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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

Einzelbeiträge
Herausgeber: Thomas Bals & Heike Hinrichs


Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung: Modellversuche erschließen Potenziale

Beitrag von Helmut ERNST & Gisela WESTHOFF (Hochschule Wismar & BIBB)

Abstract

In der Zeit vom 1. März bis zum 1. April 2011 haben 18 Modellversuche im neuen Förderschwerpunkt „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ ihre Arbeit aufgenommen. Das Ziel der Modellversuche besteht darin, der zunehmenden Heterogenität junger Menschen in der beruflichen Bildung adäquat zu begegnen. Dazu sollen vorhandene Konzepte, Instrumente und Methoden überprüft, angepasst, erprobt und neue Ansätze entwickelt werden, die einen zukunftsweisenden Umgang mit den neuen Herausforderungen ermöglichen. Der folgende Beitrag erläutert die zentralen Ziele des Modellversuchsförderschwerpunktes (Programms ), gibt einen Einblick in die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu seiner Vorbereitung und zeigt den Stand der Arbeiten sowie die weiteren Perspektiven an einem konkreten Beispiel auf. Basis der Arbeiten sind der gesetzliche Auftrag, verankert im Berufsbildungsgesetz, nach dem seit über 30 Jahren in Deutschland in Wirtschaftsmodellversuchen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung Innovationen in der Zusammenarbeit von Praxis, Wissenschaft und Politik erforscht, entwickelt, umgesetzt und verbreitet werden .

1 Gründe für einen neuen Blick auf die zunehmende Heterogenität und Vielfalt

Noch immer hat eine Vielzahl junger Menschen erhebliche Schwierigkeiten im Übergang von der Schule in den Beruf, einen geeigneten Platz zu finden. Ihre Chancen, eine betriebliche Ausbildungsplatz zu beginnen, werden von vielfältigen, sich überlagernden oder interagierenden (bildungs-)biografischen Faktoren bestimmt, wie z.B. Migrationshintergrund, Alter, persönliche Problemlagen, eine mehr oder weniger günstige Vorbildung und schulische Ausbildungsvoraussetzungen. Auch sind Fördermaßnahmen, die Ihnen beim Übergang helfen sollen, nicht immer zielführend.

Gleichzeitig klagen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen über rückläufige Bewerberzahlen und aus ihrer Sicht unzureichend geeignete Auszubildende. Ein Fachkräftemangel  wird zukünftig befürchtet und ist zum Teil auch schon spürbar. 

Folgende Herausforderungen sind derzeit für die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie für den Übergang von der Schule in den Beruf prägend:

  • Die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger geht kontinuierlich zurück.
  • Der Anteil der Bewerbungen aus dem Übergangssystem nimmt zu.
  • Die Struktur der Bewerberinnen und Bewerber um betriebliche Ausbildungsplätze verändert sich: eine zunehmende Heterogenität und Vielfalt wird festgestellt.
  • Betriebe, Berufsschulen, Bildungsdienstleister haben neue Aufgaben zu bewältigen.
  • Heterogenität in der beruflichen Bildung zeigt sich sehr unterschiedlich.
  • Neue Potenziale müssen erschlossen werden.
  • Die Ausbildungsfähigkeit und Ausbildungsreife aller Beteiligten rückt in den Fokus der Förderung.

Der Förderschwerpunkt / das Modellversuchsprogramm „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ setzt bei diesen Herausforderungen an. Er zeigt mit Hilfe von Forschung, Entwicklung, Transfer und Verstetigung innovative Wege in die Ausbildung auf und setzt damit § 90 des BBiG um, in dem die Aufgabe Bundes, Wirtschaftsmodellversuche zu fördern, festgelegt ist.

Nach öffentlicher Bekanntgabe der Förderrichtlinien sind 18 bundesweite Modellversuche ausgewählt worden. Sie haben ihre Arbeit im Frühjahr 2011 aufgenommen. In einem Zeitraum von 36 Monaten werden die einzelnen Projekte unterschiedliche Fragestellungen innerhalb des gemeinsamen Themas behandeln. Die zunehmende Heterogenität der Jugendlichen steht im Zentrum, ein gelingender Übergang von der Schule in den Beruf wird als Herausforderung und Chance begriffen. Es gilt, übertragbare Konzepte, Instrumente und Methoden zu überprüfen, neue zu entwickeln und diese umzusetzen, um das Potenzial der jungen Menschen für die Auszubildenden zu erweitern und somit schließlich den Fachkräftebedarf der Unternehmen zu sichern[1].

Die Vorbereitung des Förderschwerpunktes war von einem ausführlichen Forschungsprozess begleitet, der in intensivem Austausch mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Praxis, der Wissenschaft und der Politik gestaltet wurde[2].

2 Ausgewählte Ergebnisse der vorbereitenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten

Dem Start des neuen Modellversuchsprogramms ging ein intensiver Prozess der Vorbereitung voraus, in dem Akteure aus der Praxis, der Politik und der Wissenschaft beteiligt waren. Der erste Impuls kam aus der Praxis, dort waren die ersten Anzeichen für die veränderte Situation, vor allem aufgrund der Demografie und ihren Auswirkungen auf eine deutlich zunehmende Verringerung der Zahl der Schüler/-innen, der Schulabgänger/-innen und als Folge auch der Auszubildenden zu verzeichnen. Die Zeit der Vorbereitung wurde seitens des BIBB, mit Unterstützung des BMBF genutzt, um den notwendigen Diskurs der verschiedenen Beteiligten zu systematisieren und wissenschaftlich zu untermauern. Dieser Prozess hat den Förderschwerpunkt deutlich geprägt, ist in die laufenden Arbeiten integriert und wird diese auch weiterhin begleiten. 

