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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS01 - Die erste Schwelle
Herausgeber: Tobias Brändle

Titel:
Übergänge im Bildungssytem - Brüche oder Brücken? Die Rolle der Berufsschule im Prozess des Lebenslangen Lernens


Kurzfristige (Re-)Integration – Nachhaltige Wirkung? Eine Verbleibsuntersuchung zum „Gestreckten Berufsvorbereitungsjahr“ in Sachsen

Beitrag von Marc THIELEN (Goethe-Universität Frankfurt a. M.)

Abstract

Der Beitrag diskutiert erste Ergebnisse einer Verbleibsstudie zu einem in Sachsen seit 2008 laufenden Schulversuch, der die prekäre Situation von benachteiligten Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt dadurch aufzufangen sucht, indem die üblicherweise einjährige Maßnahmendauer des Berufsvorbereitungsjahres um ein weiteres Jahr verlängert wird. Den Schülerinnen und Schülern soll auf diese Weise mehr Lernzeit zugestanden und durch Langzeitpraktika Kontakt zu potenziellen Ausbildungsbetrieben vermittelt werden. Anknüpfend an die subjektorientierte Übergangsforschung, welche die Komplexität von biografischen Statusübergängen betont, wird gefragt, inwiefern es dem pädagogischen Konzept gelingt, den jungen Menschen aus bildungsbenachteiligten Milieus in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands Zugänge in die Arbeitswelt zu eröffnen. In der ersten Nachrecherche zeigt sich zwar einerseits eine hohe Ausbildungsbeteiligung, zugleich wird jedoch deutlich, dass Übergangsrisiken bestehen bleiben, da viele Ausbildungen außerbetrieblich stattfinden und damit die Hürde auf den ersten Arbeitsmarkt noch zu bewältigen sein wird. Zudem zeigen sich Diskrepanzen zwischen den beruflichen Aspirationen der jungen Erwachsenen und den tatsächlich erlangten Ausbildungsplätzen.

1 Einleitung

Zur Versorgung von Absolventinnen und Absolventen allgemeinbildender Schulen ohne Schulabschluss und/oder ohne Ausbildungsplatz halten Berufliche Schulen bekanntermaßen das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) vor, ein, wie der Name schon sagt, in der Regel einjähriger vollzeitschulischer Bildungsgang. Das „Gestreckte Berufsvorbereitungsjahr“ (G-BVJ), ein im Freistaat Sachsen seit 2008 laufender Schulversuch, sieht eine zeitliche Ausdehnung der Maßnahme um ein weiteres Schuljahr vor, das stark praxisorientiert ist: An drei Wochentagen sind die Schüler/-innen in Betrieben und an zwei Tagen an der Berufsschule. Verbunden ist damit die Intention, den Jugendlichen intensive Kontakte zu potenziellen Ausbildungsbetrieben zu eröffnen. Auch andere Bundesländer (z.B. Berlin, Hamburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern) bieten zeitlich verlängerte berufsvorbereitende Maßnahmen für bestimmte Zielgruppen, wie z.B. Jugendliche mit Behinderung, mit Migrationshintergrund oder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an (vgl. SCHROEDER/ THIELEN 2009, S. 77ff). Die von der Bundesagentur für Arbeit angebotene Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) kann ebenfalls, etwa im Fall von Behinderung, auf einen Zeitraum von 18 Monaten ausgedehnt werden.

Mit der zeitlichen Ausweitung reagiert die Berufsvorbereitung auf die Erkenntnis, dass die Bewältigung des Statuswechsels Schule-Arbeit gerade, aber keineswegs ausschließlich bei Jugendlichen in erschwerten Lebenslagen ein komplexer und zumeist langwieriger Prozess ist (vgl. STAUBER/ POHL/ WALTHER 2007). Ähnlich wie andere Übergänge im Bildungssystem (z.B. die Einschulung oder der Übergang Grundschule-Sekundarstufe) wird auch der Wechsel vom allgemeinbildenden in den berufsbildenden Sektor zeitlich flexibilisiert, um den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Entwicklungsverläufen von Heranwachsenden besser gerecht zu werden. So benennt das Konzept zum Gestreckten BVJ solche Jugendlichen als Adressaten, welche die Zielsetzung in einem Jahr vermutlich nicht erreichen und demnach mehr Zeit zur Berufsorientierung benötigen. Die zeitliche Ausdehnung der Berufsvorbereitung kann jedoch auch mit Stigmatisierungseffekten einhergehen, da den Teilnehmenden ja bereits im Vorhinein unterstellt wird, das pädagogisch intendierte Ziel im regulären Zeitraum nicht erreichen zu können.

Vor diesem Hintergrund bestand am Beginn des Schulversuchs das Problem, wen man nun anhand welcher Kriterien dem neuen G-BVJ zuführen sollte. Eine Sozialpädagogin merkt hierzu an: „Den Lebenslauf haben uns angeschaut, in wie weit sind das jetzt kinderreiche Familien, in welchen Lebenslagen stecken auch die Eltern, sind die Eltern arbeitslos? Da, wo wir dachten, das könnte jetzt ein Kriterium für Benachteiligung sein.“ Im Zuge der Evaluierung des Schulversuchs wird eine Studie zum Verbleib der Teilnehmer/-innen durchgeführt, deren ersten Ergebnisse im Zentrum dieses Beitrags stehen. Nachdem zunächst Hinweise zur Anlage und zum methodischen Vorgehen erfolgen, wird der Verbleib der Absolventinnen und Absolventen ein halbes Jahr nach Maßnahmenende skizziert. Im Anschluss werden Übergangsverläufe rekonstruiert, welche den jeweiligen Verbleib in Relation zur Berufsorientierung und zur schulisch-beruflichen Entwicklung im Maßnahmenverlauf setzen. Im Fazit werden Übergangsrisiken aufgezeigt, welche im weiteren biografischen Verlauf bestehen bleiben.

