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                | KARL WILBERS(Universität St.Gallen) |  
               
                |  | Lernen in Netzen: Modernismen und Traditionen, 
                  Schismen und Integrationsversuche |  
 
               
                | 1. 
                  "Lernen" und "Netze": Zwei allgemeine, emotional 
                  geladene Konzepte treffen aufeinander |  |   
                | "Lernen" und "Netze" bzw. "Netzwerke" 
                  sind - wenn nicht schon die Modernität der letztgenannten 
                  Begriffe abschreckt - emotional positiv geladene Konzepte. Beide 
                  Konzepte sind außerdem ausgesprochen allgemein. So verdeutlicht 
                  der Bericht "How People Learn" (BRANSFORD/BROWN/COCKING 
                  2000) eindrucksvoll die Weite und die Tragfähigkeit des 
                  Konzepts "Lernen". Netzwerke als formales Konstrukt 
                  aus einer Trägermenge und einer Familie von Relationen 
                  (WILBERS 1997) umfassen so unterschiedliche Dinge wie technische, 
                  soziale oder politische Netzwerke. So verwundert es kaum, dass 
                  sich anscheinend - wie im Editorial zur dieser Ausgabe der bwp@ 
                  behauptet wird - ein neues und attraktives, da positiv geladenes 
                  Aufgabenfeld für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik 
                  auftut. Offen bleibt dabei jedoch zunächst, ob "Lernen 
                  in Netzen" nicht nur eine syntaktische Klammer über 
                  ganz unterschiedliche, unverbundene Arbeitsfelder bleibt oder 
                  ob sich daraus zumindest ein thematischer Fokus als Grundvoraussetzung 
                  für einen wissenschaftlichen Diskurs ergibt.
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                | 2. 
                  Zwei Stoßrichtungen der Auseinandersetzung um Lernen in 
                  Netzen |  |   
                | Grob vereinfachend - eben bipolar - lassen sich zwei Stoßrichtungen 
                    der Auseinandersetzung im Feld "Lernen in Netzen" 
                    ausmachen:
 (1) Lernen und technische Netzwerke - heutzutage gefasst unter 
                    dem Stichwort "E-Learning",
 (2) Lernen in sozialen und institutionellen Netzwerken.
 In der ersten Stoßrichtung, E-Learning, verlängert 
                    die Diskussion um die pädagogische Nutzung technischer 
                    Netzwerke wie z.B. dem Internet die ältere Tradition 
                    des informationstechnisch unterstützten Unterrichts etwa 
                    in Form vom Computer based Trainings (CBT). Im zweiten Fall 
                    nähert sich die Diskussion dem Gruppenkonzept, dem kooperativen 
                    Lernen und neuerdings dem der Gemeinschaften (communities) 
                    an. Die Übergänge zu institutionellen Netzwerken 
                    sind dabei fließend und theoretisch höchst interessant. 
                    Beide Stoßrichtungen werden in den folgenden Abschnitten 
                    skizziert. Anschließend werden Aspekte der erneuten 
                    Konvergenz aufgezeigt.
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                | 2.1 
                  Die erste Stoßrichtung: Pädagogische Nutzung technischer 
                  Netzwerke - "E-Learning" |  |   
                | In der ersten Stoßrichtung geht es um die Nutzung technischer 
                    Netzwerke wie z.B. des Internets für pädagogische 
                    Zwecke. Diese Auseinandersetzung wird zur Zeit unter dem Chiffre 
                    "E-Learning" geführt. "Technik und Ökonomie 
                    gelten traditionell nicht als ein Stoff, der die Pädagogik 
                    adeln könnte" (Euler 2002). Pädagogen in Wissenschaft 
                    und Praxis wiederholen daher gebetsmühlenartig, dass 
                    die Didaktik der Technik vorausgehe. Oft in gnadenloser Überschätzung 
                    der Reichweite des eigenen Tuns verlangen Pädagogen, 
                    dass die Technik der pädagogischen Nutzung anzupassen 
                    sei. Diese Diskussion ist trotz aller Modernismen so alt wie 
                    die Informationstechnik selbst (vgl. TWARDY/WILBERS 1996).
 