Dieser Initiative aus der Berufsbildungspraxis und -wissenschaft, umfasste folgende Aktivitäten:

  • Gutachten innerhalb der Berufsbildungsforschungsinitiative (BMBF/BIBB): „Bildungskonzepte für heterogene Gruppen - Situationsanalyse und Handlungsbedarf“ (ZWH Düsseldorf mit SAZ Schwerin und GEBIFO Berlin, 2008 - 2009),
  • Diskussion der Ergebnisse / Befragung von Expertinnen und Experten / Überprüfung der Forschungsfragen / Expertenworkshops (2008 bis 2010),
  • Befragung des BIBB: Betriebe und Bildungsdienstleister (BIBB / Forschungsgruppe SALSS, November 2009),
  • Förderschwerpunkt nach § 90 BBiG (Modellversuche): „Neue Wege in die duale Ausbildung – Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung“ einschließlich wissenschaftlicher Begleitung,
  • Weitere Prozessbegleitung (z. B. ergänzende Forschung, Kooperationen, Netzwerke, Öffentlichkeitsarbeit)[3].

Der Prozess zeigt, dass es notwendig ist, den Modellversuchsförderschwerpunkt einer solchen Thematik und Größenordnung intensiv und forschungsgeleitet im Diskurs mit der Fachöffentlichkeit vorzubereiten. Damit wurden die Fakten systematisiert, gebündelt, die Förderrichtlinien für das Programm insgesamt untermauert und Klarheit für die einzelnen Anträge geschaffen. Für diesen Prozess waren folgende zentrale Forschungsfragen leitend:

  • Wie geht die berufliche Bildung zukünftig mit der zunehmenden Heterogenität junger Menschen in der beruflichen Bildung um, welche Rolle spielt die Berufsvorbereitung, die Ausbildung in den Betrieben, den (Berufs-) Schulen, der außer- und überbetrieblichen Bildung und der Weiterbildung?
  • Welche Konzepte sind für die berufliche Bildung notwendig, um mit der Herausforderung zunehmender Heterogenität erfolgreich umzugehen und die in ihr liegenden Potenziale zu nutzen?
  • Wie können vorhandene Ansätze, Methoden und Instrumente weiter entwickelt werden, welcher Handlungsbedarf ergibt sich?
  • Wo liegen die neuen Aufgaben des Berufsbildungspersonals?
  • Was leistet das Übergangssystem in dieser Hinsicht?

Die Ergebnisse haben die Förderrichtlinien und die Aufgabe der wissenschaftlichen Begleitung deutlich geprägt. Danach wurde festgestellt, dass insbesondere das Bildungspersonal neu gefordert ist. Auch wenn es sich bei dem Thema „Umgang mit heterogenen Lerngruppen“ nicht um eine fundamental neue Herausforderung handelt, so stellen die zunehmende Tendenz hierzu und die größere Verschiedenheit der Merkmale aufgrund des demografischen und gesellschaftlichen Wandels dennoch eine erhebliche Steigerung dar. In den allgemeinbildenden Schulen und in den ostdeutschen Bundesländern ist der demografische Wandel bereits im pädagogischen Alltag angekommen. Wie die Forschungen des BIBB in Kooperation mit verschiedenen Partnerinnen und Partnern ergeben haben, stellen Lehrer/-innen in den berufsbildenden Schulen, Ausbilder/-innen in Betrieben und  Bildungsdienstleistungsinstitutionen) sowie die ausbildenden Fachkräfte in den Unternehmen die Veränderungen mittlerweile aber ebenso fest und benötigen Hilfe bei der täglichen Arbeit. Die Ergebnisse der standardisierten und offenen Interviews der Jahre 2008 bis 2010 haben auch gezeigt, dass vor allem KMU, aber selbst größere Unternehmen auch im süddeutschen Raum, der bisher weitgehend wenig von den Veränderungen berührt war (z. B. aufgrund von Zuwanderungen von Ausbildungsbewerber/-innen und von Fachkräften aus anderen schwächer strukturierten Regionen), Sorge um die Sicherung des Bedarfs an qualifiziertem Nachwuchs äußern (Abbildung 1 und 2).  

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Abb. 1:      Heterogenität der Bewerber und Bewerberinnen
Quelle: JABLONKA/TIMPER (2009)

Aus der Abbildung 1 ergibt sich dass die meisten Veränderungen der Struktur der Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungsplätze aus der Sicht der Betriebe auf eine Steigerung der vorausgegangenen beruflichen Grundbildung/Berufsvorbereitung beruht. Nach den Ergebnissen der Gruppendiskussionen und Befragungen der Experten/-innen hat sich jedoch gezeigt, dass die Betriebe diese Vorbereitung bisher nur in Ausnahmefällen als zusätzliche Qualifizierung der jungen Menschen nach der allgemeinbildenden Schule und damit als Verbesserung der Ausbildungsreife ansehen. Das Gegenteil ist eher der Fall: es herrschen deutliche Vorbehalte gegenüber diesem Bewerber/-innenkreis, die auch in der Einschätzung „… nicht richtig wissen, was sie wollen….“ zum Ausdruck kommen. Das Modellversuchsprogramm wird hier ansetzen müssen, ggf. in Richtung eines Abbaus von Vorurteilen oder einer Strategie zur Veränderung des Angebots zur Berufsvorbereitung bzw. zu Angeboten neuer Formen des Übergangs zwischen Schule und betrieblicher Ausbildung. Die weiteren Nennungen bestätigen die Veränderungen in der Zusammensetzung der Jugendlichen im Hinblick auf die zunehmende Vielfalt.

Abbildung 2 zeigt auf, wo die befragten Betriebe Unterstützungs- und Handlungsbedarf zum Umgang mit den aufgezeigten Veränderungen sehen.

