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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 03 Elektrotechnik- Informatik, Metalltechnik

online seit: 19. November 2008

Qualität der betrieblichen Ausbildung – Herausforderungen, Defizite und Handlungsfelder

 

Abstract

Das Thema Qualität bestimmt wie kaum ein anderes die aktuelle Diskussion in der beruflichen Bildung in Deutschland und Europa. Doch was macht eigentlich "gute" Ausbildungsqualität im dualen System aus? Je nach Handlungsebene treten dabei andere Fragen in den Vordergrund. In dieser Publikation wird die betriebliche Handlungsebene in den Blick genommen und zunächst die Frage nach der realen Situation der Qualitätssicherung und -entwicklung in der betrieblichen Ausbildung aufgegriffen. Daraus werden schlussfolgernd Förder- und Entwicklungsbedarfe hinsichtlich geeigneter und praktikabler Qualitätssicherungsinstrumente für ausbildende Klein- und mittelständische Unternehmen identifiziert und Gestaltungsvorschläge für eine Modellinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung abgeleitet.

1.  Einleitung

Die Sicherung und Entwicklung der Qualität von Schule und Unterricht ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus des Interesses gerückt. Unterstützt wurde dieses durch mehrere Modellversuche in einzelnen Bundesländern. Demgegenüber sind derzeit nur wenige Initiativen erfolgt, welche auf die Sicherung und Steigerung der betrieblichen Ausbildungsqualität fokussieren. Im Zuge der Reform des Berufsbildungsgesetzes im Jahre 2005 hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung dazu aufgefordert, die an der Berufsbildung Beteiligten dabei zu unterstützen, die Praxis der Qualitätssicherung weiterzuentwickeln und ihnen dazu geeignete und praktikable Instrumente zur fortlaufenden Qualitätssicherung und zum Qualitätsmanagement zur Verfügung zu stellen. Zur Umsetzung des Auftrags des Deutschen Bundestages plant das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Modellinitiative zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Berufsausbildung in Klein- und mittelständischen Betrieben.

Um diese Modellinitiative vorzubereiten, hat das Institut Technik und Bildung (ITB) der Universität Bremen den Auftrag erhalten, Förder- und Entwicklungsbedarfe hinsichtlich geeigneter und praktikabler Qualitätssicherungs- und -entwicklungsinstrumente für ausbildende Klein- und mittelständische Unternehmen zu identifizieren und Gestaltungsvorschläge auszuarbeiten. Hierzu wurden Fallstudien in Betrieben unterschiedlicher Regionen und Branchen, Workshops mit Kammervertretern, Schulen und Sozialpartnern sowie Expertengespräche in Berufsschulen durchgeführt. Ausgewählte Ergebnisse sowie Vorschläge für die Ausgestaltung der Modellinitiative werden im vorliegenden Beitrag vorgestellt.

2.  Was heißt Qualität in der betrieblichen Ausbildung?

In der Literatur existiert bis heute keine eindeutige Definition des Qualitätsbegriffes für die berufliche Bildung, obwohl die wissenschaftliche Diskussion um die Qualität schon seit den 1960er Jahren im Gange ist (1969 veröffentlichte der Deutsche Bildungsrat seine „Empfehlungen zur Verbesserung der Berufsausbildung“, hierin trat der Begriff „Qualität“ in diesem Kontext erstmalig deutlich in Erscheinung.) und seit einem Jahrzehnt eine deutliche Renaissance erfährt. Im Fokus dieser „neuen“ Bemühungen stand zunächst der Lernort Berufsschule. In den einzelnen Bundesländern wurden zahlreiche und teilweise auch unterschiedliche Ansätze zur Sicherstellung und Entwicklung der „Qualität berufsbildender Schulen“ unternommen. BECKER, DREHER und SPÖTTL (2006) arbeiten in der Studie „BEAGLE“ diese Ansätze deutlich heraus.

Für den betrieblichen Teil der Ausbildung waren derartig konzentrierte Bestrebungen bislang nicht zu erkennen. Bestrebungen, die Qualität der Ausbildung sicherzustellen und weiterzuentwickeln, wurden isoliert in einzelnen Betrieben wahrgenommen und oftmals durch die Qualitätsmanagementinitiativen (z. B. Zertifizierungen nach DIN ISO 9000:2000) der produzierenden Unternehmensbereiche beeinflusst. Der Qualitätsbegriff und die Ansätze des Qualitätsmanagements sind damit betriebswirtschaftlich beeinflusst. Qualitätssicherung der betrieblichen Ausbildung kann aufgrund dieser kurz umrissenen Situation als „wiederentdecktes Neuland“ bezeichnet werden.

Die Komplexität des Sachverhaltes der dualen Ausbildung hat zur Entwicklung verschiedener Qualitätsansätze geführt, den Gegenstandsbereich von Ausbildungsqualität zu systematisieren. Weit verbreitet ist dabei der prozessbezogene Ansatz, bei dem entlang des Ausbildungsprozesses zwischen vier Dimensionen der Ausbildungsqualität unterschieden wird (vgl. EBBINGHAUS 2006, 33):

•  Unter Input- (vgl. EBBINGHAUS 2006, 33; EULER 2005, 16) Struktur- oder Potenzialqualität (EBBINHHAUS 2006, 33; OTT, SCHEIB 2002, 18; KNORR, HALFAR 2000) werden Aspekte subsumiert, die im Wesentlichen das Potenzial des Ausbildungsbetriebes beschreiben und daher auch als Eingangsgrößen der Ausbildung anzusehen sind (Anzahl und Qualität der sachlichen und räumlichen Ausstattung, die Ausbilderqualifikation sowie die Qualität der Ausbildungsplanung (-pläne)). Sie umfasst somit die sachlichen, personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Ausbildung.

