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 bwp@ Ausgabe Nr. 15 | Dezember 2008
Medien in der beruflichen Bildung – Mit Web 2.0, ERP & Co. zu neuen Lernwelten?
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 15 sind H.-Hugo Kremer, Jens Siemon und Tade Tramm

Genderspezifisches Entscheidungsverhalten im Rahmen von computergestützten Unternehmensplanspielen

 

1.  Einleitung

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit sozialisiertem, geschlechtsbezogenen Verhalten bei computerstützten Unternehmensplanspielen. Das eingesetzte Planspiel wird im Rahmen der LehrerInnen- und Bachelorausbildung (Sozialwissenschaften GHR/Gym, Berufskolleg, Bachelor-Nebenfach Economics) an der Universität Siegen genutzt. Es soll in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden, dass Frauen hierbei tendenziell andere Entscheidungen treffen als ihre Kommilitonen. Diese Entscheidungsmuster im Planspiel sollen einen „Doing-Gender“-Prozess in virtuellen Lernumwelten nachweisen und können damit auch Rückschlüsse auf sozialisierte Verhaltensweisen bei beruflichen Lehr-/ Lernprozessen in unserer Gesellschaft geben.

Zunächst wird ein theoretischer Hintergrund des „Doing-Gender“-Prozesses aufgezeigt sowie der geschlechtsspezifischen Chancengenerierung am Markt hergeleitet. Im Rahmen der Planspielauswertung wird anschließend das genderbezogene Verhalten zunächst allgemein untersucht. Es ist in diesem Zusammenhang anzunehmen, dass die ökonomische Vorbildung gerade im universitären Kontext in Bezug auf Entscheidungsverhalten bei Unternehmensplanspielen auch eine bedeutsame Rolle spielen kann. Dieser Zusammenhang wird hieran anknüpfend aufgegriffen. Das computergestützte Planspiel kann damit zur Reflexionsplattform für genderspezifisches Entscheidungsverhalten avancieren. Erste Ansätze hierzu sollen im Beitrag vorgestellt werden.

2.  Eine theoretische Herleitung

2.1  Zum Ansatz des „doing gender“

Der Ansatz des „doing gender“ entstammt der interaktionstheoretischen Soziologie. Er wurde in der Geschlechterforschung zu einem Synonym für die „soziale Konstruktion von Geschlecht. „Doing gender“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht das Geschlecht bzw. die Geschlechtszugehörigkeit des Einzelnen betrachtet wird, sondern das „Geschlecht“ aus sozialen Prozessen heraus reproduziert wird . Anders als in früheren Ansätzen üblich, in denen implizit von einem „natürlichen Unterschied“ ausgegangen und die kulturellen Ausprägungen von ‚gender' lediglich als gesellschaftlicher Reflex auf Natur gefasst wurde, entwickelten WEST/ ZIMMERMANN in einer expliziten programmatischen Abgrenzung zum gängigen Ansatz das Konzept des „doing gender“ (vgl. WEST/ ZIMMERMANN 1987). Es besagt prinzipiell, dass Geschlecht als kontinuierlicher Produktionsprozess zu verstehen ist, der durch menschliche Sozialisation entsteht und in die Ressourcen verschiedener Institutionen eingeht (vgl. GILDEMEISTER 2004, 132).

Die vorgegebene biologische Sichtweise auf Geschlecht wurde damit praktisch umgekehrt. Geschlecht ist damit nicht als natürlicher Ausgangspunkt menschlichen Denkens und Handelns zu verstehen, es ist vielmehr das Ergebnis umfangreicher sozialer Prozesse. Damit ist zu diagnostizieren, dass nicht der Unterschied die Bedeutung herstellt, sondern umgekehrt. Jedoch - die Eigengeschlechtlichkeit wird individuell in der Biologie gesucht, so dass damit die soziale Konstruktion verklärt wird (vgl. GILDEMEISTER 2004, 132). Es kann sogar von Irritationen gesprochen werden, wenn es sich um die Vermittlung der Erkenntnis des „Doing Gender“-Ansatzes handelt.

Um diese Sichtweise auf Geschlecht verstehen zu können, ist es notwendig sich mit dem Konzept der soziologischen Interaktionstheorien zu beschäftigen. Interaktion zeichnet sich dadurch aus, dass Personen physisch gegenwärtig sind, sich wahrnehmen und aufeinander reagieren (vgl. GILDEMEISTER 2004, 133). In diesem Zusammenhang stellt Interaktion einen formenden Prozess dar. Dieser kann Zwänge beinhalten, in dem Akteure agieren, ohne diesen entgehen zu können. Ein Zwang kann beispielsweise das kategoriale und individuelle Erkennen von diesen Akteuren sein. Genau an dieser Stelle werden das Geschlecht und seine Zugehörigkeit bedeutsam. Es werden Prozesse in Gang gesetzt, die den Charakter einer Interaktion widerspiegeln. „ Jede Interaktion basiert auf Typisierung und Klassifikation. Klassifikationen sind in umfassendere Wissenssysteme und in eine Vielzahl institutioneller Arrangements eingelassen, über die Verhaltensregelmäßigkeiten und situativ angemessene Handlungsmuster zuverlässig erwartbar werden .“ (GILDEMEISTER 2004, 133). Damit wird das Geschlecht zu einer Kategorie, die Personen auf minimale Weise unterscheidet. Das Umfeld erlangt hierdurch eine Systematisierung und Ordnung. Diese Form der Klassifizierung wird nicht ohne weiteres umgesetzt – vielmehr bestimmen die uns umgebenden institutionellen Rahmenbedingungen diesen Systematisierungsprozess (vgl. GILDEMEISTE 2004, 133). Diese Phänomene sind als ‚institutional genderism' und ‚institutionelle Reflexivität' beschrieben worden (vgl. GOFFMAN 1994). Sie verdeutlichen, dass die Kategorie Geschlecht in der Art institutionalisiert wird, welche durch die entwickelten Stereotypen des Weiblichen und Männlichen im Rahmen einer vermuteten differenten Institutionalisierung begründet wird (vgl. GILDEMEISTE 2004, 133).