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Abb. 2: Gewünschte Unterstützung im Umgang mit der zunehmenden Vielfalt und Heterogenität seitens der befragten Unternehmen
Quelle: JABLONKA/TIMPER (2009)

Deutlich wird der erhöhte Fortbildungsbedarf für das Ausbildungspersonal: die Ausbilder/-innen und die ausbildenden Fachkräfte. Abgesehen von dem nicht überraschenden Wunsch nach einer finanziellen Förderung kam ein Unterstützungsbedarf bei auftretenden Konflikten zum Ausdruck; fügt man hier die ebenfalls in diese Richtung weisende „Entlastung durch externes Ausbildungsmanagement“ hinzu, einer Dienstleistung, die sicherlich auch noch einer weiteren Verbreitung bedarf, so umfassen diese Nennungen zusammen einen Anteil von 86 %[4]. In einer Ausrichtung dieses Angebots auf das Thema „Heterogenität“ in den neuen Modellversuchen liegt eine große Chance zur Annahme der neuen Herausforderungen.

In der parallelen standardisierten Befragung der Bildungsdienstleister sowie in den Interviews der Expertinnen und Experten wurden die ausgewiesenen Aspekte weitgehend bestätigt.

3 Ziele und Strategien des neuen Förderschwerpunkts

Die zentralen empirischen Ergebnisse aus dem Forschungs- und Entwicklungsprozess zur Vorbereitung des neuen Modellversuchsprogramms lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die zunehmende Heterogenität stellt eine neue Herausforderung für das Bildungspersonal in Schule, Betrieb und bei Bildungsdienstleistern dar.
  • Ein adäquater Umgang benötigt innovative Konzepte, Instrumente, Netzwerke und Kooperationen.
  • Das gilt für die Berufsorientierung, das Übergangssystem, die duale Ausbildung in Schule und Betrieben und für die berufliche Weiterbildung.
  • Kleine und mittlere Unternehmen sind besonders gefordert.
  • Gestaltungsspielräume und Flexibilitätspotenziale des Berufsbildungssystems bieten den rechtlichen und pädagogischen Rahmen für neue Konzepte.
  • Betriebliche Ausbildung bedeutet eine soziale Verantwortung für alle Jugendlichen - guter Facharbeiternachwuchs ist aus allen Schulformen zu gewinnen.
  • Leistungsvoraussetzungen der Stellenbewerber und die Qualifikationsanforderungen der Betriebe sind zu kommunizieren und zu verbinden.
  • Es gilt, Ausbildungsabbrüche zu reduzieren.
  • Strategien zur Integration der Heterogenität in der Ausbildung im Betrieb und in der Zusammenarbeit mit den Partnern müssen entwickelt und vorhandene Konzepte gezielt genutzt werden.

Die Befunde aus der vorhergehenden Phase galt es für die Konzeption des Modellversuchsprogramms zu nutzen. Der erste Schritt der Konkretisierung bestand in der Formulierung der Förderrichtlinien, die im Mai 2010 veröffentlicht wurden. In einem zweistufigen Verfahren konnten sich bundesweit einschlägige Institutionen der beruflichen Bildung mit innovativen Konzepten und Projektideen bewerben. Nach der Auswahl und ausführlicher Antragsberatung erfolgte eine europaweite Ausschreibung der wissenschaftlichen Begleitung. Der Modellversuchsförderschwerpunkt einschließlich seiner wissenschaftlichen Begleitung hat die Arbeit im Frühjahr 2011 aufgenommen. Das beauftragte Forschungskollegiums begleitet die Forschungs- und Entwicklungsprozesse des Programms insgesamt und der einzelnen Modellversuche in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem BIBB.

Die Ziele und Strategien  lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ziele des Modellversuchsprogramms insgesamt 

  • Sensibilisierung für Unterschiedlichkeiten und Vielfalt  (Jugendliche / Ausbildungs- und Lehrpersonal),
  • Spezielle Förderung (Sprache, Lerntechniken, Mathematik, Teamarbeit, Ausgleich von Lernschwächen, Prüfungsvorbereitung…),
  • Verbindung von individueller Förderung und Lernen in der Gruppe,
  • Gegenseitige Unterstützung von leistungsstarken und leistungsschwachen Jugendlichen,
  • Zusatzqualifikationen für Leistungsstarke,
  • Lernortkooperation und Vernetzung,
  • Stärkung des Ausbildungs- und Lehrpersonals (Weiterbildung, Erfahrungsaustausch),
  • Einsatz des externen Bildungsmanagements.
  • Vorhandene Konzepte nutzen und an den neuen Zielen ausrichten
  • Verzahnung der entwickelten und erprobten Konzepte zwischen den Akteuren
  • Verstetigung der Ergebnisse in den Prozessen berücksichtigen,
  • einen zukunftsweisenden Umgang mit der Heterogenität erarbeiten.

Strategien zur Erreichung der Ziele

  • Vorhandene Konzepte nutzen und an den neuen Zielen ausrichten.
  • KMU als zentrale Zielgruppe der Akteure des dualen Systems in den Fokus stellen.
  • Externes Bildungsmanagement einbringen.
  • Die Ergebnisse prozessbegleitend zwischen den Akteuren vernetzen.
  • Verstetigung des Erreichten in den Prozessen berücksichtigen.
  • Die wissenschaftliche Begleitung kontinuierlich einbeziehen.
  • Einen zukunftsweisenden Umgang mit der Heterogenität erarbeiten.
  • Transferkonzepte anwenden und weiter entwickeln.
  • Praxis, Wissenschaft und Politik als zentrale Bezugssysteme systematisch nutzen und miteinander verbinden.

