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DANIELA
ANTON (G11 Hamburg Staatliche
Gewerbeschule Gastronomie und Ernährung)
Rahmenbedingungen
und Strukturen für eine gelungene Umsetzung des Lernfeldkonzeptes.
Mit Beispielen aus der Fachgruppe Systemgastronomie an der
G11*
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*Dieser
Beitrag ist zuerst erschienen in der Ausgabe 2/2003 der ihbs:
Informationen für Hamburger Berufliche Schulen
An
der G11 wird seit 1998 nach dem Lernfeldkonzept unterrichtet. Dabei
wurden umfangreiche ermutigende und schwierige Erfahrungen gesammelt,
deren Reflexion sich zu einem Gestaltungskonzept entwickelte. Mit
Beispielen aus der Fachgruppe Systemgastronomie sollen nachfolgend
Gestaltungselemente skizziert werden, die sich als sinnvoll herauskristallisiert
haben. Diese beziehen sich auf organisatorische Rahmenbedingungen,
die von der Schulleitung zur Verfügung gestellt wurden, auf
Kooperations- und Organisationsstrukturen für die Teamarbeit
und die Konstruktion von Lernsituationen auf der Basis der beruflichen
Handlungen. Die Berücksichtigung dieser Gestaltungselemente
erweist sich nach unserer Erfahrung als förderlich, den Gedanken
des Lernfeldkonzeptes zu realisieren, nämlich im Team zu arbeiten,
fächerintegrativ zu unterrichten und die Lernsituationen auf
der Grundlage von Arbeits- und Geschäftsprozessen als komplexe
Aufgabenstellungen zu konstruieren. Den Schülerinnen und Schülern
ermöglichen wir in hohem Maße nachhaltige Lernprozesse,
weil die Zielsetzungen für sie erkennbar mit ihrer beruflichen
Tätigkeit verbunden sind und sie einen individuellen Weg zum
Thema beschreiten können.
1. Kommunikation
Im früheren Fachunterricht kreierte jede Lehrkraft Situationen
für das eigene Fach und für die eigenen Stunden. Außer
im Rahmen von Unterrichtsprojekten bestand kaum die Notwendigkeit,
die Unterrichtsinhalte untereinander zu kommunizieren. Gelungener
Lernfeldunterricht hingegen setzt eine gute Kommunikation der beteiligten
Kolleginnen und Kollegen einer Klasse voraus, weil ihre jeweiligen
inhaltlichen Schwerpunkte über die Lernsituation miteinander
verknüpft sind. Eine Organisationsstruktur, die dafür
sorgt, dass Lehrerinnen und Lehrer idealer Weise nur in einem einzigen
Lernfeldteam eingesetzt sind und dass ein Lernfeldteam möglichst
nur für zwei Klassen zur selben Zeit zuständig ist, erleichtert
die Teamkommunikation bereits enorm. Viele Lehrerinnen und Lehrer
sind aber neben dem Lernfeld auch im Lernbereich II oder in anderen
Schulformen eingesetzt, so dass ein Team immer auch um die individuell
gesetzten Stunden herum planen muss. An der G11 streben wir deshalb
an, Lernfeldteams mit höchstens vier Kernmitgliedern zu bilden.
2.
Organisation
Die gesamten Lernfeldstunden , allerdings ohne die fest gesetzten
Praxis- und EDV-Stunden, werden an der G11 von den Teams selbst
verteilt. Von der Schulleitung bekommen sie einen Pool an Stunden,
der sich aus den Bedarfsgrundlagen des Bildungsganges ergibt . Es
entsteht das Grundgerüst eines Stundenplans, das bei Bedarf
auch flexibel geändert werden kann. So wird versucht, beispielsweise
in Präsentationsphasen möglichst mit mehreren Kolleginnen
und Kollegen anwesend zu sein. Im Idealfall können diese Stunden
durch Freiarbeitszeiten in Produktionsphasen "erwirtschaftet"
werden. Der Stundenpool wird nur als "Lernfeld" gekennzeichnet,
d.h. die Fachinhalte sind allein aus dem Stundenplan nicht mehr
abzulesen.
3. Zeugnisfach-Lernfeld-Lernsituation
In Hamburg sind die einzelnen Lernfelder zu übergeordneten
Zeugnisfächern gebündelt, keine Fächer im klassischen
Sinne, vielmehr übergeordnete Arbeitsbereiche. Bei den Systemgastronomen
finden sich beispielsweise die Lernfelder Marketing und Beratung
und Verkauf im Zeugnisfach Systemrepräsentation wieder. Die
Schülerinnen und Schüler kommen im Unterricht nicht mit
den Zeugnisfächern in Berührung. Ihr Strukturelement sind
die Lernsituationen, die aus der Konkretisierung der Lernfelder
entstehen. Nach unserer Erfahrung ist es für die Schülerinnen
und Schüler schwierig, den Zusammenhang zwischen Zeugnisnote
und den Beurteilungen in den Lernsituationen herzustellen, was bisweilen
dazu geführt hat, dass die Sinnhaftigkeit der Lernfeldarbeit
angezweifelt wurde, weil kein Überblick mehr bestand. Mit einer
Übersicht, aus der die Zuordnung der Lernfelder zu den Zeugnisfächern
hervorgeht, kann von Anfang an Transparenz hergestellt werden. Zudem
hat es sich als äußerst hilfreich erwiesen, jedes Arbeits-
und Informationsblatt mit einer Kopfzeile zu versehen, aus der Lernfeld,
Lernsituation und Thema ersichtlich wird. Dadurch haben die Schülerinnen
und Schüler die Möglichkeit, auch die mit verschiedenen
Lehrerinnen und Lehrern erarbeiteten und/oder aufbereiteten Inhalte
zu einer Lernsituation nach einem logischen System abzuheften.

