wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

Weber

Susanne M. Weber (Philipps-Universität Marburg)

Vernetzung in der Jugendberufshilfe.
Komplexe Evaluation von Instrumenten, Strategien und Wirkungen kommunikativer Planungsprozesse

Im folgenden Beitrag werden entlang eines differenzierten Evaluationsrasters Modellprojekte institutioneller Vernetzung im Feld der Jugendberufshilfe in ihrer konzeptionellen Anlage und ihren methodischen Vorgehensweisen skizziert. Anhand der Gestaltungsdimensionen und
-kriterien für komplexe Evaluation werden vor dem Hintergrund der konkreten Projekterfahrungen und ihrer wissenschaftlichen Reflexion erfolgskritische Faktoren der Vernetzung deutlich.

1.  Vom Maßnahmendschungel zum Paradigma kommunikativer Planung

Jugendberufshilfe soll auf der Basis sozialstaatlicher Rechte den subjektiven Lebensbedürfnissen Jugendlicher auf Integration in Ausbildung und Beschäftigung Rechnung tragen. Als offiziell benachteiligt gelten Jugendliche, die, legitimiert durch die sozialstaatliche Normalitätsverpflichtung von Institutionen und institutioneller Problembearbeitung erfasst werden. Aus einer subjektorientierten Perspektive sind darüber hinaus auch diejenigen benachteiligt, die es "schwerer" haben als andere, den "Übergang von der Schule in den Beruf so zu bewältigen, dass sich Möglichkeitsräume eröffnen, anstatt sich zu verschließen" (STAUBER/WALTHER 1995, 105). Jugendberufshilfe liegt somit im Schnittfeld zwischen beruflicher Bildung und Jugendsozialarbeit. Sie umfasst Strategien beruflicher Bildung für Beschäftigung und Qualifizierung, Beratungs- und Betreuungsangebote im Übergang von der Schule in den Beruf, sozialpädagogische Begleitung in der Ausbildung und arbeitswelt- oder/und lebensweltbezogene Jugendsozialarbeit (SCHILD 2001).

Nachdem man Jugendarbeitslosigkeit in den 70er Jahren noch für ein konjunkturelles Problem gehalten hatte, wurde in den 80er Jahren zunehmend offensichtlich, dass es sich dabei um ein strukturelles Problem handelte und die zahlreichen Förderprogramme in einen schier undurchschaubaren "Maßnahmendschungel" geführt hatten. Mit der Hoffnung auf eine bessere Koordination und inhaltliche Vernetzung auf regionaler Ebene sowie der engeren Kooperation zwischen den Maßnahmeträgern aus den Bereichen der Berufsbildung und der Jugendhilfe wurde die "Harmonisierung" der Ansätze und Maßnahmen in der Jugendberufshilfe gefordert. Jugendhilfe sollte eingebettet werden in eine integrierte regionale Entwicklung und dabei koordiniert zusammenarbeiten mit ökonomischen, städtebaulichen und stadtpolitischen Planungsbereichen (KERN/MIELENZ/SCHNEIDER 1981, 228). Dabei sollte sowohl der Vernetzung auf der Trägerebene wie auch der Orientierung an den Bedürfnissen der betroffenen Jugendlichen Rechnung getragen werden (SCHILD 2001, 62f).

Der Gedanke einer Harmonisierung und Integration institutionellen Handelns auf regionaler Ebene schlug sich in der Folge auch in den gesetzlichen Handlungsgrundlagen nieder. Insbesondere mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) wurden sozialgesetzliche Grundlagen für vernetzte Kooperation auf regionaler Ebene im Sinne eines kommunikativen Planungsparadigmas (MERCHEL 1992, 2000) deutlich gestärkt. Dies betrifft im engeren Sinne die Zusammenarbeit der öffentlichen Träger untereinander, die Zusammenarbeit mit freien Trägern, mit den Betroffenen und ihren sozialen Netzwerken sowie weiteren relevanten institutionellen Partnern. Auf regionaler Ebene und insbesondere im Feld der Jugendberufshilfe ist hier das heterogene institutionelle Gefüge angesprochen, in dem sich allgemein- und berufsbildende Schulen, Ämter (Arbeitsamt, Jugendamt, Sozialamt), Betriebe, freie Träger, Kirchliche Organisationen, Ehrenamtlichenorganisationen etc. finden. Hier sollen institutionelle Arbeitsformen ineinander greifen und eine gegenseitige, auf gemeinsamen Problemverständnissen aufbauende Verbindlichkeit (MERCHEL 1989, 18) geschaffen werden. In der Logik des KJHG werden kooperative Koordination und diskursive Kontextsteuerung zunehmend erforderlich (WOHLFAHRT 2000). Dabei wird die Planungsverantwortung für das Themenfeld "Jugendberufshilfe" dem Jugendressort verantwortlich zugeordnet. So benennt §13 KJHG die außerbetriebliche Ausbildung als Leistung der Jugendhilfe, die entsprechenden Fördermaßnahmen, deren fachliche Betreuung und verwaltungsmäßige Abwicklung sind jedoch weder auf Bundes-, noch auf Landesebene den für Jugendhilfe zuständigen Ressorts zugeordnet (vgl. BENTHIN/HOCKERTS 2001). Weitere Vorgaben für regionale institutionelle Kooperation und Vernetzung finden sich darüber hinaus in Regelwerken wie z.B. dem Sozialgesetzbuch V, Bundessozialhilfegesetz etc. (SCHILD 2001, 61).

