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 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
FT 03 Elektrotechnik- Informatik, Metalltechnik

online seit: 19. November 2008

Qualitätssicherung in der Lehrerfortbildung – Konzept einer Anwenderschulung

 

Abstract

Berufsschulunterricht ist u. a. ein fortschreitender Prozess zur Vermittlung verschiedener Kompetenzen. Die Aktualität des Fachwissens, zumindest aber die Kenntnis aktueller Technologien ist dabei ein wesentlicher Faktor zur Erzielung von Fachkompetenz. Das verpflichtet den Berufsschullehrer, sein Wissen über die fortschreitende Entwicklung stetig zu erweitern. Das hier dargestellte Modell aus der Automobilindustrie, das in der überregionalen Lehrerfortbildung als “Multiplikatorenmodell” bezeichnet wird, ist eines von vielen, das aufzeigt, wie Herstellerschulungen, die auf einem Selbstlernkonzept beruhen, unmittelbar in die technische Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern eingebunden werden können und so zur Qualitätssicherung fachlicher Inhalte wesentliche Beiträge leisten können. Methodisch folgte das Konzept dem Distance-Leaning von Mercedes-Benz, das dem Lerner eine hohe Eigenverantwortung im Lernprozess zuweist. Im Sinne des Modellhandelns begibt sich während dieser Phase der Moderator in die Lernerrolle, die ihm exakt die Perspektive ermöglicht, die er auch bei seinem späteren Kursteilnehmer respektive Schüler vorfinden wird. Hierdurch erfährt sein eigener Lernprozess eine Modulation, die ihm auf der Basis der eigenen Erfahrung den Zugang als Helfer und Berater im Selbstlernprozess der künftigen Teilnehmer seiner eigenen Kurse erleichtert.

1. Vorbemerkung

Die Lehrer, die im dualen System an Berufskollegs tätig sind, sind im besonderen Maße bemüht das Wissen über aktuelle technische Neuerungen an die Auszubildenden weiterzugeben. Um aktuelle Kenntnisse parallel zur unterrichtlichen Tätigkeit zu erwerben, bietet z. B. die Automobilindustrie Fortbildungslehrgänge an, die das technologische Wissen der Teilnehmer aktualisiert und erweitert und das -  so das Modell - an die Fachkollegen in Fortbildungsveranstaltungen weitergegeben werden soll, um die inhaltliche Qualität des Fachunterrichts zu sichern.

Allerdings handelte es sich bei den Schulungen in den meisten Fällen um „Fortbildungsmonaden“, die isoliert von typischen Tätigkeiten im Betrieb standen, sich ganz wesentlich auf fahrzeugtechnische Systeme konzentrierten und nur sehr schwer in ein arbeitsprozessorientiertes Lernfeldkonzept eingebunden werden konnten, zumal typische, mit der Werkstatttätigkeit verbundene Problemstellungen in der Regel ausgeblendet waren. Dieses Konzept wurde in einem Pilotprojekt des Global Trainings der Daimler AG aufgegeben: Jetzt wurden Fortbilderteams aus Berufskollegs einer Region gezielt über einen längeren Zeitraum zu einem definierten Thema (Kommunikationstechnik im Kfz) bei einem einzigen Hersteller technologiebezogen in der breiten Palette von Diagnose bis Service instruiert. Neben der Ausdehnung auf werkstatttypische Handlungen war es ein weiteres Ziel, regionale Fortbildungsstandorte an Berufskollegs/Berufsbildenden Schulen zu etablieren, die in der Lage sind, die erworbene Arbeitsprozessexpertise auf den Lernprozess zu transferieren und zu multiplizieren.

2.  Rahmenbedingungen für die schulische Multiplikation

Qualitätssicherung des eigenen Unterrichts ist für jeden Berufsschullehrer eine tägliche Selbstverständlichkeit, da Ergebnisse des Lehrerhandelns spätestens in den regionalen und zentralen Abschlussprüfungen offensichtlich werden. Für Berufsschullehrer an einem Berufskolleg für Fahrzeugtechnik – wie hier dargestellt - hat dieser Satz eine ganz besondere Bedeutung, da wir gerade in der Automobilbranche einer schnellen technischen Entwicklung folgen müssen. Die Auszubildenden sollen in den Firmen durch praktische Tätigkeiten zu kompetenten Fachkräften ausgebildet werden. Begleitend hierzu eröffnet das Berufskolleg durch die Vermittlung theoretischer Inhalte und arbeitsprozessorientierten (Labor-)Unterricht den Auszubildenden die Chance, Wissen zu vertiefen, Kompetenzen zu erwerben und die Fähigkeit zu erlangen, ihre Arbeit und ihr Arbeitsumfeld selbstständig zu gestalten.

