wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

Koreny

Detlef Buschfeld / Katja Koreny (Universität zu Köln)

Zwei plus drei macht einen Qualifizierungsbaustein?
Erste Erfahrungen aus einem Modellprojekt an Berufskollegs

Die Formel "zwei Tage Schule plus drei Tage Betrieb" ist seit längerem bekannt. Besondere Jugendliche oder "Jugendliche mit besonderem Förderbedarf" durch eine Kombination aus schulischen und betrieblichen Lern- oder Erfahrungsprozessen zu stärken, ist geläufig und Grundlage vieler Projektinitiativen gewesen. Zwei Tage in der Schule und drei Tage im Betrieb zu lernen scheint tendenziell eine erfolgreiche Organisationsstrategie zu sein, um auf berufliche Tätigkeiten hin zu qualifizieren sowie diese für Jugendliche erfahrbar zu machen und zugleich eine institutionelle Absicherung des Lernens über die Absicht des Lehrens zu etablieren.

Unterhalb des Einstiegs in eine duale Ausbildung war die Lehrabsicht bis zum Jahr 2003 nur in schulischen Organisationsformen möglich. Mit der Möglichkeit, nach BBiG nun auch die Berufsausbildungsvorbereitung als betriebliche Aufgabe zu interpretieren, hat die Lehrabsicht im curricularen Sinne einen Namen bekommen: Qualifizierungsbaustein. Das BBiG definiert den Begriff des Qualifizierungsbausteins als eine inhaltlich und zeitlich abgegrenzte Lerneinheit, "die aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe oder einer gleichwertigen Berufsausbildung entwickelt werden." (§51(1) BBiG).

Im Grundsatz sind Qualifizierungsbausteine für Betriebe gedacht, auch wenn ihre Vorgeschichte vielfach über Werkstätten bei überbetrieblichen Trägern oder in Verbindung mit Trägern und Betrieben führt. Das in der "Berufsausbildungsvorbereitungs-Bescheinigungsverordnung (BAVBVO vom 16. Juli 2003)" vorgesehene Stundenvolumen von mindestens 140 Stunden für Qualifizierungsbausteine wird in Rechenmodellen daher mit einer vierwöchigen Lern- und Übungszeit im Betrieb in Verbindung gebracht. Grundidee ist, sich in diesen vier Wochen ganz überwiegend mit den aus Ausbildungsordnungen hergeleiteten Qualifizierungszielen beschäftigt zu haben, beispielsweise mit der "Herstellung kleiner Gemüse- und Salatgerichte" (GoodPracticeCenter-Datenbank / www.bibb.de ).

Die Zertifizierung von Qualifizierungsbausteinen bei den zuständigen Stellen ist an formale Kriterien gebunden, die nicht jeder Betrieb sogleich erfüllen dürfte. Deshalb ist es offensichtlich, dass vor allem größere Betriebe mit Ausbildungswerkstätten oder eben diverse Träger der überbetrieblichen Ausbildung Qualifizierungsbausteine entwickeln und anbieten. Eine öffentliche Schule rückt zunächst nicht in den Blickpunkt.

In einem vom BMBF im Rahmen des Programms "Kompetenzen fördern - Berufliche Zielgruppen mit besonderem Förderbedarf" unterstützten Projekt "Dualisierung der schulischen Berufsvorbereitung" (Laufzeit 2003-2005) versuchen zwölf Berufskollegs in NRW, diese "Lücke" zu schließen. So oder so angewendete Strategien und Angebote im Bereich der vorberuflichen Bildung (z. B. Vorklassen zum Berufsgrundschuljahr) können erneut reflektiert werden und ein verstetigtes Angebot für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf in den Regionen verankert werden, gerade in Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Betrieben und den Berufskollegs. Aus dieser Perspektive erscheinen Qualifizierungsbausteine auch als ein Instrument der Attraktivitätssteigerung schulischen Lernens. Zugleich sind Qualifizierungsbausteine in ihren auf betriebliche Tätigkeiten bzw. auf abgegrenzte betriebliche Aufgabenbündel hin ausgerichteten Zielbeschreibungen ein typisches Beispiel für derzeit gewünschte Bezugspunkte, auf die sich Lernen in berufsbildenden Schulen, curricular über Lernfelder und unterrichtplanerisch über Lernsituationen gefasst, ausrichten soll oder von denen her es sich entwickeln ließe.

Vor diesem Hintergrund kann die konzeptionelle Idee des Ansatzes in folgenden Punkten skizziert werden:

•  Jugendliche mit besonderem Förderbedarf besuchen einen einjährigen Bildungsgang im Berufskolleg nach Anlage A7 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Berufskollegs in NRW.