 E-Learning folgt einem bestimmten Entscheidungsrahmen, den 
                    ich hier aufgrund gemeinsamer Arbeiten mit Dieter Euler darstelle 
                    (vgl. EULER/WILBERS 2002). Elektronische können ebenso 
                    wie die traditionellen Medien (z.B. Overheadfolien, Arbeitsblätter) 
                    zum Bestandteil einer Lernumgebung werden. Vor diesem Hintergrund 
                    besitzen elektronische Medien das Potential, die methodische 
                    Gestaltung einer Lernumgebung zu erweitern und begründen 
                    so neue Optionen für das Lehren und Lernen. Prinzipiell 
                    können Lernumgebungen über die folgenden Grundbausteine 
                    arrangiert werden:
 
 1. Sozialformen, d.h. das Lernen vollzieht sich entweder individualistisch 
                    oder eingebunden in ein Team bzw. in ein größeres 
                    Plenum (z.B. Klasse, Vorlesungsgruppe);
 
 2. Sozial-kommunikative Lehraktionsformen, d.h. das Lernen 
                    wird unterstützt durch die sozialen Aktivitäten 
                    eines Lehrenden. Dieser bietet Inhalte dar, entwickelt diese 
                    im Dialog oder schafft die Bedingungen zu deren eigenständiger 
                    Erarbeitung.
 
 3. Medien.
 Lernen mit elektronischen Medien bedeutet in diesem Zusammenhang, 
                    dass sich der Lernende zur Unterstützung seines Lernens 
                    der zusätzlichen Komponenten Lehr- und Informationssoftware 
                    sowie Telekommunikationsnetze bedienen kann. Durch die E-Medien 
                    wie z.B. Tutorial, Simulationssoftware, Webquest entstehen 
                    neue Möglichkeiten der Veranschaulichung von Lerninhalten 
                    sowie der aktivierenden Auseinandersetzung des Lernenden mit 
                    ihnen. Durch die Einbeziehung der Telekommunikation wird es 
                    möglich, räumlich entfernte Personen in den Lernprozess 
                    einzubeziehen. Dies führt zu telekommunikativ gestützten 
                    Lernumgebungen, bei denen die Lernenden wiederum in unterschiedliche 
                    Sozialformen eingebettet und zudem ebenfalls durch Lehrende 
                    unterstützt werden können. Die Unterstützung 
                    durch die Lehrenden kann vor Ort oder über das Netz geschehen 
                    - im letztgenannten Fall entstehen neue Formen der Lehrunterstützung 
                    wie E-Instruktion, E-Tutoring sowie E-Moderation bzw. E-Coaching. 
                    Im Überblick entsteht folgender Zusammenhang:
    
                       Das Modell kombiniert klassische' Gestaltungselemente 
                    der Didaktik mit neuen Elementen des E-Learning. So wird es 
                    möglich, drei Typen von Lernumgebungen zu erfassen:
 1. Konventionelle Lernumgebungen, die nur die traditionellen 
                    und bekannten Elemente integrieren.
 
 2. Ausschließlich durch Anwendung von E-Medien bzw. 
                    E-Lehr-Aktionsformen gestützte Lernumgebungen, die von 
                    Formen des Präsenzlernens, d.h. eines realen Zusammenkommens 
                    von Studierenden und Lehrenden in einem Raum, vollkommen absehen.
 
 3. Hybride Lernumgebungen (blended learning'), die Formen 
                    des Präsenzlernens mit Formen des Lernens außerhalb 
                    von Präsenzkontexten kombinieren. Beispiel: Auftakt der 
                    Lehrveranstaltung über einen KickOff, bei dem sich die 
                    Lernenden real kennen lernen, Aufgaben absprechen usw., in 
                    der Folge dann telekooperativ arbeiten, um die Ergebnisse 
                    in einer Präsenzveranstaltung dann zusammen zu führen.
 
 Die drei Sozialformen (Einzellernen, Teamlernen, Lernen im 
                    Plenum) heben auf die Gruppierung der Lernenden ab. Einzellernen 
                    bietet das Potential - keineswegs die Gewähr - für 
                    die Individualisierung. Mit anderen Worten: Individualisierung 
                    ist der komparative Vorteil des Einzellernens gegenüber 
                    den anderen Sozialformen. Individualisierung meint, dass sich 
                    die anderen Gestaltungselemente auf einen individuellen Lernenden 
                    zuschneiden lassen. Der Lernende erhält mithin individuelle 
                    Lernziele, individuelle Möglichkeiten der Lernkontrolle 
                    usw. Teamlernen und Lernen im Plenum stellen hingegen das 
                    soziale Lernen bzw. den Erwerb entsprechender Kompetenzen 
                    in den Vordergrund. Für diese Fälle lassen sich 
                    Leistungsvorteile kooperativen Lernens begründen.
 