Es ist daher anzunehmen, dass auch in simulierten Räumen, wie in unserem Beispiel die des Planspiels ähnliche Institutionalisierungen stattfinden, die durch unsere Gesellschaft geprägt werden. In diesem Zusammenhang soll als weitere theoretische Heranführung das Entscheidungsverhalten im Rahmen von Chancengenerierung von Unternehmerinnen bzw. Entrepreneurinnen herangezogen werden, um das Verhalten der Studentinnen im Unternehmensplanspiel (hier agieren sie ebenfalls als potenzielle Unternehmerinnen) von dem der Studenten abgrenzen zu können. Es folgen erste Forschungsergebnisse, die interessant vor der Fragestellung „Wie erkennen Frauen im Unternehmensprozess Chancen auf dem Markt?“ zu sein scheinen.

2.2  Exkurs „Genderspezifisches UnternehmerInnenverhalten“

Bis Mitte der 1970er Jahre war die Entrepreneurshipforschung ein hegemonial-männliches Wissenschaftsgebiet. Sowohl bei den Forschern als auch bei den zu untersuchenden Fragen spielte das Subjekt der „Gründerin“ keine Rolle. Mit ersten Untersuchungen zu Gründungen durch Frauen in den 1970er und mit weiteren nachhaltigen Veröffentlichungen in den 1980er Jahren, konnte die Diskussion um das Thema der Women Entrepreneurship jedoch inzwischen etabliert und vertieft werden (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 3). So wies z. B. auch der Global Entrepreneurship Monitor 2006 darauf hin, dass genderspezifische Differenzen im Gründungsverhalten mehr denn je ein bedeutsames Thema in der Gründungsforschung und Gründungsförderung sind (vgl. STERNBERG/ BRIXY/ HUNDT 2007, 15).

Dabei erscheint nach allen wissenschaftlichen Untersuchungen eine geschlechtsbezogene Betrachtung insbesondere im Rahmen von Chancenerkennung für und bei Unternehmensprozessen erforderlich. Genau diese Fragestellung gehört jedoch zu den weniger untersuchten Gebieten. Wenn jedoch davon ausgegangen werden kann, dass Chancengenerierung für Unternehmensprozesse von hoher Bedeutung sein können, so ist zu untersuchen, wann und wie Frauen sich möglicherweise anders verhalten als ihre männlichen Antagonisten. Dieses Themenfeld soll im weiteren genauer dargestellt werden.

2.3  Gender und Chancenerkennung

Zum Themengebiet Gender und Chancenerkennung haben BAKER, ALDAG und BLAIER im Jahre 2003 wissenschaftliche Pionierarbeit geleistet (vgl. BAKER/ ALDAG/ BLAIR 2003). Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über ihre bisherigen Erkenntnisse gegeben werden. Diese basieren auf Studien zum Ressourcenzugang und zu institutionellen und personengebundenen Einflussfaktoren. Demnach sind Frauen in Bezug auf die Chancenerkennung im Unternehmensprozess tendenziell strukturell gegenüber Männern benachteiligt (vgl. BARON/ NEWMAN 1990, ENGLAND 1992, RESKIN/ ROSS 1990). Strukturelle Unterschiede beziehen sich zumeist auf ihre Ausbildung und Berufserfahrung. Wissenskorridore, die im Laufe des Berufslebens aufgebaut werden können sowie damit verbundene soziale Netzwerkstrukturen. Solche Faktoren bestimmen mit, welche Personen einen Vorteil bei Chancenerkennung im Rahmen von Gründungen prinzipiell nutzen können (vgl. BAKER/ MINER/ CASLEY 2003, SHANE 2000). Selbst wenn von Frauen entsprechende Gründungschancen erkannt werden, können persönliche Lebenslagen und z.B. auch familiäre Verpflichtungen Hindernisse darstellen, die dann die für die Chancenausnutzung notwendigen Ressourcen einschränken (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 47 f).

Jedoch lässt sich nicht prinzipiell nachweisen, dass es eine generell unterschiedliche Chancenausnutzung durch Frauen und Männer gibt. Gerade Personen im jüngeren Alter weisen kaum ein divergierendes Verhalten im Rahmen unternehmerischer Prozesse auf. Beide Geschlechter sind der Meinung, dass Marktgröße, Marktwachstum und eine damit verbundene geringe Konkurrenz tendenziell eher einen positiven Einfluss auf die Chancenerkennung im Rahmen von Unternehmensprozessen haben (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 48).

