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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS03 - Konzept Hauptschuloberstufe
Herausgeber: Wiebke Petersen & Gerald Heidegger


Titel:
Vom Übergangslabyrinth zur arbeits- und kulturorientierten Alternativen Oberstufe – Editorial zur Workshopdokumentation


Editorial zu Workshop 03: Vom Übergangslabyrinth zur arbeits- und kulturorientierten Alternativen Oberstufe – Editorial zur Workshopdokumentation

Abstract

In diesem Editorial geben wir zunächst als Einführung in die Thematik des Workshops eine inhaltliche Skizze des Konzepts für eine Alternative Oberstufe zur Arbeits- und Kulturorientierung. Es stellt eine mögliche Antwort auf die Frage dar, ob ein Übergangssystem in eigenem Recht geschaffen werden sollte, dessen zentrale Bildungsziele Selbstfindung und „Career Preparation“ (Berufsorientierung und -vorbereitung) sind. In der Ankündigung wurde statt „Alternative Oberstufe“ der Begriff „Hauptschuloberstufe“ gebraucht. In der Workshop-Diskussion, deren Zusammenfassung am Ende dieser Dokumentation der zugeordneten Aufsätze zu finden ist, wurde die ursprüngliche Bezeichnung jedoch verworfen, weil sie als zu nahe an Schule, besonders an der Hauptschule empfunden wurde. 

1  Einführung in den Workshop

Im Jahr 2008 hat die Sektion für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE ein Memorandum zur Integrationsförderung veröffentlicht, das  zu einer grundständigen Reform in Bezug auf das „Übergangssystem“ von der Schule zur Berufsausbildung aufruft.

Auch der Hauptausschuss des BIBB hatte 2007 in seinen „Handlungsvorschlägen für die berufliche Qualifizierung benachteiligter junger Menschen“ die derzeit bestehende Integrationslücke als ein dauerhaftes strukturelles Problem gesehen und folgerichtig äußere und innere Strukturreformen gefordert. Im Zentrum des Memorandums steht die Forderung, ein verändertes relativ unabhängiges Teilsystem zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem zu etablieren, „in dem es auf die Integration Benachteiligter spezialisierte Institutionen gibt. (…) Sie müssten und könnten, ausgehend von Zentren Beruflicher Schulen oder von Produktionsschulen, altersunabhängig allgemeine Bildungsabschlüsse, berufliche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung anbieten“.(Memorandum 2008, 5). Wir schlagen vor, dieses Konzept, das das Labyrinth des gegenwärtigen Übergangssystems überwinden soll, über den Bereich der Benachteiligtenförderung hinaus zu erweitern, so dass dieses Angebot allen interessierten jungen Menschen zugänglich wird.

Da davon auszugehen ist, dass die schulisch besser Qualifizierten eher in die gymnasiale Oberstufe oder in die anspruchsvolleren Ausbildungen einmünden, nennen wir dieses relativ autonome Teilsystem in eigenem Recht: eine zwei- bis dreijährige „Alternative Oberstufe“, die wir wegen der dafür zentralen Klientel ursprünglich als „Hauptschuloberstufe“ bezeichnet hatten. Sie soll eine Kombination von arbeits- und kulturorientierten Bildungsgängen bieten, die ein individuell ausbalancierbares Angebot von Selbstfindung und „Career Preparation“ (Berufsorientierung und -vorbereitung) ermöglichen.

Zunächst scheint dieser Idee die Tendenz zu widersprechen, die Bildungszeiten zu verkürzen. Das Bürgerrecht auf Bildung, das schon in der „General declaration of human rights“ 1948 von den United Nations formuliert wurde, bedeutet jedoch, dass gerade für die weniger Privilegierten die Bildungszeit eher ausgeweitet werden sollte.

Natürlich zählt auch eine fachlich, sozial und personal orientierte anspruchsvolle Berufsbildung zu dieser Bildungsphase. Für einen beachtlichen Teil der Jugendlichen bedeutet diese aber, dass ihre Bildungszeit derzeit relativ zu derjenigen der privilegierten Jugendlichen – zu der ja oft auch das Studium gehört – entgegen der UN-Menschenrechtserklärung drastisch verkürzt ist.

Weiterhin gibt es das Gegenargument, dass eine solche Alternative (Hauptschul-)Oberstufe nicht finanzierbar wäre. Doch ist festzuhalten, dass niemand etwas dabei findet, dass den Privilegierten eine kostenlose gymnasiale Oberstufe oder immerhin eine schulische Berufsausbildung angeboten wird.

