wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

Gerhard Christe (Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (IAJ) Oldenburg)

Berufliche und soziale Integration junger Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen durch die Einrichtung von Jugendbüros - Ergebnisse eines niedersächsischen Modellprogramms

1.  Einleitung

Vor dem Hintergrund hoher Jugendarbeitslosigkeit und steigender Zahlen von jungen Sozialhilfeempfängern und Sozialhilfeempfängerinnen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren, von denen sich nur ein kleiner Teil in Ausbildung oder Beschäftigung befand, hat das Land Niedersachsen im Jahr 2001 das Programm "Jugendbüros" als Modellvorhaben entwickelt. Es wurde zunächst an einigen Pilotstandorten und im Jahr 2002 dann in ganz Niedersachsen mit einer Laufzeit von zwei Jahren eingeführt. Inzwischen ist geplant, das Programm wie auch andere niedersächsische Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit in einem einheitlichen Programm "Pro-Aktiv-Center" aufgehen zu lassen.

Der Beitrag stellt den Ansatz der Jugendbüros vor und gibt einen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse der vom IAJ durchgeführten Begleituntersuchung. Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, was Jugendbüros zur beruflichen und sozialen Integration junger Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen beitragen. Abschließend wird der Frage nachgegangen, welche Folgerungen sich aus diesem neuen Ansatz für die Benachteiligtenförderung ergeben.

2.  Das Programm "Jugendbüros"

Jugendbüros sollen allen 18- bis 25-jährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die erstmalig Sozialhilfe beantragen, unmittelbar ein Ausbildungs- oder Arbeitsangebot bzw. ein sonstiges Qualifizierungs- oder Maßnahmeangebot, kurz: ein "Sofortangebot" unterbreiten. Dieses soll Existenz sichernd und sozialversicherungspflichtig sein. Das Sofortangebot wird flankiert durch eine konkrete und verbindliche Eingliederungsvereinbarung und ggf. durch die weitere Begleitung des beruflichen und qualifizierenden Werdegangs. Dadurch soll eine stabile berufliche und soziale Integration erreicht werden.

Von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen (im Folgenden wird der Einfachheit halber immer nur von Jugendlichen gesprochen) wird dabei erwartet, dass sie sich selbst aktiv an diesem Prozess beteiligen. Jugendbüros sollen bei ihnen das Bewusstsein für die Verpflichtung, sich selbst zu helfen, stärken und die Fähigkeiten zur Selbsthilfe unterstützen. Dazu soll vor allem eine individuelle und intensive Beratung, aber auch die Androhung von Sanktionen gemäß dem "Prinzip ÇFördern und Fordernë" beitragen (siehe dazu kritisch CHRISTE 2003a).

Zielgruppen der Jugendbüros sind in erster Linie Jugendliche mit geringen Qualifikationen, denen es bislang nicht gelungen ist, einen Einstieg ins Erwerbsleben (Ausbildung oder Beschäftigung) zu finden und die zu ihrer Existenzsicherung auf Sozialhilfe angewiesen sind. Jugendbüros sollen dazu beitragen, die Jugendarbeitslosigkeit und den Zugang von Jugendlichen in die Sozialhilfe abzubauen und damit auch Sozialhilfekosten einzusparen.

Die ersten Jugendbüros wurden im Herbst 2001 zunächst in sieben niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten eingerichtet. Sie sollten als Modellprojekte diesen neuen Ansatz erproben. Im Frühjahr 2002 wurden dann weitere Jugendbüros gegründet, und seit Oktober 2002 gibt es mit Ausnahme von drei Landkreisen in allen niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten Jugendbüros.

Jugendbüros sind zusammen mit dem sie flankierenden Programm "Arbeit und Qualifizierung sofort (AQs)" das jüngste Programm im Rahmen der niedersächsischen Programme für benachteiligte Jugendliche. Neben RAN ("Regionale Arbeitsstellen zur beruflichen Eingliederung junger Menschen in Niedersachsen"), das dem Bereich der aufsuchenden Jugendsozialarbeit zuzurechnen ist und auf sog. "niedrigschwellige Angebote" hin orientiert, und dem Landesprogramm RABaZ (Regionale Arbeits- und Bildungsangebote für die Zukunft langzeitarbeitsloser Jugendliche r), das allen langzeitarbeitslosen und von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohten Jugendlichen unter 25 Jahren ein Angebot zur Ausbildung, Beschäftigung und Qualifizierung unterbreiten soll, gehören dazu noch die niedersächsischen Jugendwerkstätten. Als gleichrangige "Module des zielgruppenorientierten Gesamtkonzepts des Landes Niedersachsen" sind die einzelnen Programme auf die verschiedenen Problemlagen der sozial und am Arbeitsmarkt benachteiligten jungen Menschen zugeschnitten und sehr stark lokal ausgerichtet.

