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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 01 Bau, Holz, Farbe und Raumgestaltung

Kompetenzentwicklung für nachhaltiges Bauen

 

1.  Einleitung: Aktuelle Aufgaben der beruflichen Fachdidaktik Bau-, Holz- und Farbtechnik im Kontext des Nachhaltigkeitsparadigmas

Der DEUTSCHE BILDUNGSRAT (1970, 245 f.) beschrieb die Aufgaben der Fachdidaktik in der Lehrerbildung für die beruflichen Schulen folgendermaßen: „Die Aufgabe, die Wissenschaft zu elementarisieren und den Unterricht an der Wissenschaft zu orientieren, bezeichnet genau den Auftrag der Fachdidaktik, nämlich so zu lehren, dass der Anschluss sowohl zum Schüler hin als auch zur Forschung hin gewahrt wird.“ Das Prinzip der Wissenschaftsorientierung ist in der Vergangenheit häufig dahingehend missverstanden worden, dass es sich bei den beruflichen Fachdidaktiken vorwiegend um „didaktisch reduzierte Ingenieurwissenschaften“, sogenannte „Abbilddidaktiken“, handelte. Dabei wurde übersehen, dass ein wesentliches Merkmal der Fachdidaktiken die Interdisziplinarität ist. Das gilt insbesondere für die beruflichen Fachdidaktiken, die zum einen eine Mittlerrolle zwischen der allgemeinen Didaktik und den Fachwissenschaften einnehmen und zum anderen ihren Fokus nicht nur auf eine Ingenieurwissenschaft, sondern auf verschiedene Fachwissenschaften und vor allem auf die berufliche Facharbeit richten (vgl. KUHLMEIER/ UHE 1998, 110 ff.).

Prüft man die Beziehungen zwischen der Fachdidaktik Bau-, Holz- und Farbtechnik, der allgemeinen Didaktik und der Fachwissenschaft in Bezug auf die Trias von Bildung - Arbeit - Technik, so kann man sagen, dass bislang die Beziehungen zur allgemeinen Didaktik und zum Bereich Bildung weitgehend unausgefüllt blieben. Die Beziehungen zur Technik und – soweit vorhanden – zu den entsprechenden technischen Fachwissenschaften waren wesentlich ausgeprägter vorhanden. Ein Bezug zur realen Arbeit der in den Berufsfeldern vertretenen Berufe wurde über den Bezug zum übergreifenden Produkt der Arbeit, dem Bauwerk, hergestellt (vgl. BLOY 1994, 77ff.). Seit der Ausrichtung an den Arbeits- und Geschäftsprozessen der Bauwirtschaft, die mit dem Lernfeldkonzept einherging, kann man von einer Orientierung des Unterrichts an elementaren (Grundstufe) und komplexen praktischen Bauaufgaben (Fachstufe) sprechen. Da sich die Bau- und Ausbauarbeit in den Handwerksberufen zumeist in der Form von auftragsorientierter Arbeit vollzieht, ist hier das Lernen am Kundenauftrag als geeignetes didaktisches Konzept anzusehen (vgl. HAHNE 2000). Die Ausrichtung der Fachdidaktik Bau-, Holz- und Farbtechnik an Bildungsbezügen blieb jedoch bis heute blass und vollzog sich allenfalls über die postulierte Zielkategorie beruflicher Bildung, die berufliche Handlungskompetenz, die zur verantwortlichen Teilhabe in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen befähigen sollte (vgl. KULTUSMINISTERKONFERENZ 1999).

Nimmt man den Auftrag der beruflichen Fachdidaktiken ernst, unter Bezug auf wissenschaftliche Erkenntnisse „Bildung im Medium des Berufes“ an den Lernorten zu gestalten und zu evaluieren (vgl. KUHLMEIER 2005; HAHNE 2002), so kann man sich einer Ausrichtung auch beruflicher Didaktiken an gesellschaftlichen „epochaltypischen Schlüsselproblemen“ (KLAFKI 1996) nicht verschließen. Dabei stellt sich die Frage, an welchen Forschungserkenntnissen und gesellschaftlichen Orientierungen sich vor dem Hintergrund des Klimawandels und der wachsenden Erkenntnis, dass ein Weitermachen wie bisher angesichts der „Grenzen des Wachstums“ (vgl. MEADOWS u.a. 1972) auf dem begrenzten „Raumschiff Erde“ nicht mehr verantwortbar ist, eine moderne Fachdidaktik Bau-, Holz- und Farbtechnik (wie auch jede andere Didaktik) auszurichten hat? Die Antwort lautet: An der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung! Mit der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung wird die Zukunftsfähigkeit gesellschaftlicher, technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen unter Beachtung der Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen geprüft.

2.  Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) wurde vor dem Hintergrund zunehmender Erkenntnisse über beobachtete und prognostizierte menschlich verursachte globale Umweltveränderungen entwickelt. Nachhaltig ist eine Entwicklung, "die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“ . So definierte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung unter Leitung der früheren norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland 1987 den Begriff der Nachhaltigkeit (vgl. HAUFF 1987). Kurz gefasst geht es darum, heute nicht auf Kosten von morgen und hier nicht zu Lasten von anderswo zu wirtschaften. Die unterschiedlichen Dimensionen soziale Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit und ökonomische Leistungsfähigkeit sind gleichrangige Ziele dieses Konzeptes ("Dreieck der Nachhaltigkeit").

