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 bwp@ Ausgabe Nr. 15 | Dezember 2008
Medien in der beruflichen Bildung – Mit Web 2.0, ERP & Co. zu neuen Lernwelten?
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 15 sind H.-Hugo Kremer, Jens Siemon und Tade Tramm

Virtuelles Lernen auf der Baustelle

       

1.  Einleitung

Der Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt in den 1990er Jahren, bei dem von der traditionellen, tayloristischen Produktionsarbeit Abkehr genommen wurde (vgl. KERN/ SCHUMANN 1986), führte zu einer Anreicherung der Tätigkeiten, wie es auch unter den Begrifflichkeiten „Job Enlargement“ bzw. „Job Enrichment“ bekannt ist (vgl. SCHULER 2006). Die resultierende Arbeitsanreicherung, eine verstärkte Einführung von Teamarbeit, die Verflachung betrieblicher Hierarchien, die erhöhte Arbeitsdichte und Selbstständigkeit und sich fortlaufend ändernde Arbeitsinhalte führen zur Notwendigkeit einer kontinuierlichen Anpassung der Kompetenzen und Qualifikationen der Arbeitskräfte. Diese müssen, besonders in technischen bzw. innovationsgeprägten Berufen, immer größere Bereitschaft zum (selbstorganisierten) Lernen zeigen, um ihr Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten.

Ein wesentliches Element dieses neuen Lernens ist, besonders für die im vorliegenden Artikel angesprochenen Facharbeiter des Bauhandwerks, das Lernen im Arbeitsprozess. Durch die Verknüpfung von Lernen und Arbeiten in Arbeitsprozesse wird das Wissen dort generiert, wo es entsteht (vgl. BECKER/ SPÖTTL 2008). Gleichzeitig findet ein aktives und handlungsorientiertes Lernen statt, welches die Phasen Planung, Durchführung und Bewertung beinhaltet und ganzheitliche Kompetenzentwicklungsprozesse ermöglicht.

Aber nicht nur auf der individuellen Ebene sind Veränderungen erkennbar. Auch die organisationalen Rahmenbedingungen müssen angepasst werden. Für die Mitarbeiter sind neue Konzepte in der Aus- und Weiterbildung notwendig, damit die geforderten Kompetenzen kontinuierlich entwickelt bzw. genutzt werden können. Gleichzeitig ist eine stärkere mediale Einbindung durch eine vermehrte PC/Internet-Nutzung im Arbeitskontext zu verzeichnen. Damit wird das Aus- und Weiterbildungsangebot der Unternehmen durch die Möglichkeit der Nutzung von E-Learning-Konzepten erweiterbar.

Schließlich ist die aktuelle umwelt- und wirtschaftspolitische Diskussion vor allem in der Bauindustrie ein Thema von nachhaltiger und ökonomischer Bedeutung (vgl. GINE 2008). Die ökologische Altbausanierung bietet besonders für kleine und mittlere Bauunternehmen strukturelle Möglichkeiten, um sich mit Nischenangeboten auf dem Wettbewerbsmarkt zu positionieren. Das aufgezeigte wirtschaftliche Potenzial und der gleichzeitige Weiterbildungsbedarf führten zu der Implementierung des Projektes „Virtuelles Lernen auf der Baustelle“.

Im vorliegenden Artikel werden die genannten Aspekte miteinander verknüpft: Zunächst wird unter den didaktischen Grundlagen das Verständnis des E-Learnings zu einem Konzept des Virtuellen Lernens erweitert sowie die vorgesehene Aufbereitung der Lerninhalte nach dem entwicklungslogischen Ansatz dargestellt (siehe Kapitel 2: Didaktische Grundlagen). Daran schließt sich die Beschreibung der technischen Entwicklung der virtuellen Lernumgebung an (Kapitel 3: Technische Grundlagen). Die Lerninhalte selbst sind im vorliegenden Projekt an die Domäne der ökologischen und klimagerechten Altbausanierung gekoppelt, so dass im vierten Kapitel die inhaltlichen Grundlagen anhand bedeutsamer Arbeitsaufgaben beschrieben werden (Kapitel 4: Inhaltliche Grundlagen). Die methodische Vorgehensweise in Form der Verwendung berufswissenschaftlicher Forschungsmethoden wird in Kapitel 5 skizziert, bevor der aktuelle Stand der Projektarbeit und ein kurzer Ausblick den Artikel abschließen.

Das gesamte Vorgehen führt schließlich zum Ziel des Projektes „Virtuelles Lernen auf der Baustelle - Vila-b“ (Das Projekt Vila-b wird mit Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Europäischen Union (Europäischer Sozialfond – ESF) gefördert.), also zur Entwicklung einer Weiterbildungsmaßnahme zur „Fachkraft für ökologische und klimagerechte Altbausanierung“, die zudem nachhaltig in einem Kompetenzzentrum zu etablieren ist.

