wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 



Schrift vergrößern Schrift zurücksetzen Schrift verkleinern download pdf-file pdf file | www.bwpat.de





 

 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 01 Bau, Holz, Farbe und Raumgestaltung

Qualitätsmerkmale guten Unterrichts in den Fachrichtungen Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung

 

1.  Problemdarstellung

In der beruflichen Bildung der Berufsfelder Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung vollzieht sich seit einigen Jahren ein Paradigmenwechsel von einer eher fachsystematischen, lehrkraftdominierten Unterrichtsarbeit hin zu mehr situierten Lehr- und Lernzusammenhängen selbstorganisierten Lernens. Der Prozess des Übergangs vom einen zum anderen lerntheoretischen Paradigma ist trotz der Einführung neuer Rahmenlehrpläne keineswegs abgeschlossen und gestaltet sich in der Unterrichtspraxis an berufsbildenden Schulen teilweise schwierig. Die Ursachen sind vielschichtig. Als wichtigste Gründe sind zu nennen (vgl. VOGEL 2005):

•  oftmals kleine Fachgruppen in den Berufsschulen, die eine umfangreiche und anspruchsvolle Umstrukturierung ihrer Unterrichtsarbeit allein kaum leisten können,

•  Überlastung der LehrerInnen aufgrund zunehmender Belastungsfaktoren im pädagogischen Alltag,

•  mangelnde Teamfähigkeit von Lehrkräften zur Entwicklung und Abstimmung von lernfeldorientierten Unterrichtskonzepten.

Diese Entwicklung geht einher mit Strukturveränderungen im Bauwesen (z.B. neue Arbeitstechniken und Formen der Arbeitsorganisation), die das Anforderungsprofil für Facharbeiter in den jeweiligen Berufsfeldern und damit auch die berufspädagogische Arbeit beeinflussen. Der Erforschung und wissenschaftlichen Unterstützung von Prozessen der Qualitätsentwicklung von Lehr-/Lernprozessen in diesen Berufsfeldern kommt daher besondere Bedeutung zu.

2.  Zur Definition von Qualität und ‚gutem Unterricht'

Die Frage nach der Qualität von Lehr-/ Lernprozessen erscheint dem Betrachter der gegenwärtigen Diskussion in den Erziehungswissenschaften als neu und hochaktuell. Genau betrachtet gibt es aber schon sehr lange eine Qualitätsdebatte über die Frage nach Kriterien und Indikatoren effektiven Lehrens und Lernens. Der höchste Qualitätsanspruch an Lehr-/ Lernprozesse wurde nicht in der aktuellen Debatte, sondern bereits vor 350 Jahren formuliert. COMENIUS versprach in seiner „Großen Didaktik“ aus dem Jahre 1657 die „vollständige Kunst, alle Menschen alles zu lehren “ (1657/1960, 11). Die Qualitätsmerkmale, an denen er seine Didaktik ausrichten wollte, erscheinen auch heute noch sehr aktuell: Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik solle es sein, so schrieb er, „die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen; in den Schulen weniger Lärm, Überdruß und unnütze Mühe herrsche, dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt …“ (ebd., 9). Die gegenwärtige Qualitätsdebatte ist also nicht neu. Vielmehr ist zu sagen, dass die Frage nach der Qualität von Lehr-/ Lernprozessen zum Wesenskern der Erziehungswissenschaften gehört. Immer geht es dabei auch um die Frage eines effizienten Verfahrens, um Menschen Lernen zu ermöglichen.

Der Qualitätsbegriff hat in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre zunehmend an Relevanz gewonnen. Die Allgemeine Pädagogik, aber auch die Berufspädagogik, haben zahlreiche Beiträge geliefert, wie die Qualität von Lehr-/ Lernprozessen erfasst, bewertet und verbessert werden kann (vgl. DUBS 2003; BUER u. a. 2007; HELMKE 2003; MEYER 2004; PRENZEL 2006). Trotz umfangreicher Forschungsarbeit blieb aber die Bedeutung des Begriffs ‚Qualität', wie EULER in einer BLK-Studie feststellt, höchst unklar (vgl. 2005).

In einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Qualitätsbegriff in Bildungskontexten sind HARVEY und GREEN zu der Schlussfolgerung gekommen, Qualität sei letzten Endes ein philosophischer Begriff wie Freiheit oder Gerechtigkeit, dessen Definitionen sich unterscheiden und bis zu einem gewissen Maß von unterschiedlichen Perspektiven auf das Individuum und auf die Gesellschaft abhängig sind (vgl. HARVEY/ GREEN 2000). Auch HEID weist auf die Relativität von Qualität hin: „Qualität ist keine Sache, kein Objekt, kein Gegenstand intersubjektiv kontrollierbarer Beobachtung, und sie ist auch keine beobachtbare Eigenschaft einer Sache. Qualität ist vielmehr das Resultat der Bewertung einer Sache. Die Sache (selbst) ist, was sie ist, weder gut noch schlecht. Als gut oder schlecht wird sie vielmehr bewertet, und diese Bewertung hat ein explizites oder (wie zweifellos meistens) ein implizites Bewertungs- oder Beurteilungskriterium zur notwendigen Voraussetzung“ (2004, 1). Er kritisiert, dass allzu oft über Sachverhalte gestritten werde, ohne die Beurteilungskriterien zu explizieren, die wiederum unentbehrlich seien, um derartige Streitigkeiten rational – eben kriterienbezogen – entscheiden zu können. Es sei deshalb wünschenswert, die Bestimmung dessen, was als Qualität von Unterricht allgemeine Anerkennung verdiene, in einem permanenten Diskurs zu entwickeln (vgl. ebd., 8 f.).