Das besondere an dieser Dreiecks-Denkfigur ist das, was als „Retinität“ bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass diese drei Dimensionen integriert und in ihrer Wechselwirkung gesehen werden müssen und nicht als einzelne, isolierte Säulen. Das lenkt den Blick unweigerlich auf Konflikte und Widersprüche: Was ökologisch ist, ist nicht immer auch ökonomisch, was sozial ist, ist nicht immer ökologisch usw. Diese Widersprüche zu erkennen, sich aktiv in diesen Konflikten zu verhalten und dabei verantwortbare Entscheidungen zu treffen, ist das Ziel einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Ziel wird auch als „Gestaltungskompetenz“ bezeichnet. „Mit Gestaltungskompetenz wird das nach vorne zeigende Vermögen bezeichnet, die Zukunft von Sozietäten, in denen man lebt, in aktiver Teilhabe im Sinne nachhaltiger Entwicklung modifizieren und modellieren zu können “ (DE HAAN/ HARENBERG 1999, 60). Die Gestaltungskompetenz als oberstes Bildungsziel subsumiert nach dem Orientierungsrahmen „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ der Bund-Länder-Kommission vielfältige Schlüsselqualifikationen wie z.B. die Fähigkeit zum vernetzten und Problem lösenden Denken, die Partizipations-, Team-, Dialog- und Konfliktlösefähigkeit, Methodenkompetenz und die Fähigkeit zur Selbstorganisation von Lernprozessen (a.a.O., 57).

Berufliche Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BBNE) zielt stärker als die Allgemeinbildung auf das handelnde Eingreifen in materiale Wertschöpfungsprozesse, auf Produkt- und Dienstleistungserstellungen in realen und nicht pädagogisch strukturierten ökonomischen, sozialen und ökologischen Bezügen. Daher kommt hier einer umfassenden Handlungskompetenz für nachhaltige Entwicklung die Priorität zu, die DE HAAN der Gestaltungskompetenz gibt. Dennoch macht es wenig Sinn, berufliche und lebensweltliche Anforderungen scharf zu trennen. Berufliche Bildung muss als Bildung des „ganzen Menschen“ immer über dessen reine Beruflichkeit hinausweisen. Gerade im Bereich des durch Werte und Einstellungen geprägten Handels für mehr Nachhaltigkeit werden sich grundsätzlich andere Verhaltensweisen in der Berufswelt gegenüber der Lebenswelt von den Akteuren kaum durchhalten lassen. Prägnant wird diese umfassendere Auffassung von Handlungskompetenz von der KULTUSMINISTERKONFERENZ formuliert: „Handlungskompetenz wird verstanden als die Bereitschaft und Fähigkeit des einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (KULTUSMINISTERKONFERENZ 1999). Würde man diese Formulierung hinter „Situationen“ ergänzen um den Passus „im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung“ , so hätte man bereits eine prägnante Kompetenzformulierung für eine an der Leitidee der Nachhaltigkeit orientierte Berufsbildung.

Berufliche Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zielt auf das Identifizieren und Ausgestalten von Spielräumen beruflicher und lebensweltlicher Handlungssituationen in zunehmender Übereinstimmung mit der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung. Damit bezieht sie sich innerbetrieblich auf Verbesserung aller Betriebsabläufe unter Nachhaltigkeitsaspekten, also auf das Energie-, Stoff-, Auftrags- und Verfahrensmanagement sowie die Leitbild-, Personal- und Organisationsentwicklung. Im Hinblick auf den Markt bezieht sie sich auf die Entwicklung und Gestaltung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen als Herausstellungsmerkmal und Wettbewerbsvorteil für den Betrieb sowie auf nachhaltiges Marketing und Kundenorientierung. Professionelles berufliches Handeln im Sinne nachhaltiger Entwicklung unterscheidet sich u.E. vom normalen fachkompetenten Handeln im weiteren dadurch, dass die Prinzipien der Nachhaltigkeit, d.h. die inter- und intragenerative Gerechtigkeit, die langfristige Zukunftssicherheit, der partizipative Diskurs unter allen Beteiligten, flexibles Umgehen mit Zielkonflikten und offenen Fragen bei der Identifizierung und Ausgestaltung von Gestaltungs- und Handlungsoptionen mitbedacht werden. Im nachhaltigen beruflichen Handeln sind neben den neuen Anforderungen aber auch die klassischen Berufsbildpositionen in den existierenden Ausbildungsordnungen einzulösen, wie „Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz“, „selbstständig planen, durchführen und kontrollieren“ (vollständige Lern- und Arbeitshandlung) sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der eigenen Arbeit treffen zu können.

