wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

MARLIES PLEGGE & HEIDEMARIE SCHRÖDER-DÜNKEL
(Staatliche Handelsschule Altona H6, Hamburg)

Lernfeldarbeit in der Höheren Handelsschule der Handelsschule Altona (H6) - eine Zwischenbilanz

Die Höhere Handelsschule ist eine zweijährige Berufsfachschule im Berufsfeld Wirtschaft und Verwaltung. Schüler mit der Mittleren Reife können in dieser Vollzeitschulform den ersten Teil ihrer Fachhochschulreife erwerben. Mit einem anschließenden halbjährigen Praktikum im kaufmännischen Bereich sind sie zum Studium berechtigt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass viele Schüler den Weg zur Fachhochschule über eine kaufmännische Berufsausbildung wählen. Viele Betriebe sind dazu übergegangen, gezielt Bewerber aus der Höheren Handelsschule einzustellen, weil diese jungen Menschen über eine kaufmännische Grundbildung verfügen, die für die Ausbildungsfirmen vorteilhaft ist.

Anfang der 90er Jahre fand eine Umstrukturierung statt, die die Inhalte der Fächer Rechnungswesen und Wirtschaftslehre praktisch ergänzen sollte: Es wurde das Fach "Wirtschaftspraxis" eingerichtet. Die Forderungen der Wirtschaft nach Teamfähigkeit, Handlungsorientierung und selbstständigem Arbeiten konnten ansatzweise umgesetzt werden. Wirtschaft und Schule nahmen diese Veränderung positiv auf. Im Laufe der nächsten Jahre wurden diese Ansätze weiterentwickelt und mündeten in die Idee, auch in einer Vollzeitschulform wirtschaftliches Grundwissen in Lernfeldern zu vermitteln.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends entwickelte man einen neuen Rahmenlehrplan. Die zu vermittelnden Inhalte wurden in zwei Lernbereiche aufgeteilt: Der Lernbereich I besteht aus den fünf Lernfeldern: Marketing, Produktion und Technik, Beschaffung und Materialwesen, Personalwesen und Informationsverarbeitung.

Der Lernbereich II umfasst die Fächer: Sprache und Kommunikation, Fachenglisch, zweite Fremdsprache, Mathematik, Wirtschaft und Gesellschaft und Sport. Die KMK-Bedingungen zur Erreichung der Fachhochschulreife wurden berücksichtigt, die Eingangsvoraussetzungen verschärft: Die Schüler müssen einen Abschluss der Mittleren Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,3 vorweisen, außerdem dürfen die Noten in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch in der Summe nicht größer als zehn sein.

Diese neue Schulform startete im August 2001 an sechs Handelsschulen in Hamburg, unter anderem in Altona.

Im Juni 2003 sind die ersten drei Klassen nach erfolgreichem Abschluss entlassen worden. Wir nehmen diesen Zeitpunkt zum Anlass, unsere Arbeit der letzten zwei Jahre zu reflektieren.
Auf folgende Aspekte gehen wir schwerpunktmäßig ein:

1. Organisatorischer Rahmen
2. Inhaltliche Durchführung
3. Ausblick auf unsere weitere Arbeit


1. Organisatorischer Rahmen

Bei der Planung konzentrierten wir uns zunächst auf den Lernbereich I, da die Neuerungen im Wesentlichen diesen Bereich betreffen. Den Unterricht in den vier Lernfeldern: Marketing, Produktion und Technik, Beschaffung und Materialwesen sowie Personalwesen übernahmen jeweils Zweier-Teams. Die Bildung dieser Teams fand auf freiwilliger Basis statt, alle sechs Kollegen/innen arbeiteten seit vielen Jahren in einer Supervisionsgruppe zusammen. Im Rückblick schreiben wir es vor allem diesem Umstand zu, dass unsere Zusammenarbeit in den vergangenen zwei Jahren ausgesprochen konstruktiv sein konnte.

Für diesen Lernfeld-Unterricht in der Unterstufe standen insgesamt 12 Wochenstunden plus vier Stunden für Doppelbesetzung zur Verfügung. Das Stundenkontingent wurde innerhalb jedes Zweier-Teams individuell aufgeteilt. Der Lernfeld-Unterricht fand geblockt an zwei Tagen statt, an denen alle drei Klassen gleichzeitig unterrichtet wurden. Schnelle Absprachen und flexibles Vorgehen waren dadurch möglich.
Die Kollegen/innen waren während des Lernfeld-Unterrichtes in keiner anderen Klasse eingesetzt. Sie konnten so untereinander die Doppelbesetzung je nach Bedarf sehr flexibel regeln. Nachteilig wirkte sich aus, dass der übrige Unterricht der Kollegen/innen an den verbleibenden drei Tagen stattfinden musste. Zur Vor- und Nachbereitung wurde im Stundenplan für die Kollegen/innen ein wöchentlicher Termin (3 Stunden) fest eingeplant.


