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 bwp@ Profil 2 | 14. Januar 2009
Akzentsetzungen in der Berufs- und
Wirtschaftspädagogik

Holger Reinisch wird 60 und Wegbegleiter schreiben zu seinen Themen

Herausgeber: Andreas DIETTRICH, Dietmar FROMMBERGER & Jens KLUSMEYER

„Durchlässigkeit“ in Bildung und Berufsbildung: Begriff, Begründungen, Modelle und Kritik.



1.  Das Thema „Durchlässigkeit“ in Bildung und Berufsbildung

In der öffentlichen und politischen Debatte um die Modernisierung der Bildungs- und Berufsbildungssysteme hat die Einforderung „durchlässiger“ Strukturen und Bildungsgangverläufe in den vergangenen Jahren eine deutliche Belebung erfahren. In den Stellungnahmen zu den Themen Bildung, Berufsbildung und Hochschulbildung der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure besitzt der Begriff „Durchlässigkeit“ mittlerweile einen herausragenden Stellenwert und es herrscht programmatische Einigkeit. „Durchlässigkeit“ wird national und international durchweg als positiv und wünschenswert und schließlich als eine einzulösende Forderung an das gesamte Bildungssystem verstanden.

Der Bedeutungsakzent des Begriffs „Durchlässigkeit“ im Kontext von Bildung und Berufsbildung liegt in der Zu- und Übergangsmöglichkeit zwischen verschiedenen Bildungsgängen und Bildungsstufen, und zwar innerhalb des nationalen Bildungssystems und der verschiedenen Bildungsteilbereiche sowie in internationaler Hinsicht zwischen unterschiedlichen Bildungssystemen. Das Ziel „durchlässiger“ Bildungsstrukturen und Ausbildungswege liegt in der Förderung der Möglichkeit individueller Bildungsmobilität. Die individuelle Bildungsmobilität schließt grundsätzlich die soziale Mobilität ein und zielt damit auch auf die Chance der sozialen Integration und des Aufstiegs.

Die historische Entwicklung des Bildungs- und Berufsbildungssystems in Deutschland führte (und führt) - wie in anderen Ländern auch - zu starken Verzweigungen mit profilierten und spezialisierten Bildungsgängen und Aus- und Weiterbildungsrichtungen auf verschiedenen und zum Teil aufeinander aufbauenden Anspruchsniveaustufen. Im Kontext der soziokulturellen, politischen, technischen und ökonomischen Fortschritte und den damit verknüpften veränderten Anforderungen und Ansprüchen an die allgemeine und berufliche Bildung im Zeitverlauf sind innerhalb der Nationalstaaten komplexe Bildungs-, Berufsbildungs- und Hochschulsysteme entstanden. Auch der Bereich der beruflichen Bildung weist in Deutschland ein hohes Maß der strukturellen und inhaltlichen Differenzierung auf. Es entstehen Abschottungen zwischen den diversen Bildungswegen, so dass Umstiege und Aufstiege mit Eingangsvoraussetzungen und Zugangsbedingungen verbunden sind. Es entstehen auch typische und attraktive Bildungswege mit hohen Aspirationsniveaus, guten beruflichen Karriereoptionen und einem ausgeprägten Sozialprestige. Daneben stehen typische Bildungswege und Bildungskarrieren minderer Attraktivität und mit geringeren Perspektiven für den weiteren persönlichen und beruflichen Werdegang.

Unter diesen Konstellationen sind Übergänge an den Schnittstellen zwischen Bildungsteilbereichen häufig sehr schwierig. So ist etwa der Übergang von der betrieblich-beruflichen Bildung in die Hochschulbildung erschwert, aber auch Übergänge zwischen den verschiedenen Formen der Allgemeinbildung und innerhalb der beruflichen Bildung sind zum Teil mit hohen Hürden verknüpft.

Nachfolgend soll das Thema „Durchlässigkeit“ in den historischen, bildungspolitischen und wissenschaftlichen Entwicklungs- und Begründungszusammenhang gestellt werden. Es werden die verschiedenen Argumentationsfiguren und Anlässe erörtert (Abschnitt 2). In Abschnitt 3 werden typische Schnittstellen in der beruflichen Bildung in Deutschland dargestellt, an denen die Verbesserung der Übergangsmöglichkeit im Rahmen einer nationalen Pilotinitiative ausprobiert werden soll. Die „Durchlässigkeit“ zwischen verschiedenen Teilbereichen der beruflichen Bildung soll dort mittels eines Leistungspunktesystems optimiert werden.