2 Anlage und Methode der Verbleibsuntersuchung

Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt erweist sich als ein komplexer und keineswegs geradlinig verlaufender Prozess, der wie andere biografische Statuswechsel auch mehr oder weniger viel Zeit in Anspruch nehmen kann (vgl. SACKMANN/ WINGENS 2001, 22). Besonders anspruchsvoll sind die Anforderungen für solche jungen Menschen, die schulbiografisch nur ein begrenztes Maß an Ressourcen und Kompetenzen mitbringen, die zur Bewältigung des Übergangs in die Arbeitswelt vorausgesetzt werden (vgl. KAHLERT/ MANSEL 2007; STAUBER/ POHL/ WALTHER 2007). Angesichts jener Befunde ist es notwendig, berufsvorbereitende Maßnahmen im Hinblick auf ihre längerfristigen Effekte zu untersuchen, da nur so Aussagen darüber gemacht werden können, welche Bedeutung ihnen in Übergangsbiografien junger Erwachsener zukommt. Vor diesem Hintergrund werden schon seit längerem Untersuchungen durchgeführt, die den Verbleib von Absolventinnen und Absolventen von berufsvorbereitenden Maßnahmen über längere Zeiträume verfolgen und Karrieremuster rekonstruieren (vgl. z.B. FRIEDEMANN/ SCHROEDER 2000; BICKMANN/ ENGGRUBER 2001; BINDL/ THIELEN 2011). Die für den zum Schuljahresbeginn 2008 in Sachsen aufgenommenen Schulversuch „Gestrecktes Berufsvorbereitungsjahr“ Verantwortlichen haben ebenfalls entschieden, dass im Zuge der Evaluation eine Verbleibsuntersuchung durchgeführt werden soll. Beauftragt wurde damit Prof. Dr. Joachim Schroeder vom Institut für Sonderpädagogik der Goethe-Universität Frankfurt a. M., unter dessen Leitung ich gemeinsam mit Anne-Kristin Bindl für die Durchführung der Studie verantwortlich bin.

Als Gegenstand der Verbleibsstudie wurden zunächst die schulische Entwicklung der Jugendlichen sowie deren Bewertung des Bildungsgangs festgelegt. Ebenso sollte geklärt werden, ob sich durch die Teilnahme an der Maßnahme die beruflichen Vorstellungen der jungen Frauen und Männer geklärt haben und ob der Übergang in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildung gelungen ist. Da die Übergangsforschung inzwischen wiederholt gezeigt hat, dass ein gelingender Übergang insbesondere von der Bewältigung erschwerter Lebenslagen abhängt, in den sich viele Jugendliche aus sozial randständigen Milieus befinden, fokussierte die Untersuchung zudem die Lebenslagen der Teilnehmenden. Der Erfolg des Gestreckten Berufsvorbereitungsjahres hängt unserer Erwartung nach nicht zuletzt auch davon ab, inwiefern es dem Bildungsangebot gelingt, die Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer vielfach erschwerten Lebenslagen zu unterstützen  (vgl. HILLER 2006) Erhoben wurden demnach auch Selbstauskünfte zur finanziellen Situation, zum Aufenthaltsstatus und zu anderen Legalitätsfragen, zur Stabilität der sozialen Beziehungen, zur Wohnsituation, zum  gesundheitliches Wohlbefinden usw. (vgl. VOGES 2002; VOGES/ JÜRGENS/ MAUER/ MEYER 2003).  

In methodischer Hinsicht wurde zunächst mit dem Auftraggeber der Studie, dem Sächsischen Bildungsinstitut (SBI), eine schriftliche Befragung vereinbart, die drei Erhebungszeitpunkte vorsah: (1) Am Beginn des Schulversuchs, (2) am Ende des ersten Jahres sowie (3) zum Abschluss der Maßnahme. Die Befragungen führten wir Rahmen von Besuchen in den acht beteiligten Beruflichen Schulzentren durch, die sich in unterschiedlichen Regionen Sachsens befinden. Auf diese Weise konnten wir die jungen Frauen und Männer in den Fragebogen einweisen, Unterstützung beim Ausfüllen geben oder Rückfragen der jungen Leute beantworten. Zudem bot die persönliche Begegnung die Möglichkeit, um Vertrauen für die telefonische Nachbefragungen zu werben, die ein halbes Jahr und ein Jahr nach dem Ende des G-BVJ vorgesehen ist, um den Verbleib der Absolventinnen und Absolventen klären. Flankierend zur Schülerbefragung führten wir Experteninterviews mit den Schulleitungen, den Lehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften. Die Noten und Fehlzeiten der Teilnehmer/-innen am Schulversuch erhielten wir von den Beruflichen Schulzentren in schriftlicher Form. Die Zahl an befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist im Verlauf der beiden Maßnahmenjahre sukzessive von 124 Befragten in der Erstbefragung im Winter 2008 auf 81 Befragte in der Abschlussbefragung zum Sommer 2010 zurückgegangen. Die Ursachen hierfür liegen insbesondere auch in vorzeitigen Abgängen aus der Maßnahme. In der telefonischen Nachbefragung im Winter 2010, deren Ergebnisse im Zentrum des vorliegenden Beitrags stehen, haben wir 67 junge Frauen und Männer erreicht, von denen 55 das G-BVJ mit einem Schulabschluss und zwölf ohne einen Abschluss verlassen haben.