2.  Didaktische Grundlagen - Virtuelles Lernen und entwicklungslogische Didaktik

2.1  Entwicklungen und Herausforderungen des „E-Learning“

2.1.1  Der Begriff „E-Learning“

Die zunehmende Bedeutung des medialen Lernens ist, auch aufgrund der immer besseren und vielfältigeren technischen Möglichkeiten, unbestritten. Es entsteht eine „digitalisierte Arbeitswelt“: vormals konventionell gestaltete Arbeitsabläufe werden inzwischen von digitalisierten Medien unterstützt. Damit ist die Verwendung digitaler Medien in Arbeits- und Lernprozessen zur Alltäglichkeit geworden. Verschiedenste Realisierungsformen des medial gestützten Lernens in der Anfangsphase des E-Learnings waren bspw. Computer-Based-Training (CBT), Web-Based-Training (WBT), Online-Lernen etc. (vgl. u. a. MANDL/ KOPP/ DVORAK 2004).

E-Learning ist in diesem Zusammenhang ein schillernder Begriff, der zunächst ganz grundlegend das „Lernen mithilfe elektronischer Medien“ (MANDL/ KOPP/ DVORAK 2004, 55) oder auch den „Einsatz der Neuen Medien in Lernsituationen“ (RICARDA/ REIMER 2004, 266) beschreibt und damit „als Sammelbegriff für jegliche Art elektronisch vermittelten Lehrens und Lernens verwendet“ wird (FLORIAN 2008, 203), wobei sich der Begriff E-Learning gegenüber den durchaus synonym zu verstehenden Umschreibungen des Lernens mit „digitalen“ oder „elektronischen“ Medien durchgesetzt hat. Allerdings besteht aufgrund der vielen Zielgruppen und Felder in der Erwachsenenbildung, in denen E-Learning stattfindet, weder eine einheitliche noch eine differenzierte Definition (vgl. ebd., 266f). Ungeachtet davon können grob drei Funktionen und damit drei Lernniveaus des E-Learning unterschieden werden (vgl. MANDL/ KOPP/ DVORAK 2004):

•  Als distributive Technologie dient E-Learning zur (lehrerzentrierten) Verteilung von (Fach)Wissen (z. B. im Sinne einer Online-Recherche).

•  Als interaktive Technologie eingesetzt ermöglichen die Medien die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden und damit den Erwerb von Fähigkeiten (z. B. durch CBT/WBT).

•  Schließlich ist die Nutzung neuer Medien als kollaborative Technologie möglich.

Die Zusammenarbeit kann z. B. für problemlösungsorientierte Lernsituationen verwendet werden. Dieser Ansatzpunkt zeigt, wie die in mehreren Studien ermittelte mangelnde Nutzung und Selbstzentrierung der digitalen Medien zu überwinden ist (vgl. ZIMMER 2002, 5ff; BMBF 2005, 13).

E-Learning ist damit nicht automatisch mit selbstorganisiertem Lernen gleichzusetzen. Nach einer anfänglich wenig bewussten und oftmals auch konjunkturabhängigen Betrachtung und Verwendung der Medienpädagogik kam es aufgrund nicht immer erfüllter Erwartungen zu einer gesunden Skepsis innerhalb der Erziehungswissenschaften, sobald es um das Lernen mit digitalisierten Medien ging. Dies hatte zur Folge, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat: die Einbindung des Konstruktivismus in der Erwachsenenbildung und die damit einhergehende Fokussierung auf selbstorganisierte Lernprozesse weist dem E-Learning heute eine Unterstützungsfunktion für Lernprozesse zu (vgl. DILG-GRUSCHINSKI/ FRANK 2003).

2.1.2  Die Kombination von Lernorten – „Blended Learning“ und „Virtuelles Lernen“

Die pädagogische Legitimation für den Einsatz neuer Medien im Lernprozess wird mit den möglichen Vorteilen betrieben: Die Technik ermöglicht eine größere zeitliche und örtliche Flexibilität und fördert ein aktives und individuelles Lernen. Diese Vorteile auf der Individuumsebene ergeben auch für die Unternehmen Kostenersparnisse, die Möglichkeit, Lerninhalte komfortabler zu aktualisieren und Wissen dort verfügbar zu machen wo es benötigt wird.

Trotz der Vorteile, die insgesamt das Ziel von Effizienz- und Qualitätssteigerungen der Lernprozesse unterstützen, zeigt eine kritische Betrachtung auch mögliche „Gefahren“ oder Probleme: der Einsatz neuer Medien ist je nach Anforderungen an eine gewisse technische Qualität gekoppelt. Auch die Anforderungen an die Individuen sowie die benötigte Akzeptanz innerhalb eines Unternehmens hinsichtlich medial gestützter bzw. selbstorganisierter Lernprozesse können den gewünschten Lernerfolgen im Wege stehen.

Insgesamt ergibt sich damit ein Mehrwert digitaler Medien nicht durch deren Einführung, sondern durch das didaktische Konzept, also durch gezielten medienpädagogischen Einsatz (vgl. RICARDA/ REIMER 2004). Eine Vorgehensweise ist die Integration verschiedener Lernorte und -methoden in ein Lernkonzept, um ihre jeweiligen Vorteile zu nutzen. Ein derart gemischtes Setting wird konzeptionell als „Blended Learning“ verstanden. Es „verbindet virtuelle Lernphasen mit Präsenzphasen und versucht dadurch, die Potenziale von E-Learning mit den Potenzialen von traditionellen Lehrveranstaltungen zu verbinden“ (MANDL/ KOPP/ DVORAK 2004, 58). Dies wird unterstützt „durch eine didaktisch abgestimmte Kombination von Medien, medialen Lernangeboten und Methoden“ (vgl. ebd., 58). Bei den Lernmöglichkeiten am Arbeitsplatz spielen digitalisierte Medien eine wichtige Rolle und werden zur Unterstützung des Lernens eingesetzt.