2.  Begründungen und Argumentationsfiguren im Zusammenhang mit dem Thema „Durchlässigkeit“

2.1  Bildungszertifikate und Berechtigungsstrukturen

Im Grunde ist die Forderung durchlässiger Strukturen im Bildungs- und Berufsbildungssystem eine aktuelle Reaktion auf die historischen Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse der Bildungs- und Berufsbildungsteilsysteme, die – prinzipiell – mit der wachsenden Bedeutung ausgeprägter Berechtigungs- und Selektionsmechanismen einhergehen. Auf der Grundlage formal zertifizierter Qualifikationen und Kompetenzen werden in einem gegliederten und hierarchisierten Bildungssystem Zugangsberechtigungen für weiterführende Bildungswege und berufliche Karrierewege gesteuert. Schulische Laufbahn und berufliche Entwicklung hängen mithin in einem relativ hohen Maße vom Erwerb formaler schulischer Berechtigungen ab. Diese Verbindung von schulischen Abschlüssen und beruflichen Positionszuweisungschancen wird als Meritokratie oder “Meritokratische Logik” bezeichnet (LUTZ 1979). Die Meritokratie wurde zunächst in der staatlichen Bürokratie durchgesetzt, da nur hier eine starke Zentralmacht verfügbar war, über welche einheitliche Selektionskriterien und Rekrutierungsverfahren, etwa bei der Besetzung von Beamtenpositionen, erzwungen werden konnten. Endgültig gegen Ende des 19. Jahrhunderts sind dann meritokratische Verteilungskriterien auch für die Privatwirtschaft nachweisbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Durchsetzung meritokratischer Verteilungsprinzipien, und somit die Zuteilung von Berufs- und Aufstiegschancen nach rationalen Prinzipien, zunächst in jenen Ländern auftrat, die eine patriarchalisch-autokratische Regierungsform hatten (so auch Preußen). In Ländern mit demokratischen Traditionen (zum Beispiel England, USA) sind Ansätze meritokratischer Prinzipien erst sehr viel später nachweisbar (vgl. WINDOLF 1990, 151 f.). Gedeutet wird die Durchsetzung meritokratischer Prinzipien als komplementärer Prozess einer fortschreitenden Bürokratisierung und Rationalisierung in westlichen Industriegesellschaften. Die Meritokratie setzt sich durch und löst die Patronage als Prinzip der Statuszuweisung ab (vgl. MEYER 1978).

Der Leistungsnachweis trat an die Stelle des Geburtsscheins. Historisch betrachtet stellt die Entwicklung von Schule, Ausbildung und Berechtigungssystem gemäß der „Meritokratischen Logik“ einen großen Fortschritt gegenüber den traditionellen absolutistischen Verteilungs-, Selektions- und Aufstiegsprinzipien dar. Doch die alte und neue Forderung nach „durchlässigen“ Bildungsstrukturen lässt erkennen, dass die positive Funktion eines Berechtigungssystems auch nachteilige Wirkungen entfalten kann, so beispielsweise im Falle steigender individueller Aspirationsbemühungen, die über den Erwerb Erfolg versprechender Abschlüsse befriedigt werden und schließlich in Summe in einer Inflation der Bildungsabschlüsse münden. Dadurch werden die „wertvollen“ Abschlüsse wichtiger und zugleich wertloser: Wer keinen weiterführenden Abschluss erreicht, verliert berufliche und soziale Chancen, wer aber einen weiterführenden Abschluss erreicht, gewinnt nicht in dem Maße Chancen, wie mit dem Zertifikatserwerb erwartet („Qualifikationsparadox“). Informelle Unterscheidungsmerkmale, institutionelle Zugehörigkeiten und diverse Zusatzleistungen gewinnen an Bedeutung, wodurch die Funktion des meritokratischen Systems ausgehöhlt wird und das qua Geburt gewonnene soziale Kapitel erneut eine zentrale Bedeutung gewinnt.

Im Zuge der Bildungsexpansion ist dieses „Qualifikationsparadox“ in vielen Staaten sichtbar geworden und insofern zunächst kein originär deutsches Problem. So ist die Rate der Abiturienten oder die Rate der Hochschulabgänger in vielen Ländern weitaus höher als in Deutschland. Dennoch unterscheidet sich die deutsche Situation dadurch, dass eine besonders enge Kopplung zwischen den im Bildungssystem erworbenen Abschlüssen und den Chancen im Beschäftigungssystem die Erwartungshaltung erhöht. Denn grundsätzlich ist die Verknüpfung zwischen schulischen und/oder berufsqualifizierenden Abschlüssen und den nachfolgenden Zugängen im Bildungs- und/oder Beschäftigungssystem in Deutschland in Gegenüberstellung zur Situation in anderen Ländern sehr stark ausgeprägt (vgl. MÜLLER/ SHAVIT 1998). Das bedeutet, dass die erlangten Abschlüsse nicht nur mit Berechtigungen, sondern zum Teil auch mit rechtlichen oder rechtsähnlichen Ansprüchen auf die Zulassung oder den Einstieg in weiterführende Institutionen in Bildung und Beschäftigung, zum Beispiel in die Hochschule oder in eine tarifgebundene Angestelltentätigkeit, verbunden sind.