Bevor die Ergebnisse der Verbleibsstudie vorgestellt werden, erfolgen noch einige Anmerkungen zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Schulversuch. Neben vielfach brüchigen und prekären Schulbiografien, die sich in deutlichen Abweichungen vom schulischen Normalverlauf manifestieren (Zurückstellung bei der Einschulung, mehrfache Klassenwiederholungen, Überweisungen in Förderschulen, vorzeitige Schulabgänge etc.) führte die Analyse der Lebenslagen in der Erstbefragung im Winter 2008 unterschiedlich belastete Lebenslagen zutage, die sich in vier Risikobereichen zusammenfassen lassen: (1) Bei rund einem Drittel der Jugendlichen war kein oder nur ein eingeschränkt tragfähiges soziales Netzwerk vorhanden. (2) Ebenfalls jede bzw. jeder dritte Teilnehmende schätzte die eigene finanzielle Situation als unzureichend ein. (3) Jede fünfte junge Frau war bereits Mutter und musste somit schulisch-berufliche und familiäre Anforderungen in Einklang bringen. (4) Bei den männlichen Teilnehmern zeigten sich mehr oder weniger stark ausgeprägte Legalitätskonflikte, die bei zwei Drittel der jungen Männer bereits zu Strafanzeigen geführt hatten, wobei Körperverletzung, Diebstahl und Sachbeschädigung als die häufigsten Delikte angegeben wurden.

3 Der Verbleib der Absolventinnen und Absolventen nach dem G-BVJ

Einen Überblick zum Verbleib der in die Nachbefragung einbezogenen 67 jungen Frauen und Männer rund ein halbes Jahr nach Abschluss des G-BVJ gibt Tabelle 1. 

Tabelle 1:           Verbleib der Absolventinnen und Absolventen des G-BVJ im Winter 2010

 

Verbleib

Frauen

Männer

Gesamt

1.

Berufsausbildung

15

30

45

2.

Berufsvorbereitung

5

9

14

3.

Sonstiges

2

3

5

4.

Arbeitslos

1

2

3

 

Die Verbleibssituation verweist auf eine insgesamt hohe Ausbildungsbeteiligung der Absolventinnen und Absolventen. Rund zwei Drittel der in die Befragung einbezogenen jungen Frauen und Männer war der Übergang in eine berufliche Erstausbildung gelungen. Die übrigen Teilnehmenden waren mehrheitlich in weitere berufsvorbereitende Maßnahmen eingetreten. Unter der Kategorie ‚Sonstiges‘ werden solche jungen Frauen und Männer subsumiert, die im Anschluss an das G-BVJ ein Praktikum aufnahmen, sich vorerst für Familienarbeit entschieden oder erkrankt waren. Unter den drei jungen Erwachsenen, die arbeitslos waren, befindet sich ein junger Mann, dessen Ausbildungsverhältnis bereits nach zwei Monaten vonseiten des Ausbildungsbetriebs aufgelöst wurde. Zunächst deutet die hohe Quote an Ausbildungsplätzen auf eine äußerst erfolgreiche Vermittlung im G-BVJ hin. Eine differenzierte Betrachtung des jeweiligen Ausbildungsortes relativiert jedoch allzu euphorische Einschätzungen (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2:           Verbleib nach Ausbildungsort

 

Ausbildungsort

Frauen

Männer

Gesamt

1.

Betrieb (dual)

2

12

14

2.

Träger  (außerbetrieblich)

9

18

27

3.

Schule (schulisch)

4

0

4

 

Mehrheitlich werden überbetriebliche Ausbildungen bei Bildungsträgern absolviert. Gerade einmal jeder dritte Ausbildungsplatz findet sich in einem Ausbildungsbetrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt. Eine Ausbildung im dualen System, die weithin als regelhafter Ausbildungsweg gesehen wird und die zudem günstigere Übernahmeaussichten nach einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss eröffnet, konnte sich somit unter allen Befragten gerade einmal jede bzw. jeder Fünfte erschließen. Offenbar zogen die Einsatztage im Betrieb, die neben der beruflichen Orientierung auch Kontakte zu potenziellen Ausbildungsbetrieben ermöglichten, nur in sehr begrenztem Maße sogenannte ‚Klebeffekte‘ nach sich. Aus unserer Befragung geht hervor, dass gerade einmal sieben Ausbildungsverträge in Betrieben abgeschlossen wurden, in denen zuvor ein Praktikum im Rahmen des Gestreckten Berufsvorbereitungsjahres (G-BVJ) absolviert wurde. Die übrigen Ausbildungsverhältnisse im dualen System ergaben sich entweder über selbstinitiierte Bewerbungen vonseiten der jungen Frauen und Männer oder durch die Vermittlung von freien Stellen durch die Arbeitsverwaltung zum Schuljahresende. Die vier jungen Frauen, die eine schulische Ausbildung absolvieren, haben sich für Berufe entschieden, die nur in dieser Ausbildungsvariante erreicht werden können.