In den Zielen und Strategien spiegeln sich die Schwerpunkte wider, die von den Einzelprojekten bearbeitet werden. Insgesamt arbeiten alle Beteiligten daran, einen Beitrag zur Erreichung des gemeinsamen Ziel zu leisten, das darin besteht, Heterogenität als Chance für die Fachkräftesicherung zu erschließen, indem innovative Wege in der dualen Ausbildung unter dem Aspekt zunehmender Heterogenität der Jugendlichen im ausbildungsfähigen Alter in Modellversuchen exemplarisch erforscht und entwickelt werden. Der Fokus liegt auf dem ganzheitlichen Ansatz, in dem sowohl die Übergänge als auch wichtige Phasen der Ausbildung und deren Perspektiven in der Beschäftigung analysiert, gestaltet und verbreitet werden. Die Arbeit richtet sich auf die Gesamtheit der Jugendlichen in ihrer Vielfalt und Heterogenität sowie auf das Zusammenwirken im Bildungsprozess als einem Teil der Bildungskette. Die individuelle Förderung und die soziale Orientierung müssen untrennbar verbunden werden, um eine Verengung auf einzelne Zielgruppen zu vermeiden.

4 Ansätze zum Innovativen Umgang mit Heterogenität in einem Bildungsdienstleister

4.1 Die Ausgangssituation

Zu den Modellvesuchsakteuren gehören vor allem kleine und mittlere Unternehmen und Bildungsdienstleister. Gerade letztere haben mit der Entwicklung von Modellen des externen Ausbildungsmanagements zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Nachfolgend soll beschrieben werden, auf welche Weise ein Bildungsdienstleister (das Schweriner Ausbildungszentrum) in der Region Westmecklenburg im Modellversuch „Vielfalt und Innovation“ mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen arbeitet, um nachhaltige Ausbildungsstrukturen angesichts zunehmender Heterogenität zu schaffen.

Die Wirtschaft in der Region Westmecklenburg steht vor großen Herausforderungen. Um wettbewerbsfähige und zukunftsgerichtete Unternehmensstrukturen zu erhalten bzw. neu aufzubauen, müssen die Probleme des tiefgreifenden demografischen Wandels bewältigt werden. In den kommenden Jahren ist mit Einbrüchen bei der Gewinnung von geeigneten Ausbildungsplatzbewerbern zu rechnen. Der massive Rückgang in den Bewerberzahlen (für 2011 wird in Mecklenburg-Vorpommern eine Unterdeckung von 50 % erwartet, d.h. den etwa 12.000 angebotenen betrieblichen Ausbildungsplätzen werden nur etwa 6.000 Bewerber/innen gegenüber stehen [Aussage von R. Möller - Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus auf der Netzwerkberatung NORKUN des SAZ am 08.07.2010 in Schwerin]) trifft vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

Die KMU hatten es in der Vergangenheit beim Berufemarketing und in der Ausbildung leichter. Durch die hohen Bewerberzahlen und die dadurch mögliche stärkere Selektion hatten sie es zumindest hinsichtlich der Vorbildung mit relativ homogenen Gruppen zu tun. Die Auszubildenden kamen gleich nach der Schule ins Unternehmen, sie waren meist qualifizierte Realschüler und es gab kaum Auszubildende mit Migrationshintergrund. Das Spektrum ist in den letzten Jahren deutlich breiter geworden.

Durch den demographischen Wandel werden die KMU überproportional beeinträchtigt. Die größeren Unternehmen können viel Zeit und Ressourcen in die Bewerbersuche investieren. Sie suchen sich die besten Bewerber aus und haben auch bei dem Rückgang der Bewerberzahlen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den KMU, für die sich die Lage dramatisch ändert. Deutlicher Fachkräftemangel zeichnet sich bereits jetzt ab.

In  den KMU wächst daher langsam die Bereitschaft auch Jugendliche mit schlechteren Schulabschlüssen zu nehmen, z.T. auch Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund oder mit Lernschwierigkeiten. Außerdem wird sukzessive auf die Gruppe der sog. Alt- und Uraltbewerber, die teilweise multiple Vermittlungshindernisse haben, zurückgegriffen. Die Heterogenität steigt damit u.a. hinsichtlich Alter, Vorbildung und Migrationshintergrund an. Allerdings gibt es in den Unternehmen große Befürchtungen, dass diese Jugendlichen wenig für die Ausbildung geeignet sind (mangelnde Ausbildungsreife). Damit wächst  auch der Unterstützungsbedarf (herangetragen an den Bildungsdienstleister SAZ) zum Umgang mit dieser neuen Vielfalt.

Exemplarisch wird diese veränderte Situation im Zielgebiet des Projekts, dem Industriepark Schwerin-Sacktannen- Wittenförden deutlich. Mit etwa 50 Unternehmen und 1.000 Beschäftigten ist das Industriegebiet für die Region Westmecklenburg und die Stadt Schwerin von zentraler Bedeutung. Im Industriepark befinden sich zwei der größten produzierenden Unternehmen in Schwerin: die „Prysmian Kabel & Systeme GmbH“ mit knapp  320 Beschäftigten sowie der zu den weltweit größten Herstellern von Kunststoffbehältern zählende Betrieb „Schoeller Arca Systems GmbH“ mit zirka 160 Mitarbeitern. Diese beiden Unternehmen gehören bereits zum Netzwerk und Ausbildungsverbund des SAZ.

