wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

ERIKA HÖTTE, MARION HIBBELER
(SZ Walle - Berufliche Schulen für Gesundheit in Bremen)

http://www.szwalle.de/


Lernfeldcurriculum - Veränderungen für Unterricht und Schule

Am Schulzentrum Walle, Berufliche Schulen für Gesundheit in Bremen, werden seit mehr als einem Jahr in den Bereichen Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) und Arzt-/Tierarzthelferin (AH/TAH) neue Unterrichtskonzepte entwickelt. Die 2001 beschlossene Neuordnung des Ausbildungsberufes der/ des Zahnmedizinischen Fachangestellten nahm das Kollegium des SZ Walle in Bremen zum Anlass, die geforderte Handlungsorientierung des KMK-Rahmenlehrplans durch den Lernfeldunterricht zu etablieren und aus den bisher gemachten Handlungsorientierungs-Erfahrungen ein Gesamtkonzept für den Unterricht zu entwickeln. Auch im Kollegium des AH/TAH-Bereichs erarbeitet eine ständige Arbeitsgruppe Lernfelder und Lernsituationen in Anlehnung an das Curriculum der ZFA und auf Grundlage der bisher geltenden Rahmenlehrpläne, obwohl es zurzeit noch keine Neuordnung dieser beiden Ausbildungsberufe gibt.

1. Konsequenzen für den Unterricht

Bei den ZFA werden zur Zeit 6 Mittelstufen- und 5 Unterstufenklassen mit ca. 25 Auszubildenden pro Klasse nach dem Lernfeldansatz unterrichtet. Der 14-tägige Blockunterricht mit anschließend 4-wöchiger Praxisphase findet in drei Blöcken hintereinander statt, so dass die Auszubildenden im Schnitt 6 mal 14 Tage pro Jahr in der Berufsschule sind. Die berufsbezogenen Fächer Fachtheorie, Laborübungen und Praxisverwaltung werden nicht mehr im Stundenplan ausgewiesen, sondern als Lernfeld-Stunden gekennzeichnet und fächerübergreifend unterrichtet.
In einer Blockwoche sind das pro Klasse 24 Lernfeldstunden, 4-6 davon als Teamstunden mit einer zweiten Lehrkraft; 10 Stunden im Allgemeinbildenden Bereich, wobei Deutsch und Politik z.T. in den Lernfeldunterricht inhaltlich und methodisch einbezogen werden.

Im Bereich AH/TAH werden im laufenden Schuljahr acht Unterstufen mit ca. 25 Auszubildenden pro Klasse nach dem Lernfeldansatz unterrichtet. Der Unterricht wird an 2 Berufsschultagen pro Woche mit 10-12 Stunden erteilt. Die berufsbezogenen Fächer Fachtheorie, Labor und Praxisverwaltung werden wie bisher im Stundenplan ausgewiesen. Sie sind bis auf eine Ausnahme in einer Klasse im Umfang von 6 Unterrichtsstunden auf einen Berufsschultag gelegt, so dass ein fächerübergreifender, handlungsorientierter Unterricht stattfinden kann. In den mittleren beiden der sechs Stunden sind zwei Lehrer gemeinsam in den Klassen eingesetzt.

Auch Deutsch und Politik (in einer Klasse sogar Sport) werden teilweise inhaltlich und methodisch in den Lernfeldunterricht einbezogen. Als durchgängiges Prinzip der Handlungsorientierung haben sich beide Kollegien für die Einrichtung von 3 Schülerteams im Klassenverband entschieden.