Das Gros der erzielten Ausbildungsplätze wird außerbetrieblich mittels öffentlicher Förderung über Bildungsträger bereitgestellt. Die in einigen strukturschwachen Regionen Sachsens besonders ausgeprägten Übergangsrisiken werden demnach an der sogenannten ersten Schwelle (von der Schule in eine Ausbildung) staatlich abgefedert und damit jedoch zugleich zur zweiten Schwelle (von der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis) aufgeschoben, ein in der jüngeren Vergangenheit Ostdeutschland typisches Phänomen (vgl. ARNOLD/ BÖHNISCH/ SCHRÖER 2005; ACHTENHAGEN 2008; BERG 2008). Die Mehrheit der jungen Erwachsenen ist im Anschluss an das G-BVJ damit zunächst versorgt und erhält zudem die Möglichkeit zu einer beruflichen Qualifizierung. Das Risiko, im weiteren biografischen Verlauf dennoch erwerbslos zu werden, bleibt jedoch bestehen. Wie bereits erwähnt, ist die Situation bei einer Ausbildung im dualen System tendenziell günstiger, da zumindest die Option für ein Übernahmeangebot vonseiten des Ausbildungsbetriebs besteht. Besonders schwierig dürfte die Perspektive derjenigen Absolventinnen und Absolventen sein, die eine verkürzte 2-jährige Ausbildung oder eine sogenannte Werker- oder Helferausbildung aufgenommen haben. Unserer Analyse nach absolvieren immerhin 18 junge Frauen und Männer solche besonderen Ausbildungsgänge, während 27 Befragte eine reguläre dreijährige Vollausbildung aufgenommen haben.

Zu den Ausbildungsberufen ist zu bemerken, dass die jungen Männer mehrheitlich Berufe im Handwerk lernen, die sich vorwiegend auf die Berufsfelder Bautechnik (z.B. Bauten- und Objektbeschichter, Maler und Lackierer, Trockenbaumonteur) sowie Installations- und Metallbautechnik (z.B. Autolackierer, Kfz-Mechatroniker, Schweißerwerker) beziehen. Eine Reihe weiterer Berufe lässt sich dem Dienstleistungssektor zuordnen, wobei die Bereiche Logistik, Einzelhandel und Gastronomie überwiegen. Berufe, die im Rahmen der dualen Berufsausbildung in einem Ausbildungsbetrieb gelernt werden, sind z.B. Autolackierer, Einzelhandelskaufmann, Fachlagerist, Kfz-Mechatroniker, Landwirt sowie Maler und Lackierer. Bei den jungen Frauen überwiegen Berufe im Dienstleistungssektor, wobei Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufe die oberste Priorität genießen (z.B. Altenpflegerin, Friseurin, Sozialassistentin). Etwas weniger häufig werden Berufe im Büro (Bürokauffrau) oder im Verlauf (Verkäuferin) sowie im Bereich Ernährung (Hauswirtschaftshelferin, Köchin) gewählt. Anders als bei den jungen Männern spielt die duale Berufsausbildung bei den jungen Frauen so gut wie keine Rolle. Lediglich zwei Absolventinnen lassen sich in einem Betrieb auf dem ersten Arbeitsmarkt zur Friseurin ausbilden. Im Gegensatz hierzu kommt schulischen Ausbildungsgängen eine höhere Bedeutung zu.

Immerhin gut jeder bzw. jede fünfte Befragte, neun junge Männer und fünf junge Frauen, sind vom Gestreckten Berufsvorbereitungsjahr (G-BVJ) in eine weitere berufsvorbereitende Maßnahme gewechselt. Mehrheitlich handelt es sich dabei um die sich im Zuständigkeitsbereich der Arbeitsverwaltung befindlichen Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB), die von acht Befragten genannt werden. Fünf Absolventinnen und Absolventen nahmen ein weiteres, nun bereits drittes Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) an einem beruflichen Schulzentrum auf. Lediglich ein Jugendlicher erhielt einen betrieblichen Praktikumsplatz im Rahmen der sogenannten Einstiegsqualifizierung (EQ). Die Gründe für den Verbleib im Segment der Berufsvorbereitung sind unterschiedlich und werden im weiteren Verlauf des Beitrags differenziert aufgeschlüsselt. Ein fehlender Schulabschluss ist nicht in allen Fällen ausschlaggebend. Sechs der neun Befragten in Berufsvorbereitung haben im G-BVJ einen Schulabschluss erreicht und dies zum Teil mit durchaus guten Noten.