Die Frage, was ‚guter Unterricht' sei, ist abhängig von der Sichtweise auf Lernprozesse und Kriterien, die Grundlage für die Beurteilung sind, sowie den Indikatoren zur Erfüllung der jeweiligen Kriterien. Die Bestimmung des ‚Guten' erfordert eine Konkretisierung, was unter welchen Voraussetzungen und aus welchen Gründen wofür gut ist (vgl. ebd.). Grundsätzlich ist aus empirischer Unterrichtsforschung nicht ableitbar, was guter Unterricht ist oder sein soll. Die Definition erfolgt normativ auf der Grundlage bildungstheoretischer Annahmen. MEYER beschreibt guten Unterricht in einer Arbeitsdefinition wie folgt: „Guter Unterricht ist ein Unterricht, in dem im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur auf der Grundlage des Erziehungsauftrags und mit dem Ziel eines gelingenden Arbeitsbündnisses eine sinnstiftende Orientierung und ein Beitrag zur nachhaltigen Kompetenzentwicklung aller Schülerinnen und Schüler geleistet wird“ (2004, 13). Ein Handwerksmeister würde vermutlich mit einer ganz anderen Erwartung und ganz anderen Kriterien guten Unterricht definieren, weil er mit einer anderen Bildungsvorstellung an die Definition herangeht, die unter anderem von seinen ökonomischen Interessen beeinflusst ist.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Qualität von Lehr-/ Lernprozessen von Kriterien abhängig ist, die in Diskursen immer wieder neu festzulegen sind. Zur Bestimmung der Erfüllung jeweiliger Kriterien müssen Indikatoren bestimmt werden. Wenn beispielsweise ein lernförderliches Klima als Kriterium für einen guten Unterricht festgelegt wird, könnte als Indikator für dieses Kriterium gelten, dass kein Schüler wegen geringer Leistungen diskriminiert wird. Es erscheint sinnvoll, für die Erfüllung eines Kriteriums möglichst viele Indikatoren zu benennen. Die Güte bezeichnet letztlich das Ausmaß der quantitativen und qualitativen Übereinstimmung eines Lehr-/ Lernprozesses mit den Indikatoren.

3.  Forschungsergebnisse zur Qualität von gutem Unterricht

DITTON geht in einer vielbeachteten Untersuchung zur Unterrichtsqualität von einem umfassenden Modell aus, das zwischen den Voraussetzungen des Unterrichts, den eigentlichen Lehr- und Lernprozessen und den Ergebnissen unterscheidet (vgl. DITTON u. a. 2002). Dieses Modell ist sehr gut übertragbar auf Unterrichtssituationen an Berufsschulen und kann als Grundlage einer systematischen Analyse der Qualität von Lehr-/ Lernprozessen in den Berufsfeldern Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung dienen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf Aspekte der Qualität der Lehr- und Lernsituation (s. Abb. 1).

Zur Frage, was einen guten Unterricht ausmacht, gibt es mittlerweile zahlreiche Untersuchungen. Die darin formulierten Kriterien und Indikatoren zeigen eine große Schnittmenge an übereinstimmenden Erkenntnissen. MEYER hat in einer Expertise zehn Merkmale guten Unterrichts formuliert, die zum Teil durch empirische Unterrichtsforschung gestützt werden. Zu einem guten Unterricht gehören demnach (vgl. MEYER 2004):

•  Eine klare Strukturierung des Unterrichts (Indikatoren: Prozess-, Ziel-, Inhaltsklarheit; Rollenklarheit, Absprache von Regeln, Ritualen und Freiräumen)

•  Hoher Anteil echter Lernzeit (Indikatoren: gutes Zeitmanagement, Pünktlichkeit; Auslagerung von Organisationskram; Rhythmisierung des Tagesablaufs)

•  Lernförderliches Klima (Indikatoren: gegenseitiger Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln, Verantwortungsübernahme, Gerechtigkeit und Fürsorge)

•  Inhaltliche Klarheit (Indikatoren: Verständlichkeit der Aufgabenstellung, Plausibilität des thematischen Gangs, Klarheit und Verbindlichkeit der Ergebnissicherung)

•  Sinnstiftendes Kommunizieren (Indikatoren: Planungsbeteiligung, Gesprächskultur, Sinnkonferenzen, Lerntagebücher und Schülerfeedback)

•  Methodenvielfalt (Indikatoren: Reichtum an Inszenierungstechniken; Vielfalt der Handlungsmuster; Variabilität der Verlaufsformen und Ausbalancierung der methodischen Großformen)

•  Individuelles Fördern (Indikatoren: Freiräume, Geduld und Zeit; innere Differenzierung und Integration; individuelle Lernstandsanalysen und abgestimmte Förderpläne; besondere Förderung von Schülern aus Risikogruppen)

•  Intelligentes Üben (Indikatoren: Bewusstmachen von Lernstrategien, passgenaue Übungsaufträge; gezielte Hilfestellungen und ‚überfreundliche' Rahmenbedingungen)

•  Transparente Leistungserwartungen (Indikatoren: ein an den Richtlinien oder Bildungsstandards orientiertes, dem Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler entsprechendes Lernangebot und zügige förderorientierte Rückmeldungen zum Lernfortschritt)

•  Vorbereitete Umgebung (Indikatoren: gute Ordnung, funktionale Einrichtung und brauchbares Lernwerkzeug)

Je nach der eigenen Perspektive werden noch weitere Kriterien für guten Unterricht formuliert werden können. Es erweist sich aber beim Vergleich der von MEYER aufgelisteten Qualitätskriterien eine große Übereinstimmung mit anderen Autoren und auch mit den Standards für die Lehrerbildung der Kultusministerkonferenz. So heißt es beispielsweise in den KMK-Standards ähnlich wie bei MEYER: „Die Absolventinnen und Absolventen (der Lehrerausbildung, d. Verf.) regen unterschiedliche Formen des Lernens an und unterstützen sie“ oder sie „wecken und stärken bei Schülerinnen und Schülern Lern- und Leistungsbereitschaft“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2004, 8).