Nachweisen lässt sich allerdings, dass Frauen dazu neigen, risikovermeidende Chancen im Unternehmen den risikofreudigeren vorzuziehen (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 49). Dieses Verhalten bedeutet jedoch keinesfalls, dass sie nicht auch die vielleicht risiko- aber auch chancenreicheren Gelegenheiten am Markt erkennen. Sie sehen sich aber in vielen Fällen persönlich nicht in der Lage, diese Chancen umzusetzen. Es bleibt bislang ungeklärt, welche Bedingungen dazu führen, dass Frauen Chancen (nicht) ergreifen. In diesem Zusammenhang lässt sich nur vermuten, dass umfeldgebundene Einflüsse eine bedeutsame Rolle spielen könnten. Die bisherigen Studien können auch nicht nachweisen, dass Frauen selbst eine relationale Orientierung verfolgen, die verschiedene Rollen, wie Mutter und Selbstständige, erlaubt (vgl. LAUXEN-ULBRICH/ LEICHT/ FEHRENBACH 2004, 158, BAKER/ ALDAG/ BLAIR 2003).

In einer ersten Zusammenfassung kann festgestellt werden, dass es Unterschiede bei der Verfolgung von Chancen im Unternehmenskontext zwischen Frauen und Männern gibt. Frauen ergreifen zu ihren für sich selbst erkannten Bedingungen entsprechende Chancen oft auch in anderer Weise als Männer. Die Ursachen für die Unterschiede liegen nach Baker et al in der weiblichen Biographie verankert (vgl. BAKER/ ALDAG/ BLAIR 2003). Phasen der beruflichen Entwicklung von Frauen, in denen sie beispielsweise Karriereunterbrechungen aufgrund von Kindererziehung haben, können zur Benachteiligung von Chancenerkennungen in Bezug auf den Unternehmenskontext führen.

Die soeben beschriebene Benachteiligung von Frauen bezieht sich auch auf den kognitiven Prozess der Chancenerkennungen. DETIENNE und CHANDLER (2007, 25) haben in einer Untersuchung von 95 Studierenden und 189 Gründerpersonen durch eine Befragung herausgearbeitet, dass Frauen und Männer unterschiedliche Arten von allgemeinen und spezifischen Humankapital besitzen (vgl. LISCHKE 2007, 273). Sie nutzen diese auch unterschiedlich. Im Zusammenhang mit Existenzgründungen werden nach SHANE (2000) drei Formen von Humankapital unterschieden: „Vorwissen über Märkte, Vorwissen über Wege, um Märkte zu bedienen und Vorwissen über Kundenprobleme.“ (ETTL/ WELTER 2007, 50f.) Da Frauen oftmals eine Erwerbsunterbrechung im Rahmen ihrer Berufsbiographie nachweisen, sind sie in Bezug auf das Vorwissen tendenziell benachteiligt. Dies wirkt sich auch auf die schon erwähnten Chancenerkennungsprozesse aus. Bei diesen Prozessen werden vier Teile unterschieden:

(1) Learn/Replicate, [Lernen/Wiederholen]

(2) Learn/lnnovate, [Lernen/ Neu erungen einführen]

(3) Learn/Acquire, [Lernen/Erwerben]

(4) Innovate/Educate [ Neu erungen einführen/Ausbilden] (ETTL/ WELTER 2007, 50)

Der Prozess (1) zeichnet sich dadurch aus, dass durch Lernen Chancen erkannt werden, etwas zu wiederholen. Beispielsweise wird eine ungestillte Nachfrage am Markt erkannt und ein schon bestehendes Produkt in einem anderen Markt platziert (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 50). Im Prozess (2) findet eine Chancenerkennung in Bezug auf eine Produktneuplazierung statt. Eine Person entdeckt eine ungesättigte Nachfrage am Markt und entwickelt ein im Gegensatz zu schon bestehenden Gütern signifikant innoviertes Produkt. Der Prozess „Erlernen/Erwerben“ verfolgt das Ziel sich ein erfolgreiches Business-Konzept zunutze zu machen bzw. anzueignen. Im Gegensatz hierzu wird beim Prozess „ Neu erungen einführen/Ausbilden“ ein neues Produkt entwickelt. Danach werden die entsprechenden Kunden über den Nutzen des Produkts informiert. Dabei wird Überzeugungsarbeit geleistet (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 50).

DETIENNE und CHANDLER konnten nachweisen, dass Frauen sich eher zum Prozess 2 zuordnen lassen und Männer eher die Chancenerkennungsstrategien 3 und 4 verfolgen (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 50). Die beiden letzteren Prozesse erfordern von der GründerInnenperson tendenziell eine komplexere Gründungsaktivität, die Frauen aufgrund der genannten Benachteiligung oftmals nicht durchführen können. Allerdings konnte die These von DETIENE und CHANDLER, dass Frauen weniger innovativ bei der Chancenerkennung sind als Männer widerlegt werden (vgl. ETTL/ WELTER 2007, 51).

In einer zweiten Zusammenfassung kann damit konstatiert werden, dass der geschlechtsspezifische Blick auf institutionelle Gegebenheiten gelenkt werden muss, um die Auswirkungen, die genderbezogene Chancenerkennungen haben, identifizieren zu können. Ähnlicher Auffassung ist MICHANDI, die auf die Notwendigkeit eines Richtungswechsels mit Bezug auf feministische Theorieansätze im Rahmen des Entrepreneurships hinweist. Diese sollten sich von einer männlich-hegemonialen Norm geschlechtsspezifischer Unterschiede weg hin zu einem prozessorientieren Verständnis wenden: ,,[...]the focus on gender as a process integral to business ownership, rather than a characteristic of individuals (...) would allow researchers to pose a new set of questions about the experiences of women entrepreneurs.“ (MICHANDI 1999, 230)

BIRD und BRUSH identifizieren folgende Ansatzpunkte für eine genderbezogene Prozessbetrachtung von UnternehmerInnentum: „Konzeption der Realität, Umgang mit und Verständnis von Zeit, Handlungen, Verständnis von Machtprozessen und ethische Überlegungen.“ (ETTL/ WELTER 2007, 53 in Anlehnung an BIRD/ BRUSH 2002). Mit diesen Punkten wird der Blick auf „the more silent feminine personal end" (BIRD/ BRUSH 2002, 57) von Entrepreneurship gelenkt.