Gegenwärtig bilden die hier ansässigen Unternehmen im Verbund mit dem SAZ 42 Auszubildende aus bzw. haben die Auszubildenden zum 1.9.2010 eingestellt, zwei weitere Jugendliche werden noch im auslaufenden Ausbildungsplatzprogramm Ost (SOPRO) ausgebildet. Diese Jugendlichen zeichnet eine große Vielfalt aus, wobei die Heterogenitätsmerkmale vor allem im Alter, in der Vorbildung und in den unterschiedlichen Berufen liegen. Hinzu kommen Jugendliche mit Migrationshintergrund und differenziertem Förderbedarf.

Die Abbrecherquote liegt dank der Unterstützung durch den Aus- und Weiterbildungsverbund bei 5%. 16 Ausbildungsplätze konnten zum Lehrjahresbeginn 2010 nicht besetzt werden. auch für das Ausbildungsjahr 2011/2012 zeichnen sich ähnliche Tendenzen ab.

Bisher hatte das Schweriner Ausbildungszentrum mit einzelnen dieser Unternehmen bereits gemeinsame Vorhaben, wie z.B. die Service-Ausbildung und die Unterstützung im Rahmen des externen Ausbildungsmanagements. Vor allem mit 5 der etwa 50 Unternehmen des Gebietes bestehen sehr enge kooperative Beziehungen. Jetzt kommt es im Interesse der weiteren Fachkräftesicherung und den deutlich erkennbaren Einbrüchen bei der Gewinnung von geeigneten Ausbildungsplatzbewerbern in diesem Gewerbepark darauf an, an die vorhandenen Verbund- und Netzwerkstrukturen unter Einschluss eines Bildungsdienstleisters anzuknüpfen. Es geht also nicht um den Aufbau neuer Netze, sondern um die inhaltliche Erweiterung, den weiteren Ausbau und die Einbindung in Bildungsketten. Dabei sollen betriebsübergreifende Aus- und Weiterbildungsstrukturen für Jugendliche mit unterschiedlichsten Voraussetzungen nachhaltig etabliert werden. Außerdem  sollen Instrumente zur Nachwuchsgewinnung implementiert werden. Eng verknüpft damit ist die arbeitsintegrierte Qualifizierung des Bildungspersonals an den Lernorten Betrieb und Bildungsdienstleister im Umgang mit Jugendlichen mit vielfältigen Voraussetzungen.

4.2 Die Ziele

Um also wettbewerbsfähige und zukunftsgerichtete Unternehmensstrukturen zu erhalten bzw. neu aufzubauen, müssen für kleine und mittlere Unternehmen angesichts eines tiefgreifenden demografischen Wandels die Voraussetzungen geschaffen werden, um zum einen mit dem Bewerberrückgang und zum anderen mit der Vielfalt der Bewerber umzugehen.

Im Modellversuch werden die Herausforderungen der Heterogenität bei den Bewerbern und Auszubildenden hinsichtlich Kriterien wie Vorbildung, Alter oder Migrationshintergrund, die sich insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen ergeben, exemplarisch für die Zielregion Industriepark Schwerin-Sacktannen/Wittenförden bearbeitet.

Dabei wird  ein ganzheitlicher Ansatz umgesetzt, der vier Haupthandlungsfelder miteinander verknüpft:

Auf diese Weise entwickelt und realisiert das Schweriner Ausbildungszentrum transferfähige Konzepte im Umgang mit Heterogenität, die auf die speziellen Bedürfnisse der KMU in Mecklenburg-Vorpommern eingehen. Den Jugendlichen wird damit auch bei unterschiedlichen Vorrausetzungen eine faire Chance zur Ausbildung geboten und die kleinen und mittleren Unternehmen erhalten die Möglichkeit, die Herausforderung des Fachkräftebedarfs zu bewältigen.

Berufemarketing  und Matching

Durch den Modellversuch wird für die Unternehmen ein konkreter Mehrwert durch ein konzentriertes Ausbildungs- und Berufemarketing und ein zielgenaues Matching geboten. Eine gemeinsame Vermarktung des Potentials der Unternehmen und der Perspektiven speziell auch für Auszubildende erhöht die Effizienz der Fachkräftebeschaffung.

Grundlage dafür ist zum einen ein Ausbildungsmarketing, um die bisher noch skeptischen Unternehmen zu überzeugen. Ein wichtiger Schritt für mehr Akzeptanz der Ausbildung ist die Information der Entscheidungsträger in den Unternehmen. Dazu werden auf der Internetseite des Modellversuchs die Vorteile und die Lösungen für Probleme bei der Ausbildung erläutert. 

Speziell bei den kleineren Unternehmen ohne eigene Personalabteilung ist ein großer Handlungsbedarf vorhanden. Noch ist nicht allen Unternehmen die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung als wichtigstes Mittel einer langfristigen Personalentwicklungsstrategie deutlich geworden. Viele Unternehmer sehen etwa bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter/-innen eher die Gefahr, dass diese anschließend den Betrieb verlassen. Die Aus- und Weiterbildungskultur in den Unternehmen ist dementsprechend defizitär, was in einem Teufelskreis wiederum zu einer geringeren Attraktivität für externe Fachkräfte aber auch für die Mitarbeiter/-innen im Unternehmen führt.

Zum anderen müssen die Schulen und (potentiellen) Ausbildungsplatzbewerber im Sinne eines klassischen Berufemarketings angesprochen werden. Um die Nachwuchsgewinnung zu verbessern, muss die Akzeptanz und Bekanntheit der Unternehmen und ihrer Berufe gemeinsam mit der Kommune verstärkt werden. Dazu wird eine Imagekampagne organisiert, die Internetplattform genutzt und die Zusammenarbeit mit Politik, Medien und Schulen verstärkt. Ziel ist es, die Marke „Qualifizierte Ausbildung in Sacktannen- Wittenförden“ stärker im Bewusstsein zu verankern.