DITTON (2000) hat seine Gütekriterien in die vier Dimensionen „Strukturqualität“, „Motivierung“, „Angemessenheit“ und „Zeitnutzung“ aufgeteilt. Der tabellarische Überblick (s. Abb. 2) zeigt ebenfalls große Schnittmengen mit anderen Untersuchungen zur Unterrichtsqualität.

4.  Grundlagen zur Erfassung einer Forschungsperspektive

Im Folgenden soll auf drei Qualitätsaspekte näher eingegangen werden, deren Realisierung im lernfeldorientierten Unterricht der Berufsfelder Holztechnik, Bautechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung als gefährdet beziehungsweise problematisch und entsprechend als en t wicklungsbedürftig angesehen werden. Dieses sind die Bereiche:

•  der Strukturqualität und inhaltlichen Klarheit, wobei insbesondere die Stimmigkeit von Zielen, Inhalten und Methoden des lernfeldorientierten Unterrichts sowie die Plausibilität des thematischen Gangs betrachtet werden müssen;

•  der Methodenvielfalt, wobei es um den Reichtum an Inszenierungstechniken, der Vie l falt von Handlungsmustern sowie der Variabilität der Verlaufsformen und eine Ausb a lancierung der methodischen Großformen geht;

•  dem Anspruch nach Angemessenheit und individueller Förderung, wobei insbesond e re die Probleme der Lernvoraussetzungen der Auszubildenden, der inneren Differe n zierung und Integration sowie die besondere Förderung von Schülern aus Risikogru p pen zu betrachten wären.

5.  Zur Qualität der didaktischen Intention lernfeldorientierter Lehr-/ Lernarrangements

Seit 2006 sind in allen drei Berufsfeldern lernfeldorientierte Rahmenlehrpläne eing e führt, die ein spezifisches Lernen in der Berufsausbildung implizieren. In den Ra h menlehrplänen wird von einem situierten Lernansatz ausgegangen. Die Handreichung der Kultusministerkonf e renz beschreibt ein Erfolgskriterium guten Unterrichts mit folgenden Worten: „ Für erfolgreiches, lebenslanges Lernen sind Handlungs- und Situationsbezug sowie die Betonung eigenverantwortlicher Schüleraktivitäten erforderlich“ (Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder 2007, 17).

Den Ausgangspunkt des Lernfeldkonzepts bildet bekanntlich die Feldtheorie LEWINs (vgl. VOGEL 2007, 30). Diese zeichnet sich durch die Berücksichtigung der Gesamtheit lernbedeutender Tatsachen und der Verflechtung ihrer strukturellen und dynamischen Merkmale in Lebenssituationen aus. Um ein Lernfeld angemessen charakterisieren zu können, sind spezifische Dinge, beispielsweise besondere Ziele, Reize und Bedürfnisse des lernenden Menschen und dessen soziale Kontakte ebenso in Betracht zu ziehen wie umfassendere Eigenschaften des Feldes, beispielsweise die Atmosphäre oder das Maß an gesellschaftlich zugestandener Freiheit innerhalb einer Lebenssituation. Die substantielle Hauptthese der Lewinschen Lerntheorie lautet: Was und wie gelernt wird ist nicht nur und in erster Linie eine Funktion der erklärten Zielsetzung von Lehrern, Repräsentanten des Beschäftigungssystems oder anderen Erziehungspersonen, sondern abhängig vom Aufforderungscharakter des jeweiligen Lernfeldes, wie es vom Lernenden subjektiv wahrgenommen wird. Mit der Feldtheorie wird also ein Analyse- und Gestaltungsprinzip zur Geltung gebracht, das beim „Lebensraum“ der Lernenden ansetzt und daraus Möglichkeiten sinnvoller didaktischer Interventionen konzeptualisiert. Lernfeldorientiertes Lernen ist dementsprechend ein konstruktivistisches und erfahrungsbezogenes Lernen, in dessen Mittelpunkt der Lernende als aktives und selbstreflexives Subjekt steht. Die Zielsetzung dieses Lernkonzepts lautet „Bewältigung einer Lebenssituation“.

Der konstruktivistische und erfahrungsbezogene Ansatz des lernfeldorientierten Lernens kann nun fachdidaktisch dahingehend ausgelegt werden, dass das berufliche Lernen nur noch aus Lern- bzw. Lebenssituationen heraus zu erfolgen hat. Den situativen Ausgangspunkt bildet dabei in der Regel der Kundenauftrag, den die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe eines von der Lehrkraft organisierten Lernraumes aufbereiten und einem Lösungsvorschlag zuführen sollen. Eine Standardformulierung in den Rahmenlehrplänen für solche Lernsituationen lautet dann beispielsweise „Die Schülerinnen und Schüler planen und fertigen auftragsbezogen einfache Produkte aus Holz“ (KULTUSMINISTERKONFERENZ 2006, 8). Aus der Zielperspektive wird Unterricht also dann als gut bezeichnet, wenn es gelingt, dass die Schülerinnen und Schüler auftragsbezogen Produkte aus Holz planen und anfertigen können. Die Zielsetzung des Berufsschulunterrichts, dass Schülerinnen und Schüler Arbeiten nach Kundenauftrag planen, ausführen und bewerten können sollen, die in nahezu allen Lernfeldbeschreibungen der Rahmenlehrpläne für die drei Berufsfelder zu finden ist, ist offensichtlich der entscheidende Indikator für die Ergebnisqualität. Den Rahmenlehrplänen zufolge ist ein Unterricht dann gut und erfolgreich, wenn er dieses Ziel erreicht.