•  Für den Bildungsgang besteht eine Vollzeitrelation, es wird also von 1360 Unterrichtsstunden ausgegangen.

•  Im Lehrplan vorgesehene Stundenanteile für Fachpraxis und -theorie können anteilig an anderen Lernorten, speziell Betrieben, erteilt werden.

•  Die Schüler schließen mit Betrieben Praktikumsverträge für die Laufzeit von einem Jahr, wobei sie während der Schulzeiten drei Tage im Betrieb und zwei Tage im Berufskolleg verbringen. Die Lehrenden begleiten die Schülerinnen und Schüler während des Praktikums. In den Ferienzeiten wird nicht im Betrieb gearbeitet.

•  Die Schülerinnen und Schüler können über bestimmte betriebliche Einsatzgebiete in Verbindung von schulischem und betrieblichem Lernen Zertifikate über Qualifizierungsbausteine erwerben. Diesbezüglich werden über den Unterricht in den zwei Tagen systematisch Bezüge zwischen schulischen Lernsituationen, betrieblichen Tätigkeiten und Qualifikationsprofilen hergestellt.

•  Durch den Bildungsgang und die erfolgreiche Aneignung der mit Qualifizierungsbausteinen ausgedrückten Kompetenzen verbessern Schülerinnen und Schüler ihre Chancen auf einen weiteren Schulbesuch, eine anschließende Berufsausbildung oder eine Erwerbstätigkeit.

Die konzeptionellen Leitideen führen bei ihrer Umsetzung zu einer Fülle von unterschiedlichen Vorgehensweisen, abhängig von Rahmen- und Nebenbedingungen sowie individuellen Teamentscheidungen. Nicht nur verschiedene Branchenausrichtungen, sondern auch das regionale Umfeld, das Schülerklientel und die jeweiligen Schulprofile erfordern von den Berufskollegs differenzierte organisatorische und didaktische Konzepte insbesondere bei der Praktikumsakquisition und der Strukturierung der didaktischen Jahresplanung.

Zwei Fallbeispiele zeigen die Unterschiedlichkeiten der Berufskollegs tr otz gemeinsamer Ziel- und Projektvorstellungen.

Projektschule A "Mitten im Grenzland"

Berufskolleg A findet sich in einer Stadt an der Grenze Nordrhein-Westfalens. Die Stadt und damit das Berufskolleg liegt "in einer ländlich geprägten Region", wobei diese Selbstbeschreibung mit einem leichten Bedauern in der Stimme als "Anmerkungen aus der kleinen (aber feinen) Provinz" gedeutet werden kann, aber auch mit einem Bekenntnis dazu, dass "die Welt hier noch halbwegs in Ordnung sei". Am Berufskolleg A haben Maßnahmen zur Unterstützung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf bereits Tradition. Dieser Arbeitsbereich bzw. die entsprechenden Bildungsgänge nehmen im Schulprogramm des Berufskollegs A einen ausgewiesenen Stellenwert ein. Sie sollen auch zukünftig als Bestandteil des Schulprofils betont werden, weil damit insbesondere die Verbundenheit mit regionalen und lokalen Aufgaben und auch kommunaler Verantwortung zum Ausdruck gebracht werden kann.

Nach eigenen Angaben sehen die im Bereich der "Benachteiligtenförderung" tätigen Lehrkräfte in ihrer persönlichen Verbundenheit mit Stadt und Region und den dort ansässigen überwiegend klein- und mittelständischen Betrieben einen "Standortvorteil", eine besondere Qualität. In Bezug auf die Praktikumsakquisition haben sich das persönliche Engagement und die zahlreichen "Kontakte" der Lehrenden für die Schülerinnen und Schüler positiv ausgewirkt, auch wenn großer Wert darauf gelegt wird, dass die Schüler bei der Praktikumssuche Eigeninitiative zeigen. So bekommen die an dem Modellprojekt teilnehmenden Jugendlichen zur Unterstützung bei ihrer Praktikumssuche ein Informationsschreiben des Berufskollegs ausgehändigt, das sie ihren Bewerbungen beilegen können. Darüber hinaus ermöglichen kurze Kommunikations- und Informationswege zwischen den Betrieben und den Lehrenden - die sich aus langjährigen Kontakten, regelmäßigen Betriebsbesuchen und nicht zuletzt einem gut funktionierenden Schulsekretariat ergeben - beiden Seiten schnelle Reaktionszeiten und gemeinsame Problemlösungen.