Kommunikative Strategien legen Verfahrensmuster dialogischer Aushandlung und Konsensbildung nahe. In den EU-Modellprojekten "Youth Start Network" sollten solche Strategien und Strukturen der Konsensbildung in der Jugendberufshilfe auf regionaler Ebene geschaffen werden (BENTHIN/HOCKERTS 2001, 88). Die Projekte lassen sich in die übergreifende Strategie der Dezentralisierung, Kommunalisierung und Vernetzung der Jugendhilfe einordnen. Anhand der Vernetzungsstrategien der drei Modellprojekte in drei Landkreisen Hessens sollten Konzepte und Methoden der Vernetzung zur Erfüllung dieses gesetzlichen Auftrages auf den Prüfstand gestellt werden.

Als Grundstruktur der Jugendberufshilfe wurden in Hessen die beiden Ebenen der klientenbezogenen und der institutionellen Vernetzung definiert (LANDESJUGENDAMT HESSEN 1995). Zum Zeitpunkt der Konzeptionierung von "Youth Start Network" waren Ansätze von ressort- und trägerübergreifenden Arbeitskreisen zur planerischen Abstimmung unter Federführung des Jugendamtes nicht zu finden (BENTHIN/HOCKERTS 2001, 88). In dem vom hessischen Sozialministerium im Jahr 2000 aufgelegten Programm "Fachstellen Jugendberufshilfe" wurde der Ansatz einer vernetzten Jugendberufshilfe weiterverfolgt mit der Zielsetzung einer Strukturverbesserung der gesamtplanerischen Aufgaben. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen des EU-Programms "Youth Start Network" drei Modellprojekte aufgelegt und über das hessische Landesjugendamt gesteuert und wissenschaftlich begleitet (WEBER 2001). Ziel dieser Modellprojekte war es, als öffentlicher Träger der Jugendhilfe auf der planerisch-steuernden Ebene offe nsiv zu gestalten, die lokalen und regionalen Akteure Schule, Arbeitsamt, Sozialamt, Wirtschaft, Handwerk, Kammern für die Belange der Zielgruppe zu sensibilisieren und formale Netzwerke zu entwickeln, innerhalb derer die gesamtplanerische Abstimmung und Kooperation erfolgen kann (BENTHIN/HOCKERTS 2001, 89). Dabei wird schnell deutlich, dass Strategien der Konsensbildung nicht etwa "Harmonie" sondern durchaus auch Konflikt bedeuten (MERCHEL 2001).

2.  Komplexe Evaluation der Vernetzungsprojekte "Youth Start Network"

Für alle drei Landkreise lautete die Zielperspektive, insbesondere auf der Ebene institutioneller Netzwerkbildung Prozesse zu initiieren, um daraus erfahrungsbasiert Empfehlungen im Kontext einer Kommunalisierung der Jugendhilfe und damit verbundenen Dezentralisierung und wohlfahrtspluralistischen (EVERS/OLK 1996) Vernetzung in der Jugendberufshilfe zu leisten. Es sollten Arbeitskreise, runde Tische oder Foren gebildet werden, die eine aktivierende Beteiligung der verantwortlichen Akteure vor Ort ermöglichen sollten. Dadurch sollten formale Strukturen etabliert werden, die nachhaltig wirken oder zumindest Erfahrungswerte über mögliche Organisationsformen von Vernetzung erbringen könnten.

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Projektstrategien, Instrumente und Wirkungen entlang der Struktur eines Rasters komplexer Evaluation skizziert. Auf diese Weise sollen erfolgskritische Faktoren kommunikativer Planungsprozesse in der Jugendberufshilfe identifiziert werden. Das zugrundeliegende Darstellungsraster basiert auf dem Mehrebenenevaluationsmodell von KIRKPATRICK (1967), das von TIPPELT (2004) weiterentwickelt wurde für den Kontext der "lernenden Regionen." Dieses Mehrebenenmodell umfasst vier Phasen und fünf Evaluationsbereiche, entlang derer im folgenden einige erfolgskritische Aspekte der Strategien, Instrumente und Wirkungen der Projekte zur Vernetzung in der Jugendberufshilfe markiert und herausgearbeitet werden.

Tab.1:  Evaluation regionaler Vernetzung (TIPPELT 2004)

Input

Prozess

Output

Outcome

Kooperationspartner

Kommunikation

Stabile Kooperation

Strukturbildung

Regionale Probleme

Ziele

Zielerreichung

Lebenslanges Lernen

Regionale Qualitätskontrolle

Qualitätskriterien

Qualitätsmanagement

Qualität

Ausgangsressourcen

Ressourcenverteilung

Ressourceneinwerbung

Ressourcenentwicklung

Institutionelle Interessen

Regionale Abteilungen

Synergien

Nachhaltigkeit

 

2.1  Input

Sollen Angebote zur beruflichen Integration besser koordiniert und gesteuert werden, so erfordert dies zunächst eine systematische Analyse lokaler und regionaler Rahmenbedingungen, Ressourcen und Entwicklungen. TIPPELT (2004) schlägt vor, die Ausgangslage entlang der folgenden fünf Strukturdimensionen zu untersuchen. Dies sind im Einzelnen die Dimensionen "Kooperationspartner", "regionale Probleme", "regionale Qualitätskontrolle", "Ausgangsressourcen" und "institutionelle Interessen".