•  Prozess-, Throughputqualität (EBBINGHAUS 2006, 33; OTT, SCHEIB 2002, 13f.; EULER 2005, 16) beschreibt den eigentlichen Lehr-/Lernprozess und Ausbildungsprozess. Einflussfaktoren sind die vermittelten Ausbildungsinhalte, die eingesetzten Methoden, aber auch Motivation oder z. B. Gruppenverhalten der Auszubildenden.

•  Unter Outputqualität (bzw. Ergebnisqualität) wird das unmittelbar am Ende der Ausbildung Erreichte verstanden. In erster Linie sind Bestehen und Note der Abschlussprüfung bzw. der Abschluss der Ausbildung als qualifizierte Fachkraft ge­meint.

•  Outcomequalität : Dem Outcome wird das mittelbar mit der Ausbildung Erreichbare zugerechnet. Hierzu zählen die Effizienz sowie die nachhaltige Verwertbarkeit des erzielten Abschlusses am Arbeitsmarkt bzw. für die berufliche Entwicklung und Karriere.

Bei der bisherigen Diskussion über Qualitätsindikatoren finden vorwiegend nur Input- und Outputfaktoren Beachtung. Die verwendeten Indikatoren, z. B. das Vorhandensein einer Ausbildungsplanung (Erstellung und Verwendung eines Ausbildungsplanes), die Qualifikation des Ausbildungspersonals (d. h. fachliche und pädagogische Kompetenzen der Ausbildungsverantwortlichen), das quantitative Verhältnis des Ausbildungspersonals zu den Auszubildenden, der Zustand und die Modernität der Ausbildungseinrichtungen und der Anteil der organisierten Lernprozesse sind im Wesentlichen Faktoren der Inputqualität.

Abschlussprüfungen werden als Qualitätsausweis unter Outputgesichtspunkten herangezogen und von der Ausbildungspraxis akzeptiert. Die individuellen Prüfungsleistungen sind jedoch kein eindeutiger Maßstab für betriebliche Ausbildungsleistungen (vgl. SAUTER 2001, 42ff.). Deutlich wird damit, dass „echte“ Indikatoren der Prozessqualität bisher fehlen. In der aktuellen Diskussion, ist eine Verschiebung in Richtung einer outcomeorientierten Qualitätsdiskussion zu erkennen (vgl. SLOANE 2005, 484ff.). Mit der Outcomeorientierung ist eine Verlagerung der Schwerpunktsetzung der bisherigen Qualitätsdiskussion verbunden (vgl. Abb. 1). Während beim bisherigen eher inputorientierten Qualitätskonzept die Sicherung und Steuerung von Bildungsqualität über die Vorgabe von Bildungsinhalten und
-gegenständen erfolgt, geschieht dies bei einem outcomeorientierten Qualitätskonzept über die Vorgabe von Standards.

Zur Umsetzung der BMBF-Studie war es notwendig, den Begriff der „Qualität betrieblicher Ausbildung" zu konkretisieren (SCHEIB/ SPÖTTL/ WINDELBAND 2008, 36):

„Qualität in der betrieblichen Ausbildung bedeutet die Sicherstellung hoher Qualität des Ausbildungsprozesses dahingehend, dass die Auszubildenden qualifiziert werden, die relevanten beruflichen Arbeitsaufgaben nach Abschluss der Ausbildung fehlerfrei zu bewältigen. Das bedingt eine hohe Input-, Prozess-, Output- und Outcomequalität.

Der Begriff der Qualitätsentwicklung macht im Gegensatz zur Qualitätssicherung deutlich, dass die gesetzten Qualitätsziele einem kontinuierlichen Prozess der Überprüfung und Anpassung unterliegen und somit zur fortlaufenden (Weiter-)Ent­wicklung der beruflichen Ausbildung beitragen. Diese Perspektive richtet sich im betrachteten Projekt an einem entwicklungsbezogenen Qualitätsbegriff der betrieblichen Ausbildung aus, der über Input-, Prozess-, Output- und Outcomequalitäten sowie deren Wirkungszusammenhänge bestimmt wird.“

Bei dieser Definition werden zwei Dinge deutlich: Zum einen kann sich Qualität beruflicher Bildung nicht nur auf einen oder einzelne Qualitätsbereiche (Input-, Prozess-, Output- oder Outcomequalität) konzentrieren. Zum anderen bedarf Qualitätsentwicklung einer kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung der Qualität. Qualitätssicherung (Qualitätssicherung unterliegt dem Verständnis, dass (hohe) Standards gesetzt werden, die es zu erreichen und zu halten gilt. Die Messlatte (Standards) wird sozusagen vordefiniert aufgelegt.) ist somit automatischer Bestandteil der Qualitätsentwicklung, denn die Verbesserung muss „gesichert“ werden, um darauf aufbauend weiter zu entwickeln.

In der Vorgehensweise der Qualitätsentwicklung bezieht sich das Verständnis auf den ursprünglich von Edward W. Deming entwickelten Prozess der Qualitätsentwicklung mit den vier wesentlichen Schritten: Plan - Do - Check – Act (PDCA) (IMAI 1992, 86ff.). Dieser stetig wieder neu zu durchlaufende Kreislauf (Deming-Circle) des Planens und Festlegens von Qualitätszielen sowie Qualitätsmaßnahmen, deren Durchführung, ihre Überprüfung/Evaluation und darauf aufbauender erneuter Verbesserung bildet die Grundlage der Qualitätsentwicklung.

3. Forschungsdesign der Studie

Die durchgeführte Untersuchung derzeitiger Ansätze betrieblicher Ausbildungsqualität sowie der Bedürfnisse und Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung und -entwicklung war mehrstufig und mehrperspektivisch angelegt. Ausgehend von der zentralen Frage des Forschungsauftrages wurde ein detailliertes Erhebungsinstrument entwickelt. Dabei wurde in der ersten Phase eine Literatur- und Dokumentenanalyse durchgeführt, um auf der einen Seite vom Auftraggeber ausgewählte Studien zu analysieren. Auf der anderen Seite wurden weitere Studien, Instrumente und Veröffentlichungen im Bereich der Qualitätsentwicklung in der beruflichen Bildung analysiert.