Wie in den meisten Projektschulen wird das Kernteam - bestehend aus drei Lehrpersonen - durch drei weitere Lehrkräfte unterstützt. Jedes Mitglied des Kernteams hat einen eigenen berufspraktischen Hintergrund bzw. betreut eigene Berufe. Organisatorische Entscheidungen werden im Kernteam in regelmäßig stattfindenden Besprechungen diskutiert, die getroffenen "Entscheidungen" werden von den anderen am Bildungsgang beteiligten Lehrern meist ohne weitere "Konferenzen" übernommen und mitgetragen. Im Zweifel werden "Überzeugungsgespräche" geführt. Die Betriebskontakte werden jeweils von dem Lehrer / der Lehrerin gepflegt, die die entsprechenden Berufe betreuten. Jeder Lehrende ist folglich in seinem Bereich "Spezialist" und eindeutiger Ansprechpartner, sowohl für die Schüler, als auch für die Praktikumsbetriebe.

Jugendliche können sich offiziell jeweils bis Februar des vorangehenden Schuljahres bewerben. Mit ihnen werden Beratungs- und Klärungsgespräche geführt. Es werden keine Auswahltests verwendet. Nur der geringere Teil der Schüler einer Klasse steht somit bis etwa März oder April fest. Der überwiegende Teil der Schülerinnen und Schüler einer Klasse kommt sukzessive, wenn sich der Bedarf bei den Jugendlichen nach und nach konkretisiert, bis Ende des Schuljahres zusammen. In einer Klasse sind diesem Konzept nach immer Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen beruflichen Interessen - orientiert an den drei Berufsfeldern Nahrung, Technik, Körperpflege - vertreten.

Das didaktische Konzept geht von zwei zentralen Annahmen aus.

•  Von allen Akteuren (insbesondere auch dem Arbeitsamt) wird den Jugendlichen verdeutlicht, wie wichtig (insbesondere in der Region) ein Hauptschulabschluss bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder weiteren Entwicklungsmöglichkeiten ist. Daher nimmt für die Lehrenden am Berufskolleg A die Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler den Hauptschulabschluss in den Modellklassen erwerben können, einen breiten Raum ein. Für den Hauptschulabschluss ist formal, aber auch vor allem für den Blick der Schülerinnen und Schüler und als "Mahnung im Hintergrund" wichtig, dass die entsprechenden Fächer (formal nach Anlage A7 der APO-BK durch Mathematik und Englisch, aber auch Deutsch/Kommunikation) im Stundenplan ausgewiesen sind und als solche Einheit unterrichtet werden.

•  Die Möglichkeit, berufsbezogen zu arbeiten und zu lernen, jeweils auch "Qualifizierungsbausteine" erwerben zu können, hängt vom Praktikumsbetrieb und "einzelberuflicher" Ausrichtung des berufsfachlichen /-theoretischen Unterrichts ab. Hier wird eine Binnendifferenzierung vorgenommen. Die Klasse wird getrennt nach jeweiligen Berufsgruppen von den einzelnen Lehrern des Kernteams unterrichtet. Lernsituationen sind hier organisatorisches und didaktisches Maß der Planung mit konzeptionell vorgesehener Binnendifferenzierung.

Diese Abgrenzung zwischen Fach- und Lernsituationsorientierung bedeutet keineswegs eine unbedingte Zweiteilung oder einen Glaubenskrieg. Großer Wert gelegt wird auf eine Integration beruflicher Problemsituationen und Beispiele in den Fächern Englisch, Mathematik und Deutsch, allerdings existiert kein expliziter und kein durchgängiger Bezug zu bestimmten Qualifizierungsbausteinen. Umgekehrt sind systematische Übungen und Wiederholungen Bestandteil von Lernsituationen. Teilweise unterrichten dieselben Lehrenden in den binnendifferenzierten Gruppen und Klassen. Auf diese Weise ergeben sich für den binnendifferenzierten Unterricht in Fachtheorie und -praxis drei unterschiedliche Planungen und Vorgehensweisen im Bildungsgang, die nicht in einer didaktischen Jahresplanung zusammengeführt werden können und sollen. Dies geschieht ausdrücklich auch, um Schwankungen im Lerntempo und Lernbedarf bei den Teilgruppen ausgleichen zu können, aber auch um aktuelle Bezüge (jahreszeitlich unterschiedlich in den Berufsbereichen) herstellen zu können.