Der Technologieeinsatz bringt eine (qualitative und quantitative) Erweiterung der Interaktion im Lernprozess mit sich: Für den Lehrenden besteht die Aufgabe der pädagogischen Gestaltung des Wissenstransfers. Dies ist durch geeignete didaktisch-methodische Rahmenbedingungen zu erreichen. Die Lernstrategie der Lernenden ist an dieser Stelle natürlich abhängig von den technischen Voraussetzungen, aber auch von den individuellen Fähigkeiten im Umgang mit der Technik.

Ungeachtet davon stellt die Unterstützung der Interaktionen im Lernprozess durch den gezielten Einsatz der Präsenz- und Technologie-Methoden den Grundgedanken im Blended Learning dar. Die Verknüpfung der individuellen Lernstrategien für die verschiedenen Lernorte führen zu neuen Lehr-Lern-Settings, in denen es durch die interaktive Struktur ermöglicht wird, dass die Lernenden gegenseitig von dem Erfahrungswissen profitieren (vgl. u. a. WILBERS, 2005).

Ebenso wie der soeben als unscharf erkannte Begriff E-Learning ist aber auch das Blended Learning nicht ausreichend geeignet, um den didaktischen Grundgedanken des Fortbildungskonzepts für das Projekt Vila-b zu umschreiben, da noch ein zusätzliches innovatives Element in Form eines „mobilen Lernens“ vorgesehen ist, bei dem mit kleinen und tragbaren, aber leistungsfähigen mobilen Endgeräten am Arbeitsplatz gelernt wird. Aufgrund der Unklarheiten der bisherigen Begriffe und aufgrund in Anlehnung an passende Teilgebiete aus der Informatik (Computergestützte Kommunikation, Computergestützte Zusammenarbeit oder Softwaretechnik, vgl. SCHULMEISTER 1999) wird damit auf Grundlage des vorliegenden Konzeptes (vgl. Abb. 1: Konzept des „Virtuellen Lernens“) der Begriff des „Virtuellen Lernens“ eingeführt.

Virtuelles Lernen beschreibt damit ein Lernen, welches:

•  im Sinne des E-Learnings auf elektronische/digitale Medien zurückgreift,

•  nach dem Verständnis des Blended Learnings verschiedene Lernorte einbezieht,

•  eine „mobile Komponente“ (z. B. durch die Verwendung mobiler Endgeräte) enthält.

„Virtuellen Lernen“ weist begrifflich, aber auch in Bezug auf die Verwendung der mobilen Endgeräte eine Nähe zur Informatik auf und grenzt sich durch diese Konkretisierung etwas von dem unspezifischen E-Learning ab. Gleichzeitig wird durch den Rückgriff auf das Blended Learning der Einsatz medienpädagogischer und -didaktischer Konzepte möglich. Beide Elemente helfen für das praxisorientierte Projekt Vila-b bei der Umsetzung und Gestaltung der Fortbildung, dennoch ist der Begriff des „Virtuellen Lernens“ im Rahmen des Projektes noch theoretisch zu fundieren.

Im Projekt Vila-b führt die Differenzierung der Lernorte im Sinne des Virtuellen Lernens dazu, dass die Vermittlung der fachlichen Grundlagen für die ökologische und klimagerechte Altbausanierung durch das „Lernen in Präsenzveranstaltungen“ geschieht. Ein „Lernen im Arbeitsprozess“ findet statt, indem auf der Baustelle mit Hilfe der mobilen Endgeräte situationsbezogen auf das vorhandene (Erfahrungs)Wissen zurückgegriffen werden kann. Das (internetgestützte, vernetzte) „Lernen am Heimarbeitsplatz“ dient der individuellen Aufarbeitung, Vertiefung und Reflexion des Fachwissens.

Die kombinierte Verwendung der drei Lernorte nutzt deren jeweiligen Vorteile: der Einsatz der neuen Medien bietet neue kooperative Lernformen und ermöglicht gleichzeitig individuelles, selbstgesteuertes Lernen (vgl. KRAFT 2003). Auch eine größere zeitliche und räumliche Flexibilität ist durch die neue Technik zu verzeichnen. Positive Spezifika des Präsenzlernens sind dagegen die direkte Interaktion unter den Lernenden bzw. zwischen Lernenden und Lehrperson, wodurch ein direktes Feedback genutzt wird sowie informelle Kontakte und Informationen untereinander entstehen. Letzteres ist trotz der Vorteile der neuen Medien nicht zu unterschätzen: Befragungen zeigen oftmals die Bedeutsamkeit der Präsenzphasen, auch zum sozialen Austausch und zur Stoffvertiefung, zur gemeinsamen Kommunikation und Reflexion (vgl. ebd., 45ff). Gleichwohl sind nicht selten Anreize zur (aktiven) Teilnahme notwendig.

2.1.3  Aktuelle Herausforderungen für Vila-b

Eine zentrale didaktische Aufgabe in der beruflichen Bildung besteht darin, arbeitsprozessbezogenes Lernen mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologie zu unterstützen. So einfach dies klingt, so kompliziert ist die Einlösung dieses Anspruches. Zu Vielfältig sind die Implikationen und Wechselbeziehungen der Determinanten. Es ist daher davor zu warnen, dass eine Weiterentwicklung dieser Medien allein zu verbesserten Lernprozessen führt. Das wäre nicht viel mehr, als eine instrumentalistische Perspektive des Medieneinsatzes, bei der die Vermittlung von Wissen und nicht das Erschließen von Know-how, prozeduralem Wissen oder von Orientierungswissen im Mittelpunkt stünde.