In der zweiten Phase wurden 17 qualitative Fallstudien in neun unterschiedlichen Branchen zur Analyse der Qualitätssicherung und -entwicklung in der betrieblichen Ausbildung durchgeführt. Dabei wurden etablierte (klassische) Branchen wie Metall- bzw. Elektroindustrie, Baubranche und Finanzdienstleistungssektor sowie recht junge Branchen wie der Druck- und Mediensektor ausgewählt. Bezogen auf die Unternehmensgröße verteilen sich die untersuchten Unternehmen wie folgt:

•  4 Fallstudien in Kleinstbetrieben (< 10 Beschäftigte);

•  6 Fallstudien in Kleinbetrieben (>10 und < 50 Beschäftigte);

•  6 Fallstudien in mittelständischen Betrieben (>50 und < 250 Beschäftigte);

•  1 Fallstudie in einem Großunternehmen (>500 Beschäftigte).

Die Fallstudie in dem Großunternehmen mit ca. 3.000 Mitarbeitern wurde als Vergleichsstudie hinzugezogen.

In Anbetracht der begrenzten Anzahl von Fallstudien kann kein flächendeckendes Bild über alle Branchen dargestellt werden. Diese Zielsetzung war bei dem Forschungsauftrag allerdings auch nicht intendiert. Vielmehr war es Ziel des Auftrages und damit des zugrunde gelegten Forschungsdesigns, den Stand der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung betrieblicher Ausbildung in KMU qualitativ zu beschreiben. Insofern ging es darum, ein realistisches Bild zu den einzelnen Branchen zu zeichnen. Dieses beeinflusste die Auswahl der Betriebe erheblich.

Bei der Auswahl der untersuchten Betriebe wurden -  außer der Zielsetzung die durch Branche, Unternehmensgröße und Region (Nord-, Ost-, Süd- und Westregion in Deutschland) aufgespannte Matrix möglichst gleichmäßig zu belegen - weitere Parameter zugrunde gelegt: Marktposition des Unternehmens, Beteiligung an der Ausbildung, Zukunftsorientierung, Abbild der Hauptaktivitäten einer Branche.

Innerhalb der Fallstudien wurden drei verschiedene Zielgruppen mit Hilfe leidfadengestützter Interviews befragt. Die Ausbildungs- und/oder Personalverantwortlichen waren geeignete Interviewpartner, um die formellen Aspekte der qualitätsverbessernden Maßnahmen zu erfassen. Sie haben i. d. R. Kenntnis über die strukturellen Daten des Betriebes, das allgemeine Qualitätsmanagement sowie über die Schnittstellen zur Ausbildung und Personalentwicklung. Ausbildende bringen dagegen konkrete Erfahrungen im Umgang mit den ggf. eingesetzten Instrumenten im Ausbildungsprozess und deren Wirksamkeit ein. Insbesondere in Kleinst- und Kleinbetrieben ist diese Unterscheidung allerdings weniger anzutreffen. Häufig nimmt die für die gesamte Ausbildung verantwortliche Person auch gleichzeitig direkte Ausbildungsaufgaben war. Besonders wurde darauf geachtet, in allen Betrieben auch Auszubildende und gerade fertig ausgebildete Fachkräfte zu befragen. Ziel war es auf der einen Seite den Einfluss der Auszubildenden auf die Ausbildung festzustellen (Mitgestaltung der Ausbildung, Feedbackmöglichkeiten etc.). Auf der anderen Seite sollte das Qualitätsempfinden der Auszubildenden für die eigene Ausbildung erfasst werden.

Die dritte Projektphase zielte auf die Generalisierung und Erhärtung der gewonnenen Erkenntnisse durch verschiedene Workshops mit Betriebsvertretern und Sozialpartnern. Dabei sollten folgende Ziele erreicht werden:

•  Verallgemeinerung und Verdichtung der Fallstudienergebnisse nach regionalen und sektorspezifischen Gesichtspunkten;

•  Sicherung von Erfahrungen, Konzepten und eventueller Problemstellungen der Unternehmen und weiterer Stakeholder bzgl. der Qualitätssicherung und -entwicklung der betrieblichen Ausbildung;

•  Erfassung von Anforderungen und Wünschen an ein Qualitätssicherungssystem bzw. an Qualitätsentwicklungsinstrumente unter der Perspektive der beteiligten Unternehmen und Kammern.

In einem Zusatzauftrag wurde der Aspekt der derzeitigen Kooperationsansätze zwischen Berufsschulen und Betrieben als Beitrag zur Qualitätsentwicklung der betrieblichen Ausbildung noch einmal gesondert betrachtet. Die durchgeführte Untersuchung basierte auf einem Erhebungsinstrument aus Expertengesprächen und einem übergreifenden Workshop. Exemplarisch wurden drei Berufsschulen aus verschiedenen Berufsfeldern und Regionen untersucht.

Auf dieser Grundlage konnten Ideen für eine Einbeziehung des dualen Partners Berufsschule in die Modellinitiative zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der betrieblichen Berufsausbildung entwickelt werden.

Insgesamt wurden innerhalb der drei Untersuchungsphasen und des Zusatzauftrages ungefähr 250 qualitative Befragungen in den Unternehmen, Berufsschulen und innerhalb der verschiedenen Workshops durchgeführt.

4. Status der Qualitätssicherung und -entwicklung in Klein- und mittelständischen Unternehmen

Unter dem Aspekt des Bewertens werden die in den Untersuchungen identifizierten Instrumente der Qualitätssicherung und -entwicklung betrieblicher Ausbildung erläutert und genauer beleuchtet, inwiefern sie zu einer Qualitätsverbesserung beitragen.

Die grundlegenden Ergebnisse werden in fünf Thesen zusammengefasst (vgl. SCHEIB/ WINDELBAND/ SPÖTTL/ GRANTZ 2007).