Jeder einzelne Lehrende verfügt über einen Pool von Lernsituationen, aus dem spezifisch und intuitiv je nach Lern- und Lehrproblematik Lernsituationen ausgewählt und eingesetzt werden. Entsprechend "unspezifisch" ist der Beitrag von Lernsituationen zu Qualifizierungsbausteinen. Es können sich sowohl lose Verknüpfungen als auch punktgenaue Zuordnungen ergeben. Eine Standardisierung ist darüber nicht vorgesehen, vielmehr ergibt sich ein bunter Strauß an didaktischen Aktivitäten, die teilweise garantiert "einmalig" sind. Bei der "didaktischen Jahresplanung" des Berufskollegs A wird also kein Zeitgerüst (genaue Zuordnung von Lernsituationen zu Wochen), sondern ein Mengengerüst (eine Grundgesamtheit) von Lernsituationen eingesetzt, welches künftig klassen- und gruppenspezifisch (wieder)verwendet werden kann. Aus einer Grundgesamtheit von Lernsituationen wählt der Lehrende mit Blick auf die Schüler (und ihre jeweiligen Praktikumsbetriebe) die Art und Anzahl von Lernsituationen aus, deren Abfolge zu Beginn des Schuljahres allerdings noch nicht feststehen kann und soll. Diese Vorgehensweise ist damit begründet, dass zu Beginn des Schuljahres die beruflichen Schwerpunkte bei den Schülern noch nicht vollständig bekannt sind und sein werden und während eines laufenden Schuljahres versucht wird, möglichst individuell auf die Bedürfnisse der Schüler einzugehen. Die Planung und Erstellung einer detaillierten didaktischen Jahresplanung jeweils für das kommende Schuljahr ist somit nicht möglich und zweckmä&szli g;ig. Einzig die Grundgesamtheit der zur Verfügung stehenden Lernsituationen kann aufbereitet und archiviert werden.

Mit Blick auf die Formel im Titel des Beitrags kann entsprechend korrigiert werden: Die Formel stimmt als Formel nur mit dem Ungleichheitszeichen. Über das tatsächliche Ergebnis kann aber nur nachträglich entschieden werden.

Berufskolleg B "Zentrum im Wandel"

Berufskolleg B ist ein städtisches kaufmännisches Berufskolleg im Ruhrgebiet. Die Stadt hat den "Strukturwandel erfahren" bzw. erfährt diesen weiter. Alt eingesessene Betriebe kämpfen um das Überleben, neu angesiedelte Betriebe ebenfalls. Routine und Beständigkeit besteht eher im Anbahnen und Auflösen von Kooperationen mit Betrieben denn zwischen den Akteuren. Was in der einen Projektschule auf einer eher persönlichen Gesprächsebene abgewickelt werden kann, muss in diesem Fall durch aufwändigere schriftliche und telefonische Aktionen seitens des Berufskollegs und der Schüler initiiert und durchgeführt werden. Der Begriff vom "Klinkenputzen" taucht gelegentlich in den Gesprächen auf.

Von besonderer Bedeutung für Ballungsräume ist ein hoher Konkurrenzdruck um geeignete Praktikumsstellen. Die Frage, wer unter welchen Bedingungen dann als "Benachteiligter" gelten kann, ist keineswegs allein über den erreichten Schulabschluss zu beantworten. Der Anteil derjenigen Schülerinnen und Schüler, die einen Hauptschulabschluss erwerben wollen, ist im betreffenden Bildungsgang vergleichsweise niedrig.

Auch Kollegschule B hat eine längere Erfahrung mit Initiativen und Projekten der Förderung benachteiligter Jugendlicher. Hieraus hat sich ein enger institutionalisierter Kontakt zum Arbeitsamt gefestigt, Beziehungen zu verschiedenen Kammern und kommunalen Einrichtungen im Umfeld der "Kümmerer" für die Zielgruppe der Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf und der beruflichen Bildung insgesamt sind gegeben. Um möglichst eine Vielzahl geeigneter Praktikumsbetriebe zu finden, pflegt das Berufkolleg diese Kontakte, in Frage kommende Betriebe wurden dem Ausbildungsatlas der Kammern und anderen Quellen entnommen und durch gezieltes Anschreiben versucht als Praktikumsbetriebe zu gewinnen. Die Jugendlichen werden gestuft von gering bis intensiv durch das Lehrpersonal bei ihrer Suche nach geeigneten Praktikumsstellen unterstützt, zugleich wird allerdings Wert darauf gelegt, dass sie eigenverantwortlich daran teilhaben. Der Vergleich mit einer Vermittlungsbörse ist von den beteiligten Lehrern zwar nicht intendiert, drängt sich in gewissen Tätigkeiten aber auf.