Für die Benachteiligten andererseits werden im Dschungel des gegenwärtigen Übergangssystems schulische und außerschulische berufsvorbereitende Kurse und Maßnahmen vorgehalten, die öffentlich finanziert werden. Im Labyrinth des Übergangssystems müssen viele Jugendliche derartige Maßnahmen mehrfach durchlaufen (Drehtüreffekt), so dass die gesamte Aufenthaltsdauer häufig zwei Jahre überschreitet, was zu dessen hohem quantitativen Umfang führt. Deshalb ist davon auszugehen, dass für einen erheblichen Teil der „Besucher“ der Alternativen Oberstufe keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Da zu erwarten ist, dass durch eine wohlüberlegte pädagogische Gestaltung der Erfolg der Bildungsgänge in der Alternativen Oberstufe für die Jugendlichen sehr erheblich zunehmen wird, kann man abschätzen, dass sie kostenneutral eingeführte werden könnte. Dabei muss trotz ihres Namens – vor  allem auch aus pädagogischen Gründen – dafür gesorgt werden, dass von einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Anbietern eine bunte Palette von kultur- und arbeitsorientierten Angeboten offeriert wird, um den vielfältigen heterogenen Interessen der Jugendlichen in der Pubertät gerecht werden zu können. Dazu zählen außerschulische Bildungseinrichtungen, Kulturzentren, Musikschulen, Sportvereine und natürlich auch Betriebe. Dort kann man Hospitationen und Schnupperpraktika absolvieren oder auch über ein Berufsorientierungspraktikum Ausbildungsmodule durchlaufen, die schließlich dazu führen, dass man in eine Vollzeitausbildung einmündet.

Das Programm des Workshops bot Annäherungen an das Konzept aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach einer Interpretation der Bedeutung der Übergangsphase für ein (berufs-)biographisches Selbstkonzept von Günter RATSCHINSKI stellte Gerald HEIDEGGER das Gesamtkonzept vor. Anschließend wurden von Wiebke PETERSEN speziell die Entwicklungspotenziale des berufsschulischen Übergangssystems hin zu einer arbeits- und kulturorientierten „Alternativen (Hauptschul-)Oberstufe“ aufgezeigt und die Höhe der Entwicklungshürden abgeschätzt. Danach untersuchte Matthias RÜTH, welchen (außerordentlich) wichtigen Beitrag außerschulische Lernorte und darunter die Kompetenzagenturen für die Alternative Oberstufe als strukturiertes, aber offenes Übergangssystem leisten können. Insbesondere aus Europa kann man lernen, welche Möglichkeiten für ein offenes Übergangssystem und welche Optionen der Anerkennung von Lernleistungen aus diesem „Übergangssystem“ in nachfolgenden (Berufs-) Bildungsgängen bestehen, wie Claudia Schreier zeigte. Schließlich wurde in einer Abschlussdiskussion das gesamte Konzept kritisch gewürdigt, und es wurden Schlussfolgerungen gezogen. Die folgenden Aufsätze dokumentieren die Beiträge zum Workshop, sind aber aufgrund der Diskussion überarbeitet.

Günther RATSCHINSKI (Universität Hannover): Die Bedeutung der Übergangsphase für die Entwicklung des Selbstkonzepts.

Gerald HEIDEGGER (biat/Universität Flensburg) und Wiebke PETERSEN (HLA – Die Flensburger Wirtschaftsschule und biat/ Universität Flensburg ): Jenseits des Übergangssystems: Alternative Oberstufe zur Arbeits- und Kulturorientierung

Wiebke PETERSEN (HLA – Die Flensburger Wirtschaftsschule und biat/ Universität Flensburg:Vom berufsschulischen Übergangssystem zur „Alternativen Oberstufe zur Arbeits- und Kulturorientierung“

Claudia SCHREIER  (Nationale Agentur Bildung für Europa beim BIBB): Europäische Impulse für das Übergangssystem

Literatur

BERUFSBILDUNG IN WISSENSCHAFT UND PRAXIS (2008):Aus der Arbeit des Hauptausschusses 2007. Beilage zu 1/2008.

MEMORANDUM (2008): Zur Professionalisierung des pädagogischen Personals in der Integrationsförderung aus berufsbildungswissenschaftlicher Sicht. Online: http://www.good-practice.de/infoangebote_beitrag3847.php  (05-07-2010).

GENERAL ASSEMBLY OF THE UNITED NATIONS (1948): The Universal Declaration of Human Rights. Online: http://www.un.org/en/documents/udhr/index.shtml  (10-06-2011).


Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

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