•  die Bearbeitung komplexer, nicht wohl-definierter Probleme in kleinen Gruppen,

•  die im Zeitablauf zunehmende Komplexität der zu bearbeitenden Problemstellungen,

•  genügend Zeit und Handlungsspielräume auch für die Bewältigung von divergierender Motiv-Bedürfnislagen einräumen,

•  die mehrfache Bearbeitung ähnlicher Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven, auch unter dem Aspekt der Einübung und Routinebildung (dies setzt eine inhaltliche Überschneidung der Problemstellungen voraus),

•  die Mitwirkung der Lernenden bei der Beurteilung von Lernprozessen und Lernprodukten.

In der Förderung der Eigenaktivität von Lernenden scheint schließlich auch ein Schlüssel zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen zu liegen. Der SoLe-Ansatz stellt auch für lernschwächere Schülerinnen und Schüler eine gute Möglichkeit des Wissenserwerbs dar. Es konnte gezeigt werden, dass schwächere Schüler im selbstorganisationsoffenen Unterricht bessere Partizipationschancen vorfinden (und diese auch nutzen) als beim lehrergesteuerten Klassengespräch (SEMBILL 2004; SEIFRIED 2007).

Gleichzeitig muss man aber auch die eröffneten Möglichkeiten, die die wachsenden Einblicke in die individuellen (kognitiven, emotionalen, motivationalen und sozialen) Potenziale dank der im Unterschied zum Frontalunterricht weit transparenteren Gruppenarbeitsphasen erzielen, konsequent nutzen. Selbstorganisiertes Lernen ist – auch das geht aus den Studien hervor – kein „didaktischer Selbstläufer“. In allen Untersuchungen ließen sich jeweils Problemschülerinnen und -schüler ausmachen, die vom Unterricht deutlich weniger profitierten als ihre Mitschüler (und im Frontalunterricht als „Ablehnungsschüler“ frühzeitig selektiert werden; SEMBILL 1984). Das Fatale: Diese „Problemfälle“ waren nicht von vornherein als solche zu erkennen und wiesen nicht per se ungünstigere Eingangsbedingungen auf, sondern wurden erst im Verlauf der Gruppenarbeitsphasen „abgehängt“. Dies liegt zum einen in ungünstigen Gruppenkonstellationen begründet (SCHUMACHER 2002; SEMBILL 2004), zum anderen war eine ungünstige Nutzung bzw. Nichtnutzung der eingeräumten Handlungsfreiräume zu beobachten. Noch fataler ist aber, dass es – schon von der Handelslehrerausbildung her – an (gruppen-) diagnostischen Fähigkeiten und Umsetzungsmöglichkeiten der Lehrpersonen fehlt, insbesondere was die Anleitung, die Prozessbeobachtung und die Bewertung von Gruppenarbeiten betrifft. Diesbezüglich sind Lehrkräfte (stärker noch als bei der herkömmlichen, i. d. R. „kurzatmigen“ Gruppenarbeit) gefordert:

(1) Lehrkräfte müssen problematische Entwicklungen in Lerngruppen erkennen und Maßnahmen zur Gegensteuerung parat haben. Es bedarf einer umfänglichen Diagnostik der Gruppenprozesse. Es empfiehlt sich z. B., die Lernenden ein Lerntagebuch führen zu lassen (und dieses regelmäßig einzusehen), in dem auch Gruppenklima bzw. Konflikte in der Gruppe thematisiert werden. Konfliktmanagement bedeutet aber zunächst einmal nicht, dass man als Lehrkraft sofort eingreift, wenn erste Konflikte sichtbar werden. Vielmehr sollte man den Lernenden die Chance einräumen, Konflikte und Streitigkeiten eigenverantwortlich in der Gruppe zu lösen. Die Lehrkraft wird in diesem Fall zunächst einmal als Streitschlichter bzw. Mediator gebraucht. Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Veränderung der Gruppenzusammensetzung in gewissen, vorher mit den Lernenden abgesprochenen Zeitabständen.

(2) Von großer Bedeutung sind auch Lehrerinterventionen beim Gruppenlernen. Zum einen gilt der Grundsatz, nicht zu häufig zu intervenieren, da jede Intervention auch störend wirkt und quasi als eine Art „Mini-Frontalunterricht“ abläuft, wenn die Lehrkraft mit Gruppen kommuniziert (DANN/ DIEGRITZ/ ROSENBUSCH 1999). Unsere Analysen der Lehrerinterventionen belegen zudem, dass diese stellenweise nur wenig lernförderlich sind und insbesondere Problemgruppen nicht diskrepanz-mindernd betreut werden bzw. Gruppen dadurch erst zu Problemgruppen werden (SEIFRIED/ KLÜBER 2006b). Darüber hinaus sind die zusätzlichen Belastungen für Lehrkräfte nicht zu unterschätzen. Damit ist zum einen die zusätzliche Belastung im Zuge der Unterrichtsplanung und Unterrichtsvorbereitung gemeint. Als hilfreich erweist sich diesbezüglich die Möglichkeit, Teams zu bilden und die Unterrichtseinheiten in Kooperation mit Kollegen vorzubereiten. Im Zuge der gemeinsamen Vorbereitung der Lehr-Lern-Sequenzen wird der Unterricht quasi zum kollektiven Eigentum. Hierzu muss das bei Lehrkräften verbreitete Autonomie-Paritätsmuster aufgelöst werden. Zum anderen beziehen sich die Belastungen auf die Überwindung von derzeit in Schulen vorherrschenden Überzeugungs- und Unterrichtsmuster (SEIFRIED 2006). Man muss den Lernenden etwas zutrauen, sich über längere Strecken zurücknehmen und den mit der Öffnung des Unterrichts zwangsläufig verbundenen Kontrollverlust ertragen. Die Lehrerbildung hat die Aufgabe, angehende Lehrkräfte auf diese Herausforderungen bestmöglich vorzubereiten.

Und schließlich: Bei aller beim selbstorganisierten Lernen gewährten Freiheit darf die Bedeutung von für alle (auch für die Lehrperson!) verbindliche Regeln und Zeitpläne nicht unterschätzt werden. Lernenden wird ein hohes Maß an Autonomie eingeräumt und die Verantwortung für Lernprozesse wird an diejenigen (zurück-)gegeben, die die Lernprozesse durchlaufen und davon profitieren sollen. Dies funktioniert jedoch nur dann, wenn klare Spielregeln und Zeitpläne dieser Selbstorganisation eine gewisse Rahmung verleihen. Offener Unterricht ohne jedwede Grenzen und verbindliche Konventionen dagegen wird nur in den seltensten Fällen zum Erfolg führen (GRUEHN 2000). Verantwortungsübernahme bedeutet nicht nur Verantwortung für die eigene Entwicklung, sondern auch dem Gerechtwerden von legitimen Ansprüchen von Mitlernenden, Lehrpersonen, Arbeitgebern sowie der Gesellschaft. Die SoLe-Konzeption sieht sich genau diesem – auszubalancierenden – antagonistischen Prinzip von Autonomie und Kontrolle verpflichtet (s. o.). Dies wird besonders dann erfolgreich weiter verfolgt werden können, wenn den Steuerungsparametern von Selbstorganisationsprozessen, Konkurrenz und Kooperation, in definierten Zeit- und Handlungsräumen inklusive der dabei zu befriedigenden Motiv-Bedürfnislagen aller Beteiligten Rechnung getragen wird.

 

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