Verschiedene „E-Learning-Förderinitiativen“ auf bundesweiter und europäischer Ebene sowie die Ergebnisse aus den daraus entstandenen Arbeitsprogrammen (vgl. u. a. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2000) verweisen dementsprechend für die berufliche Bildung auf die folgenden vier Bereiche, mit denen zentrale technische und didaktische Herausforderungen im Kontext des E-Learnings verbunden sind (vgl. SPÖTTL/ BECKER2008):

•  Zukunftsfähige Ausstattung mit geeigneter Software, Hardware und insbesondere (Netz)Infrastruktur (Internet, Intranet).

•  Bildungsbemühungen durch arbeitsprozessbezogene (Lern)Aufgaben, mit denen Auszubildende Kompetenzen für den handwerklichen, industriellen und Dienstleistungsbereich entwickeln.

•  Dienstleistungen und multimediale Lerninhalte, die sich auf die vom Arbeitsmarkt verlangten Qualifikationen und Kompetenzen beziehen.

•  Ausbau von beruflichen Bildungsstätten zu vernetzten Zentren des Kenntniserwerbs in virtuellen und gemischten Lehr- und Lernumgebungen.

Das Projekt Vila-b greift die genannten Punkte auf und leistet damit einen Beitrag einerseits zur Weiterentwicklung einer Didaktik des Virtuellen Lernens und andererseits zu deren Verortung in einem konkreten beruflichen Kontext. Die Herausforderung 1, also die technische Umsetzung und Infrastruktur wird im Anschluss an die didaktischen Grundlagen dargestellt. Durch den Einsatz berufswissenschaftlicher Forschungsmethoden werden die Herausforderungen 2 und 3 erfüllt: Die Fortbildung wird auf Grundlage von Arbeitsprozessanalysen und Expertenbefragungen konzipiert, so dass relevante „arbeitsprozessbezogene Aufgaben“ bzw. arbeitsmarktrelevante Qualifikationen und Kompetenzen berücksichtigt sind. Was die 4. Herausforderung betrifft, so ist die nachhaltige Etablierung eines Kompetenzzentrums, sowohl zur Qualifizierung der Facharbeiter-Zielgruppen als auch zur Unterstützung der Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) in ihren entsprechenden Personalentwicklungsmaßnahmen als eindeutiges und langfristiges Projektziel formuliert.

2.2  Die Gestaltung von Inhalten nach der entwicklungslogischen Didaktik – vom „Novizen“ zum „Experten“

2.2.1  Lerntheoretische Aspekte einer entwicklungslogischen Didaktik

Als zentraler didaktischer Ansatz wurde ein entwicklungslogischer gewählt, weil hier die Kompetenzentwicklung durch das Bearbeiten konkreter Aufgaben und das Lösen von Problemen in herausfordernden Realsituationen im Mittelpunkt steht. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht das Lernverständnis in Abgrenzung zu den klassischen Hauptrichtungen der Lerntheorien (vgl. Abb. 2). Die Orientierung an konkreten Aufgaben grenzt sich von dem Reiz-Reaktions-Schema sowie von auf Wissenskonstruktion bezogene Lernprozesse ab, stellt damit aber erhöhte Anforderungen an die Selbstlernfähigkeiten. Das aktive Lernen und die Selbstreflexionen im Kontext konkreter Arbeitsprozesse ermöglichen es dabei, während bzw. durch eine Handlung implizite und explizite Lernerfahrungen zu sammeln. Auch sind in der lerntheoretischen Betrachtung Unterschiede zu Verhaltensänderungen durch Reize und Konsequenzen bzw. zur kontextspezifischen Generierung von Wissen und Können zu erkennen. Der Einsatz neuer Medien wird mit deutlichen Unterschieden vorgenommen. Bedeutsam für die entwicklungslogische Didaktik ist die unterstützende Funktion hinsichtlich der Problemlösung in den Arbeitsprozessen.

2.2.2  Kompetenzstufen einer entwicklungslogischen Didaktik

Um nun ein entwicklungslogisch differenziertes Modell von Kompetenzen bzw. von erreichbaren Kompetenzstufen zu erstellen, bedarf es grundsätzlicher Überlegungen zu deren Gestaltung. Es ist zu überlegen, wie sich die Kompetenzen einer einzelnen Person mehrdimensional, und zwar hinsichtlich der Tiefe bzw. des Niveaus des Gelernten, aber auch hinsichtlich der Breite bzw. des Spektrums eines Lerninhaltes darstellen lassen. Um ein entsprechend Modell zu erstellen, wird im Projekt das Kompetenzerwerbsmodell von DREYFUS & DREYFUS zugrunde gelegt (vgl. Abb. 3: Kompetenzentwicklung vom „Novizen“ zum „Experten“ nach DREYFUS & DREYFUS).