Der lokale Ansatz wird damit begründet, dass sich die aus der Jugendarbeitslosigkeit resultierenden gesellschaftlichen und individuellen Probleme unmittelbar auf das kommunale Gemeinwesen auswirkten und sich daraus die Notwendigkeit regionaler Lösungsansätze ergebe. Deshalb bestand auch von Anfang die Absicht, die Jugendbüros eng in den Aufgabenkreis der Jugend- und Sozialämter zu integrieren und auch die bereits bestehenden Strukturen von RAN und RABaZ zu nutzen. Durch den Aufbau von Kooperationsbeziehungen der Jugendbüros mit allen beteiligten Ämtern und Partnern, insbesondere den örtlichen Arbeitsämtern, aber auch mit der lokalen Wirtschaft, sei es möglich, so die Programmgeber in "Leitlinien zur Zusammenarbeit zwischen RAN/RABaZ-Stellen und den Jugendbüros" vom August 2002, optimale Integrationsbedingungen für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schaffen und durch die enge Verzahnung vor Ort die vorhandenen Ressourcen effizient und zielgenau einzusetzen. Die örtlichen RAN- und/oder RABaZ-Stellen und die Jugendbüros sollten deshalb bei der Beratung, der Erstellung und der Umsetzung von Eingliederungsplänen, der Konzipierung von passgenauen Angeboten sowie bei der Akquisition von Arbeits-, Ausbildungs-, Praktikums- und Maßnahmeplätzen eng kooperieren. Außerdem sollten die Jugendbüros in die Arbeit des örtlichen RAN- bzw. RABaZ-Beirates einbezogen werden, es sollten überdies regelmäßige gemeinsame Fallbesprechungen zwischen RAN/RABaZ und den Jugendbüros stattfinden und integrationsrelevante Daten ausgetauscht werden.

Mit der inzwischen in allen niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten geplanten Ei nrichtung von "Pro-Aktiv-Center" werden die bisherigen jugendpolitischen Einzelprogramme nunmehr zu einem neuen einheitlichen "Pro-Aktiv-Jugendprogramm" zusammengeführt. Damit werden Konsequenzen gezogen aus der schon seit langem bestehenden Erkenntnis, dass mehr oder weniger nebeneinander her laufende Programme für benachteiligte Jugendliche nicht besonders effektiv, ja zum Teil sogar kontraproduktiv sind. Pro-Aktiv-Center sollen den am Arbeitsmarkt benachteiligten jungen Menschen individuelle Unterstützung "aus einer Hand" bieten (NIEDERSÄCHSISCHES Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit 2003 ). Die Jugendbüros gehen damit wie die anderen Jugendprogramme in dem neu entstehenden Pro-Aktiv-Center auf, sie werden gewissermaßen zu einem ihrer Basiselemente.

3.  Fragestellungen und methodischer Ansatz der Begleituntersuchung

Bei der Implementierung der Pro-Aktiv-Center kann auf die Erfahrungen mit den Jugendbüros, die vom IAJ im Auftrag des Niedersächsischen Landesjugendamtes und des niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales wissenschaftlich begleitet worden sind, zurückgegriffen werden. Gegenstand der wissenschaftlichen Begleitung war die Frage, inwieweit das Programm seine Zielsetzungen erreicht, inwiefern es insbesondere gelingt, jungen Antragstellern auf Sozialhilfe einen möglichst sinnvollen und wirksamen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen und damit auch die Zahl junger Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen nicht nur merklich zu verringern, sondern auch die Sozialhilfekosten zu reduzieren.

In verschiedenen Arbeitsschritten wurde dazu die praktische Umsetzung des Programms bis auf die Ebene der einzelnen Jugendbüros analysiert. Dazu gehörten insbesondere die Frage, wie sich die von den Jugendbüros erreichten Jugendlichen zusammensetzen und welche Segmente von "Problemgruppen" damit vor dem Hintergrund der regionalen Arbeitsmarkt- und Sozialhilfestruktur erreicht werden. Weiterhin ging es darum, welche Akzeptanz die Jugendbüros bei den Jugendlichen , aber auch bei den sozialpädagogischen Fachkräften und den anderen, mit der Umsetzung des Programms befassten Personen, haben. Außerdem wurde untersucht, wo die Jugendlichen im Anschluss an ein Sofortangebot verbleiben und welches die Gründe dafür sind, wenn ein Übergang nicht gelingt.

Neben schriftlichen Befragungen, Dokumentenanalysen, Expertengesprächen und qualitativen Interviews hatten eintägige Workshops, die vom IAJ gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesjugendamt durchgeführt wurden, eine wichtige Bedeutung. Sie dienten nicht nur dem Erfahrungsaustausch der einzelnen Jugendbüros untereinander, für die wissenschaftliche Begleitung stellten diese Workshops ein wichtiges Instrument der Erkenntnisgewinnung und
-überprüfung dar. Indem auf den Workshops die aktuellen Erkenntnisse aus der Begleituntersuchung vorgestellt und mit den sozialpädagogischen Fachkräften aus den Jugendbüros ebenso diskutiert wurden wie Fragen des methodischen Vorgehens, konnten die Erhebungsinstrumente noch besser auf die konkreten Umsetzungsbedingungen abgestimmt und damit die Datengewinnung verbessert werden (siehe CHRISTE 2003c).

4.  Von den Jugendbüros erreichte junge Erwachsene

Zielvorgabe bei Einführung des Programms war, dass die Jugendbüros jedes Jahr etwa 3.000 junge Menschen, die erstmalig einen Antrag auf Sozialhilfe stellen, erreichen und dass bis zu 1.500 von ihnen mit Hilfe der Jugendbüros den Weg ins Arbeitsleben finden sollen. Diese Zielvorgabe wurde deutlich übertroffen. In den zwei Jahren seit Gründung der ersten Jugendbüros bis einschließlich September 2003 haben rund 22.450 Jugendliche im Alter zwischen 18 und 25 Jahren einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt. Rund 80% von ihnen (17.600) haben sich in diesem Zeitraum bei den Jugendbüros gemeldet, davon waren etwa 45% junge Frauen (7.850), rund ein Fünftel (3.600) waren junge Ausländer und Aussiedler.