Ob die Entscheidungen der Studentinnen im Rahmen des hier zu untersuchenden Planspiels ebenfalls „more silent“, wie nach BIRD/ BRUSH das Verhalten von Unternehmerinnen zu bezeichnen ist, stattfinden, soll nun der empirische Teil des Beitrages aufzeigen.

Zentral soll es um Fragen der Risikobereitschaft, des vorsichtigeren Aufbaus eines Unternehmens, der geringeren Investitionsbereitschaft und des nachhaltigeren Ressourceneinsatzes aus Sicht der Studentinnen gehen. Es wird damit die These vertreten, dass Frauen im Rahmen des Planspiels trotz Chancenerkennung (Etablierung des Unternehmens am Markt) diese weniger bzw. vorsichtiger nutzen.

3.  Das Planspiel BWLPlan

3.1  Ein erster Überblick

Das Unternehmensplanspiel BWLPlan (http://www-plan.fb5.uni-siegen.de/bwlplan ) richtet sich an Studierende der Lehrämter Sozialwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften für Berufskollegs sowie an Bachelor-Studierende des Ergänzungsfaches Economics. Die Teilnehmer entscheiden dabei individuell; die Entscheidungen sind daher jedem einzelnen zurechenbar. Das Planspiel dient im Rahmen der universitären Ausbildung der Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Begleitend bearbeiten die Studierenden dafür Fragemodule zu den unterschiedlichen Teilbereichen der BWL.

Damit die einzelnen im Spiel agierenden Unternehmen Einfluss auf den Gesamtmarkt haben, werden alle Teilnehmenden auf Märkte mit maximal neun Teilnehmenden (=Unternehmen) aufgeteilt. Im Planspiel sind die Teilnehmenden in die Lage versetzt, Entscheidungen über Produktion, Absatz, Investition sowie Material- und Informationsbeschaffung zu treffen. Produziert wird nur ein Produkt, das aus zwei Komponenten besteht: einem Blechgehäuse und einem Elektronikbauteil.

Die beiden Produktionsfaktoren Blech und Elektronik müssen mindestens eine Periode vor dem Zeitpunkt ihrer Verarbeitung eingekauft werden. Zu diesem Zeitpunkt (Zahlung bei Lieferung) wird ihre Bezahlung mit den in der gleichen Periode erwirtschafteten Erlösen aus dem Verkauf der Fertigerzeugnisse beglichen, soweit diese Mittel reichen. Wird mehr Material beschafft, als in einer Runde durch die Erlöse finanziert wird, muss der Rest über vorher aufgenommene langfristige Kredite finanziert werden, andernfalls werden teure kurzfristige Kredite veranschlagt. Der Absatz richtet sich nach dem Preis sowie nach Ausgaben für Qualität und Werbung (Marketing). Die Wirkung der letztgenannten beiden Faktoren wird abgeschwächt in die nächste Runde weitergetragen. Das Gewinnkriterium ist der kumulierte Periodenüberschuss nach acht Entscheidungsperioden. Um über das Geschehen am Markt unterrichtet zu werden, kann jede Gruppe kostenpflichtige Marktinformationen über die abgelaufen Entscheidungsperiode bestellen.

In der ersten Periode des Spiels fallen lediglich die Entscheidungen über Ausstattung an Maschinen und Personal sowie die Beschaffung von Fertigungsmaterial für die zweite Periode – mit den Entscheidungen in Periode 1 ist die Produktionsgröße in Periode 2 festgelegt. Aufgrund eines Fixkostenanteils steigen im Planspiel die Grenzerträge bei steigender Produktion; Die Empfehlungen der Spielleitung in der ersten Runde belaufen sich auf einen Preis von 440 bis 480 Euro und einer Produktionsmenge zwischen 16.000 und 20.000 Stück. Softwareseitig ist bei einer Produktionsmenge von 40.000 Stück eine Obergrenze festgesetzt.

3.2  Rahmenbedingungen im Planspiel

Die Rahmenbedingungen im Planspiel bleiben über die Perioden hinweg nicht gleich, sondern können durch den Spielleiter variiert werden. Durch diese Änderungen der Rahmenbedingungen sind teilweise die Kurvenverläufe in den noch folgenden Abbildungen zu erklären, vor allem die Zunahme der Fertigungsmengen sowie die Anzahl der Fertigungsmaschinen und die Abnahme der Überkapazitäten in den letzten Perioden. Die Teilnehmenden erfahren in den „News“ zu jeder Periode über Veränderungen in den Rahmenbedingungen; dort werden in Periode 1 auch die Empfehlungen für die Produktion und den Absatz in Periode 2 bekanntgegeben, da in Periode 1 durch die Bestellung der Fertigungsmaterialien die Produktion in Periode 2 vorbereitet wird.