Welche fachlichen, methodischen und sächlichen Voraussetzungen dem Lehrer erfolgreiche berufliche Lernprozesse ermöglichen können und wie sie erworben werden, soll hier aus der Sicht unmittelbarer Praxiserfahrung berichtet werden.

In der Regel werden für die Automobilbranche koordinierte Fortbildungsveranstaltungen von der Industrie angeboten. Der Umfang entspricht je nach Themengebiet 1-5 Tage. Die Teilnahme ist für Lehrer weitgehend kostenfrei. Jedoch haben jährlich nur 7-10% aller Fachlehrer die Möglichkeit der Teilnahme an einer speziellen Veranstaltung. Das wiederum verpflichtet sie, ihr erlangtes Wissen im Rahmen der schulinternen bzw. regionalen Multiplikation 10-15 interessierten Kollegen anderer Schulen weiterzugeben. Ist die Abteilung für Fahrzeugtechnik einer Schule sehr groß, bietet es sich an, ausschließlich schulintern zu multiplizieren. Diese schulinternen Fortbildungen können ebenfalls mehrere Tage umfassen. Die starke fachliche Reduktion der Inhalte und fehlende Authentizität lässt diese Veranstaltungen die Teilnehmer in ihrem Bedürfnis, mehr Kenntnisse über den Arbeitsprozess zu erfahren, aber häufig allein.

Das Neue des Konzepts, das die Daimler AG anbietet, besteht vor allem darin, dass nicht ein Teilnehmer Inhalte einer (einzigen) Veranstaltung multiplizieren soll, sondern dass er zunächst selbst in den Stand des Experten für eine Technologie versetzt wird. Das beschränkt sich nicht ausschließlich auf ein aktualisiertes technisches Wissen, sondern beinhaltet den vollständigen Informationssupport einschließlich der Nutzung aller Methoden, wie z. B. Zugang zum e-Learning.

Ein großer Vorteil dieser Verfahren besteht darin, dass die Vorbereitung der Moderatoren den werksinternen Standards folgt. Hierdurch wird auch informelles Wissen über innerbetriebliche Prozesse erworben, das gerade für die Authentizität im schulischen Lernprozess von entscheidender Bedeutung sein kann.

Die Schulung durch die Firmen sind meistens auf Berufschullehrer abgestimmt, basieren aber auf Grundlagen für firmeneigene Mitarbeiterschulungen z. B. für Kfz-Mechatroniker oder Servicetechniker! Die Berufschullehrer, die eine solche Schulung besuchen, müssen sich zunächst mit dem Selbstlernkonzept der Firma ausein andersetzen. Diese sind je nach Anbieter unterschiedlich. Als Medium dient zumeist das Internet. E -Learning-Konzepte sind dabei mittlerweile Standard, die beim Global Training der Daimler AG als Distance-Learning oder z. B. bei Toyota als Toyota-Connect bezeichnet werden.

In Online-Konferenzschaltungen aller teilnehmenden Kollegen deutschlandweit kommunizieren die Teilnehmer mit den Ausbildern im Ausbildungszentrum in einen Virtuell-classroom. In diesem werden Informationen weitergegeben. Im Weiteren dient er sowohl der Klärung von Fragen als auch der Möglichkeit Kurztests durchzuführen.

Ist diese Schulung für die eigenen Mitarbeiter gedacht, ist ein Bestehen dieser Tests Voraussetzung zur Teilnahme einer face-to-face Präsenz-Schulung, welche dann zu einer weiteren Qualifizierung des Mitarbeiters, z. B. eines firmenspezifischen Servicetechnikers führt.

3.  Umsetzung des Konzepts in Fortbildungsveranstaltungen der Schule

Das hier beschriebene Szenario folgt methodisch dem Konzept Distance-Learning von Mercedes-Benz. Dem Lerner wird hierbei eine hohe Eigenverantwortung im Lernprozess zuwiesen. Im Sinne des Modellhandelns begibt sich während dieser Phase der Moderator in die Lernerrolle, die ihm exakt die Perspektive ermöglicht, die er auch bei seinem späteren Kursteilnehmer, respektive Schüler, vorfinden wird. Hierdurch erfährt sein eigener Lernprozess eine Modulation, die ihm auf der Basis der eigenen Erfahrung den Zugang als Helfer und Berater im Selbstlernprozess der künftigen Teilnehmer seiner eigenen Kurse erleichtert.

