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 bwp@ Ausgabe Nr. 9 | Dezember 2005
Betrieb als Lernort

Lernprozesse im Betrieb zwischen Subjektivierung und Kollektivierung – Dilemmasituation oder Potential ?


 

 

Abstract

Die aktuelle Diskussion um betriebliche Bildungsarbeit und den Lernort Betrieb wird u. E. derzeit durch zwei wesentliche Trends bestimmt: Insbesondere die betriebliche Weiterbildung ist durch eine Subjektivierung und Individualisierung der Lernprozesse und entsprechender didaktischer Strukturelemente gekennzeichnet. Somit suggeriert die häufig konstatierte zunehmende Bedeutung des informellen Lernens, die Verknüpfung des Kompetenzerwerbs mit den individuellen Arbeitskontexten der Mitarbeiter oder die Akzentuierung selbstorganisierten Lernens unter Nutzung neuer Medien auf der einen Seite eine Abkehr von ‚normierten' und curricular aufbereiteten Lernangeboten. Diesem ‚Subjektivierungstrend‘ steht jedoch das – zumindest aus Unternehmenssicht – fundamentale Interesse einer Kollektivierung erworbenen Wissens gegenüber (‚Kollektivierungstrend‘), z. B. im Rahmen eines Wissensmanagements oder einer ‚Lernenden Organisation‘. Hierbei geht es darum, insbesondere Erfahrungswissen zu explizieren und für die Weiterbildung und für die Unternehmensentwicklung zu nutzen.

Diese beiden Trends weisen darauf hin, dass sich die Ambivalenz des betrieblichen Wandels zwischen ökonomischer Zweckorientierung und individueller Entwicklung immer weiter verschärft und somit das Spannungsfeld zwischen betrieblichen und individuellen Beweggründen, Interessen und Bedarfen ständig neu ausgelotet und reflektiert werden muss. Zwar wurde in den vergangenen Jahren die Beziehung von pädagogischer und ökonomischer Vernunft immer wieder auf einer grundsätzlichen bzw. paradigmatischen Ebene thematisiert . Es liegt jedoch derzeit nur in Ansätzen eine konstruktive Verknüpfung dieser Diskussion zu Fragen der konkreten Gestaltung betrieblicher Lernformen und -methoden, d.h. einer untergeordneten, eher anwendungsorientierten Ebene im Lernort Betrieb vor.

Ausgehend davon ist es das Ziel des Beitrags, die Ambivalenz des betrieblichen Wandels aufzugreifen und für die Berufs- und Wirtschaftspädagogik und damit auch den Lernort Betrieb und seine betriebspädagogische Gestaltung anhand zentraler Begriffe eine erste Analyse zu erarbeiten, mit der diese Ambivalenz und der Gesamtkontext des Lernens im Betrieb differenziert betrachtet werden kann.