Im Kontext der Kompetenzentwicklung wird hier frühzeitig (vgl. DREYFUS/ DREYFUS 1986; 1986a) eine fünfstufige Entwicklung vom „Novizen“ zum „Experten“ dargestellt, welche als Modell seit einiger Zeit auch im deutschsprachigen Raum immer intensiver diskutiert wird (vgl. MARKOWITSCH/ BECKER/ SPÖTTL 2006). Weiterbildungsschwerpunkte oder Kompetenzen der Mitarbeiter lassen sich hier als Kompetenzansprüche auf verschiedenen Stufen abbilden, berücksichtigten dabei aber einen ganzheitlichen Ansatz und beziehen sich stets auf konkrete Arbeitsprozesse.

Für das Modell wurden umfangreiche Studien im Gesundheitswesen (Studien über Krankenschwestern, vgl. BENNER 1984) oder im Kfz-Mechatroniker-Bereich (vgl. RAUNER/ SPÖTTL 2002) durchgeführt. Für die Erreichung eines Niveaus welches eine Person als „Könner“ einstuft (Niveaustufe 3) ist eine mehrjährige Berufserfahrung (ca. 2-3 Jahre) erforderlich. Die Studien zeigen mit dieser Erkenntnis, welche entscheidende Bedeutung die Einbettung von Kompetenzen in die jeweiligen Arbeitszusammenhänge oder Domänen aufweist: Berufliche Kompetenz wird demnach durch eine enge Bindung an die jeweilige Domäne sowie durch den Kontext der Facharbeit sowie der Berufsausbildung gekennzeichnet (vgl. MARKOWITSCH/ BECKER/ SPÖTTL 2006).

Auf der Baustelle geht es darum, dass Facharbeiter die für sie typischen Arbeitsprozesse beherrschen und informationstechnische Systeme für die Aufgabenbewältigung nutzen. Das Modell von DREYFUS & DREYFUS wird im Projekt Vila-b genutzt, um die auf der Baustelle vorzufindenden unterschiedlichen Qualitäten von Arbeitsaufgaben und die von Facharbeitern geforderten Fähigkeiten und Handlungen zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen im Sinne eines Kompetenzmodells, das Grundlage für die Fortbildung ist, zu beschreiben. Die Charakterisierung einzelner Niveaus von DREYFUS & DREYFUS wird als Grundlage für die Beschreibung der Ebenen des Kompetenzmodells herangezogen. In Anlehnung daran werden Überlegungen angestellt, wie Lernen auf der Baustelle bei Nutzung digitalisierter Lerninhalte zu gestalten ist, um Lernprozesse zu fördern und Arbeitsqualität zu erhöhen. Ausschlaggebend hierfür sind Arbeitsprozessanalysen, wodurch der Gegenstand der berufsförmigen Arbeit, die Werkzeuge, die Arbeitsorganisation sowie die Anforderungen und Methoden beschrieben werden (vgl. MARKOWITSCH/ BECKER/ SPÖTTL 2006). Während im Laufe des Artikels auf die entsprechenden Methoden eingegangen wird, folgen zunächst der technische Aufbau des „Virtuellen Lernens“ sowie die inhaltliche Koppelung an die Domäne der ökologischen Altbausanierung.

3.  Technische Grundlagen – Die Gestaltung der Lernumgebung

Die technische Grundstruktur basiert auf einer zentralen Datenbank zur Contentverwaltung, die auf der einen Seite der Erfassung von Lerninhalten durch die Contentprovider dient und auf der anderen Seite die entsprechenden, entwicklungslogisch strukturierten Informationen zum Lernen an den verschiedenen Lernorten vorhält (vgl. Abb. 4). Programmtechnisch soll das Open Source Content Management System Typo3 genutzt werden. Die Lerninhalte werden dementsprechend unter Einhaltung der Internetstandards entwickelt, so dass sowohl das mobile System zum Lernen im Arbeitsprozess als auch das Lernen am Heimarbeitsplatz browserbasiert stattfinden kann.

Abb.4:  Technisches Konzept des Blended-Learning-Ansatzes in Vila-b

(Linksklick auf Abbildung für höhere Ausflösung)

Die Schnittstelle zwischen der Lernanwendung und den Facharbeitern/innen auf der Baustelle ist so zu realisieren, dass eine virtuell gestützte Lösung für Lernen im Arbeitsprozess sinnvoll und nutzbar ist und zur praktikablen Anwendung führt. Die technologische Umsetzung dieses Interfaces soll anhand der Barcode-Erkennung und in einem weiteren experimentellen Schritt auf der Grundlage des „Internets der Dinge“ in Form der Basistechnologie Radio Frequency Identification (RFID) geschehen. Durch die Verwendung der Barcode-Technologie soll die Interaktion zwischen Lernsoftware und Nutzer so vereinfacht werden, dass die Lernanwendung auf der Baustelle nutzbar wird.

Der Anspruch an die Umsetzung ist es, den Computer als Lern- und Informationsmedium im Arbeitsprozess in der menschlichen Aufmerksamkeit soweit nach hinten rücken zu lassen, dass er die Facharbeiter/innen so unmerklich wie möglich bei der Ausübung der Tätigkeiten unterstützt und nicht davon ablenkt. Um diese Prämisse einhalten zu können, ist der Aufbau einer intuitiv organisierten und gestalteten Benutzeroberfläche besonders wichtig.