4.1 Heterogenes Qualitätsverständnis der Akteure

Die mehrperspektivischen Befragungen zur Bestimmung von Qualitätsindikatoren der betrieblichen Ausbildung belegen, dass bei den Stakeholdern der beruflichen Ausbildung kein homogenes, gemeinsames und ganzheitliches Qualitätsverständnis einer betrieblichen bzw. beruflichen Ausbildung vorliegt.

Gesetzgeber und zuständige Stellen fokussieren auf die Inputqualität (Ausbildungs­rahmenpläne, Prüfung der Eignungen des Betriebes für die Ausbildung etc.). Die ausbildenden Betriebe verstehen unter Qualität im Wesentlichen Aspekte der Outcomequalität. Für sie ist es wichtig, dass die ausgebildeten Fachkräfte die beruflichen Arbeitsaufgaben bewältigen (d. h. nach kurzer Einarbeitungszeit sollen junge Fachkräfte Aufgaben fehlerfrei bearbeiten und Innovationspotential in das Unternehmen einbringen). Auszubildende sind dagegen an einem guten sozialen Klima während der Ausbildungszeit (Wohlfühlen am Ausbildungsplatz) und an einer guten Abschlussnote interessiert. Dies sind Indikatoren, die den Dimensionen der Prozess- und Outputqualität zuzuordnen sind.

Die Berufsschulen haben in den letzten Jahren eigene Qualitätsentwicklungssysteme etabliert, die oftmals losgelöst von dem dualen Partner sind. Abgestimmte Qualitätsziele oder gemeinsame entwickelte Leitbilder für die duale Ausbildung fehlen. Mit den unterschiedlichen Sichtweisen und Präferenzen wird die Bestimmung eines gemeinsam getragenen Qualitätsverständnisses in der beruflichen Ausbildung schwierig. Aspekte zur Bestimmung einer „guten“ Ausbildung liegen als objektive Standards derzeit erst in Ansätzen auf wissenschaftlicher Ebene vor. In der Ausbildungspraxis erfolgt die Durchführung des Ausbildungsprozesses jedoch oft vor dem Hintergrund der „eigenen Erfahrungen“.

4.2 Indikatoren zur Beschreibung eines „guten“ Ausbildungsprozesses fehlen

Die Sichtweisen der Akteure fokussieren im Wesentlichen Input- und Output-/ Outcomekriterien der betrieblichen Ausbildung. Demgegenüber fehlen Qualitätsindikatoren für die Gestaltung des Ausbildungsprozesses. In den Fallstudien wurde dies bei Nachfragen über ein gutes soziales Verhältnis zwischen haupt- bzw. nebenamtlichen Ausbildern und dem Auszubildenden belegt. Ein „guter“ Ausbildungsprozess wir eher empfunden. Mängel zeigen sich frühestens in der Prüfung oder erst nach Beendigung der Ausbildung im Arbeitsprozess. Viel zu spät, um im Ausbildungsprozess noch korrigierend, qualitätsverbessernd eingreifen zu können.

Konkrete Beschreibungen, Beispiele und Hinweise für den Lehr-Lern-Prozess im betrieblichen Umfeld fehlen bisher. Im Bereich der Prozessqualität findet damit nahezu keine Standardi­sierung statt. Branchenbezogene Besonderheiten oder regionale Aspekte können nur selten in der Ausbildung berücksichtigt werden. Damit besteht die Gefahr, dass der eigentliche Kern der Ausbildung, der Ausbildungsprozess, nicht überprüft und verbessert werden kann.

Als ein wichtiger Baustein zur Verbesserung des Ausbildungsprozesses wurde dabei die Kooperation zwischen den Dualpartnern genannt, um Inhalte der Ausbildung besser aufeinander abzustimmen und die Zusammenarbeit zu verbessern.

4.3 Qualitätsentwicklung in KMU ist problemorientiert und i. d. R. informell

Eine große Lücke besteht in der Bewusstmachung von Qualitätssicherung in der betrieblichen Ausbildung sowie darüber hinausgehend ein prospektives Qualitätsentwicklungsverständnis im Ausbildungsprozess zu etablieren.

Qualitätssicherung und -entwicklung ist im Wesentlichen an Problemen (retrospektiv) und nicht prospektiv an Potentialen orientiert und wird dann thematisiert, wenn Probleme auftauchen (z. B. schlechtes Abschneiden in Prüfungen, soziale Konflikte zwischen Ausbildenden und Auszubildenden). Das Bestreben eine gefühlte „gute“ Ausbildung noch zu verbessern, ist gering ausgeprägt.

Darüber hinaus findet diese problemorientierte Qualitätsentwicklung insbesondere in KMUs eher informell - in Form von oft „zufälligen“ Gesprächen zwischen Auszubildenden und Ausbilder - statt. Strukturierte und systematisch geplante Gespräche werden nur bei etwa der Hälfte aller Betriebe durchgeführt.

Es wurde festgestellt, dass mit abnehmender Betriebsgröße eine systematische Planung des Ausbildungsprozesses zurückgeht. Bestätigt wurde dieses von befragten Experten aus den Berufsschulen und den Sozialpartnern: mit der Betriebsgröße steigt -  allerdings nachvollziehbar durch ökonomische Faktoren, wie finanzielle und zeitliche Ressourcen für die Gestaltung des Ausbildungsprozesses, Vorhandensein einer Ausbildungs-/Personalabteilung - das Interesse, qualitätsverbessernde Maßnahmen im Unternehmen zu initiieren.

Auf konkreter Ebene besteht Handlungsbedarf gerade in kleinen mittelständischen, kleinen und kleinsten Unternehmen zur Förderung des Dialogs bezogen auf die Qualität der betrieblichen Ausbildung. Die Diskussion in den Unternehmen zeigte, dass eine Strukturierung oder Formalisierung der Gespräche zu einer Qualitätsentwicklung beitragen könnte.