Dafür, dass nicht alle Jugendlichen , die einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt haben, in die Jugendbüros gekommen sind, gibt es eine Vielzahl von Gründen. Zum einen gibt es Jugendliche , die ein Sofortangebot als Zumutung empfinden und deshalb lieber auf Sozialhilfe verzichten. Zum anderen wurden Jugendliche von den Sozialämtern auch gar nicht zum Jugendbüro geschickt, da sie aus den verschiedensten Gründen für ein Sofortangebot nicht in Frage kamen. Nicht oder nur bedingt erreicht wurden auch sog. "Altfälle", das sind Jugendliche , die teilweise schon länger als sechs Monate Sozialhilfe beziehen. Sie zu vermitteln ist den Erfahrungen der Jugendbüros zufolge deshalb schwierig, "weil sie eine hohe Kompetenz in der Akquise öffentlicher Mittel besitzen, ohne dabei Vermittlungsangebote anzunehmen." Durch Sofortangebote nur bedingt erreichbar sind auch jene besser qualifizierten Jugendlichen, die sowohl über einen Schulabschluss als auch eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen.

Nachdem es bei Programmstart noch erhebliche Unsicherheiten darüber gab, was überhaupt unter einem Sofortangebot zu verstehen sei und nach der ersten Befragung deutlich wurde, dass die einzelnen Jugendbüros dies sehr unterschiedlich interpretieren, wurde auf einem der Workshops gemeinsam mit den Jugendbüros eine einheitliche und für alle verbindliche Definition erarbeitet. Danach wurde als Sofortangebot das erste Angebot definiert, das Jugendliche von "ihrem" Jugendbüro erhalten, unabhängig von der Finanzierungsquelle und unabhängig davon, ob dies am ersten Tag oder erst einige Zeit später geschieht. Alle weiteren Angebote, z.B. wenn sich ein Sofortangebot als ungeeignet herausgestellt hat oder abgebrochen wurde und Jugendliche ein neues Angebot erhalten haben, wurden dann ebenso als Anschlussangebote definiert wie jene Angebote, die Jugendliche nach Auslaufen eines Sofortangebots erhalten.

Entsprechend dieser Definition wurde seit Einführung der Jugendbüros im September 2001 bis Ende September 2003 rund 11.000 Jugendlichen ein Sofortangebot gemacht, das sind mehr als die Hälfte derer, die sich in einem Jugendbüro gemeldet haben. Für rund 6.600 Jugendliche (37%), die sich in einem Jugendbüro gemeldet haben, kam ein Sofortangebot nicht in Betracht. Rund 83% der Jugendlichen, denen ein Sofortangebot gemachte wurde, haben es angenommen (9.100), etwa 17% (1.900) haben ein Sofortangebot abgelehnt.

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Abb.1: Von Jugendbüros erreichte Jugendliche nach Annahme und Ablehnung eines Sofortangebots (abs. und in %)

Häufig waren es mehrere Gründe gleichzeitig, die Jugendbüros davon abhielten, den Jugendliche n ein Sofortangebot zu unterbreiten. Schwangerschaften und fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung sind bei jungen Frauen mit die häufigsten Gründe. Bei jungen Männern sind es neben dem bevorstehenden Wehr- oder Zivildienst vor allem gesundheitliche Probleme, fehlende Arbeitserlaubnis und Drogenabhängigkeit. Hinzu kommen mangelnde Deutschkenntnisse, der fehlende Anspruch auf Sozialhilfe, der Bezug von Arbeitslosengeld, ein bevorstehender Strafantritt, aber auch die Notwendigkeit, zunächst ein Wohnproblem zu lösen. Weitere Gründe sind bei beiden Geschlechtern auch in Aussicht stehende Arbeits-, Ausbildungs- oder Maßnahmeplätze. In Einzelfällen gelten Jugendliche auch als überqualifiziert oder ihr Selbsthilfepotenzial wird als groß genug eingeschätzt, sich ohne weitere Hilfestellung auf dem Arbeitsmarkt behaupten zu können. Insgesamt haben junge Frauen deutlich häufiger al s junge Männer kein Sofortangebot erhalten, da bei ihnen häufiger Gründe vorlagen, die die Vermittlung in ein Sofortangebot entweder nicht möglich oder aber nicht sinnvoll erscheinen ließen.

Gründe für die Ablehnung eines Sofortangebots waren n eben mangelndem Interesse der Jugendlichen bereits bestehende berufliche oder schulische Perspektiven, aber auch Veränderungen im persönlichen Leben (z.B. Wegzug), andere Einkünfte, das als zu gering empfundene Entgelt oder ein besseres Angebot anderswo.

5.  Vermittelte Sofortangebote

Da Sofortangebote dazu beitragen sollen, eine dauerhafte Integration ins Ausbildungs- und Erwerbssystem zu erreichen und dadurch eine ggf. längere Sozialhilfekarriere frühzeitig zu vermeiden, war für die Begleituntersuchung von besonderem Interesse, welcher Art die den Jugendliche n unterbreiteten Sofortangebote sind und inwiefern sie tatsächlich geeignet erscheinen, dieses programmatische Ziel zu erreichen. Sofortangebote lassen sich unter drei verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Zum einen, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird; zum anderen, ob es sich um Beschäftigung oder Ausbildung oder aber um Qualifizierungs-, Berufsvorbereitungs- oder andere Maßnahmen handelt; und drittens nach dem Arbeitsmarktsegment, in dem sie angesiedelt sind.