In der Praxis soll ein Lernprozess beispielsweise so ausgelöst werden, dass die Facharbeiter/innen auf der Baustelle in einer Arbeitssituation, aus der eine Problemstellung resultiert, mit dem mobilen Endgerät einen dem Bauteil zugeordneten Strichcode scannen und auf der Benutzeroberfläche alle dem Bauteil zugeordneten Verfahrensvorschläge finden. Durch die Gestaltung der Oberfläche, der explorativen und entwicklungslogischen Struktur der Lerninhalte und der intuitiven Bedienung können tiefergehende detaillierte Lösungen zu Problemstellungen gesucht werden. Die bei der Durchführung der Arbeitsprozesse gewonnenen Lernerfahrungen können im Nachhinein, bspw. am Heimarbeitsplatz, wieder aufgegriffen und vertieft bzw. reflektiert werden.

Das zu entwickelnde mobile Lernsystem bietet dem Benutzer zusätzlich soziale Komponenten. Diese Möglichkeit des UGC (User Generated Content) ermöglicht zum Beispiel das Hinzufügen von Anmerkungen zum angezeigten Inhaltselement. Darüber hinaus ist auch das Hervorheben (Markern) in Beschreibungen denkbar, so dass andere Benutzer schnell wichtige Bestandteile des Textes erfassen können. Eine weitere Funktion könnte in diesem Zusammenhang auch Lesezeichen (bookmarking) oder Verschlagwortungen (tagging) sein.

4.  Inhaltliche Grundlagen – Grundlegende Arbeitsaufgaben für die ökologische und klimagerechte Altbausanierung

Der inhaltlich-fachliche Bezug ergibt sich für das Projekt Vila-b aufgrund der skizzierten wirtschaftlichen Begründungen. Darüber hinaus wurde bei der Beschreibung des didaktischen Ansatzes die Notwendigkeit des Arbeitplatzbezugs für die Lernprozesse dargestellt, so dass nun durch die Beschreibung der zu berücksichtigenden Inhalte eine Konkretisierung und inhaltliche Ausrichtung des Projektes möglich wird. In einer ersten Phase wurden nachstehende Arbeitsaufgaben als relevant ermittelt:

1. Einbau von Fenstern in einem Altbau

Der Einbau von Fenstern in Altbauwohnungen mit ökologischer Außendämmung oder in Standard-Wärmedämmverbundsystemen wird insbesondere in Bezug auf Luftdichtigkeit, Brandschutz und der Vermeidung von Wärmebrücken umgesetzt. Für den Einbau und Sanierung wird dabei zwischen Kern- und Innendämmung für zweischalige Altbauwände und für Innenvorsatzfenster unterschieden. Weitere Aspekte stellen der Einbau bodentiefer Fenster, Fenstertüren und Terrassentüren sowie sie Hallenmontage von Fenstern dar.

2. Planung und Durchführung der Dämmung der Außenwände (Flächenbau)

In diesem Arbeitsbereich sind die ökologische Außendämmung (z. B. mit Zellulosedämmung oder Holzweichfaserplatten) und die Außenwanddämmung bei besonders feuchtbeanspruchenden Räumen (z. B. Bad, Küche) vorgesehen. Ergänzend fallen Aufgaben der Innendämmung für Heizkörpernischen und Wandheizungen sowie Kerndämmungen für zweischalige Altbauwände an. Gegebenfalls ist der Einsatz spezieller Dämmtechniken und insgesamt die Vermeidung von Konvektion und Kondensation an Durchdringungspunkten notwendig.

3. Planung und Durchführung der Dämmung der Außenwände (mit Gebäudeanschluss)

Die Dämmung der Außenwände mit Hinblick auf Gebäudeanschlüsse bezieht sich auf sogenannte Sockelpunkte, auf Traufpunkte und auf Anschlusspunkte wie Giebel und Ortgänge. Teilaufgaben für die drei genannten Bereiche betreffen die jeweilige ökologische Außendämmung, die Kern- und Innendämmung und die Anwendung der Standard-Wärmedämm-Verbundsysteme.

4. Dämmung eines Dachs (Steildach und Flachdach)

Für die Dämmung eines Dachs ist die Vollsparrendämmung mit nachwachsenden Dämmstoffen, die nachträgliche Innendämmung und Dachsanierungen durch zusätzliche Außendämmung vorgesehen. Darüber hinaus gehört die Verarbeitung des Anschlusspunktes Schornstein und der Durchdringungspunkte bei gedämmten Dachflächen (z. B. bei Solar- oder Antennenanlagen) in diesen Aufgabenbereich. Durchgehende thematische Schwerpunkte sind der Feuchtschutz und die Vermeidung von Wärmebrücken.

5. Planung und Durchführung eines Dachgeschossumbaus mit ökologischer Dämmung

Der Dachgeschossumbau betrifft hauptsächlich die Herstellung bzw. den Einbau von Dachgauben. Die Dachgauben werden entweder im Zuge einer Dachsanierung oder nachträglich in ein bereits gedämmtes Dach implementiert und mit einer passenden Fassadenbekleidung versehen. Weitere bauliche Maßnahmen stellen der Einbau leichter Trennwände, der Einbau von Dachflächenfenstern und die Dämmung von Decken zum Spitzboden dar. Berücksichtigt werden dabei besonders der Schallschutz, Luftdichtigkeit uns die Vermeidung von Wärmebrücken.