Im Unterschied zur „normalen“ Fachkompetenz stellen für uns die Gestaltungs- und die Systemkompetenz zwei unverzichtbare Kompetenzbündelungen in einer Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung dar, die im weiteren mit dem gängigen Kompetenzmodell mit Selbst-, Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz (vgl. dazu HAHNE 2007) verbunden werden. Gestaltungskompetenz enthält als Fähigkeit zur Gestaltung von Arbeitsprozessen, -produkten, Dienstleistungen und Schlüsselsituationen im Sinne nachhaltiger Entwicklung fast gleichmäßige Bezüge zu allen Kompetenzen nach der KMK-Auffächerung. Nimmt man z.B. das Kundenberatungsgespräch im Handwerk als eine wichtige Schlüsselsituation, so erhalten Selbst- und Sozialkompetenz eine besondere Bedeutung; gilt es doch überzeugendes Auftreten mit Verhandlungsgeschick und Einfühlen in die Bedürfnisse, Erwartungen und Anforderungen des Kunden angemessen zu verbinden.

Auf die Gestaltungskompetenz sind wir aber auch verwiesen, wenn es darum geht, in widersprüchlichen oder dilemmatischen Situationen partizipative Dialoge mit den Beteiligten zu führen und Lösungen im Sinne von mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Eine aktuelle Diskussion wird zur Zeit um die Ziele CO 2 -Einsparung durch Wärmedämmung auf der einen Seite und Erhalt des städtebaulichen und baukulturellen Erbes auf der anderen Seite geführt. Die Notwendigkeit der besseren Wärmedämmung im Gebäudebestand ist unbestritten, da der größte Anteil der CO 2 -Emissionen derzeit auf das Konto der Gebäudebewirtschaftung geht. Und 77% des Energiebedarfs der Gebäude werden für die Erzeugung von Raumwärme benötigt. Es wird geschätzt, dass sich hier durch bauliche Maßnahmen zur Wärmedämmung über die Hälfte einsparen lässt. Aber rechtfertigt dieses Ziel, dass wir die das Stadtbild prägenden Fassaden ganzer Quartiere hinter konturlosen Wärmedämmverbundsystemen verschwinden lassen? Andererseits ist zu fragen, was uns die schönsten historischen Gebäudefassaden nutzen, wenn wir das Problem des Klimawandels nicht lösen. In solchen Konflikten und Dilemmata müssen Entscheidungen getroffen werden. In der Auseinandersetzung um solche Fragen steckt ein großes Lernpotential im Sinne der geforderten Gestaltungskompetenz.

Bei der Systemkompetenz scheinen Fach- und Methodenkompetenz zu dominieren. Systemkompetenz bezieht sich zunächst auf das Verstehen und nachhaltige Eingreifen in komplexe technische Systeme wie z.B. das Bauprodukt „Haus“ in seinen Lebenszyklen, als energetisches System mit den korrespondierenden Bereichen Wärmeerzeugung (Heizungstechnik) und Wärmeerhaltung (Bauphysik) und seinen Teilsystemen wie z. B. die hydraulische und energetische Optimierung von existierenden Heizungsanlagen. Sehr bald wird aber deutlich, dass auch technische Systeme als Teilsysteme sozialer oder gesellschaftlicher Konstrukte aufgefasst werden müssen, weil sie mit Kundenaufträgen bzw. Arbeitsorganisation zusammenhängen. Für das Kurshalten in vernetzen Systemen mit häufig nicht einfach zu entscheidenden Zielkonflikten, Unsicherheiten und Offenheiten sind aber auch klare Werte und Einstellungen als „innerer Kompass“ und damit die „Selbstkompetenz“ von zentraler Bedeutung. Die Systemkompetenz begründet sich mit der Denk- und Handlungsfähigkeit in vernetzten Systemen und immer komplexer werdenden technisch-sozialen-ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen zu „vernetztem Denken“ (vgl. VESTER 1990).

Die mögliche Minderung an CO 2 -Emissionen und die Minderung des Verbrauchs an fossilen Energieträgern durch Energieeffizienz und -suffizienz im „System Gebäude“ lässt sich im Bereich der Wärmeerzeugung (Raumwärme und Warmwasser) an der Entwicklung der Heizungstechnik und im korrespondierenden Bereich der Wärmeerhaltung am Weg zum Niedrig- und Nullenergiehaus aufzeigen. Bei der Wärmeerzeugung führt der Weg von konventionellen Heizungskesseln über optimierte Heizungsanlagen mit Brennwerttechnik zu Pellet- und anderen Heizungen, die mit Brennstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen CO 2 -neutral betrieben werden können, bis zur Kraft-Wärme-Kopplung oder der Wärmepumpe. Solare Warmwasseraufbereitung und die solar unterstützte Raumheizung können besonders in Niedrigenergiehäusern einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zukünftig wird vor allem der Kraft-Wärme-Kopplung mit Brennstoffzellentechnologie mit Methan, Biogas oder Erdgas und langfristig vielleicht auch der Brennstoffzellentechnologie mit regenerativ – z.B. solar – gewonnenem Wasserstoff große Bedeutung bei der Energiewende zukommen (vgl. BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG 2004). Im Bereich der Wärmeerhaltung geht es parallel zu den Fortschritten in der Wärmeerzeugung unter Einbezug regenerativer Energien entsprechend um ökologisch und bauphysikalisch fundierte Wärmedämm-Verbundsysteme bis zur transparenten Wärmedämmung, Wärmeschutzverglasungen, Winddichtigkeit, kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung, sowie um die Orientierung an den Standards von Solar-, Niedrig- und Nullenergiehäusern.