4.4 Vorhandene Instrumente zur Qualitätssicherung und -entwicklung sind nur bedingt aussagekräftig und wirkungsvoll

Abschlussprüfungen, der Ausbildungsnachweis (Berichtsheft) und die betrieblichen Ausbildungspläne werden oft als die „offiziellen“ Instrumente zur Sicherung der Qualität betrieblicher Ausbildung bezeichnet, jedoch auch kontrovers diskutiert.

Das Berichtsheft wird seitens der Kammern bestenfalls als Rechtfertigungsinstrument im Falle von Streitigkeiten bei der Abschlussprüfung angesehen. Über die Güte des Ausbildungsprozesses oder gar Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung sind keine Aussagen möglich. Ausbildungspläne werden in KMU oft nicht individuell erstellt und unterstützen daher ebenso nur bedingt die Qualitätsentwicklung.

Andere Instrumente wie der Einsatz und die Weiterentwicklung adäquater Feedbackbögen bedarf Zeit und Know-how - ein Grund für das Fehlen derartiger Instrumente in kleineren Unternehmen. Die bestehenden Instrumente sind zudem nur bedingt übertragbar, da die Personalstrukturen nicht in dem Maße wie in größeren Unternehmen gegeben sind.

4.5 Unterstützung und Einbindung der Qualitätsentwicklung unklar

KMU fühlen sich bei der Qualitätsentwicklung insbesondere im Bereich der Durchführungsqualität oft allein gelassen. Die Unternehmen favorisieren zwar einen „bottom up“-Ansatz, der ihnen Raum für die Entwicklung unternehmensspezifischer Maßnahmen lässt, wünschen sich hierfür jedoch Unterstützung und Begleitung. Weiterbildungen, Austausch zwischen Schule und Betrieb. Zirkel von z. B. Ausbildern und Lehrern finden nur sehr selten statt; oftmals nur auf Initiative einzelner Betriebe oder einzelner berufsbildender Schulen.

Eine Einbindung der betrieblichen Ausbildung und deren Qualitätssicherung und -entwicklung in ein Qualitätsmanagement-System (QM-System) ist für KMUs nicht gegeben. Die Unternehmen grenzen teilweise bewusst Ausbildung aus dem betrieblichen Qualitätsmanagementsystem aus. Die Nichteinbindung der Ausbildung in das QM-System wurde mit den Kosten bzw. dem Aufwand und den Schwierigkeiten der Prozessbeschreibung im Ausbildungsbereich als auch mit dem zusätzlichen Aufwand bei der Zertifizierung (Audits) begründet. Ein Mehrwert der Implementierung der Ausbildung in die betrieblichen QM-Systeme, der diesem Aufwand entgegensteht, wurde nicht gesehen.

Ein Qualitätssiegel für die Ausbildung wird von den meisten befragten Unternehmen abgelehnt. Dies wird als eine zusätzliche Belastung angesehen. Das derzeitig von den Kammern vergebene Prädikat sei dabei wenig aussagekräftig.

5. Abgeleitete Handlungsfelder zur Qualitätsentwicklung betrieblicher Ausbildung

Die dargelegten Ergebnisse in Kapitel 4 haben deutlich gezeigt, wo man ansetzen muss, um die Qualität der betrieblichen Ausbildung zu verbessern. Hieraus resultierend wurden konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung der Modellinitiative in Form von Handlungsfeldern erarbeitet.

Kern der geplanten Modellinitiative soll es sein, dass Projekte die Philosophie einer Qualitätsentwicklung implementieren und weiter transportieren. Qualitätsentwicklung heißt, das Ziel zu verfolgen, stetig besser zu werden. Sicherlich ist die Sicherung des Erreichten nicht zu vernachlässigen, doch sollte dies nicht die Leitidee der Initiative werden. Denn nur wenige Betriebe haben dieses Bewusstsein wie die Ergebnisse (heterogenes Qualitätsverständnis, problemorientiertes Vorgehen, Qualitätssicherung statt Qualitätsentwicklung) klar verdeutlichen.

Um keinen Stillstand in der betrieblichen Ausbildung zu erreichen, sollte eine Qualitätsverbesserung an folgende Merkmale geknüpft sein:

•  Qualitätsgedanken kontinuierlich vermitteln;

•  Ausbildungsprozess muss im Fokus stehen;

•  Qualitätsentwicklung und kontinuierliche Verbesserung statt Qualitätssicherung muss intentional vorherrschen;

•  Maßnahmen und Ansätze sollen auf bestehende Strukturen aufbauen;

•  " Bottom up "-Ansätze für die Entwicklung von Qualitätsentwicklungsinstrumenten sind zu bevorzugen;

•  Einbezug möglichst aller Beteiligten (betrieblicher und schulischer Seite) der Ausbildung ist zu gewährleisten.

Ausgehend von diesen Überlegungen werden nachfolgend fünf zentrale Handlungsfelder zur Förderung der Qualitätssicherung und -entwicklung betrieblicher Ausbildung dargelegt.