 Die drei sozialkommunikativen Lehr-Aktionsformen stellen auf 
                    die Tätigkeit bzw. die Rolle des Lehrenden in Präsenzsituationen 
                    ab. Die drei E-Lehr-Aktionsformen stellen demgegenüber 
                    die Rolle der Lehrenden in telekommunikativ getragenen Lernumgebungen 
                    in den Vordergrund:
 
 1. E-Instruktion bezeichnet Aktivitäten eines Lehrenden 
                    über das Netz, die der Unterweisung der Lernenden dienen. 
                    Wird beispielsweise eine Vorlesung synchron über das 
                    Netz übertragen, wobei ein Teil der Studierenden den 
                    Dozierenden vor Ort, ein anderer Teil ihn hingegen auf einem 
                    Bildschirm verfolgt, dann wird diese Lernumgebung für 
                    die räumlich entfernten Studierenden als Teleteaching 
                    bezeichnet.
 
 2. E-Tutoring bezeichnet eine Lernumgebung, in der ein Lehrender 
                    dann zur Verfügung steht, wenn die Studierenden im Prozess 
                    des selbstorganisierten Lernens mit traditionellen und / oder 
                    elektronischen Medien eine Lernhilfe bzw. eine Rückmeldung 
                    durch einen Lehrenden benötigen. Die Aktionen des Lehrenden 
                    konzentrieren sich dann beispielsweise auf die Bereitstellung 
                    von prozessbezogenen Lernhilfen. Das Lernen der Studierenden 
                    kann in die Sozialformen des Einzel- oder Teamlernens eingebettet 
                    sein.
 
 3. E-Moderation bzw. E-Coaching bezieht sich auf Lernumgebungen, 
                    innerhalb derer die Studierenden telekommunikativ an einer 
                    Frage- oder Problemstellung arbeiten. Der Lernprozess wird 
                    dabei von einem Lehrenden über das Netz moderiert bzw. 
                    im Rahmen eines Coachings unterstützt.
 
 E-Medien und traditionelle Medien sind Präsentationsmedien, 
                    Interaktionsmedien oder Informationssysteme und Instrumente 
                    des individuellen Wissensmanagements. Präsentationsmedien 
                    wie z.B. filmische Darstellungen der Fallsituation dienen 
                    dabei der anschaulichen und verständlichen Darbietung. 
                    Interaktionsmedien wie z.B. WebQuests dienen der Aufforderung 
                    und Anleitung zur interaktiven Erschließung, Festigung, 
                    Anwendung und kritischen Reflexion von Lerninhalten. Informationssysteme 
                    und Instrumente des individuellen Wissensmanagements richten 
                    sich primär an den einzelnen Lernenden. Sie haben grundsätzlich 
                    verschiedene Ansprüche, aus didaktischer Sicht jedoch 
                    die Gemeinsamkeit, dass sie nur Teile der Lehrfunktionen übernehmen 
                    und alle weiteren dem Lernenden überlassen. In didaktischer 
                    Sicht handelt es sich um ein hochgradig selbstgesteuertes 
                    Lernen. Als Informationssysteme gelten hier: Assistenten und 
                    Agenten, Hilfesysteme sowie Datenbanken.
 
 
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                | 2.2 
                  Die zweite Stoßrichtung: Lernen in sozialen und institutionellen 
                  Netzwerken |  |   
                | Die zweite Stoßrichtung der Auseinandersetzung im Feld 
                  "Lernen in Netzen" betrifft die pädagogische 
                  Reflexion sozialer und institutioneller Netzwerke. Soziale Netzwerke 
                  sind ein "Geflecht von sozialen Beziehungen, das als Ganzes 
                  betrachtet das Verhalten einzelner Beteiligter beeinflussen 
                  und zur Interpretation dieses Verhaltens herangezogen werden 
                  kann." (WEGMANN 1995, S. 225). Eingeführt wurde der 
                  Terminus von dem Sozialanthropologen Alfred R. Radcliffe-Brown, 
                  ausgebaut wurde die Theorie vor allem von John A. Barnes und 
                  Clyde Mitchel. "Die Netzwerke sozialer Beziehungen verbergen 
                  sich gewissermaßen hinter den stabilen Interaktionen im 
                  Rahmen formaler und hierarchischer Strukturen. Und genau dies 
                  hat der Analyse solcher Netzwerke die Besonderheit verliehen. 
                  Die Aktualisierung latent vorhandener persönlicher Beziehungen, 
                  z.B. der Wahlhilfe, die Netzwerkgliederung von Patronage- und 
                  Klientelsystemen, die Bildung informeller Zirkel in Politik, 
                  Kunst und Kultur sind Beispiele, die ... die Idee des sozialen 
                  Netzwerkes nähren." (SCHENK 1983, S. 88).
 