2.1.1  Kooperationspartner

In allen drei Modellprojekten existiert zu Projektbeginn keine systematische Vernetzung auf institutioneller Ebene. Allerdings sind personelle und informelle Netzwerke der Akteure vor Ort vorhanden, die vorrangig auf der Ebene der klientenbezogenen Vernetzung und vor allem an den Knotenpunkten (Kreisstädte) wirksam werden. Trägerverbünde und etablierte Kooperationen (z.B. Arbeitsamt-Bildungsträger-Schule) prägen die Geschichte der regionalen Kooperationen und schaffen günstige oder ungünstige Ausgangsbedingungen für Vernetzungsprojekte (KESTER 2001). Strukturaufbau erweist sich in den Projekten besonders dann als schwierig, wenn bereits enge Kooperationen - gerade auch zum Jugendamt - existieren, die im Feld der freien Träger von Bildungsangeboten und Jugendsozialarbeit zu Vorbehalten und Misstrauen gegenüber der "Konkurrenz" führen (STIETZ 2001, 193).

In den Projekten fließt die regionale Kooperationsgeschichte als Projektvorlauf bereits in die Ausgangssituation ein . Es wird deutlich, dass die gegebenen Akteurskonstellationen und Handlungsbedingungen eine große Bedeutung für den Initiierungsprozess von Vernetzung haben (SCHIMPF 2001, 202), indem sie die lokale Ausgangssituation der Netzwerkentwicklung strukturieren.

2.1.2  Regionale Probleme

In allen drei Landkreisen ist die Siedlungs-, Verkehrs- und Beschäftigungsstruktur ländlich geprägt, die Wirtschaftsstruktur mehrheitlich klein- und mittelständisch. Es liegt eine relativ hohe Arbeitslosenquote im Allgemeinen und eine mit ca. 14% insgesamt hohe Belastung der Zielgruppe der unter 25-jährigen vor (BENTHIN/HOCKERTS 2001, 91). Dabei sind im ländlichen Raum vor allem die jungen Frauen besonders benachteiligt (ALLENDORF/BECKER-OTT 2001).

Als übergreifende Probleme der Jugendberufshilfe gelten in allen drei Landkreisen

•  steigender Ausbildungsplatzmangel und steigende Schulabgängerzahlen,

•  unüberschaubare Bildungsträger-Landschaft,

•  wachsende Zahl der "Benachteiligten",

•  ländliche Struktur und "lange Wege",

•  größer werdende Grauzone der nicht durch Arbeitsamtstatistiken erfassten Jugendlichen (BAUMERT/BRECHLIN 2001).

In allen drei Landkreisen wird als Problem benannt, dass insbesondere auch Schule im Feld der Jugendberufshilfe durch die wachsende Anzahl der Schüler/innen an ihre Grenzen kommt (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 162). (Sozialraum-)Analysen im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung zeigen den besonderen Unterstützungsbedarf der SchülerInnen im Übergang Schule-Beruf, der innerhalb der Schule kaum zu bewältigen ist. Nicht nur SchülerInnen der Schulzweige Hauptschule, BVJ, BGJ benötigen zusätzliche Unterstützung, auch SchülerInnen der Berufs-, Fach- und Realschulen zeigen zunehmend subjektiven Unterstützungsbedarf. Im Rahmen der Rehabilitationsförderung und spezieller Förderprogramme der Arbeitsämter existieren für praktisch Bildbare dagegen regional ausreichende Anschlussförderungen und Übergangsangebote in die Berufs- und Arbeitswelt (ebd.).

2.1.3  Regionale Qualitätskontrolle

Regionale Qualitätskontrolle existiert in keinem der Landkreise in systematischer Form. Als Problem werden in allen Landkreisen die unsichere Datenbasis und die Dunkelziffer der aus Statistiken des Arbeitsamtes herausfallenden "Dropouts" genannt. Darüber hinaus gilt auch der nicht strukturell gesicherte Übergang von grundständiger zu weiterführender Schule als problematisch. Vor Ort werden neue Lösungen systematischer Datengewinnung, der Datenaufbereitung und des Datenmanagements gefordert. Systematisches Handlungs- und Prozesswissen ist in den drei Regionen in unterschiedlichem Maße vorhanden: Regionale Planung basiert nicht durchgängig systematisch auf Bedarfs- und Arbeitsmarktanalysen, Daten und Informationen über Beschäftigungsfelder und zukünftige Anforderungen an Qualifikation und Kompetenz. Damit fehlt oftmals eine solide Planungsgrundlage für Beschäftigungs-, Qualifikations- und Hilfeangebote (SCHIMPF 2001, 201).

Um Strukturqualität durch Einbindung der Jugendämter zu sichern, war die Beteiligung der Jugendhilfeplanung an der Bewilligung der Projekte festgeschrieben worden (BENTHIN/HOCKERTS 2001, 89). Die Kommune sollte Bewilligung und Koordination sicherstellen, politische und wirtschaftliche Unterstützung garantieren und Nachhaltigkeit gewährleisten (vgl. SCHILD 2001).