5.1 Qualitätsbewusstsein und -verständnis der beruflichen Ausbildung schaffen

Die Ergebnisse der Fallstudien belegen ein schwach ausgeprägtes Verständnis zur Qualitätssicherung und -entwicklung in der betrieblichen Ausbildung. In einem ersten Schritt muss daher auf allen Ebenen der beruflichen Bildung und bei allen Akteuren ein -  gemeinsames - Bewusstsein dafür geschaffen werden, was Qualität in der beruflichen Ausbildung ausmacht und welchen Nutzen qualitätsverbessernde Ansätze für die Stakeholder der beruflichen Bildung bedeuten. Die Modellinitiative fokussiert in erster Linie die Qualitätsentwicklung der betrieblichen Ausbildung. Initiativen in diesem Handlungsfeld sollten daher zunächst darauf abzielen, Qualitätsentwicklung der Ausbildung ins Bewusstsein der ausbildenden Personen zu rufen. Als ein notwendiger Ansatz wird die Integration des Themengebiets „Qualitätsentwicklung in der beruflichen Ausbildung“ in die -  derzeit noch ausgesetzte - Ausbildung der Ausbilder (gemäß Ausbildereignungsverordnung) gesehen. Die Qualifizierung des ausbildenden Personals in den Betrieben im Umgang, Einsatz und in der Entwicklung von Instrumenten und Methoden der Qualitätssicherung und -entwicklung ihrer betrieblichen Ausbildung (z. B. Entwickeln von betriebsspezifischen Beurteilungsbögen; Führen von Feedbackgesprächen) dürfte der Ansatzpunkt für der Bewusstseinsetablierung für die Qualitätsentwicklung in der betrieblichen Ausbildung sein.

Ein Qualitätsbewusstsein muss für eine Verstetigung bei allen Akteuren der beruflichen
(Aus-)Bildung auf allen Ebenen (Kammern, Betrieben, Berufsverbänden, Berufsschulen, Auszubildenden) geschaffen werden. Hierzu ist der Aufbau eines „gemeinsamen“ Qualitätsverständnisses der Akteure erforderlich, insbesondere die Notwendigkeit einer „gemeinsamen“ Vorstellung von Qualität in der beruflichen Ausbildung. In den Berufsschulen sind derzeit zahlreiche Maßnahmen eines institutionellen Qualitätsmanagements initiiert; ein originäres Verständnis eines „guten“ betrieblichen Ausbildungsprozesses liegt -  wie These 4.2 aufzeigt - jedoch nicht vor. Allerdings fokussieren Berufsschulen gegenüber den Ausbildungsbetrieben stärker auf den Auszubildenden als zentralem Subjekt der Qualitätsentwicklung. Unter dieser Zieldimension könnten Maßnahmen der Qualitätsentwicklung mit den Dualpartnern aufeinander abgestimmt werden, um nicht zwei vollständig voneinander getrennte Systeme des Qualitätsmanagements in der Dualen Ausbildung aufzubauen.

5.2 Kommunikations- und Kooperationsstrukturen (weiter-) entwickeln

Die Abstimmung und Passung zwischen den Beteiligten der Beruflichen Bildung muss verbessert werden. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Ausbildungsinhalte zwischen den Beteiligten der beruflichen Bildung nur selten abgestimmt sind. In erster Linie wird hiermit die Kooperation zwischen den Lernorten Betrieb und Berufsschule (sowie gegebenenfalls überbetriebliche Bildungsstätte) angesprochen. Aus den Fallstudien und Expertengesprächen kann festgehalten werden, dass sofern institutionelle und personenabhängige Kooperationsaktivitäten implementiert sind, ein Beitrag zur Qualitätsverbesserung der beruflichen Bildung geleistet wird. Diese sind jedoch nicht direkt auf den Aspekt (gemeinsame bzw. duale) Qualitätssicherung oder -entwicklung ausgerichtet. Kooperationsaktivitäten tragen in sich das Potential einer unmittelbaren Qualitätsverbesserung sowohl auf betrieblicher als auch schulischer Seite der beruflichen Ausbildung. Die Wirklichkeit zeigt jedoch, dass diese oft nicht funktionieren. Kooperationen müssen kritisch hinterfragt und Möglichkeiten der Optimierung erarbeitet werden. Ansätze einer verbesserten Kooperation könnten in einem ersten Schritt in einem Austausch bzw. gemeinsamen Weiterbildung von Lehrern und Ausbildern zum Thema Qualität in der beruflichen Bildung gestaltet werden. Dies würde nicht nur einen Kompetenzzuwachs auf beiden Seiten, sondern insbesondere auch das Verständnis füreinander und damit das partnerschaftliche Miteinander in der dualen Ausbildung befördern. Eine gemeinsame Personalentwicklung ist aus der Debatte zur Lernortkooperation durchaus bekannt (vgl. EULER 2005, PÄTZOLD, WALDEN 1999), müsste jedoch auch umgesetzt werden. Insbesondere Schulleiter und „Qualitätsbeauftragte“ der Berufsschulen können so ihre Erfahrungen, den Qualitätsgedanken im Schulalltag zu etablieren, weitergeben und Anstöße für die Ausbildungsbetriebe geben.

Neben der Verstetigung von Kooperationsaktivitäten zwischen schulischer und betrieblicher Seite auf der Meso- und Mikroebene müssen zusätzlich die Kammern und Berufsverbände in Kommunikations- und Kooperationsstrukturen verstärkt eingebunden werden. Eine weitere Zielstellung in diesem Handlungsfeld sollte aus diesem Grund darauf zielen, Foren, Gruppen bzw. Zirkel zur Qualitätsentwicklung einzurichten, die auch diese Akteure einbinden. Rahmenbedingungen sind dabei die Nutzung von bisherigen Strukturen bzw. die Identifikation von Andockpunkten an bisherige Strukturen sowie die Entwicklung von Implementationshinweisen. Allerdings sollten derartige Projekte nicht nur eine Ebene im Blick haben, sondern die Einrichtung von Kreisen (Zirkeln) auf allen Ebenen intendieren. Dies vor allem auch innerhalb der Unternehmen, um eine Feedbackkultur in der Ausbildung aufzubauen, um z. B. Erfahrungen der Ausbilder austauschen zu können. Eine wichtige Rolle dabei könnten die Ausbildungsberater als Multiplikatoren in einer Region einnehmen.

Insgesamt gilt es Qualitätsregelkreise zu schaffen (vgl. Abb. 2), die eine Qualitätsentwicklung über Organisationsgrenzen hinaus in oben aufgezeigtem Sinne gewährleisten. Dazu müssen sie möglichst „kurz“ sein, aber ineinander verflochten sein um alle Beteiligten zu integrieren.