6. Dämmmaßnahmen und Sanierung eines Kellers

Die Maßnahmen zur Dämmung und Sanierung eines Kellers unterteilen sich auf Baumaßnahmen für die Böden und Decken bzw. für die Kellerwände. Besondere Beachtung hierbei erfordern der Aspekt des Feuchtschutzes sowie die Vermeidung von Wärmebrücken. Auch der Schallschutz und die Frage des geeigneten Innen- und Außenputz sind Teil dieser Aufgabe.

7. Planung und Durchführung von Anbauten und Ausbauten

Diese Aufgabe beinhaltet es, vorgefertigte Holzrahmenbauelemente für Anbauten, insbesondere in Bezug auf Montagefreundlichkeit, Luftdichtigkeit oder Vermeidung von Wärmebrücken zu implementieren. Auch der Bau von Nebengebäuden (z. B. Carport) steht unter dem Aspekt des Feuchtschutz und der Vermeidung von Wärmebrücken.

Das Projekt verfolgt nun das Ziel, die konkreten, auf den Arbeitsprozess bezogenen Anforderungen der dargestellten sieben Arbeitsaufgaben nach dem skizzierten entwicklungslogischen Ansatz didaktisch aufzubereiten. Nach der Darstellung der didaktischen Grundlagen, der Technik und der fachlichen Inhalte erfolgt nun die Schilderung der zu verwendenden berufswissenschaftlichen Forschungsmethoden.

5.  Umsetzung im Projekt „Vila-b“ – Methodisches Design

Insgesamt steht die Frage im Mittelpunkt, wie Kompetenzentwicklungsprozesse anzulegen sind und woran sie anknüpfen, um domänenspezifisches (Experten)Wissen zu generieren. Die Antworten hierzu werden durch den Einsatz berufswissenschaftlicher Forschungsmethoden erschlossen. Die „berufswissenschaftlich ausgerichtete Qualifikationsforschung verfolgt das Ziel, die für einen Beruf charakteristischen Arbeitsaufgaben und die in diesen inkorporierten Qualifikationsanforderungen zu identifizieren und zu untersuchen, welchen didaktischen Stellenwert diese Aufgaben für die Kompetenzentwicklung haben.“ (BECKER/ SPÖTTL 2006, 4). Auf die Darstellung der mittlerweile als eigenständig und interdisziplinär einzustufenden berufswissenschaftlichen Qualifikationsforschung (vgl. BECKER/ SPÖTTL 2006; BECKER/ SPÖTTL 2008; BLINGS 2008; MÜLLER 2008) wird hier verzichtet. Es wird direkt auf die Forschungsebenen und die konkrete Verwendung der dazugehörigen Methoden im Projekt Vila-b eingegangen wird. Insgesamt sind vier Forschungsebenen und der Einsatz dazugehöriger berufswissenschaftlicher Instrumente vorgesehen:

•  Ebene der Berufs- und Sektorstrukturen

Als erster Schritt und im Sinne einer Maßnahme, die als inhaltliche Vorbereitung auf den beruflichen Kontext dient, ist eine Sektoranalyse vorgesehen (vgl. u. a. BECKER/ SPÖTTL 2008; BLINGS 2008; BLINGS 2008a; MÜLLER 2005). Mit Hilfe einer Dokumentenanalyse werden u. a. die Fachliteratur, berufliche Statistiken, Sektorberichte, Marktanalysen oder Beschreibungen technischer Entwicklungen berücksichtigt. Dies geschieht auch unter Einbindung von Experten und stellt im Regelfall eine längerfristige und umfangreiche Maßnahme dar.

Im Projekt wird aufgrund der Ressourcen und aufgrund des Fokus auf der Gestaltung und Evaluation der Fortbildung eine Variante in Sinne einer Sektorbeschreibung mit reduziertem Umfang bevorzugt. Ungeachtet dessen bleibt der Zweck einer berufsübergreifenden Kontextdarstellung, der von Experten des „Arbeitskreises Ökologischer Holzbau“ inhaltlich unterstützt wird, unberührt.

•  Ebene der Organisationsstrukturen beruflicher Arbeitsprozesse

Auf der zweiten Ebene werden Fallstudien durchgeführt, um die Organisationsstrukturen beruflicher Arbeitsprozesse aufzudecken. Hierzu werden z. B. Aufgabeninventare sowie betriebliche Abläufe und Kennzahlen untersucht Aufträge analysiert und Betriebsbegehungen veranstaltet.

Für das Projekt werden 8-10 Baustellenbesuche durchgeführt. Die Besichtigung wird dabei jeweils von mindestens zwei Personen vorgenommen, wobei eine Person die notwendige fachliche Expertise für das ökologische Bauen aufweist. Während der Baustellenbesuche wird ein Beobachtungs- und Befragungsinstrument eingesetzt, um die entsprechenden Kenntnisse der Organisationsstrukturen zu erlangen.

•  Ebene der Kompetenzen in Geschäfts- und Arbeitsprozessen

Die dritte Ebene wird ebenfalls während der Bausstellenbesuche bearbeitet, bezieht sich aber auf die Kompetenzen der Facharbeiter. Hier finden Arbeitsprozessanalysen statt, die ebenfalls mit Hilfe eines Beobachtungs- und Befragungsinstruments durchgeführt werden. In dieser Phase sollen vor allem die Arbeitsprozesse erschlossen werden.