Außerdem muss ein passgenaues Matching organisiert werden. Um den jeweiligen Firmen passgenaue Angebote von geeigneten Jugendlichen für ein Praktikum oder eine Ausbildungsstelle unterbreiten zu können, sind einerseits die Eignungsprofile der Jugendlichen zu dokumentieren, andererseits die sich ständig wandelnden Anforderungsprofile der Unternehmen zu erfassen. Im Zentrum einer derartigen Tätigkeit steht  daher beim SAZ ein Arbeitsteam, das sich aus Integrationscoaches und sogenannten Mentoren (bestehend aus Ausbildern, Fachlehrern und ggf. Sozialpädagogen) zusammensetzt.

Qualifikation der Ausbilder im Umgang mit Heterogenität

Um mit Heterogenität umgehen zu können, müssen die ausbildenden Fachkräfte in den Unternehmen sensibilisiert und geschult werden. Die ausbildenden Fachkräfte hatten es in der Vergangenheit durch die hohen Bewerberzahlen und die dadurch mögliche stärkere Selektion mit homogenen Gruppen zu tun. Die Auszubildenden kamen als qualifizierte Realschüler gleich nach der Schule ins Unternehmen und es gab kaum Auszubildende mit Migrationshintergrund. Das Spektrum ist in den letzten Jahren breiter geworden. Es werden zunehmend Jugendliche mit schlechteren Schulabschlüssen genommen und die Zahl der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund steigt. Außerdem wird sukzessive auf die Gruppe der sog. Alt- und Uraltbewerber, die teilweise multiple Vermittlungshindernisse haben, zurückgegriffen. Die Heterogenität steigt u.a. hinsichtlich Alter, Vorbildung und Migrationshintergrund. 

Um mit den unterschiedlichen Vorrausetzungen umgehen zu können, muss das Ausbildungspersonal in den Unternehmen qualifiziert sein. In einem ersten Schritt müssen sie für die pädagogischen und sozialen Herausforderungen, die sich aus der Heterogenität ergeben, sensibilisiert werden. In Gesprächsrunden werden die Ausbilder informiert und es werden mögliche Vorbehalte und Probleme analysiert und diskutiert.

In einem zweiten Schritt müssen die Ausbilder auf der Basis einer detaillierten Analyse der Vorrausetzungen in den Unternehmen qualifiziert werden. Exemplarisch wäre etwa bei vielen Ausbildern ein Workshop zur Migration indiziert, um den Umgang mit kultureller Heterogenität zu verbessern. In diese Workshops  können langjährige Partner des SAZ wie die Flüchtlingshilfe Schwerin oder das Migrationsnetzwerk ReKobim  einbezogen werden.

Außerdem werden mit erfahrenen Ausbildern des SAZ Handlungswege im Umgang mit Diversität erarbeitet. Die Ausbilder im SAZ haben im Umgang mit heterogenen Gruppen von Teilnehmern der Berufsvorbereitung bis hin zu dualen Studenten praktische Erfahrungen auf dem Gebiet.

Diese praktischen Erfahrungen sollen auf u.a. auf einer Onlineplattform dokumentiert und diskutiert werden. Durch den Netzwerkmanager werden die einzelnen Instrumente und  Maßnahmen so aufbereitet, dass sie verallgemeinerbar und transferfähig sind und möglichst in allen Unternehmen genutzt werden können. Sie werden dann auf der Interseite (anfangs in der Erstellungs- und Diskussionsphase im internen Bereich) publiziert.

Diskussion und Dokumentation von best practice Beispielen

Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Dokumentation von best practice Beispielen aus der Ausbildung. Dazu werden entsprechende Fallstudien  erarbeitet.  Im SAZ und in den Unternehmen liegt vielfach Expertenwissen vor, wie man Herausforderungen in der Ausbildung durch Heterogenität exemplarisch lösen kann. Mit den Fallstudien kann dieses implizite Expertenwissen  externalisiert werden. Das Wissen der Experten zu einem konkreten Problem in der Ausbildung  wird unter Moderation des Netzwerkmanagers dazu in einzelne Bereiche aufgegliedert.

Diese Fallstudien vermitteln best practices erfahrener Praktiker und helfen speziell den ausbildungsfernen Unternehmen dabei, Fehler zu wiederholen („lessons learned“)[5]. In Abgrenzung zu Guidelines wird vermieden, zu allgemein (im Sinne reiner Prinzipien) oder zu speziell (im Sinne von Richtlinien) zu formulieren. Fallstudien bilden eine Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Sie vermitteln theoretisch fundiert handwerkliches Können und sind für den Transfer und damit die Steigerung der Qualität der Ausbildung vorteilhaft und systematisch einsetzbar. Die Patterns können von den Unternehmen bzw. Projektpartnern bearbeitet und kommentiert werden.

Qualifikation und Coaching der Jugendlichen

Über die Onlineplattform wird auch die Unterstützung der Jugendlichen organisiert. Im internen Bereich besteht ein Übergang zum Lernmanagementsystem des SAZ.

Die Heterogenität erfordert ein breites Spektrum an bedarfsorientierten Angeboten, die nach dem Prinzip der Bildungsketten bereits in der Berufsorientierung beginnen können.  Auf der Basis einer eingehenden Potentialanalyse können vorhandene Defizite schon relativ früh in Angriff genommen werden. So können bereits in den vom Projekt organisierten Praktika in den Unternehmen die heterogenen Voraussetzungen berufs- und unternehmensspezifisch thematisiert werden. Die Anforderungen der Unternehmen können mit den Kompetenzen der Jugendlichen abgeglichen und Schwerpunkte für ein passgenaues Matching identifiziert werden.