Es ist allerdings aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive zu diskutieren, ob dieses Kriterium für die Bewertung ausreicht. In jedem Fall steht das auftragsbezogene Lernen in einem gewissen Konflikt mit der Definition guten Unterrichts von MEYER, der von einer „demokratischen Unterrichtskultur“ und einem „gelingenden Arbeitsbündnis“ spricht. Das Wort „auftragsbezogen“ impliziert eine gewisse Fremdbestimmung, der sich der Lernende zu fügen hat. Eine selbstständige Persönlichkeit wird sich nur schwer entwickeln, wenn sie in drei Jahren Ausbildung immer nur gelernt hat, Situationen auftragsbezogen zu bewältigen. An diesem Punkt ist wiederum zu erkennen, dass die Definition guten Unterrichts im Lernfeldkontext abhängig ist von bildungstheoretischen Grundannahmen. So fortschrittlich der Lernfeldansatz aus lernpsychologischer Perspektive auch erscheint, kann seine Wirkung nur im Kontext der Zielperspektive beurteilt werden. Der bildungstheoretische Implikationszusammenhang auftragsbezogenen Lernens steht im Widerspruch zu einem subjektorientierten Bildungsverständnis. Die Zielsetzung von Bildung, den Menschen zu vernünftiger Selbstbestimmung zu befähigen, ihn von Fremdbestimmung zu emanzipieren, ihn zur Autonomie, zur Freiheit eigenen Denkens und eigener moralischer Entscheidungen zu befähigen, erscheint in einem Lernkontext, in dem die Schülerinnen und Schüler immer wieder auftragsbezogen lernen sollen, nur schwer zu realisieren.

Konstruktivistische Lehr-/ Lernarrangements vermitteln zunächst den Eindruck, als sei Fremdbestimmung aufgehoben. Der Lernende integriert aus eigenem Entschluss die Lerninhalte in seine geistige Struktur. Dem Lehrenden ist es dabei unmöglich, in die Gehirnstruktur eines Lernenden einzugreifen und sie unmittelbar zu gestalten. Deshalb sei Fremdbestimmung ausgeschlossen. Lerntheoretisch ist gegen diese Aussage nur schwer etwas einzuwenden. In der Praxis ergibt sich jedoch grundsätzlich die Problemstellung, in welche (Lern-) Umwelten junge Menschen gestellt sind beziehungsweise gestellt werden. Werden dem konstruktivistischen Paradigma folgend die Menschen in den jeweiligen Situationen sich selbst überlassen aus dem Glauben heraus, dass ihre Lernprozesse nicht beeinflussbar seien, ihr Lernen entwickele sich ausschließlich eigenständig in konkreten Lebenssituationen, so werden diese Menschen den gegebenen Verhältnissen überlassen. Konstruktivismus wäre in diesem Sinne ein Mittel, die Menschen den gegebenen Verhältnissen auszusetzen und sie ihnen anzupassen. Solche lernfeldorientierten Lernprozesse, die durchaus an sinnvollen lernpsychologischen Erkenntnissen ausgerichtet sind, aber bildungstheoretische Fragestellungen ausblenden, dienen tendenziell der Reproduktion und Anpassung junger Menschen an gegebene ökonomische Verhältnisse. Ob dies ein Qualitätsmerkmal guten Unterrichts ist, ergibt sich erst aus der jeweiligen bildungstheoretischen Perspektive, aus der ein solches Lernergebnis beurteilt wird. Ein subjektbezogenener, lernfeldorientierter Unterricht kann allerdings nur dann als gut bezeichnet werden, wenn der Lehrende sich seiner bildungstheoretischen Zielsetzung bewusst ist, sie vor den Lernenden nicht nur implizit, sondern auch explizit begründen und rechtfertigen kann und die Lernenden sie akzeptieren und als eigene Zielsetzung übernehmen. Erst dann erfüllt der Unterricht die von MEYER geforderten Voraussetzungen einer demokratischen Unterrichtskultur und eines gelingenden Arbeitsbündnisses zwischen Lehrenden und Lernenden.

6.  Zur Methodenvielfalt in lernfeldorientierten Lehr-/ Lernarrangements

„Methodenvielfalt liegt vor, wenn der Reichtum der verfügbaren Inszenierungstechniken genutzt wird, wenn eine Vielfalt von Handlungsmustern eingesetzt wird, wenn die Verlaufsformen des Unterrichts variabel gestaltet werden und das Gewicht der Grundformen des Unterrichts ausbalanciert ist“ (MEYER 2004, 74). Methodenvielfalt ist kein Wert an sich. Die Variation von Unterrichtsmethoden hat sich jedoch als lernförderlich erwiesen. Der Erfolg von Methodenvielfalt ist darauf zurückzuführen, dass durch unterschiedliche methodische Zugänge zum Lerninhalt beim Lernenden auch viele unterschiedliche Eingangskanäle und mögliche Anknüpfungspunkte an die Erfahrungswelt angesprochen werden und die Lerninhalte dadurch besser vernetzt werden. Außerdem wäre eine Mono-Lehrkultur im Unterricht mit Blick auf die Vielfalt an Persönlichkeits-, Lernstil-, Fähigkeits-, Motivations-, Verhaltens- und Leistungsunterschieden im Unterricht nicht nur unangemessen, sondern sogar unfair (vgl. HELMKE 2005, 65). Deshalb sollten auch in lernfeldorientierten Lehr-/ Lernarrangements möglichst viele unterschiedliche Lernwege verfolgt werden. Von der Unterrichtsforschung wird in dieser Hinsicht ein angemessener Wechsel von rezeptiven und konstruktiven, von systematischen und kasuistischen, von fremd- und selbstgesteuerten Lernen gefordert (vgl. DUBS, zit. nach EULER 2005, 21). Es kommt auf die Balance des Methodenrepertoires an. „Ein ausschließlich belehrender Unterricht ist in der Schulrealität ebenso wenig sinnvoll wie ein rein entdeckender; ein völlig gelenkter Unterricht ist ebenso wenig effektiv wie das vollkommen autonome Lernen. `Die Realität eines effektiven Unterrichts liegt zwischen den vier Eckpunkten des Methodenrepertoires. Die didaktisch begründete Wahl der jeweils besten Unterrichtsmethode erfordert eine Kenntnis der spezifischen Leistungsfähigkeit der verschiedenen Unterrichtsmethoden´“ (WIECHMANN, zit. n. HENKE 2005, 69).