2.1.4  Ausgangsressourcen

Projektbudgets, insbesondere Personalkostenbudgets, waren in den drei Landkreisen gleich verteilt. Darüber hinaus waren die Projekte auf die Einwerbung regionaler Mittel angewiesen. Die Mittelvergabepolitik auf Kreisebene verdeutlicht unmittelbar den Stellenwert, der den Projekten auf kommunaler und Kreisebene beigemessen wird. Der politische Wille des Kreises wird durch die Stärkung oder Schwächung von Projektressourcen durch Personalmittel deutlich (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 172). Während in einem Landkreis bereits ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Entwicklung spezifischer Angebotsstrukturen für benachteiligte Jugendliche existiert (STRASSER 2001), sind Problembewusstsein und Wissensbasis als regionale Ressource - insbesondere auf der Ebene der Politikentscheider - in den beiden anderen Standorten weitaus geringer ausgeprägt (STIETZ 2001). Als Ausgangsressourcen kommen nicht nur die finanziellen und personellen Ressourcen, sondern auch die materiellen und kulturellen Ausgangsbedingungen und die lokalen Wissensressourcen in den Blick (WINDELER 2001).

2.1.5  Institutionelle Interessen

In allen drei Landkreisen wird eingangs eine Beteiligten- und Interessenanalyse durchgeführt. Dies wird mit unterschiedlichen methodischen und inhaltlichen Akzenten realisiert (BAUMERT/BRECHLIN 2001; SCHIMPF 2001; WEBER 2001). In den Beteiligten- und Interessenanalysen wird generell deutlich, dass die freien Träger der Jugendhilfe ein hohes Interesse daran haben, "nicht den Anschluss zu verpassen" (KESTER 2001). Sie sind daher eher zu motivieren, sich in kollektive Kooperationsformen und Foren einzubringen. Die Interessen- und Beteiligtenanalyse lässt Spannungen und Strukturkonflikte zwischen freien Trägern, aber auch zwischen freien Trägern, Kommune und Wirtschaftsbetrieben sichtbar werden. So signalisieren VertreterInnen regionaler Betriebe in allen Modellprojekten, dass sie nur ein geringes Interesse an so genannten "benachteiligten Jugendlichen" haben. Sie beharren auf ihrem Anforderungsprofil für Auszubildende und sind in erster Linie über Fördermittel für eine Mitarbeit zu gewinnen (SCHIMPF 2001; WEBER 2004). Sichtbar werdende Spannungen können frühzeitig Schwierigkeiten bei der Initiierung lokaler Netzwerke sichtbar machen, die dadurch bearbeitbar werden ( Weber i.V.).

2.2  Prozesse

Bereits in der Analyse der Ist-Situation wird deutlich, dass Vernetzungsprojekte auf der Grundlage des Bestehenden ansetzen und dass sie mit strukturellen Spannungsverhältnissen umgehen müssen (SYDOW 1999, 2000; WEBER 2002). Lokale Netzwerke können nicht per se als anderen Steuerungsformen überlegen angesehen werden. Ausschlaggebend für gelingende Vernetzungsprozesse ist, wie das gemeinsame Bezugsproblem definiert und von den einzelnen Akteuren wahrgenommen wird, wie ausgeprägt die Einzelinteressen der Akteure sind und ob die Beiträge zur Lösung des Bezugsproblems kompatibel sind (SCHIMPF 2001). Auch die Gestaltung der kommunikativen und Lernprozesse ist hier von großer Bedeutung. Die zweite Ebene des Evaluationsrasters umfasst daher die Kategorie der Prozesse. Hier schlägt TIPPELT (2004) die Berücksichtigung der Aspekte "Kommunikation", "Ziele", Qualitätskriterien", "Ressourcenverteilung" und "regionale Abteilungen" vor.

2.2.1  Kommunikation

In den drei Vernetzungsprojekten wird die Gestaltung der Kommunikationsprozesse unterschiedlich angelegt. Zwei Modellprojekte realisieren eine Strategie lokaler Foren zur regionalen Vernetzung in der Jugendberufshilfe. Sie unterscheiden sich jedoch in den Auswahlkriterien geeigneter Standorte für Regionalforen. Während in einem der beiden Projekte eine "Sog-Strategie" gewählt wird, entscheidet man sich in dem anderen Projekt für eine "Hilfe-Strategie". So geht man aus der Sog-Perspektive davon aus, dass "Erfolgsprojekte" geschaffen werden müssen, die dann "Neid-Effekte" in anderen Kommunen und eine Bereitschaft zur Imitation angesichts gelingender Lösungen auslösen werden (BAUMERT/BRECHLIN 2001). Bei der "Hilfe-Strategie" geht man dagegen von der Grundannahme aus, dass gerade die hochkonfliktiven Standorte aufgesucht werden müssen, da es hier "am meisten brennt". Hier erweisen sich jedoch die Kommunikationsprobleme mit den lokalen Politikentscheidern als so gravierend, dass keine vorzeigbaren Erfolge geschaffen werden können (STIETZ 2001). Während also die Strategie des "Sog-Projektes" eher an der Rationalität eines Marketing und der PR orientiert ist, geht das "Hilfe-Projekt" eher problem- und zielgruppenorientiert an die Netzwerkbildung heran und folgt damit eher einer sozialpädagogischen Rationalität individueller Hilfe.