Insgesamt sind seit Bestehen der Jugendbüros mit mehr als drei Fünftel derjenigen Jugendliche n, die ein Sofortangebot angenommen haben, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse abgeschlossen worden, mit jungen Männern etwas häufiger als mit jungen Frauen, da diese häufiger in schulische Ausbildung, aber auch in Berufsvorbereitung und Praktika gegangen sind. Zu den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen zählen neben einem unbefristeten oder befristeten Arbeitsplatz in einem Unternehmen auch geringfügige Beschäftigung, BSHG-19-Maßnahmen, die Beschäftigung in einer Kommunalen Beschäftigungsgesellschaft, einer Dienstleistungsagentur und Arbeitnehmerüberlassung. Außerdem zählen hierzu betriebliche und außerbetriebliche Ausbildung. Als nicht-sozialversicherungspflichtige Sofortangebote wurden Praktika, Tätigkeiten in einer Jugendwerkstatt, berufsvorbereitende Maßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen, JUMP, Arbeitserprobung und Ähnliches sowie schulische Ausbildung angeboten. Allerdings lassen sich die einzelnen Sofortangebote nicht immer trennscharf der einen oder anderen Kategorie zuordnen, da es bei nahezu allen Sofortangeboten sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten gibt.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass das zentrale Programmziel, die Vermittlung der Jugendlichen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, in erheblichem Umfang erreicht worden ist.

Rund die Hälfte aller Sofortangebote sind der Kategorie Beschäftigung und Ausbildung zuzuordnen. Junge Frauen haben dabei deutlich häufiger als junge Männer ein Ausbildungsangebot, junge Männer häufiger ein Beschäftigungsangebot erhalten.

Bezogen auf die Arbeitsmarktsegmente sind gut ein Fünftel der Sofortangebote dem ersten Arbeitsmarkt und etwa drei Viertel dem zweiten Arbeitsmarkt zuzurechnen, 3% der Sofortangebote entfallen auf schulische Ausbildung. Junge Frauen erhalten deutlich häufiger als junge Männer ein Sofortangebot im ersten Arbeitsmarkt, sie nehmen zudem deutlich häufiger als junge Männer sowohl eine betriebliche als auch eine schulische Ausbildung auf.

Gemessen an dem ursprünglich formulierten Ziel des Programms, durch Sofortangebote unmittelbar den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen, ist die Tatsache, dass lediglich 22% der Sofortangebote im ersten Arbeitsmarkt angesiedelt sind, ernüchternd. Allerdings wurde hier - darauf hat die wissenschaftliche Begleitung den Programmgeber schon sehr frühzeitig aufmerksam gemacht - auch ein Programmziel formuliert, das als wenig realistisch anzusehen ist. So wurden hier weder die Voraussetzungen, die die Zielgruppen mitbringen, noch die Bedingungen der regionalen Arbeitsmärkte hinreichend berücksichtigt. Berücksichtigt man diese Voraussetzungen (siehe auch CHRISTE 2004b; GOLTZ 2003), muss die Tatsache, dass rund 22% der Sofortangebote im ersten Arbeitsmarkt angesiedelt sind, als ein überraschend positives Ergebnis gewertet werden. Die Hinweise der wissenschaftlichen Begleitung veranlassten den Programmgeber dann auch, das Programmziel entsprechend zu modifizieren.

Die folgende Tabelle, in der die Art der Sofortangebote nach einzelnen Kategorien aufgeschlüsselt sind, zeigt, dass Maßnahmen nach § 19 BSHG mit deutlichem Abstand vor allen anderen Sofortangeboten am häufigsten sind (18 %). Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie berufsvorbereitende Maßnahmen - beides ebenfalls Angebote im zweiten Arbeitsmarkt - folgen mit einem Anteil von jeweils rund 10 % . Sofortangebote, die einen unmittelbaren Zugang zum ersten Arbeitsmarkt eröffnen, wie z.B. befristete Arbeitsplätze, haben mit gut 9 % jedoch ebenfalls einen beachtlichen Anteil. Kaum eine Rolle spielen Sofortangebote in Dienstleistungsagenturen, auf außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen, in der Arbeitnehmerüberlassung oder in JUMP-Maßnahmen.

Differenziert man nach Geschlecht, so zeigen sich einige deutliche Unterschiede bei der Vermittlung in bestimmte Sofortangebote. So erhalten junge Frauen deutlich seltener als junge Männer Angebote in BSHG-Maßnahmen, Jugendwerkstätten und kommunalen Beschäftigungsgesellschaften, dagegen erhalten sie deutlich häufiger als junge Männer ein Sofortangebot bei geringfügiger Beschäftigung, betrieblicher Ausbildung, Praktika und schulischer Ausbildung. Die häufigere Vermittlung in Ausbildung hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die jungen Frauen hierfür insgesamt bessere Voraussetzungen mitbringen als die jungen Männer.


Tab.1 :   Sofortangebote nach Arbeitsmarktsegmenten

 

Insgesamt

Männer

Frauen

 

abs.

%

abs.

%

abs.

%

Sofortangebote insgesamt

8.814

100

5.324

100

3.490

100

davon Erster Arbeitsmarkt

1.969

22,4

1.087

20,4

882

25,3

•  Arbeitsplatz unbefristet

540

6,1

316

5,9

224

6,4

•  Arbeitsplatz befristet

840

9,5

501

9,4

339

9,7

•  geringfügige Beschäftigung

176

2,0

66

1,2

110

3,2

•  Betriebliche (duale) Ausbildung

413

4,7

204

3,8

209

6,0

davon Zweiter Arbeitsmarkt

6.580

74,6

4.126

77,5

2.454

70,3

•  Ausbildung außerbetrieblich

90

1,0

45

0,8

45

1,3

•  Kommunale Beschäftigungsgesell.