Neben dem Gesamtsystem des Gebäudes gibt es Teilsysteme, deren Optimierung ebenfalls eine besondere berufliche Kompetenzentwicklung voraussetzt. Der Modellversuch „Optimus“ steht dafür, wie man durch geschultes Systemverständnis existierende komplexe Heizungsanlagen ohne das aufwendige Auswechseln von teuren Aggregaten durch „hydraulischen Abgleich“ energetisch optimieren und zum funktionellen Faktor für Behaglichkeit werden lassen kann (vgl. MÜLLER 2006). Eine Experimentierwand bei der die Fehler, die in den Altanlagen vorkommen, nachgestellt und praktisch behoben werden können (Luft in der Heizung, Geräuschentwicklung, der letzte Heizkörper wird nicht warm, die Heizungspumpe läuft gegen die geschlossenen Thermostate) zeigt, wie im praktischen Experimentieren häufig verlorengegangenes systemisches „Know-how“ zum hydraulischen Abgleich zurückgewonnen werden kann. Virtuelle Zugänge auf einer CD-ROM öffnen die „black-box“ „Wärmeverteilung in der Haustechnik“ und bieten durch das Simulationspotenzial von Multimedia die Möglichkeiten zum virtuellen Experimentieren. Diese Entwicklungen zeigen, wie authentisch experimentelle und virtuelle multimediale Lernangebote zusammenkommen müssen, um die Entwicklung von Systemkompetenz zu fördern. Für die Handwerksfirmen eröffnet sich mit der Anlagenoptimierung eine neue Kundenauftragsposition im neuen Marktsegment nachhaltiger Entwicklung, deren Kundennutzen leicht durch Argumentation zum unnötigen und teuren Energieverbrauch und zu Fehlfunktionen der Altanlage also durch Gestaltungskompetenz herausgestellt werden kann.

3.  Nachhaltiges Bauen

Die Gewerke spezifischen oder berufsfeldbreit angelegten Akteurskonferenzen des BUNDESINSTITUTS FÜR BERUFSBILDUNG in der Vorbereitung eines Programms einer BBNE zeigten, dass branchenspezifische Analysen der energetischen Bezüge, der Stoffstränge, der Arbeitsverfahren und der Arbeitssituationen sowie der erstellten Produkte und Dienstleistungen unter der Leitidee der Nachhaltigkeit eine gute Basis für die Entwicklung von Qualifizierungskonzepten bieten (vgl. BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG 2003). So führten z.B. Akteurskonferenzen mit dem Abbruchgewerbe später zu einer neuen Qualitäts- und Imageverbesserung der Branche durch die Schaffung eines neuen anerkannten Ausbildungsberufs „Bauwerksmechaniker/in für Abbruch und Betontrenntechnik“. Akteurskonferenzen zur Nachhaltigkeit in der Versorgungstechnik (Gebäudetechnik/ Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik) und in der Bautechnik zeigten auf, wie technologische Perspektiven mit der Entwicklung von Kompetenzen in der Aus- und Weiterbildung zu verknüpfen sind, um Bau- und Energiedienstleistungen wie z.B. Behaglichkeit und Hygiene energieeffizient, Ressourcen schonend und mit möglichst wenig klimaschädlichen Emissionen ökonomisch und sozial vertretbar bereitzustellen.

Nachhaltiges Ressourcenmanagement beim Bauen meint dabei, dass:

•  die Ressourcen – soweit nicht regenerierbar – geschont oder durch regenerierbare ersetzt werden, z. B. durch Beachtung der knappen Ressource Boden bei der Bau-Flächenplanung und die Verwendung nachwachsender Baustoffe (Suffizienz).

•  die Ressourcenproduktivität erhöht wird, d.h. den Ressourcenverbrauch und den Energieeinsatz zu minimieren (Effizienz).

•  eingesetzte Ressourcen möglichst lange verwendet werden
(Verlangsamung des Ressourcendurchflusses indem z.B. durch bauliche Variabilität und Bauqualität eine langfristige Nutzung des Bauwerks gewährleistet wird) (Permanenz).

•  nicht mehr benötigte Ressourcen nicht vernichtet, sondern wieder aufbereitet werden (Stoffkreisläufe). Die Beachtung des Rückbaus und der Wiederverwertung bzw. Wiederaufbereitung von Baustoffen schon in der Bauplanung wäre ein erster Schritt und fände seine Fortsetzung in der Baustoffsortierung beim Rückbau, um Baustoffrecycling zu ermöglichen.

•  Schadstoffe und "Abfälle" die Absorptionskapazität der Umweltmedien (Atmosphäre, Wasser, Boden) nicht überfordern dürfen.