Die Ebenen 2 und 3 sind typischerweise und damit auch im Projekt Vila-b als Einheit bzw. als „Durchführung“ zu sehen. Die Beobachtungen und Befragungen sind im Regelfall in einem Arbeitsprozessanalyse-Instrument, welches in Kooperation mit (fachlichen) Experten entwickelt und nach einem Pretest optimiert wird, integriert.

•  Ebene der Bedeutung identifizierter Kompetenzen und Arbeitsaufgaben für den Beruf

Nachdem mittels Arbeitsprozessanalysen die benötigten Aufgaben und Kompetenzen identifiziert wurden, gilt es nun, auf dieser Ebene eine Gewichtung bzw. Bewertung vorzunehmen. Ein geeignetes Vorgehen stellt der „Experten-Facharbeiter-Workshop“ dar. Mit moderierter Anleitung (z. B. Brainstorming, Metaplan, Gruppendiskussion) erarbeiten die eingeladenen Experten (Facharbeiter, Meister, Ausbildungsleiter etc.) eine Kompetenzmodellierung und bringen die Kompetenzen in eine entwicklungslogische Reihenfolge, welche die Etappen vom „Novizen“ zum „Experten“ widerspiegelt.

6.  Aktueller Stand und Ausblick

Die Ausführungen haben einen kurzen Einblick in die didaktischen, inhaltlichen und technischen Aspekte des Virtuellen Lernens auf der Baustelle gegeben: Die Inhalte werden prozessorientiert aufbereitet und entwicklungslogisch strukturiert, um dann mit Unterstützung modernster IT-Technik das Lernen zu ermöglichen. Blended Learning wird relevant, weil an drei Lernorten ein mediengestütztes Lernen stattfindet, um die jeweiligen Vorteile des Präsenzlernens, des Lernens im Arbeitsprozess und am Heimarbeitsplatz zu nutzen. Dies wird durch die technische Implementierung einer Lernplattform in Verbindung mit mobilen Endgeräten möglich. Die Lerninhalte werden durch Methoden berufswissenschaftlicher Qualifikationsforschung identifiziert und mit Hilfe von Experten verschiedenen Kompetenzstufen zugeordnet. Die Ergebnisse der didaktischen und technischen Projektarbeit bilden die Grundlage für die Fortbildung, die in Testdurchläufen geprüft und optimiert wird.

Die entwicklungslogische Struktur ist eine lerntheoretische Beschreibung, die als Weiterentwicklung des Konstruktivismus bisher nicht theoretisch fundiert ist. Die Aussagen werden im Projekt hinsichtlich ihrer Lerneffizienz und der lernförderlichen Faktoren geprüft und in ein didaktisches Modell implementiert. Es kommt deshalb auch darauf an, folgende Schwerpunkte entscheidend weiterzuentwickeln:

- Didaktik: Für die Didaktik gibt es zunächst zwei Hauptaufgaben. Einerseits ist die Analyse der Lerninhalte zu unterstützen und die Aufbereitung für die Fortbildung entsprechend didaktisch aufzubereiten. Für die Analyse der Lerninhalte werden anhand von Arbeitsprozessanalysen die zentralen Arbeitsaufgaben und die dazu benötigten Kompetenzen identifiziert, um diese anschließend mit Hilfe von Experten-Facharbeiter-Workshops in eine entwicklungslogische Reihenfolge zu sortieren. Die didaktische Aufbereitung der Fortbildung geschieht durch die Entwicklung von Lern- und Arbeitsaufgaben, die im Sinne eines ganzheitlichen Auftrags konzipiert werden und sich gleichzeitig auf die angestrebten Kompetenzniveaus beziehen.

- Technik: Für die Lernprozesse auf der Baustelle ist der Einsatz von mobilen Endgeräten geplant. Von Seiten der Technik sind zunächst Analysen zur Vorauswahl der geeigneten Geräte vorgenommen worden. Mit diesen ausgewählten Prototypen werden nun „Contextual Inquiry“-Analysen durchgeführt. Die Geräte werden hinsichtlich verschiedener technischer Anforderungen, aber auch hinsichtlich der Praktikabilität, der Bedienbarkeit oder der Akzeptanz durch die Facharbeiter bewertet.

Die Projektarbeit soll die Strukturen schaffen, um eine Fortbildung domänenspezifisch und unter Einbindung neuer Medien zu ermöglichen. Darüber hinaus wird das Projekt auch einer formativen und summativen Evaluation unterzogen. Letztere wird sich auf die Lernfortschritte der Teilnehmer beziehen und daher im Rahmen des Projektes auch Fragen zur Kompetenzforschung beantworten. Bedeutsam wäre es hier zu eruieren, welche didaktischen und technischen Elemente einen nachhaltigen Effekt zur positiven Kompetenzentwicklung der Facharbeiter beigetragen haben.

Literatur

BECKER, M./ SPÖTTL, G. (2006): Berufswissenschaftliche Forschung und deren empirische Relevanz für die Curriculumentwicklung. In: bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online, Ausgabe 11. Online: http://www.bwpat.de/ausgabe11/becker_spoettl_bwpat11.shtml (03-11-2008).

BECKER, M./ SPÖTTL, G./ STOLTE, A. (2001): ADAPT-Heritage. Neue Lernmodelle – Flexible und akzeptierte Wege zum Lernen für die Arbeitswelt. NU-ADAPT. Bonn .

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online seit: 15.12.2008