Die eigentliche Problematik ergibt sich aber in der Vermittlung der gelernten Inhalte und deren methodisch-didaktischer Umsetzung dieser Trainings durch die Moderatoren/ Multiplikatoren in den sich daraus ergebende Lehrerfortbildungsveranstaltungen. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung ist unmöglich. So ist zunächst d ie Aufgabe zu bewältigen, die Teilnehmer mit den Fortbildungsinhalten unter Beachtung der Relevanz für den Unterricht vertraut zu machen. Überlegungen zur Methodik (Wie?) und Didaktik (Was? Warum?) stehen dabei im Vordergrund. Dabei müssen sehr firmenspezifische Ansätze und Inhalte reduziert werden. Eine direkte Umsetzung Herstellerschulung/Lehrerfortbildung erweist sich als nicht machbar und nicht sinnvoll.

Die Herstellerschulungen verfolgen andere Intentionen als der Unterricht an berufsbildenden Schulen. Deshalb bietet es sich an, dass sich die Moderatoren bei der Konzeptionierung der Schulung zunächst wieder in die Lernerrolle hineinversetzen, um sich selber als Lernende zu betrachten. Ohne hier auf lernpsychologische Theorien oder pädagogische Psychologien einzugehen, sollten zu diesem Zeitpunkt lerntheoretische Betrachtungen eine große Rolle spielen. Aus der Erfahrung des Autors heraus haben sich Anregungen und Hilfen fü r z. B. Selbstgesteuertes Lernen bewährt (vgl. BANNACH 2002) . Geschieht die Vorbereitung im Moderatorenteam, unterstützt dies den Perspektivenwechsel erheblich. So werden Rahmenbedingungen und Arrangements geschaffen, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Lernvoraussetzungen der Teilnehmer orientieren und Lernprozesse initiieren, die weitgehend selbstständig verlaufen. Schwerpunkte, Inhalte und Organisation werden selbst festgelegt. Es werden keine Vorgaben gemacht, alle möglichen Wege können beschritten werden.

Die Lernarrangements der Fortbildung sollen bereits als Modell für die Qualifizierung der Auszubildenden und späteren Gesellen und Facharbeiter dienen. Hieraus folgt, dass die arbeitsprozessorientierte Ausrichtung der Fortbildung für einen arbeitsprozessorientierten Unterricht bereits von entscheidender Bedeutung ist.

3.1  Fortbildung als “Best-Practice-Labor“

Die Vielfalt unterrichtlicher Vorgehensweisen tritt in den Fortbildungsveranstaltungen regelhaft zutage. So wird den Teilnehmern Raum gegeben, beste bzw. nachahmenswerte Ergebnisse werden in einem Exkurs vorzuzeigen, um allen Teilnehmern Anregung zur qualitativen Verbesserung ihrer selbst entwickelten Lernsituationen und –arrangements zu ermöglichen. Die Vermittlung neuer Inhalte ist so unmittelbar an eine Reflexion und stetige Verbesserung eigener Unterrichtskonzepte und Unterrichtskonzepte der Teilnehmer gekoppelt.

Es wird deutlich, dass selbst eine Fortbildung, deren primäres Ziel es ist, „nur“ den technischen Fortschritt ins Klassenzimmer zu bringen, weit mehr Fragen in der Umsetzung aufwirft, als es die Perspektive des Entwicklungsingenieurs erahnen lässt. So wird die Fortbildung selbst zum Entwicklungslabor für arbeitsprozessorientierte Lernarrangements und gibt Impulse für relevante Lernsituationen. – Und noch eins sollte erwähnt sein: Wenn d ie eigene Moderationsweise der Fortbilder im Sinne des Modelllernens für einen entwickelnden Unterricht als Vorbild dienen soll, spielen auch folgende Fragen eine wichtige Rolle

•  Wie tritt der Fortbilder menschlich auf?

•  Wie geht er mit Menschen um?

•  Wie ist sein fachliches Auftreten?

3.2  Fortbildung als “Best-Practice-Labor“

Unterschiede des aktuellen Lernstandes der Teilnehmer sind ein bekanntes Problem. So muss eine gemeinsame Wissensbasis für das Arbeiten geschaffen werden, sodass Kollegen aufgrund mangelnden Wissens nicht überfordert werden. Eingangstests, wie sie auch bei der Herstellerschulung mit firmeneigenen Mitarbeitern durchgeführt werden, sind als Teilnahmevoraussetzung für die Präsenzschulung nicht praktikabel.