4 Übergangskarrieren der Absolventinnen und Absolventen des G-BVJ

Der in den vorangegangenen Abschnitten rekonstruierte Verbleib der Absolventinnen und Absolventen und insbesondere die sich abzeichnende hohe Ausbildungsbeteiligung lassen für die große Mehrheit der jungen Erwachsenen auf einen positiven Übergangsverlauf hoffen. Jedoch bildet die telefonische Befragung im Winter 2010 nur eine Momentaufnahme ab. Übergänge sind jedoch als komplexe biografische Statuswechsel zu begreifen, die sich prozessual gestalten, vielfältiger Ressourcen bedürfen und immer auch eine brüchige und riskante Seite haben (vgl. SACKMANN/ WINGENS 2001; STAUBER/ POHL/ WALTHER 2007; BINDL/ THIELEN 2011). Vor diesem Hintergrund werden die in der telefonischen Nachbefragung ermittelten Anschlüsse der jungen Erwachsenen in den folgenden Abschnitten nun kontextualisiert und vor dem Hintergrund der schulischen Entwicklung und der Berufsorientierung im zweijährigen Maßnahmenverlauf analysiert. Hierbei werden neben den Befragungsergebnissen zum Verlauf des G-BVJ auch die Angaben zu größeren Problemen in außerschulischen Lebensbereichen berücksichtigt. Zudem werden die von den Beruflichen Schulzentren dokumentierten Noten und Fehlzeiten der Jugendlichen mit in die Rekonstruktion der Verläufe einbezogen. Die Diskussion der Übergangskarrieren erfolgt differenziert für junge Erwachsene mit und ohne Berufsausbildung und orientiert sich vom Vorgehen her an der Häufigkeit der jeweiligen Karrieremuster.

4.1 Berufsqualifizierende Übergänge

Etliche berufliche Erstausbildungen werden in Deutschland gegenwärtig vorzeitig beendet, der Berufsbildungsbericht spricht von jedem fünften Ausbildungsverhältnis (BMBF 2010). Als ursächlich hierfür erweisen sich unterschiedliche Faktoren, wobei die Übergangsforschung insbesondere auf eine mangelnde Berufsorientierung und damit einhergehend auf eine unzureichende Kenntnis der konkreten Arbeitsrealitäten im jeweiligen Berufsfeld verweist. Vor diesem Hintergrund werden die Übergänge in Ausbildung im Anschluss an das G-BVJ nun systematisch im Zusammenhang mit der im Maßnamenverlauf erfolgten Berufsorientierung analysiert. Die Berücksichtigung der Berufswünsche und der im G-BVJ absolvierten Praktika erlaubt eine Differenzierung der Befragten mit einem Ausbildungsplatz in vier Gruppen (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3:           Berufsqualifizierende Übergänge

 

Übergangsverlauf

Anzahl

1.

Über Vermittlung gesicherte Berufsqualifizierung

17

2.

Im G-BVJ verwirklichte Berufsqualifizierung

11

3.

Flexible und angebotsorientierte Berufsqualifizierung

9

4.

Pragmatische und notgedrungene Berufsqualifizierung

8

 

4.1.1 Über Vermittlung gesicherte Berufsqualifizierung

Die 17 jungen Frauen und Männer des häufigsten Übergangsmusters haben im Zuge der Praktika im G-BVJ eine klare Berufsorientierung entwickelt, konnten sich jedoch weder über die Einsatztage im Betrieb, noch über die anderen Praktika einen Ausbildungsplatz in einem Praktikumsbetrieb sichern. Angesichts des strukturell eingeschränkten regionalen Angebots an Ausbildungsplätzen waren diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen beim Eintritt in eine Berufsausbildung auf die Vermittlung durch die Arbeitsverwaltung angewiesen. Die überwiegende Mehrheit der jungen Frauen und Männer dieser Gruppe muss sich trotz eines erreichten Schulabschlusses und einer über die umfangreichen Praktika in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgewiesenen Praxiserfahrung mit überbetrieblichen Ausbildungsplätzen bei Bildungsträgern zufriedengeben. Lediglich einem Jugendlichen konnte ein Ausbildungsplatz in seinem Wunschberuf als Landwirtschaftswerker auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Gleichwohl entspricht der vermittelte Ausbildungsplatz bei allen Befragten dieser Gruppe zumindest einem der in den Befragungen während des G-BVJ geäußerten Wunschberufe. Zudem verfügen die Befragten dieser Gruppe allesamt über praktische Erfahrungen in dem Berufsfeld, in welchem die Ausbildung absolviert wird. Zur Art der Ausbildung ist festzuhalten, dass rund die Hälfte der jungen Erwachsenen dieser Gruppe zweijährige Ausbildungsgänge oder sogenannte theoriereduzierte und praxisorientierte Werkerausbildungen beginnt. Zur schulischen Entwicklung ist anzumerken, dass bis auf einen jungen Mann alle Befragten im G-BVJ einen Schulabschluss erreicht haben, wobei ein breites Notenspektrum von gut bis ausreichend erzielt wurde.

4.1.2 Im G-BVJ erschlossene Berufsqualifizierung

Elf junge Erwachsene haben in den Praktika im Gestreckten BVJ ihren Berufswunsch geklärt und sich bereits im Verlauf der Maßnahme eine entsprechende berufsbildende Anschlussmöglichkeit im Regelsystem (dual oder schulisch) erschlossen. Sieben dieser Befragten, die eine betriebliche Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt begonnen haben, konnten von den sogenannten ‚Klebeffekten‘ profitieren, die mit den Einsatztagen im Betrieb einhergingen: Im Zuge ihres Praktikums war es ihnen offensichtlich gelungen, die jeweiligen Betriebe davon zu überzeugen, dass sie geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für eine Ausbildung sind. Die auf diese Weise zustande gekommenen Ausbildungsverhältnisse beziehen sich zum Teil auf durchaus anspruchsvolle Berufe wie Autolackierer, Einzelhandelskaufmann oder Kfz-Mechatroniker. Die jungen Frauen dieser Befragtengruppe haben sich mehrheitlich für Berufe entschieden, deren Qualifizierung ausschließlich schulisch organisiert wird. Auch ihre Berufswahlentscheidung wurde über die Praktika im G-BVJ begünstigt. Alle jungen Erwachsenen dieser Übergangskarriere haben in der Maßnahme einen überdurchschnittlich guten Schulabschluss erreicht. Im Hinblick auf die schulische Vorgeschichte ist bemerkenswert, dass über die Hälfte dieser jungen Erwachsenen von einer Förderschule aus zum Beruflichen Schulzentrum gekommen war.