Im dritten Projekt wird statt einer dezentralen Strategie auf eine Veranstaltung mit Breitenwirkung in der Region gesetzt. Hier ist das Ziel, das "ganze System in einen Raum" zu bringen (WEISBORD/JANOFF 1995, 2000). Als Verfahren zur Vernetzung wird das partizipative Verfahren einer Zukunftskonferenz gewählt, da es auch den systematischen Einbezug der Betroffenen selbst ermöglichen soll. Mit dem Verfahren Zukunftskonferenz sollen eine gemeinsame und konsensuelle Handlungsgrundlage gefunden und konkrete Projekte im Feld von Schule, Wirtschaft und freien Trägern der Jugendhilfe etabliert werden. Auf diese Weise soll einem partizipativen und prozessorientierten Vorgehen entsprochen werden, das einerseits Ziele definiert und verfolgt, andererseits offen genug für die Relevanzen und Interessenlagen der Projektpartner sein soll (STOCKMANN 2001; WEBER 2003). Sowohl lokale Foren als auch die Zukunftskonferenz versprechen, die Kultur der Zusammenarbeit vor Ort zu stärken, um so das Projektziel systematischer institutioneller Vernetzung zu erreichen.

2.2.2  Ziele

Übergeordnete Ziele bzw. Schwerpunkte der Vernetzungsprojekte sind (BAUMERT/ BRECHLIN 2001, 168):

•  Implementierung eines kreisweiten Netzwerkes Jugendberufshilfe

•  Entwicklung eines Austausches zwischen Akteuren der Jugendberufshilfe

•  Auf- und Ausbau von Strukturen der Jugendberufshilfe im ländlichen Raum

•  Initiierung von lokalen Foren an drei Standorten im Landkreis

•  Optimierung des Bereiches Übergang Schule-Beru f

•  Effektivere Vermittlung von jungen Menschen in Ausbildung.

Aufgabe der Koordination soll primär sein, die Akteure und Verantwortlichen "an einen Tisch" zu bekommen, gemeinsam die Situation im Kreis zu analysieren, Formen aktiver Problemlösung mit den verantwortlichen Akteuren zu erarbeiten und möglichst umzusetzen (BENTHIN/HOCKERTS 2001). Über allen Projekten liegt die strukturelle Spannung zwischen dem Ziel, die Situation für unversorgte Jugendliche zu verbessern und dem Ziel, institutionelle Netzwerke zu implementieren (STRASSER 2001). Alle Projekte sind mit Zielheterogenität konfrontiert, die u.a. zwischen operativen Ebenen und der Führungsebene in Einrichtungen verläuft (WEBER 2004), aber auch zwischen institutionellen Akteuren immer wieder aufbricht.

2.2.3  Qualitätskriterien

In den drei Projekten sind unterschiedliche Kompetenzen und Professionalitätsverständnisse anzutreffen. Die Projekte unterscheiden sich im Hinblick auf die Strukturiertheit der Arbeitsweisen. Arbeitsteilung, Prioritätensetzung und strukturell abgesicherte Rahmenbedingungen werden im Laufe der Projekte zunehmend als kritische Erfolgsfaktoren gelingender Vernetzung erkannt (STIETZ 2001).

Als erfolgskritisch zeigt sich auch die Fach- und Moderationskompetenz der Koordination und Moderation. In den Projekten erschwert der Erfolgsdruck das Offenlegen von Schwierigkeiten in der Projektgruppe und den regionalen Austauschforen. Im Mittelpunkt der Diskurse stehen das Engagement der Akteure, die Aktivitäten und auch die Selbstdarstellung (SCHIMPF 2001). Die in den lokalen Foren Jugendberufshilfe auftretenden Ressentiments unter den unterschiedlichen Akteuren und das Risiko der Vermischung von Interessen stellt eine immanente Gefahr für die Arbeitsfähigkeit des Netzwerkes dar (STRASSER 2001). Eine externe Beratung und Begleitung kann dabei unterstützen, die Moderation aus einer neutralen, d.h. von hierarchischen Strukturen unabhängigen Position heraus zu ermöglichen (SÄNGER 2000, 57ff).

SYDOW/WINDELER (2000, 11) benennen als Strukturmerkmale gelungener Vernetzung Kooperation, Vertrauen, Selbstverpflichtung, Verlässlichkeit und Verhandlung sowie ein bestimmtes Vertragsrecht. In allen Projekten wird mit dem Konzept der Selbstevaluation gearbeitet (BENTHIN/BAUMERT 2001). Experimentiert wird auch mit der Steuerung durch Kooperationsverträge, regelhafte Rückmeldungen und die Einsicht in Maßnahmeplanungen (STRASSER 2001). In einem der drei Teilprojekte wird mit dem Instrumentarium des Projektmanagement gearbeitet und so Zielklarheit ebenso wie Evaluierbarkeit des Projektes unterstützt. Insbesondere mit dem Einsatz des Verfahrens "Zukunftskonferenz" soll auch der Aufbau von Kommunikation und Vertrauen unterstützt werden (WEBER 2001, 2004).

2.2.4  Ressourcenverteilung

Die Vorgeschichte etablierter Kooperationsbeziehungen (STIETZ 2001, 193) kann den Aufbau vertrauensvoller Kooperationsbeziehungen deutlich erschweren. Wie sich in einem der Projekte zeigt, erweist sich eine gerechte und transparente Vergabe der Mittel als entscheidender erfolgskritischer Faktor. Werden die Akteure vor Ort mit den notwendigen Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet, können Netzwerke durchaus initiiert und zur Förderung von Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten Jugendlicher genutzt werden. Soll die Strategie der "Vernetzung" jedoch den Rückzug der Politik aus dem Feld der Jugendberufshilfe legitimieren, kann dies keine erfolgversprechende Strategie sein. Ressourcen erweisen sich als die unverzichtbare Basis erfolgreicher Vernetzung in der Jugendberufshilfe.