 Man sieht schon an diesen wenigen Äußerungen, dass 
                  die Theorie der sozialen Netzwerke zwar in einer soziometrischen 
                  Tradition steht, dass ihr Anspruch aber weit darüber hinaus 
                  geht; dass der Begriff des sozialen Netzwerkes sehr viel allgemeiner 
                  als der Gruppenbegriff ist - so setzt z.B. das Gruppenkonzept 
                  Grenzen der Zugehörigkeit, direkte Kontakte etc. voraus. 
                  In der Theorie sozialer Netzwerke wurden umfangreiche formale 
                  Forschungsmethoden aufgebaut (vgl. WASSERMANN/FAUST 1994; JANSEN 
                  1999).
 
 Dominanter Theorieansatz für die Untersuchung institutioneller 
                  Netzwerke ist die Institutionenökonomik (vgl. bspw. WILBERS 
                  2000h; SYDOW 1992). Grundlegend ist hier die Annahme, dass Individuen, 
                  die in Austauschprozessen involviert sind, die Transaktionskosten 
                  wie z.B. Kosten der Anbahnung, der Vereinbarung und der Kontrolle 
                  der Transaktion vorausschauend begrenzt rational minimieren. 
                  Dieser Ansatz bestimmt drei Koordinationsformen: Markt - Netzwerk 
                  - Hierarchie. Der Markt ist in der ökonomischen Theorie 
                  eine Koordinationsform von Aktivitäten, in der sich rational 
                  und opportunistisch verhaltende, gleichberechtigte und unabhängige 
                  Individuen eine genau spezifizierte Leistung austauschen ('arms-length-transaction', 
                  'spot contracting'). Dieses Instrument, d.h. der Markt, versagt 
                  bei bestimmten Bedingungen wie z.B. bei Transaktionen mit hoher 
                  Unsicherheit und Komplexität. Zur Vermeidung opportunistischen 
                  Verhaltens des Austauschpartners kann daher ein Tauschpartner 
                  beispielsweise in eine Hierarchie ('firm') mit dem gemeinsamen 
                  Wertesystem einer Unternehmenskultur etc. eingebunden werden. 
                  Im Zuge einer 'employment relationship' ersetzt die hierarchische 
                  Koordination wie z.B. durch Weisungen die Marktkoordination. 
                  Weisungen werden ergänzt durch weitere Maßnahmen 
                  zur Deckung des Koordinationsbedarfs, d.h. technokratische Instrumente 
                  wie z.B. Pläne, organisationsorientierte Instrumente wie 
                  z.B. organisatorische Formalisierung, personenorientierte Instrumente 
                  wie z.B. Anreizsysteme sowie weitere Maßnahmen zur Reduzierung 
                  des Kooperationsbedarfs. Zu Hierarchieversagen hingegen kommt 
                  es bei sicheren Transaktionen geringer Komplexität etc. 
                  Netzwerke entstehen - aus Sicht der Hierarchie - durch die (Quasi-) 
                  Externalisierung von Aktivitäten, d.h. etwa im Zuge der 
                  Konzentration auf die Kernkompetenzen durch die Auslagerung 
                  von Aktivitäten z.B. als Verringerung der Fertigungstiefe. 
                  Andererseits entstehen Netzwerke durch (Quasi-) Internalisierung, 
                  d.h. eine engere Zusammenarbeit mit Marktpartnern wie dies z.B. 
                  für Joint-ventures typisch ist.
 
 Im Diskurs um Weiterbildung - die lange Zeit durch den scheinbar 
                  unüberbrückbaren Gegensatz von Markt und Staat gelähmt 
                  war - wurde der neue' Regulationstypus dankbar' 
                  aufgenommen. Die Diskussion um den Regulationstypus (vgl. bspw. 
                  FAULSTICH 1997) trifft sich hier mit der Tradition der regionalen 
                  Weiterbildungsforschung (vgl. bspw. SAUTER 1995). Inzwischen 
                  liegen eine Fülle konzeptioneller und empirischer Ergebnisse 
                  vor (siehe FAULSTICH 2002).
 