Schon das nachhaltige Ressourcenmanagement beim Bauen verweist über den Bereich der Ökologie hinaus auch auf ökonomische Bezüge. Weitere ökonomische Ziele im Sinne der Nachhaltigkeit sind beispielsweise:

•  Erstellungskosten minimieren,

•  Betriebskosten minimieren,

•  langfristige Nutzung gewährleisten,

•  Rückbau- und Entsorgungskosten minimieren.

In der Dimension „Soziales“ sind z. B. folgende nachhaltigkeitsrelevante Aspekte zu berücksichtigen:

•  gesunden und preiswerten Wohnraum schaffen,

•  komfortabel und nutzergerecht bauen,

•  Sicherung von Arbeitsplätzen ,

•  Erhaltung der Baukultur.

Die Retinität der Nachhaltigkeitsdimensionen ist auch bei der „Lebenszyklusbetrachtung“ von Gebäuden zu beachten. Das heißt, dass alle Phasen im „Leben“ eines Gebäudes daraufhin zu untersuchen sind, welche Potenziale im Sinne der Nachhaltigkeitsidee jeweils vorliegen:

•  In der Phase der Planung eines Gebäudes werden wichtige Entscheidungen z.B. zu den Werkstoffen oder zur Art der Heizenergieerzeugung getroffen, aber auch der Gebäudegrundriss oder die Ausrichtung nach den Himmelsrichtungen bieten Möglichkeiten zur energetischen Optimierung.

•  In der Phase der Bauwerkserstellung (oder auch der Gebäudesanierung) spielt vor allem die Qualität der konstruktiven Ausführung eine Rolle. Hier kommt es z.B. darauf an, Wärmebrücken und Lüftungswärmeverluste zu vermeiden.

•  In der Phase der Nutzung sind Betriebskosten gering zu halten und eine bedarfsgerechte Ausstattung sicherzustellen.

•  Schließlich ist in der Phase des Rückbaus ein möglichst großer Anteil an Baustoffen wieder zu verwerten. Die Bedeutung des Baustoffrecycling wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass 80% des gesamten Abfallaufkommens auf Bauabfälle zurückzuführen ist.

Am Beispiel eines Vergleichs verschiedener Gebäudetypen lässt sich z.B. erkennen, dass es bei einer Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus einen Unterschied gibt zwischen einer maximalen und einer optimalen Einsparung von Wärmeenergiebedarf.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt auf den Akteurskonferenzen zum nachhaltigen Bauen war das Thema „Vermeiden von Baufehlern und Baumängeln“. Der „DEKRA-Bericht zu Baumängeln an Wohngebäuden“ hat unlängst festgestellt, dass es hier eine stark steigende Tendenz gibt und die Baumängel in den letzten fünf Jahren um über 100% gestiegen sind. An jedem Wohngebäude werden durchschnittlich Bauschäden im Wert von über 10.000,- € bei der Herstellung „miteingebaut“ (vgl. DEKRA 2008). Das ist sicher nicht „nachhaltig“.

Das von der DEUTSCHEN BUNDESSTIFTUNG UMWELT geförderte Projekt „KLuB“ (Kooperieren, Lernen und Bauen) hat am Bau-Medienzentrum Düren eine Ausstellung von sogenannten „halben Häusern“ als Realobjekten für die Suche nach Baufehlern und Baumängeln zum Ausgangspunkt einer Qualifizierungsoffensive für alle Baubeteiligten gemacht. Als Hauptursache von Baumängeln und -fehlern wurden erkannt:

•  mangelnde Kenntnisse der Bauphysik,

•  falsche Kombinationen unterschiedlicher Baustoffe,

•  mangelnde Ausführung der Verbindungen und der Übergänge von Baukonstruktionsteilen (z.B. Wand-Dach, Boden-Wand, Fenster (Jalousien) und Baukörper usw.,

•  die mangelnde Kommunikation, Koordination und Kooperation der Bau- und Ausbaugewerke.

Durch „Baufehler-Rallyes“ an den „halben Häusern“ und vertiefende mediengestützte Seminare zum Vermeiden von Baufehlern wurde im „KLuB“- Projekt eine Qualitätssteigerung im Sinne nachhaltigen Bauens angestrebt.