Dabei sind auch Zeitressourcen der Projektakteure ein erfolgskritischer Faktor. Hier verwischen die Grenzen zwischen "noch Arbeit" und "schon Freizeitengagement". So fragen sich z.B. LehrerInnen aus Berufsschulen oder Hauptschulen, ob die Mitarbeit an Vernetzungsprojekten im Rahmen ihres Dienstauftrages geschieht oder nicht. Im Vordergrund ihrer Entscheidung zur Mitarbeit steht jedoch die Auffassung, dass diese Arbeit eine sinnvolle Hilfe für ihre SchülerInnen sein könne (STRASSER 2001). Vernetzungsarbeit muss generell auf den Aspekt knapper Ressourcen und der Arbeitserleichterung Bezug nehmen. Ohne einen wechselseitigen Nutzen wird Netzwerkarbeit nicht tragfähig realisiert (SYDOW 1999).

2.2.5  Regionale Abteilungen

Um das Risiko zu minimieren, dass freie Trägernetzwerke immer nur Anhängsel von tradierten Verwaltungsstrukturen bleiben und diese nicht verändern können (SÄNGER 2000), wurden die Federführung und Koordination beim örtlichen Träger der Jugendhilfe angesiedelt. Allerdings nutzen alle drei Landkreise die Möglichkeit, den Netzwerkaufbau an einen erfahrenen lokalen freien Träger zu delegieren. Ein Landkreis holt die Koordinationsaufgabe aber nach rund zehn Monaten Laufzeit des Projekts wieder in die Personalhoheit des Jugendamtes zurück, um so Trägerkonkurrenz strukturell zu minimieren. Wie sich zeigt, können die Koordination lokaler Angebote und die Weiterentwicklung regionaler Strukturen generell durchaus durch eine zentrale Steuerungsstelle geleistet werden (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 163).

2.2.5.1  Strukturaufbau

In allen drei Landkreisen soll eine Netzwerkstruktur geschaffen werden. Eine starke Rückbindung an Politik auf der Kreisebene ist nur vereinzelt gegeben. Hier wird z.B. eine Ad-hoc-Gruppe gebildet, die bedarfsorientiert und schnell handelt. So berufen hier berufliche Schulen ad hoc gemeinsame Sitzungen ein, um unversorgte Jahrgangsklassen der Berufsvorbereitung in Maßnahmen zu integrieren oder adäquate Ausbildungsplätze zu finden. Mit Unterstützung des Arbeitsamtes wird nach Fördermöglichkeiten gesucht (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 162). Auf der strategischen Ebene übernimmt ein Projektbeirat die Begleitung der lokalen Standorte und die konzeptionelle Steuerung des Gesamtprojektes im Kreisgebiet. Er ist fast ausschließlich aus Leitungspersonen aus Politik und Administration zusammengesetzt (Leitung des Jugend- und Sozialamtes, Sozialpartner, Schulamt, Leitung Arbeitsamt, Bürgermeistern, freien Trägern) (ebd.).

Aufgrund mangelnder politischer "Zugpferde" gelingt es in zwei der drei Projekte bis zum Schluss nicht, einen Projektbeirat auf strategischer Ebene zu verankern (STOCKMANN 2001). In allen drei Projekten wird deutlich, dass Netzwerkbeziehungen gerade in stark politikabhängigen Handlungsfeldern wie der Jugendberufshilfe auf eine Mobilisierung verfügbarer Machtressourcen durch entsprechend ausgestattete NetzwerkpartnerInnen wie z.B. BürgermeisterInnen, UnternehmerInnen und PolitikerInnen angewiesen sind.

2.3 Output

Als dritte Evaluationsebene schlägt TIPPELT (2004) die Outputdimension vor. Hier werden im Einzelnen die Evaluationskategorien Etablierung "stabiler Kooperation", der "Zielerreichung", des "Qualitätsmanagement", der "Ressourceneinwerbung" und der "Synergien" eingebracht.

2.3.1  Stabile Kooperation vs. Fragilität und Zusammenbruch

In allen Landkreisen stehen unterschiedliche Bildungsträger in Konkurrenz um Förderprogramme. Die Wahrscheinlichkeit ist damit hoch, dass es zu Dysfunktionalitäten kommt, weil neben der transparenten Prozessplanung innerhalb des Netzwerkes zur Absicherung von Interessen und Ressourcen Vor- und Querverhandlungen zu erwarten sind, die Fakten schaffen (STRASSER 2001). Divergierende Kernüberzeugungen und ein mangelndes Vertrauen einflussreicher NetzwerkpartnerInnen können zu einem Unsicherheitsfaktor werden, der sich kooperationshinderlich auswirkt (SCHIMPF 2001, 204). So führen Ergebnisse einer Schülerbefragung, die Sc hülerInnen ohne Ausbildungsvertrag identifizieren sollte, zu Konflikten mit dem Arbeitsamt, das eine viel geringere Zahl nicht vermittelter BewerberInnen verzeichnet hatte (STIETZ 2001, 192f).