Die lernfeldorientierten Rahmenlehrpläne für die Berufsfelder fordern eine auftrags- beziehungsweise problemorientierte Herangehensweise an die Unterrichtsinhalte. In der Unterrichtspraxis sind in der Umsetzung dieser Lehrpläne zwei Extreme zu beobachten: Verharren auf einem fachsystematischen Konzept mit einem Anschein situierten Lernens einerseits oder andererseits eine starke Ausrichtung auf das Lernen in Lernsituationen. Die Problematik und die Nachteile eines rein fachsystematischen Ansatzes, der in der Regel mit Frontalunterricht und instruktionistischem Lernverständnis einhergeht, hat die Lehr-/ Lernforschung bereits oft nachgewiesen. Aber auch ein rein situierter Lernansatz ist problematisch. Er kann dazu führen, dass der Unterricht immer wieder nach dem gleichen Schema der vollständigen Handlung mit den Einzelphasen Auftragserfassung, Informieren, Planen, Entscheiden, Ausführen, Kontrollieren und Bewerten abläuft und die berufsschulische Ausbildung zu einer Aneinanderreihung von Schleifen dieser Einzelphasen wird. Auszubildende hätten im Verlauf ihrer dreijährigen Ausbildung einen Kundenauftrag nach dem anderen immer wieder nach dem gleichen Schema abzuarbeiten. Dieses geschieht mit der Gefahr, dass sich Routine und Langeweile im Unterricht einschleicht. WEINERT hat vor einer Idealisierung dieser neuen Lernkultur gewarnt. Sie gehe von einer Romantisierung und Idealisierung des selbstständig lernenden Menschen aus und stigmatisiere den Lehrer als autoritäre Kontrollinstanz. Die neue Lernkultur dogmatisiere progressive Unterrichtsmethoden, obwohl erwiesen sei, dass es keine Lehrverfahren und Lernstrategien gibt, die für alle und alles gleichermaßen geeignet wäre. Im Falle einer einseitigen Ausrichtung lernfeldorientierten Lernens auf die projektorientierte Abarbeitung von Kundenaufträgen wäre der Qualitätsanspruch nach Reichtum an Inszenierungstec h niken, einer Vielfalt von Handlungsmustern sowie einer Variabilität der Verlaufsformen g e fährdet. „Kompetent realisierte Unterrichtsmodelle, sachgerechter und nicht willkürlicher Methode n pluralismus, ein flexibles, aber nicht beliebiges pädagogisches Handeln werden auch in der künftigen Lernkultur den guten Lehrer kennzeichnen; der Glaube an die eine, eigene Methode und deren Instrumentalisierung für eine wissenschaftliche oder gesellschaftl i che Ideologie dürften demgegenüber auch in der Zukunft die gefährlichen Wurzeln eines pädagog i schen Dilettantismus sein“ (WEINERT, zit. n. HENKE 2005, 67).

Zusätzlich geht es hierbei auch um die Frage eines ausgewogenen Verhältnisses von Fach- und Handlungssystematik im beruflichen Unterricht. Es besteht das Problem, dass sich bei Schülerinnen und Schülern in Ausbildungsgängen, die weitgehend am Prinzip der Handlungssystematik ausgerichtet sind, am Ende deutliche Defizite im Überblickswissen einstellen. Im Grunde war diese Entwicklung absehbar. Sie ergibt sich aus dem Missverhältnis von formaler und materialer Bildung in den Rahmenlehrplänen. Eine Überbetonung von formaler Bildung führt letztlich zu Aktionismus, eine Überbetonung von materialer Bildung zu Enzyklopädismus. Beide extremen Ausformungen von Bildung machen den Menschen letztlich nicht selbstständig. Die eine Bildung führt zu reinem Wissen ohne Anwendungsbezug, die andere zu reinem Aktionismus ohne Zusammenhangwissen.

Zu untersuchen wäre also unter diesem Aspekt, wie im lernfeldorientierten Unterricht ein ausgewogenes Verhältnis im Methodenkonzept sowie zwischen Handlungs- und Fachsystematik auszusehen hätte und wie es unterrichtspraktisch umzusetzen ist.

7.  Zum Anspruch nach Angemessenheit und individueller Förderung in lernfeldorientierten Lehr-/ Lernarrangements

In den Berufsfeldern Bautechnik, Holztechnik und Farbtechnik und Raumgestaltung sind die Lerngruppen zum Teil sehr heterogen zusammengesetzt. Darüber hinaus haben wir es in den Lerngruppen mit einem ausgesprochen hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern zu tun, die in Hinblick auf die Fähigkeiten zum selbstorganisierten Lernen, die für das lernfeldorie n tierte Lernen vorausgesetzt werden, einen großen Förderbedarf haben.