In der Ausbildung wird die Arbeit weiter vertieft. Die Auszubildenden nehmen Kurse im SAZ wahr, die speziell die Kompetenzentwicklung als Ziel haben. Beispielsweise kann die Selbstlernkompetenz durch den Kurs „Lernen lernen“ erweitert werden. Der Kurs beinhaltet eine Onlinephase, in der die Auszubildenden gemeinsam Lernaufgaben bearbeiten. Dabei lernen sie auch und vor allem voneinander und können die Heterogenität produktiv nutzen. Individuelles und kooperatives Lernen werden so effektiv verbunden.

Wenn fachspezifische Defizite bestehen, wird in enger Absprache mit den Berufschulen und den Trägern der ausbildungsbegleitenden Hilfen Unterstützung angeboten. Basierend auf der Eingangsanalyse wird ein individueller Entwicklungsplan erstellt, in dem die Schritte einzeln durch Zielvereinbarungen fixiert sind.

Umgang mit Heterogenität bedeutet aber nicht allein das Bearbeiten von Defiziten. Es müssen auch vorhandene Kompetenzen und Potentiale gefördert werden. Dazu werden z.B. Zusatzqualifikationen für leistungsstarke Auszubildende angeboten. Das SAZ bietet im JOBSTARTER- Projekt „Lernstoff Kunststoff“ fachspezifische Zusatzqualifikationen an. Des Weiteren besteht zum Beispiel die Möglichkeit, die Qualifizierung gemäß der Ausbildereignungsverordnung als dritten Teil der Meisterprüfung bereits in der Ausbildung zu absolvieren. Es besteht auch die Möglichkeit, überfachliche Kurse z.B. zum Konfliktmanagement zu besuchen.

In enger Kooperation von leistungsstarken und leistungsschwachen Auszubildenden und in einem effektiven methodischen Mix wird jeweils ein individuelles Konzept der Qualifikation entworfen, das auf die Stärken und Schwächen der Jugendlichen dezidiert und nachhaltig entlang der Bildungskette eingeht. Die Umsetzung bezieht die Lernorte effizient ein und nutzt neue Medien für die Unterstützung der Lern- und Kompetenzentwicklungsprozesse.

 

Abb. 3: Förderung entlang der Bildungskette

Auf diese Weise entwickelt und realisiert das Schweriner Ausbildungszentrum transferfähige Konzepte im Umgang mit Heterogenität, die auf die speziellen Bedürfnisse der KMU in Mecklenburg-Vorpommern eingehen. Den Jugendlichen wird damit auch bei unterschiedlichen Vorrausetzungen eine faire Chance zur Ausbildung geboten und die kleinen und mittleren Unternehmen erhalten die Möglichkeit, die Herausforderung des Fachkräftebedarfs zu bewältigen.

Das bestehende Netzwerk (Ausbildungsverbund unter Einschluss des Bildungsdienstleisters SAZ) schließt in der ersten Phase etwa 30% der in diesem Gebiet befindlichen Unternehmen ein(14 Unternehmen) und wird im weiteren Verlauf allen Betrieben offen stehen.

Die Projektaufgaben werden von einem Netzwerkkoordinator mit Coachingaufgaben (Leiter des Modellversuchs) und zwei Integrationscoaches wahrgenommen.

Der Netzwerkoordinator ist gleichzeitig Leiter des Modellversuchs. Er arbeitet eng mit dem Verbundkoordinator des SAZ zusammen, organisiert die Weiterbildung für die ausbildenden Fachkräfte der Unternehmen im Industriegebiet und erschließt gemeinsam mit den Mentoren vor allem den betrieblichen Arbeitsplatz als Lernort.

Die Integrationscoaches suchen den ersten Kontakt zu den Jugendlichen bereits in den Abgangsklassen der Schulen und begleiten die Jugendlichen über die sich anschließenden Lehrgänge der Berufsvorbereitung bis zu einem Ausbildungsabschluss und den Übergang in ein Arbeitsverhältnis. Sie verknüpfen somit gewissermaßen auf vertikaler Ebene die Übergänge an der ersten und zweiten Schwelle und führen somit die unterschiedlichen Förderkonzepte zusammen. Darüber hinaus koordinieren sie für jedes Berufsfeld die Ermittlung des Qualifizierungsbedarfes bei den Betrieben. Mit Hilfe einer Checkliste erfassen die einzelnen Mitarbeiter bei Betriebsbesuchen den Bedarf an Ausbildung beim Unternehmen und vermerken Zeitpunkt des Kontaktes sowie die jeweiligen Ansprechpartner.

Außerdem verzahnen Integrationscoaches außerbetriebliche Ausbildungssequenzen mit betrieblichen Qualifizierungsabschnitten auf horizontaler Ebene. Es zählt somit zu einem wesentlichen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, Unternehmen für die Durchführung von Praktika und Ausbildung zu gewinnen und sie bei der Durchführung dieser betriebsnahen Qualifizierung mit den verschiedensten Dienstleistungen zu unterstützen. Zu dem wichtigsten Unterstützungsinstrumentarium zählt die passgenaue Vermittlung geeigneter Jugendlicher. Indem Integrationscoaches die Eignungs- mit den betrieblichen Anforderungsprofilen abgleichen, sind sie in der Lage, motivierte und vorqualifizierte Jugendliche auf einen entsprechenden betrieblichen Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz zu vermitteln.

Auf diese Weise entwickelt und realisiert das Schweriner Ausbildungszentrum transferfähige Konzepte im Umgang mit Heterogenität, die auf die speziellen Bedürfnisse der KMU in Mecklenburg-Vorpommern eingehen. Den Jugendlichen wird damit auch bei unterschiedlichen Vorrausetzungen eine geboten und die kleinen und mittleren Unternehmen erhalten die Möglichkeit, die Herausforderung des Fachkräftebedarfs zu bewältigen.