Als erfolgreich hat sich der Einsatz von interaktiven Selbstlernprogrammen gezeigt: Jeder Teilnehmer erhält im Voraus eine CD oder DVD mit den vorausgesetzen Inhalten. Seine Aufgabe ist es, diese vor Beginn der Fortbildungsveranstaltung durchzuarbeiten. Ein Vorteil dieser medialen Vorschulung und Bereitstellung von Unterrichtshilfen bzw. Anschauungsmaterialien ist der, dass zeitraubende Bildungsvorträge während der Fortbildungsveranstaltung minimiert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Vermittlung von Wissen ermöglicht die Nutzung des Internets und speziell aufbereiteter Lern-Plattformen. Der Zeitaufwand der Fortbilder zur Bearbeitung des Systeme und der online-Kommunikation mit den Teilnehmern ist allerdings in der Regel sehr groß.

4.  Fazit

Erfahrungsgemäß lassen sich beste Erfolge erzielen, wenn der Fortbilder einen Problemlösungsprozess einleitet, d. h., dass er sich an einem tatsächlichen Problem im Kfz-Bereich, z. B. ergänzt durch Kundenbeanstandungen, orientiert. Die Präsentation eines Fahrzeuges vor Ort, in dem z. B. ein Fehler im CAN-Datenbus eingebaut wurde und einer Fehleranalyse, die in einem Kundengespräch durchgeführt werden kann, veranschaulicht die Praxisrelevanz am deutlichsten. Dieser Problemlösungsprozess soll von den Teilnehmern ko mplett durchlaufen werden. Alle Teilnehmer werden aktiv am Gestaltungskonzept beteiligt.

Ein motivierendes Umfeld mit idealen Lernbedingungen sind wichtige Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen. Es sollte in vielerlei Hinsicht multifunktionell sein: Fahrzeuge, lauffähige Motorenstände, arbeitsprozessorientierte Anschauungsobjekte, Laborräume, Motortester, Diagnosesysteme, diverse Test- und Prüfgeräte, Simulationsmodelle, PCs, Vernetzung online und Werkzeuge. Angegliederte Lernstätten mit motivierender Lernatmosphäre, ausgestattet mit Moderatorenkoffern, Plakatwänden, Flip-Charts, etc. unterstützen die Lernbedingungen.

Optimale Lernerfolge werden am ehesten durch intrinsische Motivationen erzielt, d. h., das Interesse der Teilnehmer wird geweckt und Rahmenbedingungen werden geschaffen, sodass die Teilnehmergruppe motiviert wird, das Problem selbstständig zu lösen. Die von den auf diese Weise vorbereiteten Moderatoren angebotenen Lehrerfortbildungen werden um die Komponente der unterrichtlichen Umsetzung erweitert. Somit sollen die Teilnehmer der Lehrerfortbildung an einem der regionalen schulischen Fortbildungszentren neben aktuellem technischen Know-how auch Hilfen und Anregungen für die Organisation eines selbstgesteuerten Lernens, die Einbindung ins Lernfeldkonzept und damit für die Ausrichtung auf Arbeitsprozesse erhalten.

Die Schulen nehmen das Fortbildungsangebot der Firmen dann dankbar an, wenn es neben technische Innovation auch den Lern- und Wissenssupport umfasst, der jedem Mitarbeiter in der Werkstatt auch zugänglich ist. Den Moderatoren und Multiplikatoren obliegt die didaktische und methodische Aufarbeitung der Inhalte sowie der technische und konzeptionelle Transfer. Der Input der Firmen muss unterrichtlich eingebunden und aufgearbeitet werden, um einen nachhaltigen Lernprozess zu initiieren. Daher ist für eine Lehrerfortbildung eine rein fachliche Schulung nur sehr begrenzt sinnvoll. Es sollte der Raum und die Möglichkeit geschaffen werden, alle Inhalte auch auf dem Hintergrund der Facharbeit zu erfahren und das Gelernte für den Unterricht aufzuarbeiten und umzusetzen. Denn Ziel ist es, dass alle Teilnehmer der Lehrerfortbildung gemeinsam neue Lernsituationen im Sinne des Lernfeldkonzeptes erarbeiten, deren Umsetzung unmittelbar möglich sein muss.

Literatur

BANDURA, A. (1976): Lernen am Modell. Stuttgart.

BANNACH, M. (2002): Selbstbestimmtes Lernen. Baltmannsweiler.

DAIMLER AG (Hrsg.) (2008): GLOBAL TRAINING. Online: http://www.daimlerchrysler.com/dc_gtraining (22-09-2008).

 

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