3.3  Allgemeine Daten

Im Durchgang Sommersemester 2008 haben 219 Studierende am Planspiel BWLPlan teilgenommen; 117 Studierende schafften den Scheinerwerb, der sich an die Bedingung knüpfte, 7 von 8 Entscheidungen pünktlich abzugeben, über 8 Entscheidungsperioden keine Eigenkapitalverluste zu verursachen und 75% der semesterbegleitenden Fragen richtig zu beantworten. Die Gesamtheit der 219 Teilnehmenden teilte sich in 139 Frauen (63,5%) und 80 Männer (36,5%) auf. Von denjenigen, die die Kriterien für den Scheinerwerb erfüllt haben, war diese Verteilung in etwa gleich: 78 Frauen (64,5%) und 43 Männer (35,5%). Hauptgrund für Nicht-Scheinerwerb war die nicht pünktliche Abgabe einer Entscheidung – darunter fallen auch Teilnehmende, die das Planspiel nach einer Runde aufgeben oder erst gar keine Entscheidung abgeben. Unter dieser Gruppe waren Frauen erneut in der gleichen Größenordnung repräsentiert, wie in der Grundgesamtheit (64,9% Frauen und 35,1% Männer). Ähnlich verhält es sich in der Gruppe der Abbrecher in der Mitte des Planspiels (60% Frauen, 40% Männer). Es kann daher als ein Zwischenergebnis festgehalten werden, dass keine gender-relevanten Unterschiede in Bezug auf das Abbrechverhalten konstatiert werden können

In der folgenden Untersuchung sind alle die Teilnehmenden nicht berücksichtigt, die keinen Schein erworben haben, also auch diejenigen, die zwar acht Runden mitgespielt haben, aber Eigenkapitalverluste erwirtschaftet haben. Dies ist zwar problematisch, da hinter den Entscheidungen teilweise noch ein planvolles Denken zu beobachten ist, doch bleibt die Frage, ob eine Grenze zu solchen Entscheidungen, die offensichtlich chaotisch ablaufen, gezogen werden kann. Jedoch kann festgestellt werden, dass das Planspiel als relativ erfolgreich gespielt gelten kann, wenn keine Eigenkapitalverluste von zum Beispiel 40 Mio. Euro nach acht Perioden entstanden sind (wie dies tatsächlich der Fall war). Solche Zahlen würden die Ergebnisse verzerren. Will man eine Grenze einziehen, bleibt diese zwangsweise mehr oder weniger willkürlich.

Auf den ersten Blick scheint es also keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich des Erfolges im Planspiel zu geben – sofern man den Erfolg in Scheinerwerb oder nicht-Scheinerwerb misst. Wie aber verhält es sich bei genauerer Betrachtung der Gruppe, die die formalen Voraussetzungen für einen Scheinerwerb erfüllen? Kann ein vorsichtigeres Vorgehen von Teilnehmerinnen des Planspiels konstatiert werden, wie es die Gründerinnenforschung nahelegt?

3.4  Performance im Planspiel

Leicht unterrepräsentiert sind Frauen in der Gruppe derjenigen, die mindestens sieben Perioden gespielt haben, aber trotzdem Eigenkapitalverluste erwirtschaftet haben (57,7% Frauen). Es bleibt also eine leichte Überrepräsentierung in der Gruppe, die sieben Entscheidungen oder mehr abgegeben hat und über acht Perioden einen kumulierten Überschuss erwirtschaftet haben.

In welchem Quartil (Die Quartile sind im Folgenden definiert als 1 = schlechtestes bis 4 = bestes Quartil ) - gemessen am kumulierten Periodenüberschuss – dieser Gruppe (mindestens sieben Perioden mit einem kumulierten Überschuss) sind Frauen am häufigsten vertreten? Es zeigt sich, dass Frauen im untersten und im obersten Quartil unterrepräsentiert sind, während sie in den mittleren Quartilen deutlich überrepräsentiert sind. Mit anderen Worten: Männer scheinen ein höheres Risiko in Planspielen einzugehen bzw. experimentierfreudiger zu sein (mit den entsprechenden Ausschlägen nach oben und unten); Frauen scheinen demgegenüber in Planspielen weniger risikoreich zu agieren.

3.5  Entscheidungsverhalten im Planspiel

Lassen sich diese Ergebnisse hinsichtlich Performance mit dem Entscheidungsverhalten im Planspiel untermauern? Woran liegt diese Häufung der Frauen in den mittleren beiden Quartilen? Zu fragen ist nach der Gestaltung (1) der Produktion, (2) der Finanzierung, (3) des Marketings und (4) dem Umfang der Informationsbeschaffung der Planspielteilnehmenden.

 

Unternehmensgröße:

In Bezug auf die Unternehmensgröße, gemessen in der Fertigung von Endprodukten, streben Frauen keine andere Unternehmensgröße an als Männer. Beide Gruppen liegen in Periode 2 im Schnitt unterhalb der empfohlenen Produktionsmenge von 16.000 bis 20.000 Stück. Bei der Größe bezogen auf die Anzahl der Fertigungsmaschinen liegen Frauen sogar leicht über den Männern – der Unterschied zeigt sich allerdings bei der Reaktion auf die Ankündigung, dass der Markt „(noch?) hinter den Erwartungen“ zurückbleibe, „einzelne Wirtschaftsexperten […] wieder einmal ein Ende der ‚Konsumverweigerung'“ erwarteten und „die aktuellen Lohnentwicklungen […] auf eine Belebung der Konsumgüterkonjunktur hoffen“ ließen. Gleichzeitig steigen die Kosten. Frauen reagieren auf diese ambivalenten Aussagen mit einem Abbau der Fertigung, während Männer sie ausbauen. Gleichzeitig entwickeln sich ab diesem Zeitpunkt die Überkapazitäten auseinander (s.u.), da die Anzahl der Fertigungsmaschinen im Laufe des Planspiels bei Männern und Frauen in etwa gleich ansteigt.

Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von Mitarbeitern: Männer setzen ihre Mitarbeiter produktiver ein als Frauen; die Produktivität ist durchgehend etwa 2.000 Euro pro Mitarbeiter höher als bei Frauen. Auch hier sind Überkapazitäten der Grund – Frauen stellten im Planspiel etwas mehr Arbeiter ein, als für die tatsächliche Produktion benötigt. Ein Grund kann sein, dass zusammen mit den etwas höheren Maschinenbeständen auf eventuelle Nachfrageschübe reagiert werden kann – Frauen planen also vorsichtiger. Männer dagegen scheinen eher ad hoc auf Nachfrageänderungen zu reagieren.

Informiertheit über das Marktgeschehen ist eine der Schlüsselgrößen des Unternehmenserfolges im Planspiel. Denn Märkte können sich bei gleicher Ausgangsposition in Periode 1 komplett unterschiedlich entwickeln. Je nach Umfang preislich gestaffelten Paketen können sich die Teilnehmer des Planspiels über die Aktivitäten der Konkurrenz über die publikationspflichtigen Angaben einer Kapitalgesellschaft hinaus informieren (Die kostenpflichtigen Informationen umfassen die Preise aller Unternehmen auf einem Markt in der zurückliegenden Periode, die Qualitätsausgaben, der gerundete Absatz und die Nachfrage nach eigenen Produkten sowie die Gewinne nach Steuern. ). Ein durchgehender Unterschied ist nicht festzustellen

Bei den Ausgaben für Marktinformationen befinden sich Frauen bis zur fünften Entscheidungsperiode hinter den Männern; nach dieser Runde ziehen sie in etwa gleich. Auffällig ist, dass sie in Periode 4 ihre Ausgaben senken, während die Männer ihre ausweiten. Dies ist damit zu erklären, dass Männer nach der Experimentierphase in Periode 2 und der Rückkehr zur Empfehlung in Periode 3 einen höheren Informationsbedarf als Frauen haben. Da letztere sich strenger an die Empfehlungen aus Periode 1 gehalten haben und weniger experimentiert hatten, haben sie in den Folgerunden weniger oft Verluste gemacht – und damit weniger Bedarf, sich über den Rest des Marktes zu informieren. Interessant ist die Verschiebung des Schwerpunktes der Informationsbeschaffung bei Betrachtung der Quartile: Je besser ein Quartil, desto früher die Informationsbeschaffung.

 

Finanzierung:

Wird vor einer Runde mehr Fertigungsmaterial bestellt, als in der Runde über Fertigprodukte wieder abgesetzt werden kann, muss der Überschuss an Material finanziert werden – entweder geplant durch langfristige Kredite, oder zwangsweise durch kurzfristige Kredite. Diese fallen zudem an, wenn nicht die Produktion – deren Materialeinsatz schließlich in jedem Fall bezahlt werden muss – nicht kostendeckend abgesetzt werden kann, also zu einem zu geringen Preis oder nicht in ausreichender Quantität

Daher sind die kurzfristigen Kredite nicht nur ein Indikator für eine nicht passgenaue Finanzierung, sondern auch für einen nicht gelungenen Absatz. Frauen können hier das Aufkommen von kurzfristigen Krediten im Laufe des Planspiels immer besser vermeiden, während Männer aufgrund ihres riskanteren Vorgehens in den Perioden 3 und 5 damit zu kämpfen haben, obwohl sie in Periode 2 einen weitaus geringeren Bestand an kurzfristigen Krediten haben. Dies legt die Vermutung nahe, dass Männer zu Beginn des Planspiels besser planen als Frauen. Zu fragen ist also, ob (1) Männer ihre Produktion kostendeckend verkaufen und (2) Bestellungen über eine Periode hinaus, die bei gestaffelten Materialpreisen sinnvoll sein können, passgenauer finanzieren.

Ersichtlich ist, dass Männer ab Periode 5 tendenziell passgenauer verkaufen, während Frauen ab diesem Zeitpunkt höhere Lagerbestände anhäufen, was ihrem defensiveren Vorgehen geschuldet ist. Dass Männer deshalb aber kostendeckender verkaufen, kann nicht konstatiert werden. Ihre Stückgewinne schwanken über den Planspielverlauf stärker als die der Frauen. In den Perioden 1und 5 verkaufen Männer zum Beispiel nicht kostendeckend, verlangen also im Schnitt Preise, die unterhalb der Stückkosten liegen (s.u. Umsatzrenditen) – durchaus Kennzeichen eines aggressiveren Marketings (Anders als in der Realität sind Dumpingpreise im Planspiel nicht verboten. Sie führen aber unweigerlich zu Verlusten, die ein Planspielunternehmen nicht durch den Verkauf anderer Produkte finanzieren kann, da es im Planspiel nur ein Produkt gibt.). Zwar ist der Absatz in den späteren Perioden mengenmäßig passgenauer, aber oft nicht kostendeckend. Dass Männer zu Beginn weniger kurzfristige Kredite anhäufen, kann daher nicht an kostendeckender Produktion liegen (Preis unterhalb der Stückkosten in Periode 1), sondern an der genaueren Aufnahme langfristiger Kredite für Materialbestellungen, die die Produktion über die Folgeperiode hinaus decken soll. Zwar decken Männer – genauso wie Frauen – nicht ihre kompletten langfristigen Bestellungen über langfristige Kredite ab, ihr Fehlbetrag ist aber in Periode 1 geringer (s.u.). Im Verlauf des Planspiels nähern sich die beiden Kurven dann wieder an.