2.3.2  Zielerreichung

In allen drei Projekten werden die Zielsetzungen unterschiedlich klar definiert und im Akteursgefüge abgestimmt. Nur wenn lokale Zieldefinitionen systematisch definiert und operationalisiert werden, ist die systematische Erfolgsmessung möglich. Projektmanagement wird daher als sinnvolle Arbeitsweise für Vernetzungsprojekte gesehen (SCHIMPF 2001, 200; Weber i.V.).

2.3.3  Qualitätsmanagement

In allen Projekten zeigen sich Probleme bei der Umsetzung. Bedeutsame Schwierigkeiten werden auf der Ebene der Koordination gesehen (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 172). In allen Projekten votieren die regionalen Akteure grundsätzlich für eine "neutrale" Koordinationsfunktion (WEBER 2004) als Voraussetzung für eine erfolgreiche Zielerreichung. Es wird deutlich, dass es für Vernetzungsprojekte unverzichtbar ist, Qualitätskriterien gelingender Vernetzung zu definieren, um den Prozess steuern und auch evaluieren zu können (SCHIMPF 2001, 197ff).

2.3.4  Ressourceneinwerbung

In allen drei Projekten erweist sich die Motivation der Betriebe als erfolgskritischer Faktor. Interessiert sind Betriebe insbesondere an Informationen zu den Fördermöglichkeiten des Arbeitsamtes. Kontakte zu den Betriebsvertretern müssen beständig gepflegt werden, um deren kontinuierliche Mitarbeit zu sichern (BAUMERT/BRECHLIN 2001). Existieren ein großes Interesse und die aktive Beteiligung der Politik, wird Sogwirkung auf weitere politische Entscheidungsträger, wie z.B. Bürgermeister aus den kooperierenden Städten, VertreterInnen der Wirtschaft und der Arbeitsverwaltung erreicht. Ressourcen werden auch dadurch gewonnen, dass freie Träger "wissen wollen was passiert" (KESTER 2001) und dass methodische Innovation in den Kreis getragen wird (STOCKMANN 2001).

2.3.5  Synergien

Stabile Kooperationen können lediglich in einem der Projekte etabliert werden. Hier gelingt es auf breiter Basis, Aufgaben und Ziele des Projektes zu kommunizieren und den Nutzen für die einzelnen Partner herauszustellen. Insbesondere die BürgermeisterInnen können gewonnen werden, Bindeglied zur ortsansässigen Wirtschaft zu sein (BAUMERT/BRECHLIN 2001).

Aus den Ausbildungsforen bilden sich hier Arbeitsgruppen im Themenfeld "Schule und Betrieb". Lehrer und Betriebsinhaber entwickeln mit Unterstützung von Jugendarbeitern geeignete kleine Projekte, die den Übergang Schule-Beruf reibungsloser gestalten (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 169), so z.B. lokale Berufsmessen, gemeinsame Lehrstellenakquise mit je einem Mitglied der Gemeindevertretung und der Berufsberatung des Arbeitsamtes, Ferienpraktikumsbörse in Kooperation mit der Schulsozialarbeit und der Jugendarbeit, Kooperation Gesamtschule und berufsbildende Schule, in denen z.B. die berufliche Schule Fachräume sowie Lehrpersonal zur Verfügung stellt, um SchülerInnen der Jahrgangsstufe der Gesamtschule Einblicke in verschiedene Ausbildungsbereiche zu geben. Es werden Betriebe in Schulprojektwochen eingebunden, Berufserkundungen vor Ort durchgeführt, etc. (BAUMERT/BRECHLIN 2001, 170).

Im Projekt, in dem zentral angesetzt und mit dem Verfahren Zukunftskonferenz gearbeitet wurde, liegen die Wirkungen eher auf der Ebene der Diskursivierungs- und Öffentlichkeitswirkungen. So wird vor allem nach außen regionale Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen und nach innen die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen potenziellen NetzwerkpartnerInnen unterstützt (WEBER 2003, 2004).

2.4  Outcome

Als vierte Ebene der Evaluation schlägt TIPPELT (2004) in Anlehnung an KIRKPATRICK (1967) die Kategorien der "Strukturbildung", des "lebenslangen Lernens", der "Qualität", der "Ressourcenentwicklung" und der "Nachhaltigkeit" vor.

2.4.1  Strukturbildung

Lediglich ein Projekt erreicht eine nachhaltige Strukturbildung. Hier gelingt es in einer "Verselbstständigungsphase", die Koordination und Verantwortung auf lokaler Ebene den jeweiligen Bürgermeistern in Zusammenarbeit mit Jugendarbeit und Schulen zu übertragen (BAUMERT/BRECHLIN 2001). Hier werden schriftliche Vereinbarungen oder Kooperationsverträge geschlossen.

2.4.2  Lebenslanges Lernen

Aus einer prozessorientierten Perspektive wird Vernetzung verstanden als regionaler Lernprozess, als Lernen in, von und zwischen Organisationen (PRANGE 1999). Aus systemischer Perspektive wird davon ausgegangen, dass Lernprozesse im regionalen System nur begrenzt von außen steuerbar sind. Dabei wird angenommen, dass es eine bestehende regionale Kultur, Spielregeln und Spielmuster gibt, an denen angeknüpft werden muss, sollen Interventionen vor Ort anschlussfähig sein. Interventionen zur Entwicklung der regionalen Kooperationskultur zielen auf ein "Lernen zweiter Ordnung", d.h. auf Innovationen auf der Ebene der Regeln und Funktionsweisen des regionalen Systems (KÖNIGSWIESER/EXNER 1998).