4.1.3 Flexible und angebotsorientierte Berufsqualifizierung

Die Übergänge von neun jungen Erwachsenen zeichnen sich dadurch aus, dass die Berufsorientierung im Maßnahmenverlauf eher offen gehalten und zudem nicht immer systematisch durch Praktika überprüft und gesichert wurde. Letztlich orientierten diese jungen Frauen und Männer ihre beruflichen Aspirationen an den tatsächlich erreichbaren und regional zu Verfügung stehenden Ausbildungsplätzen, die ihnen angeboten wurden. Meist konnten aber Lehrstellen in solchen Berufen gefunden werden, die zuvor zumindest als prinzipiell vorstellbare Optionen gesehen wurden. Angesichts fehlender Praktika im schließlich ergriffenen Ausbildungsberuf konnten einige Befragte im Gegensatz zu den bislang vorgestellten jungen Erwachsenen im Vorfeld nicht die Passung des Berufsfeldes überprüfen und waren folglich mit einem erhöhten Risiko in die Ausbildung gestartet. Gleichwohl arrangierten sich alle Befragten dieser Gruppe rasch mit ihren Lehrstellen und es ist ihnen in den ersten Wochen und Monaten der Ausbildung geglückt, Interesse und Freude an den Tätigkeiten zu entwickeln. In der telefonischen Nachbefragung im Winter 2010 wird der jeweilige Beruf dann auch als Wunschberuf angegeben.

4.1.4 Pragmatische und notgedrungene Berufsqualifizierung

Bei immerhin acht Absolventinnen und Absolventen wurde zwar ebenfalls nach dem Abschluss des G-BVJ Zugang zu einem Ausbildungsplatz erreicht, jedoch entspricht der Ausbildungsberuf, in dem meist keinerlei praktische Vorerfahrungen gesammelt wurden, ausdrücklich nicht den beruflichen Vorstellungen und Aspirationen der Befragten. Die jungen Erwachsenen dieses Übergangsmusters ergreifen demnach den ihnen angebotenen Ausbildungsplatz mit der Motivation, sich ‚irgendwie‘ beruflich zu qualifizieren, ohne dass sie zumindest bislang Interesse oder gar Freude an dem entsprechenden Berufsbild entwickelt haben. Die Ausbildung erscheint als eine Notlösung, die angesichts der strukturell begründeten Alternativlosigkeit auf dem regionalen Ausbildungsmarkt ergriffen wird. In diesen Fällen bleibt abzuwarten, inwieweit es angesichts der erwartungsgemäß nur begrenzt vorhandenen Motivation gelingen wird, die mit der Ausbildung einhergehenden Anforderungen zu bewältigen und Lernanstrengungen aufrechtzuerhalten.

4.2 Übergänge ohne berufliche Qualifizierung

Bei rund einem Drittel der befragten Absolventinnen und Absolventen ist trotz der zweijährigen Berufsvorbereitung kein Übergang in ein Ausbildungsverhältnis gelungen. Eine nähere Analyse dieser Befragtengruppe, die sowohl die Berufsorientierung als auch die schulische Entwicklung im Maßnahmenverlauf fokussiert und zudem Informationen zu den sonstigen Lebensbereichen berücksichtigt, führt sehr unterschiedliche Ursachenbereiche zu Tage (vgl. Tabelle 4). Keineswegs sind die Absolventinnen und Absolventen ohne berufsbildenden Anschluss angesichts vermeintlich individueller Defizite pauschal als ‚ausbildungsunreif‘ zu etikettieren. So haben einige dieser Befragten in der Maßnahme eine Berufswahlentscheidung getroffen und zudem einen mehr oder weniger guten Schulabschluss erreicht. Anderen jungen Erwachsenen fehlten demgegenüber am Ende des G-BVJ die für eine Berufsausbildung notwendigen Voraussetzungen. Wiederum andere Jugendliche sind ungeachtet der vielen Praktika im zweijährigen G-BVJ zu keiner Berufswahlentscheidung gelangt. Bei jedem bzw. jeder dritten Befragten ohne Berufsausbildung führte der Übergang am Maßnahmenende angesichts individuell sehr unterschiedlich belasteter Lebenslagen zu keiner gesicherten Anschlussperspektive. Hier sind demzufolge in erster Linie außerschulische Bedingungen für den nicht gelungenen Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis verantwortlich, deren Bearbeitung erst die Grundlage für die angestrebte Integration in Ausbildung oder Arbeit bildet.

Tabelle 4:           Übergänge ohne Berufsqualifizierung

 

Übergangsverlauf

Anzahl

1.

Lebenslagenspezifisch erschwerte Übergänge

7

2.

Formal gescheiterte Übergänge

6

3.

Marktbenachteiligte Übergänge

5

4.