Zugleich führt diese deutsche Tradition dazu, dass die Zuteilung von Berechtigungen aufgrund der quasi verbrieften Zugangsoptionen per se eher restriktiv gehandhabt wird. Für die nachfolgenden, sprich aufnehmenden Institutionen, ist der substanzielle Wert der Abschlüsse elementar, da sie traditionell kaum eigene Auswahlmöglichkeiten besitzen. In Ländern allerdings, wo die verteilten Abschlüsse zwar mit Berechtigungen für den Zugang in die Hochschule oder in den öffentlichen Dienst verbunden sind, die aufnehmenden Instanzen jedoch systematisch zusätzliche Auswahlverfahren durchführen, können zusätzliche Berechtigungen, z. B. „Doppelqualifikationen“, relativ freimütig verteilt werden, weil damit keine zwingend durchsetzbaren Ansprüche der Absolventen und Absolventinnen verknüpft sind.

Speziell für die Berufsbildung hat BLANKERTZ immer wieder nachdrücklich auf die Effekte des Berechtigungssystems hingewiesen: “Das Berechtigungswesen hing (...) an den Abschlüssen so genannter höherer Allgemeinbildung, während berufliche Leistungsnachweise keine oder nur geringe Bedeutung hatten.” (BLANKERTZ 1969; 107; vgl. dazu auch BLANKERTZ 1982, 181 ff.). Das System beruflicher Qualifikationen, insbesondere das System betrieblich-dualer Berufsbildung, erhielt in der Geschichte seiner Entwicklung keinen Anschluss an das Berechtigungssystem.

Das im 19. Jahrhundert verstärkte “Verlangen nach der Einführung nach geregelten Bildungsgängen und Fachprüfungen” folgte nach WEBER dem “Streben nach Beschränkung des Angebotes für die Stellungen und deren Monopolisierung zugunsten der Besitzer von Bildungspatenten” ( WEBER 1956, 736; vgl. MÜLLER 1981, 29 f.). Was auf der einen Seite die starre Verteilung der Ständeherrschaft durch das Prinzip der Leistung und des Verdienstes über den individuellen Bildungsprozess ablöste, generierte auf der anderen Seite erneut zu einem starren Verteilungssystem, abgegrenzt durch Zuteilungsrechte und Zugangssperren, allen voran das Hochschulzugangsrecht:

“Dabei war selbstverständlich die Interessenlage des höheren Beamtenstandes ein nicht zu unterschätzender erheblicher Einflußfaktor, ihre eigene privilegierte Reproduktion durch einen monopolisierten Bildungsgang unter ihrer Kontrolle rechtlich abzusichern und auf Dauer zu stellen. Durch zahlreiche Einzelnormierungen, die schließlich in das umfassende Abiturientenreglement vom 4. Juni 1834 einmündeten, setzte die preußische Reformbürokratie in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts rechtsverbindlich durch, daß jeder, der in ihre Reihen aufgenommen werden und in den höheren Staatsdienst eintreten wollte, zuvor durch ‘ihre' Schule gegangen sein, d. h. das humanistische Gymnasium erfolgreich absolviert sowie nach mindestens dreijährigem wissenschaftlichem Studium weitere Staatsprüfungen und eine mehrjährige Probezeit bestanden haben mußte.” (HERRLITZ/ HOPF/ TITZE 1981, 34).

Die Hochschulreife, traditioneller Weise erworben am humanistischen Gymnasium auf der Basis eines klassischen Bildungskanon, stand an der Spitze des Berechtigungssystems. An ihr maßen sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts alle anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Schulen.

Die Abschottungen zwischen unterschiedlichen Bildungs- und Ausbildungswegen sind also einerseits das Produkt großer Vielfalt und Heterogenität, die in dem Versuch einer zielgruppenspezifischen und inhaltlichen Profilierung münden; andererseits besitzen die grenzziehenden Interessen der Teilhaber chancenreicher Ausbildungsmöglichkeiten eine große Bedeutung für die Gestaltung der Zugangsoptionen und Zugangshindernisse. Die Entwicklung durchlässiger Strukturen im Bildungssystem stößt durchaus auf diese so zu verstehenden und im Einzelfall gelegentlich plausiblen Abgrenzungsbemühungen und Beharrungstendenzen.