2.4.3  Qualität

Zur Evaluation der Strukturen und Konzepte lokaler und regionaler Netzwerke im Bereich der Ausbildungs- und Arbeitsmarktförderung sind wissenschaftliche Untersuchungsinstrumente erforderlich (SCHIMPF 2001, 207). Eine Trennung von Projektmanagement und wissenschaftlicher Begleitung und eine anfängliche Klärung, wer welche Rolle übernimmt, verhindert, dass divergierende Konzepte, Arbeitsaufträge und Anforderungen den Prozess bestimmen (STRASSER 2001). In allen Projekten wird deutlich, dass die Koordinationsfunktion dann erfolgreich sein kann, wenn sie aus der Region stammt, über ein ausreichendes Maß an Vorbildung im Bereich der Jugendberufshilfe verfügt, mit den Strukturen vor Ort vertraut ist, über Verhandlungsgeschick, Moderations- und Präsentationskompetenz verfügt etc. (BENTHIN/WEBER 2001) - dies verdeutlicht das sehr hohe Anforderungsprofil an diese Aufgabe.

2.4.4  Ressourcenentwicklung

In den Netzwerkprojekten ging und geht es vorrangig darum, sich als Akteur der Jugendhilfe auf der planerischen und politisch-steuernden Ebene einzumischen (vgl. BENTHIN/HOCKERTS 2001). Netzwerksteuerung gerade im Feld der Jugendberufshilfe steht damit zwischen Kooperation und Konflikt: Zur Problemlösung ist ein kooperatives Zusammenwirken im Interesse eines Systems bzw. einer Sache erforderlich, das jenseits eines unmittelbar eigenen Nutzens liegt. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass Akteure in lokalen Netzwerken die regionalpolitischen Herausforderungen als ihre gemeinsame politische Gestaltungsaufgabe verstehen. Um eine Zusammenarbeit und Abstimmung der lokalen Akteure untereinander zu verbessern, bedarf es förderpolitischer Vorgaben, die einen lokalen Konsens und regionale Entwicklungskonzepte zur Bedingung machen und Kooperationsstrukturen institutionalisieren (SCHIMPF 2001).

2.4.5  Nachhaltigkeit

Die Frage nach der Wirkungsmessung wird als kritische Dimension bereits von KIRKPATRICK (1967) problematisiert. In allen drei Projekten wird deutlich, dass unterschiedliche Maßstäbe für Erfolg, Erfolgsdefinition und -kriterien angelegt werden. Soll die Anzahl vermittelter Ausbildungsplätze zugrundegelegt werden oder z.B. die Anzahl der Sitzungen verschiedener Berufsgruppen und Institutionen zum Thema Ausbildung? Qualitative Erfolge lassen sich am Zielerreichungsgrad der konzeptionellen Ziele feststellen. So gelingt in einem Projekt die Vernetzung von Institutionen und Personen im Sinne der Etablierung von Kommunikation (BAUMERT/BRECHLIN 2001). Exi stiert jedoch vor Ort kein politischer Wille, können weder Ressourcen akquiriert werden noch eine enge Anbindung an das Jugendamt gelingen (WEBER 2004). Alle drei Projekte werden in die neugeschaffene Struktur der Fachstellen Jugendberufshilfe und insofern in eine gewisse Kontinuität überführt.

3. Jugendberufshilfe zwischen Querschnittsthema, Zuständigkeitslücke n und integrierter Sozialraumplanung

An diesen kurzen Skizzen, die facettenhaft im Raster komplexer Evaluation strukturelle Problemlagen der Netzwerkentwicklung verdeutlichen, zeigt sich, dass die Kommunen mit ihrer neuen Aufgabe kommunikativer Planung in der Jugendberufshilfe in sehr unterschiedlicher Weise umgehen. Sie sehen sich oftmals finanziell und konzeptionell überfordert mit einem Aufgabenbereich, den man traditionell in der Verantwortung der Arbeitsämter sah. Die Bereitschaft der Jugend- und Arbeitsämter zu einer Zusammenarbeit ist bislang keineswegs flächendeckend gegeben und wird vielfach eher zögerlich angegangen. Die wechselseitige kulturelle "Fremdheit" der Ämter und die prekäre Haushaltslage der Kommunen verstärken das Anliegen der Jugendämter, sich finanziell zu entlasten und die Personenkreise der berufsbezogenen Jugendhilfe den Arbeitsämtern zuzuleiten, um kostenträchtige Jugendhilfeeinrichtungen zu umgehen (BBJ 2/1999, 5). Politische Zuständigkeiten, infrastrukturelle Bedingungen, Trägerlandschaft und gewachsene geographische Bezüge erschweren weiterhin die Situation für Vernetzung in der Jugendberufshilfe - gerade auch im ländlichen Raum. Hier stellt sich generell auch die Frage nach der Reichweite lokaler Netzwerke, die nicht systematisch in regionale Sozialraumplanung überführt werden (STRASSER 2001, 181). Netzwerkentwicklung in der Jugendberufshilfe bedarf, das zeigen diese Schlaglichter auf erfolgskritische Faktoren der Vernetzung, der systematischen Gestaltung des Prozesses unter den Bedingungen struktureller Ungewissheit (WEBER 2004). Komplexe Evaluation geht hierbei über in die Gestaltung kollektiver Lernprozesse (WEBER i.V.) im Horizont reflexiver Netzwerkregulation (WINDELER 2001).

 

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