Desorientierte Übergänge

4

 

4.2.1 Lebenslagenspezifisch erschwerte Übergänge

Bei sieben jungen Erwachsenen erweist sich der Übergang am Ende des G-BVJ durch ausgeprägte Probleme in unterschiedlichen Lebensbereichen belastet. Eine im Einzelfall jeweils spezifisch belastete Lebenslage zum Maßnahmenende verhinderte den Übergang in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis, so dass diese jungen Erwachsenen ungeachtet ihrer schulisch unterschiedlichen Voraussetzungen – mehrheitlich wurden Schulabschlüsse erreicht oder Berufswahlentscheidungen getroffen – zum Zeitpunkt der Befragung erwerbslos sind. Frühe und zum Teil ungewollte Elternschaft, psychische und physische Erkrankungen, aber auch ausgeprägte familiäre Konflikte verhindern den Zugang zum, bzw. den Verbleib auf dem, Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ebenso wie migrationsbedingt erschwerte Lebenslagen. In den letzteren Fällen spielen unzureichende Deutschkenntnisse ebenso eine Rolle wie aufenthaltsrechtliche Hürden, welche jungen Flüchtlingen die Aufnahme eines priorisierten Arbeitsverhältnisses schlichtweg verbieten.

4.2.2 Formal gescheiterte Übergänge

Die sechs männlichen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen jener zweiten Übergangskategorie haben zwar im Laufe des Gestreckten Berufsvorbereitungsjahres in der Regel eine Berufswahlentscheidung getroffen und konkrete Ideen, was sie sich beruflich vorstellen könnten, jedoch fehlen ihnen die schulischen Mindestvoraussetzungen, um einen Zugang zum Ausbildungssystem zu finden. Die Absolventen haben das Gestreckte Berufsvorbereitungsjahr allesamt ohne einen Schulabschluss verlassen. In den meisten Fällen lässt sich ein über die vier Halbjahre der Maßnahme hinweg kontinuierlich schlechtes Notenbild rekonstruieren. Mitbedingt sind die unzureichenden schulischen Leistungen in einigen Fällen durch einen ausgeprägten Schulabsentismus. Die vielen Fehlzeiten deuten darauf hin, dass diese jungen Männer nicht in hinreichendem Maße durch das Gestreckte Berufsvorbereitungsjahr erreicht werden konnten. In den berufsvorbereitenden Maßnahmen, welche die Befragten im Anschluss an das G-BVJ absolvieren, setzen sich die Fehlzeiten indes zum Teil ungebrochen fort und es droht vereinzelt bereits nach wenigen Monaten die vorzeitige Beendigung dieser Maßnahmen.

4.2.3 Marktbenachteiligte Übergänge

Fünf junge Erwachsene ohne Ausbildungsplatz lassen sich, den uns vorliegenden Angaben nach, in erster Linie als markt- bzw. regionalbenachteiligt bezeichnen. In formaler Hinsicht bringen sie am Ende des Gestreckten BVJ alle notwendigen Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mit, da sie allesamt im BVJ einen Schulabschluss erreicht haben und dies zumeist auch mit guten Noten und relativ wenigen Fehlzeiten. Zudem haben diese Befragten im Zuge der Maßnahme eine Berufswahlentscheidung getroffen und im Vergleich zum Gesamtsample auch recht viele Bewerbungen geschrieben. Die Situation dieser jungen Erwachsenen stellt sich subjektiv als besonders frustrierend dar, da die Befragten im G-BVJ die Erfahrung gemacht haben, dass sich Bildungsanstrengungen keineswegs immer lohnen und den angestrebten Zugang ins Ausbildungssystem eröffnen. Nach zwei Jahren Berufsvorbereitung absolvieren diese Befragten nun ungeachtet ihres schulischen Erfolges und ihrer bereits getroffenen Berufswahl ein weiteres, nun schon drittes berufsvorbereitendes Jahr, ohne hierbei die Möglichkeit zu einer formalen Höherqualifizierung zu haben.

4.2.4 Desorientierte Übergänge

Bei vier Jugendlichen aus dem Sample der befragten Absolventinnen und Absolventen fehlt es zweifelsohne an den basalen Mindestvoraussetzungen, die zur Aufnahme einer Berufsausbildung, sei es in betrieblicher oder außerbetrieblicher Form, unabdingbar sind. In diesen Fällen wurden die grundlegenden Ziele eines Berufsvorbereitungsjahres auch in der zweijährigen Maßnahme verfehlt, da weder ein Schulabschluss erreicht, noch eine Berufswahlentscheidung getroffen wurde. Einige Jugendliche dieses Übergangsmusters zeigten deutliche Tendenzen zu schulabstinentem Verhalten. Die Übergangssituation dieser jungen Erwachsenen erweist sich auch nach zwei Jahren Berufsvorbereitung als perspektivlos und es werden mehrheitlich weitere berufsvorbereitende Maßnahme angeschlossen, so dass sich auch in diesen Fällen risikoreiche Maßnahmenkarrieren anbahnen. Ein junger Mann war zum Zeitpunkt der telefonischen Nachbefragung arbeitslos.