2. Inhaltliche Durchführung

In unserer Auseinandersetzung mit den Lernfeldern wurde uns sehr bald klar, dass wir den Lernfeld-Ansatz nur umsetzen können, wenn wir den Unterricht auch inhaltlich geblockt durchführen, d. h. wir hatten jeweils nur ein Lernfeld über mehrere Wochen unterrichtet.

Der Rahmenlehrplan schreibt vor, dass die Schüler, genau wie im Wirtschaftspraxis-Unterricht der "alten" Höheren Handelsschule, ihr wirtschaftliches Grundwissen am Beispiel eines Industriebetriebes erwerben sollen. Die Handelsschule Altona hatte für ihren praxisorientierten Unterricht bereits Anfang der 90er Jahre die "Klabauterboot GmbH" gegründet. Dieses Unternehmen stellt Kanus her und verkauft sie mit Zubehör. Der Modellbetrieb hatte sich mit seiner Produktpalette als schülernah erwiesen und bot die Möglichkeit, eine Firma mit vergleichbarer Produktionsweise in der Nähe zu besichtigen.

Unsere Unterrichtsplanung bestand darin, komplexe Lernsituationen zu schaffen. Die Schüler/innen wurden mit Problemen konfrontiert, die sie nur dann lösen konnten, wenn sie sich selbstständig theoretisches Wissen aneigneten, sich im Team austauschten und gemeinsam nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten suchten.

Zum Beispiel konfrontierten wir die Schüler/innen mit folgender Situation:

Bei der Entwicklung dieser Aufgabenstellungen mussten wir darauf achten, Probleme ausreichend komplex zu gestalten und nicht immer wieder in alte Unterrichtsmuster zu verfallen, den Schülern Inhalte kleinschrittig zu vermitteln.
Das bedeutete für uns, dass wir uns für diese Arbeit weiterbilden mussten. Im Rahmen einer Fortbildung kam uns die Idee, Prof. Tade Tramm von der Universität Hamburg für unsere Lernfeld-Arbeit an der Handelsschule Altona zu gewinnen. Inzwischen arbeiten wir regelmäßig in Form von Workshops mit Prof. Tramm sehr erfolgreich zusammen.

3. Ausblick auf unsere weitere Arbeit

Bei unserer Arbeit in den Workshops erkannten wir, dass es wichtig ist, Schüler mit Problemen zu konfrontieren, in denen sie bestimmte Themen immer wieder vertiefend aufgreifen müssen. Die Lösungen erfordern ständig steigende Kompetenzgrade (Problemverständnis, Lösungsideen, Anwendung, Transfer). Für unsere weitere Arbeit bedeutet das, die Lernsituationen so zu gestalten, dass die Schüler
· am Anfang der Ausbildung ein Problemverständnis entwickeln,
· dann Lösungsideen finden und
· schließlich fähig sind, das Gelernte anzuwenden und auf neue Situationen zu übertragen.

Durch die Diskussionen in den Workshops erkannten wir, wie wichtig es ist, eine "Unternehmens-Story" (Gründung, Marktsituation, Mitbewerber, Personalentwicklung usw.) für die Klabauterboot GmbH zu entwickeln. Wir schaffen dadurch ein anschaulicheres Bild unseres Unternehmens, denn im Gegensatz zur Ausbildung im dualen System kennen unsere Schüler keinen "echten" Betrieb von innen. Die "Unternehmens-Story" bietet uns mehr Möglichkeiten, Probleme zu erzeugen und Lernsituationen miteinander zu verknüpfen. Im ersten Durchgang war unser Blick auf den Lernbereich I gerichtet. Unser Ziel ist es, im zweiten die Zusammenarbeit zwischen den beiden Lernbereichen I und II zu verstärken. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde bereits getan: Unsere Kataloge liegen inzwischen in englischer Sprache vor.

Schüler bestätigten uns in einem Feedback, dass sie große Fortschritte in Bezug auf Teamfähigkeit und selbstständiges Arbeiten gemacht haben. Gruppenarbeit war vielen zwar schon durch die vorherigen Schulen bekannt, dass aber alle Arbeiten immer im Team zu bearbeiten waren, war ihnen neu. Da die Teamzusammensetzung häufig wechselte, haben sie gelernt, auch mit Mitarbeitern, die man nicht immer mag, zusammen zu arbeiten.
Schüler berichteten auch, dass sie sich in Vorstellungsgesprächen sicherer bewegen und beweisen konnten.

Durch die vielen Präsentationen der Arbeitsergebnisse und deren Besprechung haben die Schüler gelernt, sich selbst darzustellen und sich dabei auch Kritik auszusetzen.

Schüleräußerungen:

"Diese Schule hat mich schlau gemacht für mein weiteres Berufsleben."

"Ich habe gelernt, dass Kritik nichts Schlimmes ist."

Viele Schüleräußerungen und Rückmeldungen von Eltern und Betrieben zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, die Forderungen nach Teamfähigkeit, Handlungsorientierung und selbstständigem Arbeiten umzusetzen.