Im Gegensatz zu hohen kurzfristigen Krediten könnten jedoch hohe Bestände in Bank/Kasse (Zwischen den beiden Posten Bank und Kasse wird im Planspiel nicht unterschieden; beide Größen werden nicht verzinst.) vorhanden sein. Diese können zur Auflösung von langfristigen wie kurzfristigen Krediten genutzt werden, um Zinskosten zu sparen. Im Sinne der These, dass Frauen vorsichtiger handeln, könnte angenommen werden, dass Frauen hier eine höhere Reserve halten. Diese kann bedeutsam werden, wenn das Planspielunternehmen seinen Materialeinkauf in einer Periode nicht vollständig durch die Erlöse finanzieren kann, also weniger verkauft als geplant. Es ergeben sich allerdings keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen, beide halten ähnlich hohe Summen in der Kasse (hier nicht dargestellt).

 

Marketing:

Eine Einteilung der Planspielteilnehmer in Muster durchlaufender Strategien scheint sehr problematisch. Da die Verteilung der Marktanteile durch die Software zuerst durch den Preis und dann durch die Wirkung von Qualität und Werbung (Marketingausgaben) erfolgt, bietet es sich an, den Preis als den Indikator heranzuziehen, an dem man die Verfolgung einer Strategie bemisst. In der ersten Periode wird den Teilnehmern bei 16.000 bis 20.000 produzierten Stück und einer angegebenen Spanne an Marketingsausgaben eine Preisspanne zwischen 440 und 480 Euro pro Stück empfohlen. Daher bietet es sich an, im weiteren Verlauf von drei möglichen Strategien auszugehen: Einer Niedrigpreisstrategie mit gleichzeitig geringen Marketingausgaben („Aldi-Strategie“), einer Hochpreisstrategie mit hohen Marketingausgaben („Mercedes-Strategie“) und einer Mittelpreisstrategie, wie sie in Periode 1 vorgeschlagen wird. Allerdings zeigt sich, dass die wenigsten Spielenden einmal eingeschlagene Strategien konsistent einhalten. Einen ersten Hinweis gibt ein Blick auf die Standardabweichung des Verkaufspreises:

Auffällig ist hier: Die Standardabweichung ist bei den Männern sehr viel höher als bei den Frauen; besonders zu Beginn und in der Mitte der zweiten Hälfte des Planspiels. Frauen scheinen sich also zu Beginn sehr viel stärker an die Marketingempfehlungen in Periode 1 zu halten als Männer und weichen dann sukzessive von diesen Ausgangswerten ab. Männer dagegen experimentieren in Periode 1, kehren dann zu den Empfehlungen zurück und fangen dann erneut an, mit dem Preis zu experimentieren.

Ähnlich wie in Periode 3 (Ausweitung der Fertigung bei den Männern, s.o.) reagieren Männer in Periode 5 und 6 anders als Frauen: Auf die Ankündigung steigender Nachfrage variieren Männer die Preise ungleich stärker als die Frauen – dies erscheint wenig durchdacht, denn ein Blick auf die Umsatzrendite zeigt, dass mit derart sehr hohen und sehr niedrigen Preisen entweder zu geringere Mengen absetzbar sind oder nicht kostendeckend verkauft wird – und daher die Umsatzrendite sinkt. Bei den Frauen ergibt sich ein diametral entgegengesetztes Bild. Sie variieren die Preise und die Höhe der Fertigung nur leicht und können damit ihre Umsatzrendite in Periode 6 leicht steigern.

Lässt man Periode 2 als Experimentierphase der Männer unbeachtet und teilt die Teilnehmenden danach ein, ob sie eine der oben beschriebenen Strategien durchgehend verfolgt haben, zeigt sich, dass nur knapp ein Drittel aller erfolgreichen Teilnehmenden überhaupt eine konsistente Preisstrategie über acht Perioden verfolgt haben; 65,3% dagegen haben verschiedene Preispolitiken während des Planspiels verfolgt.

Dadurch, dass sich Männer weniger oft an die Vorgaben in Periode 1 halten und oft erst im Laufe des Spiels eine Strategie entwickeln, sind sie bei denjenigen, die eine Strategie ab Periode 3 verfolgen, unterrepräsentiert.

Unabhängig von der Frage nach einer konsistenten Strategie ist die nach der Passung zwischen Produktion und die durch das Marketing beeinflusste eigene Nachfrage. Frauen agieren hierbei in etwa vergleichbar mit den Männern. Ab Periode 5, wenn im Planspiel eine erhöhte Nachfrage angekündigt wird, könnten beide also mehr verkaufen als es tatsächlich der Fall war – der Markt wurde größer als beide angenommen haben.

4.  Einfluss des Studiengangs

(Es konnten nicht für alle Studierenden die Studiengänge erhoben werden – dies wird erst im nächsten Durchgang im Sommersemester 2009 erfolgen.)