Einige Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht des Jahres 2007 verdeutlichen die große Het e rogenität der Auszubildenden in den drei Berufsfeldern. Zunächst gibt es in einigen Ausbi l dungsberufen der Berufsfelder sehr leistungsstarke Gruppen. Ein Indiz für die Leistungsf ä higkeit ist der Anteil der Auszubildenden, die ihre Ausbildungszeit nach § 8 Abs. 1 des B e rufsbildungsgesetzes verkürzen können. Im Berufsbildungsbericht heißt es dazu: „ Nach § 8 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) kann die Ausbildungszeit auf Antrag verkürzt werden, wenn zu erwarten ist, dass der/die Auszubildende das Ausbildungsziel in der kürzeren Zeit erreicht. Insbesondere Abiturienten/Abiturientinnen wird eine Verkürzung der Ausbildungszeit zugestanden“ (BUNDESMINISTERIUM 2007, 50). Mit einem Anteil von 47 % bei Tischlern/Tischlerinnen und 59 % bei Zimmerern/Zimmerinnen liegen diese Berufsgruppen an der Spitze der Handwerksberufe, in denen eine reduzierte Ausbildungszeit zugestanden wird (ebd.). Dieser Zusammenhang erlaubt den Schluss, dass die Fähigkeit zum selbstorganisierten Lernen bei diesen Auszubildenden hoch ist. Gleichzeitig gehört der Ausbildungsberuf der Tischler/Tischlerinnen zu den zehn von Auszubildenden ohne Schulabschluss am stärksten besetzten Ausbildungsberufe (vgl. ebd., 107). Es kann davon ausgehen werden, dass der Förderbedarf zu selbstorganisiertem Lernen bei diesen Schülerinnen und Schülern sehr hoch ist. Auf der Grundlage dieser Daten erfordert der Ausbildungsberuf des Tischlers/der Tischlerin hinsichtlich der Möglichkeiten eines situierten, handlungs- und lernfeldorientierten Unterrichts von den Lehrkräften ein Höchstmaß an innerer Differenzierung.

Bei den anderen beiden Berufsfeldern scheinen die Lernvoraussetzungen der Auszubildenden nicht so extrem heterogen zu sein wie bei den Tischlern. Allerdings ist der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit und ohne Hauptschulabschluß in diesen Berufsfeldern sehr hoch. Der Berufsbildungsbericht stellt fest, dass Auszubildende mit Hauptschulabschluss vor allem in Berufen des Handwerks ausgebildet werden. Sehr hoch ist ihr Anteil beispielsweise im Ausbildungsberuf Maler und Lackierer/ Malerin und Lackiererin, wo er bei über 60 % liegt (vgl. BUNDESMINISTERIUM 2007, 106). Auch die meisten Auszubildenden ohne allgemeinbildenden Schulabschluss erlernen handwerkliche Berufe wie Maler und Lackierer/ Malerin und Lackiererin (vgl. ebd., 107).

Ein weiteres Indiz für die Lernvoraussetzungen von Auszubildenden in den verschiedenen Ausbildungsberufen sowie die Heterogenität der Lerngruppen in den Berufsschulen ist der Anteil der Wiederholer. Auch hier liegen Ausbildungsberufe aus den drei Berufsfeldern in der Spitzengruppe. Bei Tischler/ Tischlerin liegt der Wiederholeranteil bei 17,4 %, Maurer/ Maurerin bei 17,2 % und bei Maler und Lackierer/ Malerin und Lackiererin bei 19,7 % (vgl. BUNDESMINISTERIUM 2007, 130).

Zusammenfassend kann auf der Grundlage dieser Zahlen festgestellt werden, dass die Schulvorbildung und damit die Lernvoraussetzungen der Auszubildenden in den drei Berufsfeldern zum Teil sehr heterogen sind. Überwiegend besteht für die Auszubildenden in den genannten Ausbildungsberufen ein erheblicher Förderbedarf mit Blick auf die Fähigkeiten, die für ein selbst organisiertes Lernen notwendig erscheinen.

Der Umgang mit Heterogenität in den Berufsfeldern gehört zu den schwierigsten Herausforderungen des lernfeldorientierten Unte r richts in Berufsschulen. Bei diesem Qualitätsmerkmal geht es insbesondere um die Notwenigkeit, den individuellen Lernvoraussetzungen der Sch ü lerinnen und Schüler gerecht zu werden. HELMKE spricht hier von einer Optimierung der Balance zwischen Anforderungen und Voraussetzungen (vgl. 2003, 76). Solche Pa s sung und Individualisierung beziehe sich nicht nur auf unterschiedliche Methoden, sondern auch auf unterschiedliche Lernmaterialien, Lerninhalte, Lernzielniveaus und Motivierungstechniken (ebd., 72). MEYER fordert, der Le h rer müsse erstens den Kern der Lernaufgabe analysieren, wobei präzise und konkret zu durchdenken sei, welche Art von Handlungen ( O perationen) der Schüler vollziehen muss, um zum Ziel zu kommen. Er bezeichnet diesen Vorgang als Lernstrukturanalyse. Diese müsse vergl i chen werden mit der Lernstandsanalyse, in der der Lehrer zweitens zu klären habe, ob die Schüler die für die Bewältigung der Lernaufgabe erforderl i chen Kompetenzen (z.B. die erforderlichen Lernstrategien) und Haltungen (Neugier, Interesse) überhaupt besitzen (vgl. ME Y ER 2004, 55).