 Mit wenigen Ausnahmen - wie etwa BÜCHTER 2000 - wird diese 
                  Diskussion völlig unabhängig von einer in vielen Teilen 
                  ähnlichen Diskussion betreffend die berufliche Ausbildung 
                  geführt. Die Zusammenarbeit im dualen bzw. trialen System, 
                  die Lernortkooperation' (vgl. die Übersicht bei EULER 
                  1999), meint das Mit-, Gegen- und Nebeneinander von berufsbildender 
                  Schule, Betrieb und überbetrieblicher Berufsbildungsstätte 
                  in der Berufsausbildung. In Deutschland gibt es diesbezüglich 
                  eine relativ lange Forschungs-, Entwicklungs- und Erprobungstradition, 
                  die zur Zeit vornehmlich im Programm "Kooperation der Lernorte 
                  in der beruflichen Bildung" (Kolibri, http://www.blk-kolibri.de) 
                  gebündelt wird.
 
 
 
 
 
                     
                      | 3.	
                        Berufsbildungsnetzwerke als integrierendes Konstrukt und 
                        Forschungsprogramm |  |   
                      | Die beiden Stoßrichtungen sind in vielfacher Weise 
                          verwoben: So ist im Bereich des E-Learning- siehe dazu 
                          beispielsweise die Diskussion zum Topic "E-Learning 
                          didaktisch gestalten" im Handbuch E-Learning online 
                          (http://www.global-learning.de/handbuch-elearning) - 
                          eine deutliche Präferenz der Experten für 
                          Formen kooperativen Lernens bzw. für Communities 
                          festzustellen. Andererseits wird zunehmend auch der 
                          Aspekt der technischen Unterstützung von Netzwerken 
                          diskutiert (vgl. STENDER 2002).
 
 "Berufsbildungsnetzwerke" werden hier als 
                          integrierendes Konzept und Forschungsprogramm betrachtet. 
                          Ein regionales Berufsbildungsnetzwerk besteht - in einer 
                          allgemeinen Annäherung - aus einer Menge von Institutionen 
                          aus der Region, die mit Bildung befasst sind und zwischen 
                          denen eine Reihe von Relationen wie z.B. politischer 
                          Einfluss, Austausch von Wissen, Freundschaft oder informationstechnische 
                          Beziehungen bestehen. Die Relationen zwischen den Institutionen 
                          eines Netzwerkes können relativ dauerhaft sein 
                          wie z.B. die Beziehung zwischen einer Schule und ihrer 
                          Schulaufsicht. Diese Relationen können auch temporär 
                          sein wie z.B. bei der Durchführung eines Projektes 
                          zwischen Schule und Unternehmen. Zwischen den beteiligten 
                          Institutionen können starke oder schwache Beziehungen 
                          bestehen. Starke Beziehungen (strong ties') bieten 
                          zwar eine gute Grundlage für die Entwicklung von 
                          Vertrauen, erfordern jedoch hohe Aufmerksamkeit durch 
                          einen Akteur, so dass die Anzahl der starken Beziehungen 
                          eines Akteurs begrenzt ist. Netzwerke sind grundsätzlich 
                          offene Strukturen. Sie werden auf der Grundlage von 
                          Zielen und den aufgrund dieser Ziele relevanten Betroffen 
                          und Beteiligten (Stakeholdern) abgegrenzt.
 Das Konzept des Netzwerkes hat im Berufsbildungsdiskurs 
                          Integrationspotentiale in dreifacher Hinsicht. Es kann 
                          erstens innerhalb des pädagogischen Diskurses - 
                          etwa die Diskussion um Lernortkooperation und Weiterbildungsnetzwerke 
                          - integrieren. Zweitens eröffnet der Rückbezug 
                          auf Netzwerke Anschlüsse an andere Disziplinen. 
                          Zu nennen sind insbesondere die Soziologie und die Sozialpsychologie, 
                          die Politologie sowie die Wirtschaftswissenschaften. 
                          Schließlich integriert es mit der Netzwerkanalyse 
                          eine eigene Forschungsperspektive (siehe auch FAULSTICH 
                          2002).
 Angesprochen sind so:
 
 1. die Zusammenarbeit im dualen bzw. trialen System,
 2. die Zusammenarbeit von Betrieben und Schulen in vollzeitschulischen 
                          Berufsbildungsgängen,
 3. Ausbildungsverbünde,
 4. die regionale Zusammenarbeit zwischen Schulen,
 5. die Kooperation zwischen Einrichtungen der Benachteiligtenförderung,
 6. regionale Netzwerke in der Weiterbildung sowie
 7. lernende Regionen.
 