Wenn man keinen Einfluss des Studiengangs – mithin der Vorbildung – annimmt, sollten sich die Studierenden gleichmäßig auf die Quartile verteilen. Dies ist aber nicht der Fall. Geht man von gängigen Klischees der Vorbildung aus, die Studierende der Studiengänge mitbringen, so könnte man die Studierenden der Wirtschaftswissenschaften für Berufskollegs die höchste Vorbildung zuweisen. Tatsächlich zeigt sich, dass diese Gruppe in Siegen sehr häufig eine kaufmännische Ausbildung vor dem Studium absolviert hat (Studierendenbefragung der Siegener Lehr-Lern-Forschung im Sommersemester 2008, unveröffentlicht.). Die Studierenden des Ergänzungsfaches Economics würde man dagegen geringer qualifiziert einstufen, da sie im Hauptfach Medien- oder Sprachwissenschaften studieren. Die Lehramtsstudierenden der Sozialwissenschaften wären theoretisch zwischen diesen beiden Gruppen angesiedelt. Diese Hierarchisierung entspricht auch den Erfahrungen hinsichtlich Klausurergebnissen am ZöBiS (Zentrum für ökonomische Bildung in Siegen). Im Folgenden werden dabei erneut nur diejenigen Studierenden betrachtet, die die Voraussetzungen für einen Scheinerwerb erfüllten.

Tatsächlich zeigt sich, dass die Studierenden des Lehramtes für das Berufskolleg im Schnitt die besten Ergebnisse erreichten und auch im obersten Quartil am stärksten vertreten sind. Knapp gefolgt werden sie jedoch von den Studierenden des Ergänzungsfaches Economics. Am unteren Ende liegen die Lehramtsstudierenden für Haupt- und Realschule sowie als Letztes platziert die Studierenden des Lehramtes für Gymnasien und Gesamtschulen.

Es gibt also auch einen Einfluss des Studiengangs auf den Erfolg im Planspiel. Da wir aber um die Vorbildung der Studierenden im BA-Ergänzungsfach Economics keine statistischen Daten haben, ist dieser Einfluss nur schlecht zu beziffern.

Zudem ist festzustellen, dass die Studiengänge des Lehramts der Sozialwissenschaften entgegen den Erwartungen statistisch unterhalb der Studierenden des BA-Ergänzungsfaches Economics liegen. Hier kann nur vermutet werden, dass die Lehramtsstudierenden nach ihrer allgemeinen Hochschulreife wenig Praxiserfahrung gesammelt haben und relativ direkt das Hochschulstudium aufgenommen haben. Das legt die Vermutung nahe, dass die „Nebenfach-Studierenden“ aufgrund ihres besseren Ergebnisses möglicherweise mehr Praxiserfahrung vor oder während des Studiums sammeln konnten. Diese Vermutung wird jedoch aufgrund fehlender Daten erst in den nächsten Planspielrunden untersucht werden können.

5. Ergebnisse

Neben einem Einfluss des Studienganges konnte ein Einfluss des Geschlechts auf das Entscheidungsverhalten im Planspiel nachgewiesen werden. Frauen agieren im Rahmen des unternehmerischen Denkens und Handelns vorsichtiger, halten sich eher an die Empfehlungen der ersten Entscheidungsperiode. Männer sind eher bereit, Risiken einzugehen – bewusst oder unbewusst – indem sie auf Ankündigungen über Veränderungen der Rahmenbedingungen extremer reagieren. Insgesamt erfolgreicher sind Männer aber nicht im Planspiel, da ihr risikoreicheres Vorgehen zu überproportionalen Gewinnen und Verlusten führt. Dieses Verhalten kann aus der im Kapitel 1 formulierten Theorie des „Gender-Ansatzes“ abgeleitet werden. Durch sozialisierte Verhaltensweisen agieren Geschlechter auch in ökonomischen Entscheidungssituationen unterschiedlich. Stereotypische Eigenschaften wie die „weibliche Vorsicht“, können bestätigt werden. Das risikoreiche Vorgehen der Männer lässt sich auch in der Realität im Rahmen des Entrepreneurships nachweisen. Frauen sind jedoch aufgrund ihres Handelns nicht unbedingt erfolgloser. Ihr Erfolg stellt sich jedoch erst nach längerer Zeit am Markt ein, da sie ihr Unternehmen langsamer wachsen lassen. Männer agieren viel öfter von Anfang an in einem größeren Umfang und sind damit entweder schneller erfolgreich oder treten schneller wieder aus dem Markt. Dies kann auch mit der Tabelle 1 dieses Artikels im Rahmen des Planspiels nachgewiesen werden.

Welches Verhalten letztendlich als erfolgreicher einzustufen ist, kann und soll hier nicht beurteilt werden. Vielmehr geht es um die Reflexion von Doing-Gender-Prozessen in ökonomischen Entscheidungssituationen und um die Aufklärung des geschlechtsspezifischen Verhaltens.

In dieser Hinsicht ist während der Begleitveranstaltungen des Planspiels auf diese Prozesse aufmerksam zu machen. Männer und Frauen können auf dieser Basis ihr Verhalten hinterfragen und über mögliche Änderungen von Strategien nachdenken. Es kann letztlich auch zu einer Bestätigung des Verhaltens führen. Vielmehr soll jedoch die Selbstreflexion auch eine Vorbereitung auf die zukünftige Lehrtätigkeit sein. Als Lehrperson können sie selber Schüler/-innen in ökonomischen Entscheidungsprozessen besser verstehen, unterstützen bzw. mit ihnen reflektieren. In Zukunft werden immer mehr Frauen auch unternehmerisch tätig werden, um ihr Humankapital zu verzinsen. Alte sozialisierte Rollenbilder haben dann ausgedient und Frauen sowie Männer werden ihr Verhalten an den veränderten Marktgegebenheiten und Sozialisationsprozessen anpassen müssen. Dafür bedarf es schon einer wie oben erwähnt, frühen Reflexion und Aufklärung über sozialisierte genderspezifische Verhaltensweisen in ökonomischen Lebenssituationen und in den Schulen.

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online seit: 15.12.2008