529

6,0

374

7,0

155

4,4

•  Dienstleistungsagentur

13

0,1

11

0,2

2

0,1

•  Arbeitnehmerüberlassung

99

1,1

78

1,5

21

0,6

•  Jugendwerkstatt

652

7,4

454

8,5

198

5,7

•  Berufsvorbereitung

862

9,8

498

9,4

364

10,4

•  Qualifizierungsmaßnahme

904

10,3

545

10,2

359

10,3

•  JUMP

197

2,2

126

2,4

71

2,0

•  BSHG-19-Maßnahme

1.592

18,1

997

18,7

595

17,0

•  Arbeitserprobung

443

5,0

291

5,5

152

4,4

•  Praktikum

569

6,5

314

5,9

255

7,3

•  Sonstiges

630

7,1

393

7,4

237

6,8

davon schulische Ausbildung

265

3,0

111

2,1

154

4,4

 

6.  Einsparung von Sozialhilfekosten

Was die Frage der Einsparung an Sozialhilfekosten anbelangt, hat die Begleituntersuchung gezeigt, dass es durch die Einrichtung der Jugendbüros ganz offensichtlich gelungen ist, deutliche Einsparungen an Sozialhilfeausgaben zu erzielen. Zwar hat die überwiegende Mehrzahl der Jugendbüros auch Sozialhilfemittel zur Finanzierung von Sofortangeboten eingesetzt, rund zwei Drittel aller Jugendbüros haben sogar Sofortangebote gemacht, die ausschließlich aus Sozialhilfemitteln finanziert worden sind, dennoch konnten in einem beträchtlichen Umfang Sozialhilfemittel eingespart worden.

Insgesamt beläuft sich der eingesparte Betrag auf über 15 Millionen Euro. Das sind je Jugendbüro (ohne Berücksichtigung der jeweils unterschiedlichen Laufzeit) im Durchschnitt 349.700 Euro. Umgerechnet auf die Gesamtzahl der Sofortangebote sind das - bezogen auf den gesamten Untersuchungszeitraum seit Einführung der Jugendbüros - im Durchschnitt je Jugendlichen und Sofortangebot rund 1.900 Euro.

Den höchsten Anteil an der Vermeidung von Sozialhilfeausgaben haben Sofortangebote, durch die ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet worden ist. Hierdurch sind im gesamten Untersuchungszeitraum rund 8,9 Millionen Euro eingespart worden. Etwa 2,8 Millionen Euro wurden dadurch eingespart, dass Jugendliche ein Sofortangebot nicht angenommen haben oder erst gar nicht ins Jugendbüro gekommen sind und deshalb keine oder nur reduzierte Sozialhilfezahlungen erhalten haben. Rund 30% der eingesparten Sozialhilfekosten entfallen somit auf Sanktionen oder "Abschreckung" der Jugendlichen, rund 70% auf die Vermittlung in Sofortangebote.

7.  Zusammensetzung der mit einem Sofortangebot erreichten Jugendlichen

Die Mehrzahl der mit einem Sofortangebot erreichten Jugendliche n ist zwischen 18 und 22 Jahre alt, gut ein Fünftel ist älter. Signifikante Altersunterschiede zwischen jungen Männern und jungen Frauen gibt es nicht. Immerhin knapp ein Fünftel der Jugendliche n ist bereits verheiratet oder lebt in einer festen Partnerschaft. Auch hier gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen jungen Männern und jungen Frauen.

Angesichts der Tatsache, dass Arbeitsmarktbenachteiligung nicht zwangsläufig durch Bildungs- und Ausbildungsdefizite verursacht ist, aber häufig mit Bildungs- und Ausbildungsdefiziten einher geht (BRAUN 2003, 763), ist die Zusammensetzung der von Jugendbüros erreichten Jugendliche n nach diesen Merkmalen von besonderem Interesse. Hier zeigt sich, dass die von Jugendbüros erreichten Jugendliche n im Durchschnitt deutlich geringer qualifiziert sind als die gleichaltrige Bevölkerung. Während im Durchschnitt je Altersjahrgang etwa 10 % (KMK 2003, 316) die Schule nach Erfüllung der Schulpflicht ohne Abschluss verlassen, hat von den Jugendliche n in den Jugendbüros etwa jeder Dritte keinen Schulabschluss . Die Zielgruppe der Jugendbüros unterscheidet sich damit im Bildungsniveau deutlich vom Durchschnitt der gleichaltrigen Bevölkerung. Auch bei den Jugendliche n der Jugendbüros besteht ein deutliches Bildungsgefälle zwischen jungen Männern und jungen Frauen. So haben von den jungen Männern zwei Fünftel, von den jungen Frauen lediglich ein Viertel keinen Schulabschluss.

Gleichzeitig fällt auf, dass ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen mindestens über einen mittleren Bildungsabschluss verfügt. Knapp ein Fünftel der jungen Männer hat den Realschulabschluss oder sogar die Hochschulreife, von den jungen Frauen sind es sogar fast ein Drittel. Dies deutet darauf hin, dass fehlende Bildungsvoraussetzungen nicht die entscheidende Ursache für die bislang nicht gelungene Integration ins Ausbildungs- oder Beschäftigungssystem sind (siehe auch CHRISTE 2002).

 

 

 

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Abb.2: Jugendliche nach Schulabschluss und Geschlecht (in %)

Auch hinsichtlich ihres beruflichen Qualifikationsniveaus unterscheiden sich die Jugendliche n in den Jugendbüros deutlich von der gleichaltrigen Bevölkerung, aber auch deutlich von den gleichaltrigen Arbeitslosen. Während von den arbeitslos gemeldeten 18- bis 25-Jährigen in Niedersachsen rund 42% keine Berufsausbildung abgeschlossen haben (September 2003), ist dies bei den Jugendliche n, die in die Jugendbüros kommen, bei rund zwei Drittel - junge Männer und junge Frauen nahezu gleich häufig - der Fall.