Nachhaltiges Bauen geht z.B. im Handlungsfeld des „energieeffizienten Bauens“ deutlich über alle in den Berufsfeldern Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung vertretenen Berufe hinaus und umfasst auch die versorgungs- und elektrotechnischen Berufe bis hin zur Gebäudeleittechnik. Dies ist die Konsequenz der Betrachtung eines Gebäudes als energetisches System. Das heißt, dass Wärmeerzeugung, Wärmeerhaltung und Wohnraumlüftung einer Gesamtbewertung unterzogen werden müssen. Diesen Gedanken hat erstmals die Energieeinsparverordnung von 2002 aufgegriffen, die Vorgaben für die anlagentechnische Ausrüstung – also die Heizungstechnik – und die bautechnische Konstruktion – also die Wärmedämmung – in einem gemeinsamen Regelwerk zusammenführt (vgl. ENERGIEEINSPARVERORDNUNG 2002). Die prinzipielle Frage bei der Altbaumodernisierung „erst dämmen oder erst die Heizung erneuern?“ lässt sich nur entscheiden, wenn man übergreifend und systemisch an die Sache herangeht. Bei der erneuerten und optimierten Heizung kann sich z.B. jede spätere Maßnahme in der Wärmeerhaltung (z.B. durch Dämmung) als Senkung der Vor­lauftemperatur und damit als Wirkungsgradverbesserung auswirken. Bei einem gut gedämmten Gebäude ist die nicht optimierte Altheizung zunächst energetisch besonders ineffizient. Aber schon eine einfache hydraulische und energetische Optimierung der Altanlage im gedämmten Gebäude kann dann ohne Auswechseln teurer Komponenten bereits bis zu 20 Prozent zusätzliche Energieeinsparung bringen (vgl. www.optimus-online.de). Vor diesem Hintergrund kann dann die bauliche und energetische Bestandsaufnahme des konkreten Objektes zu einer abgestimmten Reihe von energetischen Verbesserungsvorschlägen durch den Energieberater bzw. den beratenden Handwerker führen.

Zur Zeit richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit überwiegend auf die Anlagentechnik und die Installation von Technologien zur regenerativen Energiegewinnung (Solarthermie, Photovoltaik, Erdwärme). Die energetische Effizienz von bautechnischen Maßnahmen steht häufig erst an zweiter Stelle. Um hier zu optimalen Ergebnissen zu kommen, müssten Unternehmen in der Lage sein, den Kunden gegenüber eine sachliche, neutrale Beratung und eine Kosten-Nutzen-Bilanz aufzustellen. Ergebnisse aus Modellversuchen zeigen, dass hier ein Kompetenzdefizit herrscht. An dessen Aufarbeitung wird aber gerade im Handwerk intensiv durch Weiterbildungsmaßnahmen gearbeitet. Ein „Renner“ unter den Fortbildungsangeboten für das Handwerk ist z. B. der/die Gebäudeenergieberater/in. Mehr als 7.000 Handwerker/innen haben sich bereits in Kursen dafür qualifiziert. Wesentliches Motiv für das starke Interesse ist die begründete Erwartung, dass aus einer guten Energieberatung auch entsprechende Anschlussaufträge resultieren dürften. Allerdings wird von manchen befürchtet, dass die Herkunft dieser Berater aus ih­rem entsprechenden branchenbezogenem Betrieb ein nicht ganz interessenfreies entsprechendes Beratungsergebnis mit sich bringt: Der Maler empfiehlt die Dämmung, der Heizungsbauer die neue Heizungsanlage. Generell lässt sich aber sagen, dass die umfangreiche Qualifizierung in den Kursen zum Gebäudeenergieberater eine gute Grundlage für eine energetische Bestandsaufnahme von Gebäuden und eine vernünftige Anordnung von Maßnahmen zu ihrer energetischen Verbesserung darstellt. Ob der Einbezug von erneuerbaren Energien in der Beratung einen entsprechenden Stellenwert erhält, hängt von vielen Faktoren ab: Deren Gewichtung in der Schulung, Interessen des Kunden und des Handwerkers, Förderungsbedingungen etc.

Mit dem Begriff der „Energiedienstleistung“ wird u.E. eine übergeordnete nachhaltige Betrachtungsperspektive gewonnen, die ökologische, soziale und ökonomische Sichtweisen in hohem Maße verbindet. Es ist nicht abstrakt zu fragen, wie viel Energie der Mensch braucht, sondern welche Energiedienstleistung er benötigt, und dann ist zu fragen, mit welchem energetischen, ökonomischen, ökologischen und sozialen Aufwand diese Energiedienstleistung bereitgestellt werden kann. So kann die Energiedienstleistung behagliche Raumtemperatur sowohl in schlecht gedämmten Räumlichkeiten mit veralteter Heizungstechnik unter hohem Ölverbrauch und viel Emissionen bereitgestellt werden als auch in gut gedämmten Gebäuden mit intelligenter Heizungstechnik und dem Einbezug der erneuerbaren Energien. Noch fehlt aber eine systemische Ausrichtung an einem Denken in Energiedienstleistungen in den Fortbildungsangeboten des Handwerks.

4.  Kompetenzvermittlung in der Aus- und Weiterbildung

Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung kann keine ausschließliche Sache von Instruktions- und Vermittlungsprozessen sein. Sie setzt die Befähigung zum selbstständigen Planen, Durchführen und Kontrollieren im Sinne des Konzeptes der vollständigen Handlung voraus und bedarf spezifischer aktivierender Lernkonzepte und -arrangements. Wie immer bei der Einführung neuer komplexer anspruchsvoller Zielsetzungen in der Berufsbildung ist eine gezielte Sensibilisierung und Weiterbildung des Aus- und Fortbildungspersonals von entscheidender Bedeutung

Schon die oberflächliche Betrachtung der Problem- und Inhaltsbereiche nachhaltigen Bauens wirft Fragen auf: Welche Kompetenzen sollen in der Aus- und Weiterbildung welcher beteiligten Akteure – das reicht vom Stadtplaner über Architekten und Bauingenieure bis zum Bau- und Ausbau-Facharbeiter – erworben werden und in welchen Lehr-/ Lern- und Arbeitsarrangements kann sich dieser Kompetenzerwerb vollziehen?