5 Biografische Unsicherheiten trotz hoher Ausbildungsbeteiligung

Zweifelsohne deutet die Untersuchung zum Verbleib der Absolventinnen und Absolventen des Gestreckten Berufsvorbereitungsjahrs (G-BVJ) in Sachsen zunächst auf eine erfreuliche Vermittlungsquote hin: Rund zwei Drittel der Befragten ist der Übergang in ein Ausbildungsverhältnis gelungen. Im Hinblick auf die weiteren Prognosen der jungen Erwachsenen wird das Bild jedoch getrübt, vergegenwärtigt man sich, dass sehr viele Ausbildungen außerbetrieblich im staatlich subventionierten Ausbildungssektor stattfinden. Darüber hinaus sind etliche Ausbildungen theoriereduzierte und praxisorientierte Helferausbildungen, die in der Praxis in vergleichsweise schlecht bezahlte und unsichere Anstellungsverhältnisse münden können. Dies gilt insbesondere für Teilausbildungen, die keine aufbauende Vollqualifizierung ermöglichen. Mehrheitlich sind die Befragten damit zwar nach dem Ende des Gestreckten Berufsvorbereitungsjahres versorgt, jedoch verschiebt sich ihr Übergangsrisiko zur zweiten Schwelle, dem Eintritt in ein Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt. Angesichts des hohen Praxisanteils im G-BVJ, der vielfältige und umfangreiche Kontakte zu potenziellen Ausbildungsbetrieben eröffnet, verwundert es, dass sich nur wenige junge Erwachsene über die Einsatztage im Betrieb einen Ausbildungsplatz sichern konnten. Unter Berücksichtigung der Berufsorientierung der jungen Frauen und Männer im Maßnahmenverlauf relativiert sich der Eindruck einer überaus günstigen Ausbildungsbeteiligung ebenfalls. Knapp jedes fünfte Ausbildungsverhältnis steht in keiner hinreichenden Passung zu den beruflichen Wünschen der Befragten und erscheint demnach lediglich als eine Notlösung. In diesen Fällen muss damit gerechnet werden, dass langfristig nicht genügend Motivation vorhanden ist, um die zur Bewältigung der Ausbildung erforderlichen Lernanstrengungen aufzubringen.

Die Lage der jungen Erwachsenen ohne einen Ausbildungsplatz stellt sich sehr unter-schiedlich dar. Als unbefriedigend erweist sich insbesondere die Situation der jungen Frauen und Männer, die ungeachtet eines im G-BVJ erreichten Schulabschlusses und einer geklärten Berufswahlentscheidung nun erneut eine berufsvorbereitende Maßnahme absolvieren. Die Sinnhaftigkeit eines solchen dritten Berufsvorbereitungsjahres dürfte diesen jungen Leuten wohl nur schwer zu vermitteln sein, haben sie doch zweifelsohne die an eine berufsvorbereitende Maßnahme geknüpften pädagogischen Ziele bereits erreicht.

Bei denjenigen Befragten, die im Gestreckten BVJ zu keiner Berufswahlentscheidung gekommen sind, müsste im Einzelfall geklärt werden, woran dies lag. Aus den Befragungen lassen sich zumindest Hinweise dahingehend ablesen, dass nicht alle gewählten Praktikumsbetriebe als Lernorte geeignet scheinen. Auffallend häufig zeigten sich diese Befragten mit ihren Praktikumsplätzen unzufrieden, da entweder überwiegend Hilfsarbeiten zu erledigen waren oder keine Ansprechpersonen zur Verfügung standen. Bei den jungen Erwachsenen, die im G-BVJ keinen Schulabschluss erreicht haben, kommt demgegenüber schulabstinentem Verhalten eine wesentliche Bedeutung zu. Nicht selten korrespondierten die unzureichenden schulischen Leistungen mit ausgeprägten Fehlzeiten. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob das G-BVJ tatsächlich die geeignete Maßnahme war. Die lebenslagenspezifischen Schwierigkeiten, die in einigen Fällen den Übergang in Ausbildung und Arbeit verhindert haben, zeigen, wie wichtig eine rechtzeitige und umfassende Analyse der außerschulischen Lebenssituation von Teilnehmenden an berufsvorbereitenden Maßnahmen ist. Möglicherweise hätte eine rechtzeitige Intervention in dem einen oder anderen Fall noch einen günstigeren Ausgang der Maßnahme begünstigt.

Insgesamt fällt auf, dass im Hinblick auf die nachschulischen Perspektiven ausschließlich auf Ausbildung und Qualifizierung gesetzt wird. Bei einigen Befragten stellt sich jedoch die Frage, ob es alternativ zu einem dritten Berufsvorbereitungsjahr nicht sinnvoller gewesen wäre, Ausschau nach Nischenarbeitsplätzen zu halten, die insbesondere im unteren Dienstleistungssektor vorhanden sind und den Eintritt in das Arbeitsleben nicht noch weiter hinauszögern würden (vgl. ELLINGER/ STEIN/ BREITENBACH 2006). Erkenntnisse der Übergangsforschung zeigen jedenfalls, dass Maßnahmenkarrieren erhebliche Risiken beinhalten und sich negativ auf die Arbeitshaltung von jungen Menschen auswirken können, wohingegen Jobkarrieren sehr wohl recht stabil verlaufen und durchaus eine subjektiv zufriedenstellende Lebensführung ermöglichen können.

 

Literatur

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Zitieren dieses Beitrages

THIELEN, M. (2011): Kurzfristige (Re-)Integration – Nachhaltige Wirkung? Eine Verbleibsuntersuchung zum „Gestreckten Berufsvorbereitungsjahr“ in Sachsen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 01, hrsg. v. BRÄNDLE, T., 1-14. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws01/thielen_ws01-ht2011.pdf (26-09-2011).



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