Rund ein Viertel der Jugendliche n hat schon einmal eine Berufsausbildung angefangen, diese dann jedoch wieder abgebrochen. Auch hier gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen jungen Männern und jungen Frauen. Insgesamt haben etwa 90 % der Jugendlichen keinen formalen Berufsabschluss. Nur etwa jeder zehnte Jugendliche hat eine Berufsausbildung abgeschlossen, die jungen Frauen (13%) etwas häufiger als die jungen Männer (ca. 9 %).

Im Durchschnitt waren über 90 % aller Jugendlichen, die in ein Sofortangebot vermittelt worden sind, vor ihrer Meldung im Jugendbüro arbeitslos , rund drei Fünftel allerdings weniger als ein halbes Jahr, rund ein Drittel sogar weniger als drei Monate. Gleichzeitig ist jedoch die Gruppe derer, die länger als ein halbes Jahr arbeitslos waren, Besorgnis erregend hoch. Im Durchschnitt war nahezu jeder dritte Jugendliche - Männer wie Frauen gleich häufig - vor dem Kontakt mit dem Jugendbüro länger als ein halbes Jahr arbeitslos. Damit sind diese Jugendliche n deutlich überrepräsentiert, sind doch in Niedersachsen von den jugendlichen Arbeitslosen ansonsten "lediglich" rund 19 % (September 2003) länger als ein halbes Jahr arbeitslos. Im Sinne der herkömmlichen Definition der Bundesagentur für Arbeit gehören sogar 14 % der Jugendlichen aus Jugendbüros - das sind 1.140 Jugendliche - zu den Langzeitarbeitslosen im engeren Sinne (mehr als ein Jahr ohne Unterbrechung arbeitslos gemeldet), junge Männer sogar noch etwas häufiger als junge Frauen. Gut 5 % der Jugendlichen - junge Männer wie junge Frauen gleich häufig - waren sogar länger als zwei Jahre arbeitslos.

Insgesamt ist zu beobachten, dass die Zahl der in die Jugendbüros kommenden Jugendliche n, die länger als ein halbes Jahr arbeitslos waren, seit Bestehen der Jugendbüros massiv zugenommen hat, sehr viel deutlicher, als dies bei den arbeitslosen Jugendlichen insgesamt in Niedersachsen der Fall war. Dies zeigt, dass die Jugendbüros hier eine wichtige Angebotslücke füllen (siehe auch GLAß 2002).

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Abb.3: Jugendliche, die ein Sofortangebot erhalten haben, nach Dauer de r Arbeitslosigkeit im Vergleich zu allen arbeitslos gemeldeten Jugendliche n 2003 (in %)

Zusätzlich zu den bereits genannten Schwierigkeiten sind es weitere Merkmale, die den Jugendlichen einen Übergang in Ausbildung und Beschäftigung erschweren. Hierzu gehören neben fehlenden Deutschkenntnissen bei ausländischen Jugendlichen und Aussiedlern u.a. auch Wohnungsprobleme, schwierige Familienverhältnisse, Gesundheits- und Drogenprobleme (insbesondere bei männlichen Jugendlichen) sowie Vorstrafen. Auch die Tatsache, allein erziehend zu sein, erschwert die Integration ins Ausbildungs- oder Erwerbssystem ganz erheblich. Hinzu kommt bei immerhin rund zwei Fünftel der Jugendlichen eine erhebliche Verschuldung.

Wie die folgende Abbildung zeigt, weisen die weiblichen Jugendlichen insgesamt seltener als die männlichen vermittlungshemmende Merkmale auf. Auch sind die einzelnen vermittlungshemmenden Merkmale bei den männlichen und den weiblichen Jugendlichen zum Teil in unterschiedlicher Häufigkeit vorhanden. Während z.B. nahezu ausschließlich junge Frauen allein erziehend sind und auch häufiger Gesundheitsprobleme aufweisen, haben junge Männer deutlich häufiger als junge Frauen mit Wohnungsproblemen und Sprachproblemen, vor allem aber mit Drogenproblemen und mit Vorstrafen zu tun. Ein erheblicher Teil der Jugendlichen - mehr als ein Fünftel - kommt zudem aus schwierigen Familienverhältnissen.

 

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Abb.4: Jugendliche nach vermittlungshemmenden Merkmalen (in %)

8.  Übergänge in Anschlussgebote

Sofortangebote können, müssen aber nicht notwendigerweise für den einzelnen Jugendlichen bereits der endgültige Einstieg ins Erwerbs- oder Ausbildungssystem sein, denn Sofortangebote sollen ihrer programmatischen Definition zufolge lediglich der erste Schritt einer ggf. auch längeren Kette langfristig angelegter beruflicher Integration darstellen. Von daher hängt der Erfolg des Programms "Jugendbüros" nicht zuletzt auch davon ab, in welchem Umfang es den Jugendbüros gelingt, den Jugendlichen Anschlussangebote zu machen bzw. inwieweit es auch den Jugendlichen selbst gelingt, Übergänge in weiterführende Angebote zu realisieren (siehe auch FORUM BILDUNG 2002).

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass es den Jugendbüros in einem sehr beachtlichen Maße gelungen ist, für Jugendliche solche weiterführenden Eingliederungsschritte ins Erwerbsleben anzubahnen. Insgesamt sind im Untersuchungszeitraum 3.665 Jugendliche aus einem Sofortangebot in ein Anschlussangebot übergewechselt. Das sind immerhin mehr als zwei Fünftel derer, die ein Sofortangebot angenommen haben.