Aus der berufspädagogischen und der fachdidaktischen Perspektive ist insbesondere zu fragen: Wo liegen die besonderen Anforderungen an die Baufacharbeiter in Bezug auf ein nachhaltiges Bauen? Gibt es eine prinzipiell neue Qualität der Aufgaben und Anforderungen auf der Ebene der Gesellen und Facharbeiter?

Nach u.E. gibt es vielleicht keine grundsätzlich neuen Anforderungen, aber doch eine erkennbare Verschiebung der Qualifikationsanforderungen:

Als Hauptursache von Baumängeln und -fehlern wurden erkannt:

•  Es geht um eine bessere Kenntnis spezieller konstruktiver Detaillösungen, um z.B. Luftdichtheit sicherzustellen oder Wärmeleitungsverluste zu vermeiden.

•  Dabei ist auch der Grad an Sorgfalt und Qualität und damit auch an Eigenverantwortung gestiegen.

•  Es werden Kenntnisse und Fähigkeiten zur Verarbeitung ökologischer Werkstoffe benötigt.

•  Die Organisation von Prozessabläufen beim Bauen im Bestand erfordert eine reibungsarme Gestaltung der Schnittstellen mit anderen Gewerken.

•  Für die jeweils spezifische Bausituation müssen passende, individuelle Lösungen gefunden werden.

•  Schließlich spielt auch das Verständnis der „Nachhaltigkeitsphilosophie“ eine Rolle für ein problem- und kundenorientiertes Handeln.

Die Kompetenzanforderungen, die sich aus dem Leitziel der nachhaltigen Entwicklung für die Bauberufe ergeben, sind äußerst komplex. Die berufliche Bildung der Facharbeiter steht vor der Herausforderung, eine andere, weiter gefasste Sichtweise auf das Bauwerk zu werfen (z. B. Betrachtung eines Gebäudes als energetisches System, Berücksichtigung des Lebenszyklus), andere Prioritäten bei den Inhalten zu setzen (z. B. stärkere Berücksichtigung von nachwachsenden Werkstoffen, ihren Eigenschaften und Verarbeitungsweisen) und auch neue, zusätzliche Fachinhalte aufzugreifen (z. B. energetische Gebäudestandards, regenerative Energietechniken). Hier besteht die Gefahr, dass die berufliche Erstausbildung durch die Menge und die Komplexität dieser Aspekte überfrachtet werden könnte. Ein „lebensbegleitendes Lernen“, wie es u.a. von der EUROPÄISCHEN KOMMISSION postuliert wird, gewinnt daher auch im Kontext der Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung eine besondere Bedeutung.

Die berufliche Weiterbildung der Facharbeiter ist in der Regel berufsspezifisch organisiert. Träger der Weiterbildung sind vor allem berufsständische Vereinigungen, wie die Handwerksinnungen, die ein spezielles Bildungsangebot für ihre jeweilige Klientel bereithalten. Im Sinne eines nachhaltigen Bauens sind jedoch breit angelegte, Gewerke übergreifende und systemisch orientierte Weiterbildungsmaßnahmen angezeigt. Hier gilt es die bereits vielfältig angebotenen, aber bislang isolierten Weiterbildungsmaßnahmen zunächst zu erfassen, Schnittstellen auszuloten und berufsübergreifende Bezüge herzustellen. Ein Beispiel für einen konstruktiven Umgang mit dieser Situation und für eine zukunftsorientierte Weiterbildung ist die „Fortbildungsinitiative Handwerk und Energieeffizienz“, die von der HANDWERKSKAMMER HAMBURG unlängst gestartet wurde. Zu dieser Initiative haben sich fünf Weiterbildungsträger aus unterschiedlichen Gewerken zusammengeschlossen, die aufeinander abgestimmte und kombinierbare Weiterbildungsmodule zum energieeffizienten Bauen entwickeln werden, um auch die Kooperation und Kommunikation der daran beteiligten Handwerker untereinander zu fördern. Gleichzeitig sollen auch die Weiterbildungsbereitschaft und die Kundenberatungskompetenz der Handwerker gestärkt werden (vgl. HANDWERKSKAMMER HAMBURG 2007).

5. Entwicklung von Fach- und Beratungskompetenz durch Lernen am Kundenauftrag als Beispiel eines Lernarrangements für Gestaltungskompetenz

Es ist in der fachdidaktischen Diskussion unstrittig, dass zum Erwerb beruflicher Handlungskompetenz solche Lernsituationen besonders geeignet sind, die das berufliche Handeln zum Ausgangspunkt des Lernens machen. Kompetenzen entwickeln sich am besten in Lernsituationen, die den beruflichen Anforderungssituationen in der Arbeit möglichst ähnlich sind. Das bedeutet, dass reale oder realistische berufliche Arbeitsaufgaben bearbeitet werden sollten. Und dies sind in den drei Berufsfeldern Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung vor allem Kundenaufträge, zum Beispiel zur energieeffizienten Sanierung eines bestehenden Gebäudes. Im auftragsorientierten Lernen ist eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel zu den eingesetzten Werkstoffen, zur Art der Konstruktion oder zum Ablauf der Arbeitsprozesse. Außerdem müssen diese Entscheidungen auch dem Kunden gegenüber kommunikativ begründet und vertreten werden. Damit sind die wesentlichen Aspekte, die für den Erwerb von System- und Gestaltungskompetenz erforderlich sind, nämlich Komplexität der Aufgabe und Entscheidungsspielraum bei den Lösungen gegeben.