In Anbetracht der ausgeprägten Heterogenität im Unterricht der Berufsfelder besteht ang e sichts solcher Qualitätsanforderung an einen guten Unterricht die Gefahr einer Überforderung der Lehrkräfte. WEINERT spricht bezüglich des Umgangs mit Heterogenität im Unterricht von e i nem wahrhaft herkulischem pädagogischen Problem (zit. n. HELMKE 2003, 72). Er weist allerdings auf die Gefahr einer Ignorierung individueller Lern- und Leistungsunte r schiede im Unterricht hin. Diese bewirke, dass die guten Schüler besser und die schlechten schlechter werden. Das gelte insbesondere für einen offenen, schülerzentrierten Unterricht, wenn sich der Lehrer nur als Moderator autonomer Lerngruppen versteht, wie wir ihn im lernfeldorie n tierten Unterricht praktizieren. Solche Lernumgebungen erfordern, dass Schülerinnen und Schüler gezielt miteinander kommunizieren und interagieren, ihre eigene Wissensbasis gen e rieren, in der Lage sind zu kooperieren und zu kollaborieren, Lernstrategien einzusetzen und zugleich Verantwortung für eigene Lerntätigkeit übernehmen zu können (vgl. SEMBILL/SEIFRIED 2007, 411). Die Lernvoraussetzungen sind diesbezüglich in den Beruf s schulklassen allerdings so unterschiedlich und der Förderbedarf zum Teil so hoch, dass sie pädagogisch kaum zu bewältigen sind. WEINERT sieht unter solchen Umständen eine große Wahrscheinlichkeit, dass der individuelle Lernfortschritt eine direkte Funktion der persönl i chen Lernvoraussetzungen darstelle (vgl. ebd., 73); d.h. Schüler mit mangelhaften Lernvo r aussetzungen für einen offenen, schülerzentrierten Unterricht werden in einem solchen Unte r richt auch nur schlechte Lernfortschritte machen. Meine Unterrichtserfahrung mit lernfel d orientiertem Unterricht bestätigt diese Feststellung. WEINERT schlägt deshalb zunächst eine Aufarbe i tung der Defizite bei schwachen Schülern vor: „Nur die systematische Verbesserung der lernrelevanten Vorkenntnisse, das gezielte Schließen von Wissenslücken, die damit ve r bundenen Möglichkeiten der Vermittlung wirksamer Lernstrategien (metakognitive Komp e tenzen) und die Beeinflussung der Lernmotivation (durch attraktive Lernanreize, durch differenzielle B e kräftigungen und durch ein angstfreies, stimulierendes und aufgabenorientiertes Klassenkl i ma) versprechen eine Reduzierung unerwünschter Leistungsunterschiede zwischen den Schülern e i ner Klasse“ (WEINERT, zit. n. HELMKE 2003, 73).

Bei der Frage der Angemessenheit und individuellen Förderung im lernfeldorientierten Unterricht in den bezeichneten Berufsfeldern besteht die Schwierigkeit, dass es hier sehr heter o gene Lernvoraussetzungen unter den Auszubildenden gibt und dass der weit überwiegende Teil kaum Fähigkeiten zur Selbstorganisation besitzt. Solche Fähigkeiten werden aber im Konzept des lernfeldorientierten Unterrichts weitgehend vorausgesetzt. Weil die hier gesetzten An s prüche jedoch die Praxis überfordern, besteht die Gefahr, dass der Berufsschulunte r richt in alten Handlungs- und Ablaufmustern (insbesondere dem fachsystematisch ausgerichteten Frontalunterricht) verharrt und der durchaus lernpsychologisch richtige handlungsorie n tierte Ansatz überhaupt nicht zum Tragen kommt. Es wäre gerade in diesem Bereich deshalb zu untersuchen, welche Schwierigkeiten leistungsschwächere Auszubildende mit selbstorganisierten Lernsituationen haben und wie ihre Fähigkeit zu solchem Lernen – auch im Kontext einer leistungsheterogenen Lerngruppe – zu fördern wäre.

8.  Zusammenfassung und Formulierung von Forschungsfragen

Auf der Grundlage einer genaueren Klärung des Qualitätsbegriffs und einer Rezeption von bisherigen Forschungsergebnissen der Allgemeinen Pädagogik wurden Fragen geklärt, welche spezifischen Qualitätsmerkmale einen ‚guten' lernfeldorientierten Fachunterricht im Bereich der drei Berufsfelder ausmachen.

Aus Gründen begrenzter Ressourcen erscheint eine Beschränkung auf Fragen der Prozessqualität (hier: der Qualität der Lehr-/ Lernsituation auf der Interaktionsebene, siehe Abb. 1) sinnvoll. Außerdem kann eine Konzentration auf die jeweiligen Fragestellungen erfolgen, die hinsichtlich der Lernsituationen in den Berufsfeldern spezifisch sind; Erkenn t nisse über Qualitätsmerkmale, die allgemein für menschliche Lernprozesse gelten und wi s senschaftlich gut abgesichert sind, können ausgeklammert werden. Der Schwerpunkt sollte deshalb auf die Strukturqu a lität und inhaltliche Klarheit der Lehr-/ Lernprozesse gelegt werden, weil sich aufgrund der Einführung lernfeldorientierter Lehrpläne für die meisten Berufe der Berufsfelder in di e ser Hinsicht ein Paradigmenwechsel vollzogen hat und die Frage, wie ein qualitativ guter ler n feldorientierter Unterricht zu strukturieren und inhaltlich Klarheit herzustellen ist, ein zentrales E r kenntnisinteresse darstellen sollte.

Da das Leistungsniveau von Berufsschulklassen der Berufsfelder Bautechnik, Holztechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung oftmals sehr heterogen ist und die Auszubildenden einen zum Teil erheblichen Förderbedarf in Hinblick auf selbstorganisierte Lernformen haben, sollte außerdem auf Fragen der Angemessenheit ein besonderes Augenmerk gelegt we r den.