Den höchsten Anteil an den Übergängen in ein Anschlussangebot haben mit mehr als 15% die Übergänge in eine betriebliche Ausbildung, gefolgt von Übergängen in eine berufsvorbereitende Maßnahme. Aber auch die Übergänge auf einen befristeten oder gar unbefristeten Arbeitsplatz stehen mit einem Anteil von 12 % bzw. 13 % an vorderster Stelle.

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Abb.5: Übergänge aus Sofortangeboten nach Art der Anschlussangebote (in %)

Abb.6:  Übergänge aus Sofortangeboten in Anschlussangebote nach Arbeitsmarktsegmenten (in %)


Insgesamt ist es immerhin 1.481 Jugendlichen - das sind rund zwei Fünftel derer, die ein Anschlussangebot erhalten haben - gelungen, einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen, für 5 % der jungen Männer und knapp 10 % der jungen Frauen konnte der Übergang in eine schulische Ausbildung angebahnt werden. Dies ist ein sehr beachtliches Ergebnis, das zeigt, dass Jugendbüros - entgegen der ihnen aus Kreisen der Benachteiligtenförderung anfangs massiv entgegen gebrachten Skepsis - durchaus geeignet sind, nachhaltige Übergänge ins Ausbildungs- und Erwerbssystem einzuleiten.

Die Ergebnisse zeigen, dass es den Jugendbüros in einem beachtlichen Maße gelingt, für die Jugendlichen Übergänge ins Erwerbssystem anzubahnen. Besonders herauszustellen sind dabei nicht nur die vergleichsweise hohen Übergangsquoten in unbefristete Arbeitsplätze, sondern auch die - besonders bei den jungen Frauen - hohen Übergangsquoten in betriebliche, aber auch schulische Ausbildung. Angesichts der Tatsache, dass die jungen Frauen mit durchschnittlich höheren schulischen Abschlüssen in die Jugendbüros kommen, spricht dies dafür, dass Jugendbüros offensichtlich auch in der Lage sind, zu einem beachtlichen Teil passgenaue Angebote zu machen.

Resümee

Die Ergebnisse der Begleituntersuchung zeigen, dass die Jugendbüros dem Programm entsprechend Jugendliche mit besonders großen Übergangsproblemen erreichen und es ihnen in einem beachtlichen Maße gelingt, diejenigen Jugendlichen, die dafür die Voraussetzungen mitbringen, in ein Sofortangebot zu vermitteln. Dadurch kann nicht nur für viele Jugendliche der Einstieg in die Sozialhilfe zu vermieden werden, sondern es werden auch weiterführende Übergänge ins Ausbildungs- und Erwerbssystem angebahnt. Damit nehmen die Jugendbüros eine wichtige arbeitsmarkt-, sozial- und auch bildungspolitische Aufgabe wahr und schließen eine Lücke im vorhandenen Instrumentarium zum Abbau von Jugendarbeitslosigkeit.

Dass eine beträchtliche Zahl von Jugendlichen im Anschluss an ein Sofortangebot auf einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes oder in eine betriebliche Ausbildung wechselt, zeigt, dass Sofortangebote lediglich ein erster Schritt auf dem Weg der beruflichen und sozialen Integration sind, der allerdings um so erfolgreicher ist, je sorgfältiger, d.h. je passgenauer er gestaltet wird. Und gerade deshalb deutet sich hier ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Passgenauigkeit und der geforderten Zeitnähe ( Sofort angebot) an.

Ein solches Spannungsverhältnis ist auch zwischen dem Anspruch, die Jugendlichen in ein für sie optimales Sofortangebot zu vermitteln, und dem Ziel der Vermeidung von Sozialhilfe zu beobachten. Hier steht zu befürchten, dass der mit Hartz-IV eingeleitete Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik, nämlich die Erhöhung des Drucks insbesondere auf Langzeitarbeitslose (siehe auch Schmid/Oschmiansky/Kull 2001), jede zumutbare Arbeit anzunehmen, dazu führt, dass - soweit überhaupt vorhanden - vor allem Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor, Mini-Jobs etc. angeboten werden. Da es sich hier in der Regel nicht um passgenaue oder gar weiterführende Angebote handelt, steht dies dem Ziel einer wirksamen Integration Jugendlicher entgegen (siehe CHRISTE 2004a).

Die Begleituntersuchung hat gezeigt, dass auch das Selbstverständnis der einzelnen Jugendbüros Einfluss auf den Integrationserfolg hat. Die Austarierung der Aufgaben Beratung, Akquisition von Sofortangeboten und Vermittlung erfolgt bei den einzelnen Jugendbüros in unterschiedlicher Weise. Hier ein "best-practice-Modell" identifizieren zu wollen, wie es - ganz im modischen Trend - die Absicht des Programmgebers war, ist angesichts der unterschiedlichen lokalen Bedingungen nicht angebracht. Notwendig ist vielmehr eine auf die lokalen Bedingungen und vorhandenen Strukturen ausgerichtete Schwerpunktsetzung. Dies wird auch bei der Implementierung der "Pro-Aktiv-Center" notwendig sein.