5.3 Standards für den Ausbildungsprozess entwickeln

Standards sind derzeit vorrangig input- und in geringerem Umfang outputbezogen. Prozessstandards und prozessbezogene Indikatoren fehlen weitestgehend (vgl. These 4.2). Der eigentliche Kern der Ausbildung, der Ausbildungsprozess ist damit beliebig und offen. Defizite und Verbesserungspotentiale bleiben verborgen, da Vergleichsmöglichkeiten, Referenzen und Best-Practice Beispiele in einem Sektor/in einer Region und damit für die Betriebe fehlen.

Aus der Philosophie der Qualitätsentwicklung und dem Grundsatz Fördern statt Prüfen sollten derartige Indikatoren und Standards nicht oktroyiert, sondern „bottom up“ entwickelt werden. Die Betriebe haben großes Interesse, ihre Ausbildungsprozesse weiter zu entwickeln und wehren sich keineswegs die Güte ihrer Ausbildung durch Peer-Reviews oder Selbstevaluation zu überprüfen. Vorschriften, Regelungen und Standards sollten selbst gesetzt werden, um damit besser auf die individuellen Rahmenbedingungen einzelner Betriebe eingehen zu können und Gestaltungsspielräume zu schaffen.

Im Sinne einer arbeits- und geschäftsprozessorientierten Ausbildung, wie sie insbesondere in KMU praktiziert wird, müssen Indikatoren auf Basis der Arbeitsprozesse abgeleitet werden. Durch große Unterschiede der Arbeitsprozesse und damit auch der Ausbildungs- und Lernprozesse in den Branchen sind die Indikatoren branchenspezifisch und berufsspezifisch zu entwickeln. Dies kann nur mit einem „bottom up“ Ansatz gelingen. In der konkreten Umsetzung dieses Handlungsfeldes könnten beispielsweise KMU Arbeitsprozesse und damit verbundene Ausbildungsprozesse vergleichen und gute bzw. beste Praxis identifizieren. Die Prozessstandards könnten perspektivisch in Abstimmung mit den Betrieben für einen Kammerbezirk, eine Innung oder sonstigen Berufsverband gesetzt und geprüft werden.

5.4 Entwicklung und Anpassung von betrieblichen Qualitätsentwicklungsinstrumenten für KMU

Qualitätsziele als Ausgangspunkt der Qualitätsentwicklung ergeben sich auf betrieblicher Ebene direkt aus den Erwartungen der Partner Auszubildender und Ausbilder an den Ausbildungsprozess. Diese Erwartungen transparent zu machen ist ein wesentlicher Schritt der Qualitätsentwicklung auf der Prozessebene betrieblicher Ausbildung. In der praktischen Umsetzung sind hierfür regelmäßige Feedbackgespräche und formale Beurteilungs- und Evaluationsbögen die wichtigsten Instrumente. Diese sind in Großunternehmen sehr differenziert ausgearbeitet und werden systematisch eingesetzt. Beispielhaft kann das Instrument „Ausbildung im Dialog (AiD)“ genannt werden: Für Ausbilder und Auszubildende wurden Beurteilungskriterien entwickelt, welche die Grundlage für regelmäßige und systematische Feedbackgespräche sind. In KMU sind derartige Qualitätsmanagementinstrumente kaum vorhanden. Systematische Beurteilungs- und Feedbackgespräche bzw. der Einsatz geeigneter Instrumente sind i. d. R. ohne Rückkopplung an den Ausbildungsprozess und finden informell -  z. B. in Form von „zufälligen“ Gesprächen - statt. Eine wesentliche Zielsetzung dieses Handlungsfeldes ist somit die Entwicklung einer Feedbackkultur in der betrieblichen Ausbildung von KMU und damit verbunden die Anpassung bzw. Entwicklung entsprechender Qualitätsmanagementinstrumente. Vorhandene Instrumente der Großbetriebe bzw. aus Modellversuchen können dabei nur schwer auf die Bedingungen und Anforderungen kleiner und mittelständischer Unternehmen übertragen werden. Ziel muss sein, Instrumente zu entwickeln, die einfach handhabbar sowie ökonomisch nutzbar sind und auf die Betriebsbedingungen flexibel angepasst werden können. Bereits vorhandene Instrumente sollten so weit wie möglich genutzt werden. Insbesondere die Weiterentwicklung des Berichtsheftes um Aspekte der Qualitätsentwicklung der beruflichen Ausbildung wurde von den befragten Akteuren der beruflichen Bildung zur Diskussion gestellt.

Neben der Etablierung einer Feedbackkultur zwischen Auszubildendem und Ausbilder erscheint auch ein regelmäßiges Feedback zwischen den Dualpartnern über die Wahrnehmung des Ausbildungsprozesses sinnvoll. Über die Sicherstellung von Kommunikationsschnittstellen können spezifische Perspektiven über die eigenen Aktivitäten reflektiert und Ergebnisse von Qualitätsentwicklungsmaßnahmen des Partners in den eigenen Ausbildungsprozess integriert werden. Ansatzpunkt kann eine gegenseitige aktive Einbindung in die Entwicklung und Gestaltung von Qualitätsmanagementinstrumenten sein. In diesem Kontext kann die kritische Frage gestellt werden, inwiefern die Formulierung des Kooperationsgedankens mit dem Dualpartner in den Leitbildern und Programmen der Berufsschulen sinnvoll erscheint, wenn diese - wie bisher - ausschließlich als Qualitätsziel aus der eigenen institutionellen (schulischen) Perspektive heraus entwickelt wird.

Denkt man über ein Feedback des Dualpartners nach, kann in einem weiteren (Ideal-)Schritt auch darüber nachgedacht werden, die beiden in diesem Handlungsfeld aufgeführten Aspekte zusammen zu führen, um gemeinsame lernortübergreifende Qualitätsentwicklungsinstrumente für die Rückmeldung der Auszubildenden zur ihrer Wahrnehmung der Ausbildung zu entwickeln. Dies setzt allerdings nicht nur die gegenseitige Kenntnis der Ausbildungsinhalte und des Ausbildungsstandes im Sinne einer gegenseitigen Information voraus, sondern verlangt ein Zusammenwirken der Dualpartner.