Am Einschulungstag werden die Auszubildenden in 3 Teams pro Klasse aufgeteilt; der gesamte Lernfeldunterricht findet mit wenigen Ausnahmen in diesen 3 Teams statt. Ebenso wie die Schüler arbeiten auch die Lehrkräfte in 3er - 4er Teams pro Klassenverband.
Zum Erreichen der Handlungsorientierung und der geforderten Kompetenzen des Lernfeldansatzes wenden wir das EVA-Prinzip (eigenverantwortliches Arbeiten) nach H. KLIPPERT an.
Nach dem Kennenlerntag und einwöchigem bzw. mehrtägigem Methodentraining mit Teamfindungsübungen, TZI-Regeln, Lernkarteieinführung, Visualisierung von Arbeitsergebnissen etc., das im Laufe der Ausbildung immer wieder Anwendung findet, lernen die Azubis die Lernfelder kennen, werden mit dem EVA-Prinzip, dem Umgang mit Arbeitsaufträgen und den Präsentations- und Bewertungskriterien vertraut gemacht; sie starten dann eigenständig im Team mit der Bearbeitung der ersten Lernsituation zu Lernfeld 1.
Zu den Lernfeldern werden mehrere Lernsituationen im Kollegium entwickelt, wobei die Anzahl nach Komplexität der Aufgaben im 2. und 3. Ausbildungsjahr abnimmt. Die Lernsituationen sind so konzipiert, dass sie Lerninhalte aus den früheren Fächern Fachtheorie, Labor-(übungen) und Praxisverwaltung integrativ behandeln - situationsgemäß, unter ganzheitlichen Aspekten.

Jedes Schülerteam (7- 8 Azubis) teilt die zu den Lernsituationen gestellten Arbeitsaufträge selbstständig unter sich auf, so dass im Schnitt 3 Unterteams (mindestens 2 Personen) entstehen, die einen Auftrag erledigen. Jedes Teammitglied ist in dieser Arbeitsphase beschäftigt und somit am Gesamtergebnis beteiligt.
Alle Ausarbeitungen werden als in der Gruppe abgeglichene Teamversion der Lehrkraft zur Korrektur vorgelegt, erst danach beginnt die Fertigstellung auf Folie, Flipchart, PC u.a. statt.
Die anschließende Präsentation der Ergebnisse der 3 Unterteams findet vor dem eigenen Team statt, damit zunächst Sicherheit beim Präsentieren entstehen kann und die Teamentwicklung gefördert wird.

Zum Ende des ersten Ausbildungsjahres sowie im Laufe der 3 Jahre werden Präsentationen im Klassenverband oder vor größeren Schülergruppen geübt.
Während der Präsentation bewertet mindestens eine Lehrkraft nach den bekannten Kriterien die Darbietungen der Einzelnen und des Gesamtteams. Es findet ein Reflexionsgespräch statt mit Benotung. Ab dem 2. Ausbildungsjahr bewerten sich die Schüler während einer Präsentation gegenseitig und diese Ergebnisse fließen mit in die Benotung durch den Lehrer ein. Eine Beteiligung aller Schülerinnen an den Präsentationen ist gewünscht, wobei vom Umfang her ein bewertungsfähiger Präsentationsteil der Einzelnen vorhanden sein sollte.

Zwischen der Bearbeitung der Lernsituationen finden Abschluss- oder Expertenrunden (z.B. Lehrervortrag zu Basiswissen) im Klassenverband statt. Die einzelnen Lernfeldnoten setzen sich aus Präsentations-, Team- und Mitarbeitsnoten sowie Test- und Klassenarbeitsnoten zusammen. Die Note wird in Schülereinzelgesprächen mit 1-2 Lehrkräften begründet und reflektiert unter Einbeziehung des Kompetenzerwerbs. Feed-back-Runden geben Aufschluss über Selbsteinschätzungen, Teamarbeit mit Arbeitszufriedenheit und dienen der Entwicklung von Arbeitsperspektiven.

2. Kritik, Probleme, Hinweise auf Weiterarbeit


Im Laufe der Entwicklung und Etablierung des Lernfeldunterrichts machten beide Teil-Kollegien des SZ Walle übereinstimmende Erfahrungen, die wir im Folgenden kurz erläutern wollen. Die neuen Auszubildenden sind anfangs stark verunsichert durch das EVA-Prinzip, weil sie selbstständiges und eigenverantwortliches Arbeiten nicht gewohnt sind. Die Einführungsphase ist unerlässlich, um den Auszubildenden die Vorteile der neuen Unterrichtskonzeption zu verdeutlichen und um Grundlagen für Methodenkompetenz zu vermitteln. Die Ergebnisse der Präsentationen, Klassenarbeiten und Lernfeldnoten sind gut. Wir stellen einen größeren Lernerfolg durch Prozess- und Handlungsorientierung, durch Berücksichtigung des Umfeldes und der Erfahrungen der Lernenden fest. Auch Eigenständigkeit, Selbstbewusstsein, Kreativität und Eigenverantwortlichkeit werden gefördert. Die Schülerinnen erfahren durch die Einzelgespräche mehr Transparenz bei der Notengebung.