5 Fazit

In diesem Beitrag wurden Fragen aufgeworfen, die sich mit den Veränderungsprozessen in der deutschen Berufsbildungslandschaft befassen.

Vor allem Vielfalt und Heterogenität erfordern Umdenken in der Berufsbildungspolitik, in der Wissenschaft und in der Berufsbildungspraxis in Unternehmen und bei Bildungsdienstleistern

Die Berufsbildungspolitik hat darauf vielfältig reagiert, u.a. auch mit dem neuen Modellversuchsprogramm zur Heterogenität.

Folgende Aspekte sind für die Weiterentwicklung von Ausbildungskonzepten unter dem Aspekt von Heterogenität und Diversität von besonderer Bedeutung:

  • Neue Verfahrensweisen für die Zusammenarbeit in der Region und bei der Lernortkooperation sind notwendig.
  • Das Ausbildungspersonal aller Ebenen und aller Lernorte wandelt sich zu Lernprozessbegleitern heterogener Gruppen.
  • Ausbildung statt Übergang kann nur auf der Grundlage neuer praxisorientierter und zielguppenspezifischer Anforderungs-, Ausbildungs- und Unterstützungskonzepte gelingen. Dazu gehören auch neue Handlungsanleitungen, Leitfäden und Fortbildungskonzepte.
  • Auch das Ausbildungsmarketing muss eine neue Qualität gewinnen: es erfordert ein  Umdenken hinsichtlich der anzusprechenden Zielgruppen.
  • Vor allem kleine und mittlere Unternehmen müssen unterstützt werden, den Herausforderungen von demografischem Wandel und zunehmender Heterogenität gerecht zu werden. In diesem prozess gewinnen auch Bildungsdienstleister eine neue Rolle.

Der am 01. März 2011 gestartete Modellversuchsschwerpunkt arbeitet in 18 Modellversuchen daran, neue Strategien für den Umgang mit Heterogenität und Vielfalt zu entwickeln.

Literatur

BEICHT, U./ GRANATO, M. (2009): Übergänge in eine berufliche Ausbildung, Berlin

BUNDESANZEIGER vom 6.Juli 2010

ERNST, H./ BRANDT, H. (2008): Entwicklung eines Anrechnungsverfahrens für Schnittstellenqualifikationen in den Handlungsfeldern der Kunststoffbranche (ASKU). In: Entwicklung eines Leistungspunktesystems in der beruflichen Bildung. Bonn, Berlin, 89-95.

GROßE DETERS, F./ ULMER, P./ ULRICH, J. G. (2008): Entwicklung des Nachfragepotenzials nach dualer Berufsausbildung bis 2020. In: ULMER, P./ ULRICH, J. G. (Hrsg.): Der demografische Wandel und seine Folgen für die Sicherstellung des Fachkräftenachwuchses, Wissenschaftliche Diskussionspapiere / Bundesinstitut für Berufsbildung 106. Bonn.

Gutachten der ZWH in Verbindung mit SAZ/GEBIFO, im Auftrag des BMBF mit dem BIBB, Bonn  2009 (unveröffentlichte Studie).

JABLONKA, P./ TIMPER, Michael (2009): Befragung von Ausbildungsbetrieben und Bildungsdienstleistern zum Thema „Heterogenität in der beruflichen Bildung – neue Entwicklungen aufgrund des demografischen Wandels“, unveröffentlichter Forschungsbericht, dem BIBB vorgelegt im Dezember 2009.

Lessons learned. In: http://www.immo.bfz.de/c.php/WisMan/Wissen_strukturieren/Wissen_erfassen/Lessons_Learned.rsys (10.06.2011).

REICH, K. (2006): Konstruktivistische Didaktik - Ein Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool auf CD. Weinheim.

WESTHOFF, G. (2008): Gestaltung der Flexibilitätsspielräume in der Berufsbildung. Konstanz.

www.bibb.de/heterogenitaet (01.06.11)

www.vielfalt-als-chance.de (01.03.11)

www.christiani.de (01.03.11)

www.bibb.de/flexibilitaet (01.06.11)



[1] Das BIBB hat die Modellversuche gemeinsam mit dem BMBF (fördernde Institution) ausgewählt. Das BIBB koordiniert und vernetzt  die Modellversuche in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Begleitung (Forschungsgruppe SALSS, Bonn und Berlin, in Kooperation mit der Otto von Guericke Universität Magdeburg und dem Institut für sozialwissenschaftliche Beratung, isob, Regensburg)  und unterstützt sie bei der Erreichung ihrer Ziele.

[2]   Nähere Informationen über Ziele, Methoden, Aktivitäten und die einzelnen Modellversuche sowie die wissenschaftliche Begleitung sind zu finden unter: www.bibb.de/heterogenitaet.

[3]   Vgl. z. B. www.kibb.de (Dokumentation des AGBFN-Forums 2010); www.christiani.de (Dokumentationen der Ausbilderinnen und Ausbildertage 2008 – 2010), www.bibb.de/heterogenitaet (Dokumentation der Auftaktveranstaltung April 2011), in Vorbereitung: „Diverstitas“ sowie BIBB-Report 4/2011

[4]   Mehrfachnennungen waren möglich.

[5]  Lessons learned. In: http://www.immo.bfz.de/c.php/WisMan/Wissen_strukturieren/Wissen_erfassen/Lessons_Learned.rsys (10.06.2011)


Zitieren dieses Beitrages

ERNST, H./ WESTHOFF, G. (2011): Heterogenität und Vielfalt in der beruflichen Bildung: Modellversuche erschließen Potenziale. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Einzelbeitrag aus Workshop 20, 1-16. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/eb/ernst_westhoff_ws20-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/