 
 Bezüglich der Wirkungen bzw. in anderer Perspektive 
                          der Ziele regionaler Berufsbildungsnetzwerke werden 
                          folgende Thesen aufgestellt (siehe WILBERS 2001; WILBERS 
                          2002):
 
 1. Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein begünstigender 
                          Kontext für die Verbindung von systematischem und 
                          kasuistischem Lernen in der Berufsbildung.
 
 2. Regionale Berufsbildungsnetzwerke stellen ein Instrument 
                          zur Differenzierung in und durch Berufsbildung dar.
 
 3. Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Instrument 
                          zur Abfederung von Transitionsproblemen im Berufsbildungssystem.
 
 4. Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Mittel 
                          zur Abfederung quantitativer Probleme wie z.B. ungünstiger 
                          Angebots-/Nachfragerelationen in der Berufsbildung.
 
 5. Regionale Berufsbildungsnetzwerke sind ein Beitrag 
                          zu einer höheren Wirtschaftlichkeit der Berufsbildung 
                          und ein Instrument der Regionalentwicklung.
 
 Es kann kaum davon ausgegangen werden, dass sich die 
                          Aktualisierung der angeführten Potentiale von Berufsbildungsnetzwerken 
                          von selbst einstellen wird. Im Sinne einer Kontextsteuerung 
                          können Bedingungen geschaffen werden, die bestimmte 
                          Handlungen der Individuen behindern oder erleichtern. 
                          Für die Gestaltung von Berufsbildungsnetzwerken 
                          sind drei Thesen leitend:
 
 1. (Politische und ökonomische Infrastruktur) Berufsbildungsnetzwerke 
                          bedürfen Institutionen, die in der Region handlungsfähig 
                          sind, d.h. Ziele setzen, über Ressourcen verfügen, 
                          Verpflichtungen eingehen können usw. Dies erscheint 
                          zur Zeit primär problematisch bei berufsbildenden 
                          Schulen. Berufsbildendende Schulen sind vor diesem Hintergrund 
                          entsprechend eines Gesamtkonzepts teilautonomer Schulen 
                          zu gestalten. Gleichzeitig sind - sozusagen als Ausgleich 
                          für den zurückgenommenen Staat - Schulen regional 
                          in neue Formen der Produktion regionaler Bildungspolitik 
                          einzubinden.
 
 2. (Soziale Infrastruktur) Zwischen und in den Institutionen 
                          muss ein soziales Klima bestehen, dass die Zusammenarbeit 
                          unterstützt. Bei der Gestaltung einer solchen sozialen 
                          Infrastruktur geht es um die Ermöglichung von Vertrauensbildung 
                          sowie um das Entstehen von Communities.
 
 3. (Wissens- und IT-Infrastruktur) Zwischen und in den 
                          Institutionen muss als zentrale Ressource Wissen zirkulieren. 
                          Dabei kann die Informationstechnik unterstützend 
                          wirken. E-Learning wird dabei zu einem speziellen Fall 
                          des Aufbaus und des Austausches von Wissen.
 
 Alle drei Faktoren wirken in enger Weise zusammen, wie 
                          der folgende beispielhafte Gedankengang verdeutlichen 
                          soll. Formen der regionalen Produktion von Berufsbildungspolitik 
                          z.B. in Beiräten sind immer dann zahnlos, wenn 
                          sie sich nicht auf substantielle Entscheidungen wie 
                          z.B. Ausstattungs- oder Personalfragen beziehen. Dies 
                          setzt jedoch beispielsweise voraus, dass die Schule 
                          in einem solchen Netzwerk überhaupt in der Lage 
                          ist, derartige Entscheidungen in der Region zu treffen. 
                          Mit einem derart starken Partner wird man vermutlich 
                          auch eher bereit sein, Wissen - etwa unter Nutzung von 
                          Informationstechnik - gemeinsam zu erwerben oder auszutauschen. 
                          Dies dürfte voraussetzen, dass sowohl in der Institution 
                          als auch im Verhältnis zwischen den beiden Partnern 
                          nicht die Vorstellung besteht, dass man sich selbst 
                          entwertet, wenn man eine zentrale Ressource, nämlich 
                          Wissen, weggibt'.
 