 5.5 Implementierung von (lernortübergreifenden) Qualitätsentwicklungsziele

Die bisherigen Ausführungen zum Stand der betrieblichen Ausbildungsqualität in KMU sowie zu den daraus abgeleiteten Handlungsfeldern zur Qualitätsverbesserung zeigen die Notwendigkeit auf, ein Qualitätsbewusstsein für die betriebliche Ausbildung zu etablieren. Hierzu sind Unterstützungssysteme und -maßnahmen von allen Akteuren der beruflichen Bildung notwendig; ein besonderes Potenzial wird jedoch in der Kooperation der Dualpartner gesehen.

Die lernortübergreifende Entwicklung von regionalen bildungsgangs- oder branchenbezogenen Qualitätsleitbildern einer „guten“ dualen Ausbildung ist ein interessanter Gedanke, der diesen Aspekt noch weiter fokussiert. Eine von den Dualpartnern (bzw. auf betrieblicher Seite von den Berufsverbänden als Vertreter der Dualpartner) gemeinsam formulierte Zielsetzung wird unter den Bedingungen des jeweiligen Lernortes individuell ausdifferenziert und kann Ausgangspunkt sowohl für gemeinsame als auch für lernortspezifische Qualitätsentwicklungsprojekte sein. Die Frage der Gestaltung von Kooperationsaktivitäten nimmt hier eine neue -  zwingend notwendige - Perspektive ein, da das entwickelte Leitbild für einen Ausbildungsberuf gemeinsam implementiert und die Ausdifferenzierung der lernortbezogenen Ziele aufeinander abgestimmt werden müssen. Ausgangspunkt eines solchen Vorhabens könnte die Entwicklung eines Leitbildes mit einem oder wenigen Ausbildungsbetrieben und der Berufsschule einer Region sein, die als „Leuchttürme“ eine spätere Verbreitung des Modells initiieren.

6. Fazit

Qualitätssicherung und -entwicklung betrieblicher Bildung bedarf der Mitarbeit aller Institutionen der beruflichen (Aus-)Bildung -  angefangen von den Betrieben, über die zuständigen Stellen (Kammern/Innungen), die Berufsschulen bis hin zum Gesetzgeber. Betroffen in dieser Modellinitiative sind letztendlich jedoch die ausbildenden Betriebe und die Auszubildenden selbst. Gemäß dem Ansatz „Betroffene zu Beteiligten zu machen“ muss sich Qualitätsentwicklung an diesen beiden Gruppen orientieren bzw. von diesen ausgehen. Das heißt, Qualitätsentwicklung betrieblicher Ausbildung muss, wenn sie breit und nachhaltig angelegt werden soll, „bottom up“ erfolgen. Die Betriebe müssen ein Qualitätsbewusstsein entwickeln, um eine (stetige) Verbesserung der betrieblichen Ausbildung umzusetzen.

Die weiteren Beteiligten sind aber nicht weniger wichtig, sondern nehmen eine andere Funktion ein. Sie sind einerseits „Förderer“, „Treiber“ und „Unterstützer“ dieses Entwicklungsprozesses. „Förderer“ werden sie z. B. durch die Bereitstellung von Ressourcen, wie es die vorgesehene Modellinitiative vorsieht. „Treiber“ werden sie durch das Aufzeigen von Bedarf und Defiziten, um die Betriebe zu motivieren, ihre betriebliche Ausbildung ständig zu verbessern. Zuständige Stellen aber auch Berufsschulen haben hier beispielsweise die Möglichkeit „Best-Practice“ der betrieblichen Ausbildung in einem Bereich aufzuzeigen. Als „Unterstützer“ könnten sie Instrumente zur Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsqualität aufzeigen bzw. bei deren Entwicklung behilflich sein.

Im Fokus einer beruflichen Ausbildung stehen die Sicherung qualitativ hochwertiger Angebote sowie deren stetige (Weiter-)Entwicklung für die Zielgruppe der Auszubildenden. Die gemeinsame Zielperspektive sollte damit die Entwicklung und Förderung der Handlungskompetenz des Auszubildenden sein. Hieraus leitet sich in der Debatte zur Lernortkooperation auch die Kooperationsnotwendigkeit ab und diese sollte auch aus der Diskussion um die Qualität betrieblicher und beruflicher Ausbildung ersichtlich werden.

Zielsetzung kann es dabei nicht sein, zwei voneinander unabhängige Systeme der betrieblichen und schulischen Qualitätsentwicklung des Ausbildungs- und Bildungsprozesses zu etablieren. Jetzt muss die Chance genutzt werden, ein System der gemeinsamen gegenseitig unterstützenden Qualitätsentwicklung unter Berücksichtigung der lernortspezifischen Bedingungen zu unterstützen. Das unter einer gemeinsamen Zieldimension durchaus eine „berufschulische“ und eine „betriebliche“ Ausbildungsqualität gesondert auftreten, widerspricht dieser Forderung nicht. Vielmehr müssen diese sich zu einem Qualitätsbegriff „dualer“ oder „beruflicher“ Ausbildung ergänzen. Als Ausgangspunkt für diese Vorhaben muss es oberstes Ziel der Modellinitiative sein, ein Qualitätsbewusstsein in der betrieblichen Ausbildung zu schaffen und insbesondere eine Mentalität der Qualitätsentwicklung zu fördern.

Literatur:

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EULER, D. (2005): Qualitätsentwicklung in der Berufsausbildung. BLK-Heft 127. Bonn, St. Gallen.

EULER, D. (2003): Handbuch der Lernortkooperation. Band 1: Theoretische Fundierungen. Bielefeld.

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