Zu folgenden Fragestellungen besteht deshalb aus der Sicht des Verfassers künftig ein zunehmender Fo r schungsbedarf:

•  Wie sollte die Unterrichtsarbeit in den Berufsfeldern Holztechnik, Bautechnik sowie Farbtechnik und Raumgestaltung organisiert und strukturiert werden, um ein produktives Ler n klima für alle Beteiligten zu erzeugen?

•  Welche unterrichtlichen Vorgehensweisen befähigen die Berufsschüler dieser Beruf s felder mit ihren spezifischen und zum Teil sehr heterogenen Lernvoraussetzungen zu selbstständ i gem Lernen?

•  Wie sollten Lernsituationen für das Lernen in den Berufsfeldern gestaltet werden, damit Berufsschüler die Inhalte möglichst gut in ihre kognitive Struktur integrieren können und sie diese langfristig für ihre berufliche Handlungskompetenz verfügbar h a ben?

Ziel solcher Forschungsanstrengungen wären also Aussagen über die Strukturqualität, die inhaltliche Klarheit und die Angemessenheit des Lehrens und Lernens in lernfeldorientierten Lernarrangements der Berufsfelder. Die gewonnenen Aussagen sollten aus fachdidaktischer Perspektive zu einer effektiveren Unterrichtsgestaltung beitragen.

Literatur

BAABE-MEIJER, S./ MEYSER, J./ STRUVE, K. (Hrsg.) (2007): Innovation und soziale Integration – Berufliche Bildung für Jugendliche und Erwachsene in der Bauwirtschaft, im ausstattenden und gestaltenden Handwerk. Tagungsband zu den Hochschultagen berufliche Bildung 2006. Bielefeld.

BUER, J. VAN/ WAGNER, C. (2007): Qualität von Schule – Entwicklungen zwischen erweiterter Selbständigkeit, definierten Bildungsstandards und strikter Ergebniskontrolle – Ein kritisches Handbuch. Frankfurt/M.

BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2007): Berufsbildungsbericht 2007, Bonn, Berlin.

COMENIUS, J. A. (1657/1960): Grosse Didaktik. Übersetzt und herausgegeben von ANDREAS FLITNER. Düsseldorf, München.

DITTON, H. (2000): Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung in Schule und Unterricht. Ein Überblick zum Stand der empirischen Forschung. In: HELMKE, A./ HORNSTEIN, W./TERHART, E. (Hrsg.): Qualität und Qualitätssicherung im Bildungsbereich. In: Zeitschrift für Pädagogik, 41. Beiheft. Weinheim und Basel, 73-92.

DITTON, H./ ZEHME, M./BABIC, B. (2002): Hamburger Untersuchung zur Schul- und Unterrichtsqualität (HAUS). Bericht an die Hamburger Behörde für Bildung und Sport. Unveröff. Manuskript. Ludwig-Maximilians-Universität München.

DUBS, R. (2003): Qualitätsmanagement für Schulen. St. Gallen: Institut für Wirtschaftspädagogik.

EULER, D. (2005): Qualitätsentwicklung in der Berufsbildung. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) (Hrsg.): Materialien zur Bildungsplanung und Forschungsförderung. H. 127. Bonn.

HARVEY, L./ GREEN, D. (2000): Qualität definieren – Fünf unterschiedliche Ansätze. Zeitschrift für Pädagogik, 41. Beiheft, 17–39.

HEID, H.: Qualität in der Unterrichtspraxis. Online: http://www.schulentwicklung-mfr.de/fileadmin/user_upload/vortrag_Heid.pdf (13-02-2008).

HELMKE, A. (2003): Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze.

KLAFKI, W. (1996): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim/Basel.

KULTUSMINISTERKONFERENZ (Hrsg.) (2006): Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Tischler/Tischlerin. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 13.1.2006. Bonn.

MAY, P. (2003): Wie diagnostiziert man guten Unterricht. In: Zeitschrift Grundschule, H. 5.

MEYER, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin.

PRENZEL, M./ ALLOLIO-NÄCKE, L. (Hrsg.) (2006): Untersuchungen zur Bildungsqualität von Schule – Abschlussbericht des DFG-Schwerpunktprogramms. Münster u. a.

SEKRETARIAT DER STÄNDIGEN KONFERENZ DER KULTUSMINISTER DER LÄNDER (KMK) (Hrsg.) (2004): Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004). Bonn.

SEKRETARIAT DER STÄNDIGEN KONFERENZ DER KULTUSMINISTER DER LÄNDER (KMK) (Hrsg.) (2007): Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. Bonn.

SEMBILL, D./ SEIFRIED, J. (2007): Selbstorganisiertes Lernen und Unterrichtsqualität. In: BUER, J./ WAGNER, C., 401-412.

VOGEL, T. (2005): Zum Verhältnis von Theorie und Praxis bei der Umsetzung der Lernfeldorientierung im Berufsfeld Farbtechnik und Raumgestaltung“. In: Die berufsbildende Schule, 57, H. 9, 205-209.

VOGEL, T. (2007): Zur Integration allgemeinbildender Inhalte in das Lernfeldkonzept – Reflexionen zur Bildungspraxis in der Bauwirtschaft. In: BAABE-MEIJER, S./ MEYSER, J./ STRUVE, K. (Hrsg.): Tagungsband zu den Hochschultagen berufliche Bildung 2006. Bielefeld, 29-46.

 

------------------------
bwp@ 2001 - 2008
Hrsg. von Karin Büchter, Franz Gramlinger, Martin Kipp, H.-Hugo Kremer und Tade Tramm
Postalische Adresse:
bwp@
Universität Hamburg, Sedanstraße 19, 20146 Hamburg
Im Internet: http://www.bwpat.de
bwp@ erscheint 2xjährlich ausschließlich online
Development: HoHo OG, DK-AT
(C) 2008 bwpat.de