Damit jeder Kundenkontakt des Handwerkers aktiv für Vorschläge zur Energieeinsparung und zum Einbezug erneuerbarer Energien genutzt wird, muss der Handwerker auch zum „Mundwerker“ werden, kann er doch im Kundenauftrag nur das verkaufen und einbauen, was er vorher beraten hat. Das vom BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG und der „FORSCHUNGSGRUPPE PRAXISNAHE BERUFSBILDUNG“ an der Universität Bremen entwickelte Konzept des auftragsorientierten Lernens stellt hier geeignete Lernarrangements zum Lernen im und am Kundenauftrag in der Aus- und Weiterbildung an allen Lernorten vor (BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG 2003). Im Zentrum steht dabei der Kundenauftrag mit seinen Phasen als vollständige Lern- und Arbeitshandlung. Im Modellversuch „LENE“ (Lernfeld nachhaltige Energietechniken im Handwerk) wurde das Konzept des Lernens am Kundenauftrag mit sinnvollen Variationen in verschiedenen Lerneinheiten verwirklicht (http://www.modellversuch-lene.de/doc/0300_ueberblick.html). Oberstes Ziel war dabei die integrierte Entwicklung von fachlich-technischem „Know-how“ und wirtschaftlicher und sozial-kommunikativer Beratungskompetenz. Die Einheiten wurden an 5 nordhessischen Berufsschulen, in der Jugendwerkstätte Felsberg und an überbetrieblichen Berufsbildungsstätten kooperativ entwickelt und erprobt.

Jede Lerneinheit beginnt mit einer Kundenanfrage z. B. nach den Möglichkeiten des Einbaus einer solarthermischen Anlage. Die Auszubildenden informieren sich (auch durch Internetrecherche) zu dem Thema. In der zweiten Phase, der Erkundung, untersuchen die Auszubildenden solarthermische Anlagen und befragen die Betreiber und ggf. die installierenden Betriebe. In der dritten Phase, „Experimente“, ermitteln die Auszubildenden experimentell grundsätzliche Funktionen solartechnischer Komponenten. Die vierte Phase, „Installation“, befähigt die Auszubildenden eine solarthermische Anlage mit ihren Komponenten auf dem (Übungs)-Dach zu installieren, mit der Haustechnik zu verbinden (Speicher, Pumpen, Regelung etc.) und in Betrieb zu nehmen. In der 5. Phase geht es nun um das „Planen und Dimensionieren einer solarthermischen Anlage“ aufgrund der Kundenanfrage und der spezifischen baulichen Gegebenheiten. Unter Hinzuziehung von Simulationsprogrammen und netzgestützten Produktinformationen von Herstellern wird die Anlage projektiert und ein Angebot erstellt. Erst jetzt – als Ergebnis des auftragsorientierten Lernprozesses – kommt als 6. Phase die Kundenberatung. Die Auszubildenden üben die Präsentation ihres Angebotes (z.B. als illustrierte Angebotsmappe) und die erfolgreiche Führung des Kundengespräches. Diese Abwandlungen des Auftragslernens im schulischen Lernfeld oder im überbetrieblichen Lehrgang stellen gute Bespiele für die Entwicklung von Fach- und Gestaltungskompetenz dar (vgl. Abbildung 3).

 

Literatur

BLOY, W. (1994): Fachdidaktik Bau-, Holz- und Gestaltungstechnik. Hamburg.

BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG (Hrsg.) (2003): Auftragsorientiertes Lernen im Handwerk. CD-ROM, Konstanz.

BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG/ INITIATIVE BRENNSTOFFZELLE (Hrsg.) (2004): Brennstoffzellen in der Haustechnik. Empfehlungen zum Informations- und Qualifizierungsbedarf bei Einführung der Brennstoffzellentechnik in Handwerk und Ausbildung. Konstanz.

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2003): Erste bundesweite Fachtagung Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung. Bonn.

BUND-LÄNDER-KOMMISSION (Hrsg.) (1998): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Orientierungsrahmen. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung, Heft 69, Bonn.

DE HAAN, G./ HARENBERG, D. (1999): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung, H. 72, Bund-Länder-Kommission, Bonn.

DEKRA (Hrsg.) (2008): Zweiter DEKRA-Bericht zu Baumängeln an Wohngebäuden. Saarbrücken.

DEUTSCHER BILDUNGSRAT (Hrsg.) (1970): Strukturplan für das Bildungswesen. Stuttgart.

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