Abb. 1: Beispiel für die Kopfzeile eines Informationsblattes
Im Blockunterricht werden pro Block nicht zwangsläufig alle
Zeugnisfächer bedient, weil die komplexen Handlungssituationen
in denen die Schülerinnen und Schüler arbeiten, natürlich
nicht alle beruflichen Handlungsfelder gleichzeitig abbilden. Aus
diesem Grund tauchen die Zeugnisfächer auch nicht in den Stundenplänen
auf. Das wäre ein Schritt zurück zur fachwissenschaftlichen
Erarbeitung beruflicher Inhalte aus unterschiedlichen Schwerpunktbereichen.
Eine erfolgreiche Umsetzung des Lernfeldkonzeptes würde dadurch
geradezu verhindert. Dagegen ist es selbstverständlich erwünscht,
dass ein Sachverhalt aus dem Blickwinkel verschiedener Fachexperten
aus dem LehrerInnenteam betrachtet wird, wenn sich die Schülerinnen
und Schüler in einer Lernsituation befinden, die Anknüpfungspunkte
zu ihren beruflichen Handlungsfeldern herstellt.
Lernsituationen sind das verbindliche Strukturelement für den
Unterricht. Sie werden für einen Ausbildungsberuf von allen
beteiligten Lehrerinnen und Lehrern gemeinsam entwickelt. Diese
curriculare Entwicklungsarbeit kostet zunächst viel Zeit, führt
aber anschließend zu einer Arbeitserleichterung, weil die
ausgearbeiteten Konzepte der Lernsituationen von allen Beteiligten
eines Bildungsganges genutzt werden. In Lernortkooperationsgesprächen
und durch Evaluationsprozesse werden die entstandenen Lernsituationen
ständig auf Relevanz und Aktualität geprüft und entsprechend
weiterentwickelt. Bei der Entwicklung der Lernsituationen sollte
Folgendes berücksichtigt werden:
1.
die Betonung der Handlungsorientierung
(Rahmenlehrplan Teil III; Didaktische Grundsätze: Die Zielsetzung
der Berufsausbildung erfordert es, den Unterricht an einer auf
die Aufgaben der Berufsschule zugeschnittenen Pädagogik auszurichten,
die Handlungsorientierung betont und junge Menschen zu selbstständigem
Planen, Durchführen und Beurteilen von Arbeitsaufgaben im
Rahmen ihrer Berufstätigkeit befähigt.)
2. die Aussagen aus der Praxis
3. die Zeitrichtwerte der Lernfelder
Die handlungssystematische Erarbeitung von Inhalten bedeutet für
die Struktur der Lernsituationen, dass Vorbereitungs-, Produktions-,
Präsentations- und Auswertungsphasen eingeplant werden müssen.
Gespräche mit den LOK-Partnern sichern eine hohe Praxisrelevanz
der Inhalte. Die Hamburger Systemgastronomen werden beipielsweise
in halbjährlichem Abstand zu einem Erfahrungsaustausch in die
G11 eingeladen. In diesem Forum sind die Ausbilderinnen und Ausbilder
Impulsgeber für die Schule und die Lehrerinnen und Lehrer sind
ebenso Impulsgeber für die Betriebe. Kooperation im Sinne von
"miteinander die Qualität der Ausbildung sichern"
ist das Ziel dieser Veranstaltungen.
4 Zeitrichtwerte
Der Rahmenlehrplan gibt für jedes Lernfeld einen Zeitrichtwert
an, der sich zwischen 20 und 120 Stunden bewegt. Je nachdem, wie
viele Stunden im Richtwert angegeben sind, können kleinere
oder größere komplexe Handlungssituationen Ausgangspunkt
für Lernsituationen werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten
aus Lernfeldern Lernsituationen zu konstruieren. Drei Beispiele
sollen diese Wege verdeutlichen:

Abb.
2: Drei Möglichkeiten, aus Lernfeldern Lernsituation zu konstruieren
Die
Zeitrichtwerte bieten als Planungsinstrument die Möglichkeit,
grobe Zeitspannen für die Lernsituationen einzukalkulieren.
Eine inhaltliche Stundenzuordnung ist in handlungssystematisch ausgerichteten,
die Eigenständigkeit der Schülerinnen und Schüler
fördernden Lernarrangements nicht sinnvoll. Das würde
dem Lernfeldgedanken komplett widersprechen. Zeitrichtwerte dienen
nicht einer stundengenauen "Abrechnung" des Lernfeldes,
sie bieten vielmehr einen Orientierungsrahmen für den zeitlichen
Umfang von Lernsituationen.
Werden an der Schule die benötigten Organisationsstrukturen
geschaffen, bietet das Lernfeldkonzept hervorragende Möglichkeiten,
eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Ausbildung zu gestalten.
Lehrerinnen und Lehrer brauchen für die Entwicklung ihrer Teamarbeit
Zeit und im Idealfall auch eine externe Begleitung, was im Rahmen
knapper Mittel leider kaum möglich ist. So steht und fällt
die erfolgreiche Umsetzung des Lernfeldkonzeptes mit der persönlichen
Motivation der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer, die in der Lernfeldarbeit
nicht nur die Prozesse der Schülerinnen und Schüler gestalten,
begleiten und auswerten, sondern auch die Prozesse in ihrem eigenen
Team. So befinden sich Lehrerinnen und Lehrer eigentlich in endlosen
Schleifen doppelter Handlungszyklen und wenn alles gut läuft,
in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
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