Das Berufskolleg B verbindet mit dem Modellprojekt auch das strategische Ziel, möglichst viele Erfahrungen im Sinne eines organisationalen Lernens nutzen zu können, damit eine Anwendung und Übertragung dieser auf andere Bildungsgänge möglich wird. Speziell bezieht sich dieses Ziel auf Erfahrungen der Individualisierung von Lernprozessen, die zwischen Schule und Praktikum organisiert werden sollen, und der Betreuung von Zielgruppen durch einen Bildungsgang.

Im Laufe des ersten Durchganges im Projekt "Dualisierung schulischer Berufsvorbereitung" hat sich auch hier ein Kernteam von drei Lehrpersonen gebildet, die sich ausdrücklich zur Notwendigkeit einer individuellen und intensiven Schülerbetreuung bekennen. Dieses Engagement wird von Schülerseite bestätigt und angenommen. Das Kernteam ist in einer Klasse eingesetzt und versteht die Betreuung und den Unterricht als eine gemeinsam von diesem "kleinen Team" zu lösende Aufgabe.

Die didaktische Jahresplanung des Berufskollegs B war ursprünglich nach Fächern strukturiert, allerdings wurden in den Fächern Lernsituationen entwickelt. Jede Lehrperson war für ihre eigenen Lernsituationen verantwortlich, fächerübergreifende Lernsituationen wurden meist dann geschaffen, wenn eine Lehrerin mehrere Fächer unterrichtete. Die Schüler arbeiteten demnach parallel in mehreren Lernsituationen mit mehreren Lehrkräften. Im Zuge der Projektkoordination veränderte sich aus zwei Überlegungen heraus die Vorgehensweise bei der didaktischen Jahresplanung.

•  Der Ansatz, Lernsituationen von den formalen Anforderungen an Qualifizierungsbausteine herzuleiten, wird konstruktive Grundlage didaktischer Überlegungen. Bei gleichzeitiger Ausrichtung auf das kaufmännisch-verwaltende Berufsfeld ist ein eher schmaler Grat zwischen einem für alle Schüler relevanten Unterricht und den betrieblichen Bedingungen zwischen Arztpraxen, Handwerksbetrieben mit Handelsanteil, Warenhäusern, Speditionen oder Reisebüros auszuloten. Nicht alle von Qualifizierungsbausteinen hergeleiteten Lernsituationen können umgekehrt für alle Schüler einen Beitrag zum Erwerb eines Qualifizierungsbausteins leisten, nämlich dann nicht, wenn keine betriebliche Qualifizierung erfolgen kann.

•  Die didaktische Jahresplanung muss umgekehrt soweit transparent und einheitlich geplant sein, dass bei der Akquise von Praktikumsplätzen die Unterstützungsleistung für eine betriebliche Qualifizierung herausgestellt wird, die ggf. in eine Bescheinigung zertifizierter und erfolgreich bestandener Qualifizierungsbausteine mündet. Die Anzahl und Art der Qualifizierungsbausteine prägt so die didaktische Jahresplanung. Diese soll bewusst einheitlich und in hohem Maße abgestimmt den Unterricht über gesetzte Lernsituationen vorstrukturieren. Dabei wird angestrebt, nur eine Lernsituation je Tag oder über wenige Tage hinweg im Unterricht zu bearbeiten. Der Stundenplan soll als eine Reihe von Lernsituationen entstehen, die wie eine Kette nacheinander (und nicht zeitlich parallel) durchlaufen werden. Alle Lehrpersonen müssen somit "alles" unterrichten (können/wollen). Das Zeitgerüst der Lernsituationen lässt zwar Spielräume für unterschiedliche Schwerpunkte zu, dennoch ist der Leitcharakter der didaktischen Jahresplanung als Vorgabe zu sehen, an der sich der Unterricht und auch betriebliche Qualifizierungs- und Beurteilungsprozesse faktisch orientieren können (müssen). Entsprechend standardisiert ist das Dokumentationssystem für die Lernsituationen und die didaktische Jahresplanung konzipiert, in das im Sinne einer Fortschreibung die vorhandenen Erfahrungen und erweiterten Bezüge bei demnächst sich ändernden Praktikumsbetrieben eingepflegt werden können.

Mit Blick auf die im Titel ausgerückte Formel kann in diesem Modell korrigierend formuliert werden: "Zwei Tage Schule plus drei Tage Betrieb größer gleich ein Qualifizierungsbaustein" Diese Formel gilt dann aber nur als mutige Prognose für den Bildungsgang, nicht unbedingt faktisch für jeden und definitiv nicht für alle Schüler der Klasse.