Viele der beteiligten Kolleginnen und Kollegen sehen die Teamarbeit als Chance zur Überprüfung der eigenen Unterrichtsziele und des eigenen Unterrichts. Gemeinsame Ziele werden entwickelt, umgesetzt und reflektiert. Das weit verbreitete Einzelkämpfertum der Lehrer und Lehrerinnen wird aufgebrochen, es entwickeln sich aber auch häufig Konflikte in den Lehrerteams, vor allem dort, wo Teams sich nicht freiwillig zusammen gefunden haben. Die Verunsicherung der Lehrkräfte nimmt durch größere Gestaltungsräume zu, insbesondere dann, wenn Lehrer fachfremde Unterrichtsinhalte vor Präsentationen ‚überprüfen' bzw. korrigieren sollen. Durch ständige Absprachen, 14-tägige Teamsitzungen zur Konzeption der Lernsituationen und zur Reflexion des Unterrichts und durch häufige Fortbildungen entsteht eine deutlich höhere Arbeitsbelastung der Lehrer, die über Stundenentlastung geregelt werden muss.
Die Stundenpläne müssen im Sinne der Lernfeldorientierung sowie des fächerübergreifenden Prinzips verändert und es müssen Möglichkeiten für den Teameinsatz, die Doppelbesetzung im Unterricht und die Teamsitzungen geschaffen werden. Für alle Beteiligten sind Regelwerke notwendig (z.B. Hausordnung: PC, Handy, Internet).

Eine Intensivierung der Lernort-Kooperation ist sinnvoll, um den beruflichen Alltag der Schülerinnen in die Entwicklung der Lernsituationen stärker einbeziehen zu können. Die Umsetzung dieses Vorhabens mit vielen Einzelpraxen und entsprechend vielen Ausbildern gestaltet sich sehr schwierig. In der Schule sind Umbaumaßnahmen erforderlich: Wir brauchen größere Unterrichtsräume, in denen drei Arbeitsbereiche mit jeweils einem PC-Arbeitsplatz eingerichtet werden können, dazu kleine Präsentationsräume. Für Fortbildungen oder Klassenarbeiten muss mindestens ein zusätzlicher Klassenraum zur Verfügung stehen.Die Anschaffung neuer Lern- und Lehrmittel, neuer Medien und neuen Mobiliars hat die Etats der Bereiche ZFA und AH/TAH deutlich belastet.

Mehrere selbst organisierte (und finanzierte!) Fortbildungen an Wochenenden zur Lernfeldkonzeption, zur Lehrer- und Schülerteambildung sowie zur Abstimmung der beiden Teilkollegien des SZ Walle waren und sind ebenso notwendig wie vom Landesinstitut für Schule durchgeführte Fortbildungen zur Entwicklung von Kommunikationsfähigkeit, zum Konflikttraining und zur Bewertung.

3. Ausblick

· Lernfeldarbeit ist Teamarbeit
· Lernfeldarbeit ermöglicht Kompetenzerwerb durch Handlungsorientierung
· Lernfeldarbeit impliziert prozessbezogene Leistungsbeurteilung
· Lernfeldarbeit heißt Lernortkooperation
· Lernfeldarbeit fördert die schulische Profilbildung
· Lernfeldarbeit steigert die Arbeitszufriedenheit alle Beteiligten!?



Literatur:

KMK-RAHMENLEHRPLAN für den Ausbildungsberuf Zahnmedizinischer Fachangestellter/ Zahnmedizinische Fachangestellte (Beschluss KMK vom 11.05.2002).

MUSTER-WÄBS, H./ SCHNEIDER, K. (1999): Vom Lernfeld zur Lernsituation. Gehlen.

KLIPPERT, H. (1994): Methoden-Training. Beltz.

THAL, J./ EBERT, U. (1999): Methodenvielfalt im Unterricht. Luchterhand