Die Begleituntersuchung hat weiterhin gezeigt, dass es auch erhebliche Unterschiede bei den von de n einzelnen Jugendbüros angebotenen Sofortangeboten gibt. Während manche Jugendbüros ihre Sofortangebote vor allem im ersten Arbeitsmarkt zu akquirieren versuchen, stehen bei anderen Jugendbüros berufsvorbereitende oder Qualifizierungsmaßnahmen im Vordergrund. Ob die eine oder andere Variante für den Integrationserfolg von Vorteil ist, kann nicht generell beantwortet werden. Da es die Zielvorgabe des Programms ist, dass jeder und jede Jugendliche ein individuelles und passgenaues Angebot erhält, dürfte die prinzipielle Ausrichtung auf Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt jedoch insofern problematisch sein, als die entsprechenden Voraussetzungen bei den Jugendliche n, aber auch auf den regionalen Arbeitsmärkten nur zum Teil gegeben sind. Maßstab für das richtige Sofortangebot müsste stets sein, ob dadurch eine nachhaltige berufliche und soziale Integration möglich wird (siehe auch PAULSEN 2003) .

Bislang noch zu wenig im Blick ist dabei, welche Bedeutung der aktiven Einbeziehung der Jugendlichen bei der Erstellung der individuellen Eingliederungspläne, aber auch bei der Auswahl der Sofortangebote für den Integrationserfolg zukommt. Zwar fordert das Programm die aktive Mitwirkung der Jugendlichen, doch ist deren Freiwilligkeit dabei eher begrenzt. Wer mehr oder weniger alternativlos zur Annahme eines Sofortangebots gezwungen ist, kann nicht zwischen einzelnen Angeboten das bessere wählen. Ein individueller Rechtsanspruch auf passgenaue Angebote zur Erwerbsintegration ist bislang nicht realisiert. Es wäre zu wünschen, dass das Motto der Jugendbüros - "Fördern und Fordern" - verstärkt in einem pädagogischen statt wie derzeit vor allem in einem arbeitsmarktpolitischen Sinne (siehe CHRISTE 2003b) verstanden wird . Die Erfahrungen mit sog. "work-first-Ansätzen" in den USA und Großbritannien haben gezeigt, dass damit in erster Linie "Pendler-Karrieren" gefördert werden, in denen ständig zwischen Leistungsbezug und prekärer Beschäftigung hin und her gewechselt wird, ohne dass eine nachhaltige berufliche und soziale Integration erfolgt (siehe REIS 2003). Die Erfahrungen mit den Jugendbüros zeigen, dass es auch anders geht. Sie gilt es daher in der Benachteiligtenförderung aufzugreifen und umzusetzen.

Literatur

BRAUN, F. (2002): Jugendarbeitslosigkeit und Benachteiligtenförderung. In: TIPPELT, R. (Hrsg.): Handbuch Bildungsforschung. Opladen, 761-774.

Christe, G. (2002): Arbeitsmarktentwicklung und Qualifikation. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion zu einer Neuorientierung in der beruflichen Bildung. Hrsg. IAJ, Oldenburg Dezember 2002.

Christe, G. (2003a): Fördern und Fordern - ein neues Konzept in der Jugendberufshilfe? In: Jugend Beruf Gesellschaft, H. 2, 81-86.

Christe, G. (2003b): Zur Empirie des Konzepts "Fördern und Fordern"; Vortrag auf der Tagung "Fördern und Fördern. Jugendsozialarbeit im Spannungsfeld von Pädagogik und Politik." Evangelische Akademie Loccum, April 2003. (Im Erscheinen in: Loccumer Protokolle.

CHRISTE, G. (2003c): Jugendbüros in Niedersachsen. Dritter Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Hrsg. IAJ Oldenburg Juni 2003.

Christe, G. (2004a): Grundsätzliche Einschätzungen zur veränderten Situation auf dem Arbeitsmarkt und in der Jugendberufshilfe und deren Auswirkungen für Jugendliche. Statement beim Expertengespräch der AG 3 des Bundesjugendkuratoriums "Bildungschancen der nachwachsenden Generation in Ausbildung und Arbeitsmarkt", Berlin 11. März 2004.

CHRISTE G. (2004b): Zu den Auswirkungen der demographischen Entwicklung auf die Jugendsozialarbeit. Expertise im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit (BAG JAW), Februar 2004. Online im WWW: http.//www.iaj-oldenburg.de . (rev. 16.04.2004)

Forum Bildung (2000): Qualifizierte Berufsausbildung für alle! Zukunft der Berufsausbildung von benachteiligten Jugendlichen. Bonn.

Glaß, C. (2002): Verdeckte Arbeitslosigkeit junger Menschen. Eine explorative Studie. Hrsg. IAJ Oldenburg, Juni 2002.

Goltz, M . (2003): Vergleichende Evaluation des Hamburger Modells "Qualifizierung und Arbeit für Schulalbgänger" (QuAS) und des "Berufsvorbereitungsjahrs in Vollzeitform" (BVJ). Endbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Hrsg. IAJ, Oldenburg März 2003.

KMK (Kultusministerkonferenz) (2003): Bildungsbericht für Deutschland. Erste Befunde. Opladen.

NiedersÄchsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (2003): Entwurf eines Eckpunkte-Papiers zur Einrichtung von Pro-Aktiv-Centren in Niedersachsen. Hannover, 09.09.2003.

PAULSEN, B. (2003): Benachteiligtenförderung: Schubladen schliessen, Anrechenbarkeit sichern! In: BWP - Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, H. 2, 3-4.

Reis, C. (2003): Hartz-Gesetzgebung - Was wird aus benachteiligten jungen Menschen? In: Jugend Beruf Gesellschaft, H. 2, 70-75.

Schmid, G./Oschmiansky, F./Kull, S. (2001): Faule Arbeitslose? Politische Konjunkturen einer Debatte. In: WZB Mitteilungen Nr. 93, September 2001, 5-10.