 Vor dem Hintergrund derartiger Modellierungen besteht 
                          die Hoffnung, dass Syntaxkonstruktionen wie "Lernen 
                          in Netzen" zu einer Klammer für gemeinsame 
                          Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen werden.
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                | Literatur |  |   
                | BRANSFORD, J.D./BROWN, A.L./COCKING, R.R. - Editors: How People 
                  Learn. Brain, Mind, Experience, and School. Expanded Edition. 
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                  alltäglichen Kooperationspraxis in der regionalen Weiterbildung 
                  aus Sicht von Trägern. In: Zeitschrift für Berufs- 
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                  Situation, Reformperspektiven, Gestaltungsmöglichkeiten. 
                  Weinheim und Basel (Beltz) 1999. (=Zeitschrift für Pädagogik. 
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 EULER, D.: Selbstgesteuertes Lernen mit Multimedia und Telekommunikation 
                  gestalten. Aus: HOHENSTEIN, A./WILBERS, K. (Hrsg.): Handbuch 
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 EULER, D./WILBERS, K.: Selbstlernen mit neuen Medien didaktisch 
                  gestalten. Hochschuldidaktische Schriften. Band 1. St. Gallen 
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                  Netze. Aus: DERICHS-KUNSTMANN, K. u.a. (Hrsg.): Weiterbildung 
                  zwischen Grundrecht und Markt. Rahmenbedingungen und Perspektiven. 
                  Opladen (Leske + Budrich) 1997. S. 77-97.
 
 FAULSTICH, P.: Attraktive Wissensnetze. Aus: FAULSTICH, P./WILBERS, 
                  K. (Hrsg.): Wissensnetzwerke. Netzwerke als Impuls der Weiterentwicklung 
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                  unterschiedlicher Handlungsebenen. Aus: DOBISCHAT, R./HUSEMANN, 
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 SCHENK, M.: Das Konzept des sozialen Netzwerkes. Aus: NEIDHARDT, 
                  F. (Hrsg.): Kölner Zeitschrift für Soziologie und 
                  Sozialpsychologie. Sonderheft 25/1983. Gruppensoziologie -- 
                  Perspektiven und Materialien. Opladen (Westdeutscher Verlag) 
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                  für die Etablierung kooperativer Weiterbildungsstrukturen 
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                  P./WILBERS, K. (Hrsg.): Wissensnetzwerke. Netzwerke als Impuls 
                  der Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung in der Region. 
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 WILBERS, K.: Netzwerke in der Wirtschaftspädagogik. Überblick 
                  - Graphentheoretische Rekonstruktion - Konzeptionelle Grenzen 
                  aus systemtheoretischer Sicht. Köln (Hundt) 1997.
 
 WILBERS, K.: Berufsbildende Schulen in regionalen Bildungsnetzwerken. 
                  Papier an den Arbeitskreis "Berufliche Aus- und Weiterbildung'" 
                  der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und 
                  Forschungsförderung (BLK). Köln (Unveröffentlichtes 
                  Arbeitspapier des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialpädagogik) 
                  November 2000.
 
 WILBERS, K.: Gut für alles? ... Zur Multifunktionalität 
                  regionaler Bildungsnetzwerke und den damit verbundenen Forschungs- 
                  und Entwicklungsinseln. Aus: DIETMER, L./EICKER, F. (Hrsg.): 
                  Integrierte Innovationsprozesse, Regionalentwicklung und Berufliche 
                  Bildung. Beiträge zur 'lernenden Region' und Erfahrungen 
                  mit ihrer Ausgestaltung. Bremen (Donat) 2001. S. 177-201.
 
 WILBERS, K.: Die Potentialität regionaler Netzwerke und 
                  ihre Bedeutung für die Gestaltung berufsbildender Schulen. 
                  Aus: FAULSTICH, P./ WILBERS, K.(Hrsg.): Wissensnetzwerke. Netzwerke 
                  als Impuls der Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung 
                  in der Region. Bielefeld (W. Bertelsmann) 2002 (im Druck).
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