2.2  Chancengleichheit im Bildungssystem und das Argument der Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung

Im Kontext der Förderung der individuellen Mobilitätsbereitschaften und zunehmender Bildungsaspirationen erschweren Abschottungen bzw. Schwellen zwischen verschiedenen Bildungsteilbereichen die Mobilitätsmöglichkeit. Schwellen und „Sackgassen“ sind auch dort nachteilig, wo die Absolventen und Absolventinnen Warteschleifen ziehen, zeitaufwendige redundante Ausbildungsprozesse absolvieren und bestimmte Personengruppen von der Teilhabe ausgeschlossen werden, interessengeleitet und unter Berücksichtigung der eigenen Neigungen und Fähigkeiten lernen zu können.

Häufig wird auf die formalrechtlichen Möglichkeiten der Auf- und Umstiege im Bildungssystem verwiesen, um damit schließlich an die notwendige individuelle Anstrengungsbereitschaft der Schüler und Schülerinnen zu appellieren. Dem stehen die relativ geringen faktischen Mobilitätsraten gegenüber und der Befund, dass die Mobilitätsfähigkeit und -bereitschaft ursächlich offenbar in einem verhältnismäßig hohen Maße mit den sozialen und kulturellen Bedingungen der Schüler und Schülerinnen im Zusammenhang steht (vgl. OECD 2007). Die Bildungspolitik gerät vor dem Hintergrund solcher Nachweise unter Legitimations- und Rechtfertigungsdruck, weil die chancengleiche Möglichkeit zur Teilhabe an Bildung und Ausbildung ein Grundfeiler demokratischer Gesellschaften darstellen soll, in denen nicht Abstammung, materieller Wohlstand und Status, sondern Fähigkeiten, Interessen und Bereitschaften die soziale Mobilität bedingen sollen. Denn Bildung stellt ganz wesentlich einen Beitrag zur Verringerung der Reproduktion sozialer Ungleichheiten dar.

Die Forderung nach einer „durchlässigen“ Schulstruktur ist also eng verbunden mit der Wahrnehmung und Diagnose diverser Disparitäten, die offensichtlich einen erheblichen (negativen) Einfluss auf die Möglichkeit einer chancengleichen bildungs- und berufsbiographischen Entwicklung ausüben. „Durchlässige“ Bildungsstrukturen – so die Annahme – vermeiden bzw. verringern die Wirkung chancenungleicher und chancenungerechter Selektions- und Segmentationsmechanismen.

Für die Allgemeinbildung führte die Kritik an einem zu starren (also wenig durchlässigen) Sekundarschulwesen bereits in den 1960er Jahren zu der Absicht der Schaffung einer höheren Durchlässigkeit zwischen den Schulformen. Erinnert sei an dieser Stelle an eine zentrale Aussage im „Strukturplan des Bildungswesens“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT 1970, 38): „Kein Bildungsgang darf in der Sackgasse enden … Das Bildungssystem soll durchlässig sein, auch wenn man von den gegenwärtig bestehenden Institutionen ausgeht.“ Im Rahmen der Versuche, die Bildungsreserven zu erschließen, setzte sich bei Aufrechterhaltung der schulorganisatorischen Grundstruktur zunehmend die Entkopplung von Schulform und Schulabschluss durch. Gleichwohl ist die „Durchlässigkeit“ zwischen den verschiedenen allgemein bildenden Schulformen noch immer sehr gering (vgl. KEMNADE 1989; BELLENBERG u.a. 2004). Erklärungsansätze dafür zielen auf die mangelnden Ausgleichsleistungen des Bildungssystems hinsichtlich der mitgebrachten sozialen Disparitäten und Benachteiligungen.

Ausgehend von einem dynamischen Bildungsbegriff ist das Argument der Chancengleichheit auch zentral für die berufsbildungstheoretischen Begründungen zur Frage des Verhältnisses von beruflicher und allgemeiner Bildung. Der Diskurs um diese Frage hat die Geschichte und Etablierung der Berufsbildung im deutschsprachigen Raum, aber auch die Entwicklung der Berufsbildungsforschung und die Verankerung der wissenschaftlichen Disziplin der Berufs- und Wirtschaftspädagogik an den Universitäten nachhaltig geprägt. So hat es - ausgehend von dem Tatbestand der Disjunktion allgemeiner und beruflicher Bildung - eine Reihe von Untersuchungen gegeben, die das bildungsorganisatorisch und berechtigungspolitisch traditionell verankerte Phänomen der Trennung allgemeiner und beruflicher Bildung beschreiben und verstehbar machen; bekannt sind insbesondere die sozialhistorisch und systemtheoretisch angelegten Studien zur Entwicklung der betrieblich-beruflichen Bildung (vgl. STRATMANN/ SCHLÖSSER 1990; STRATMANN 1992; STRATMANN 1993), zur Professionalisierung berufsbildender Schulen (vgl. JOST 1982; HARNEY 1980) sowie für den allgemein bildenden Bereich zur Durchsetzung und Etablierung der Maturität und des Reifezeugnisses (vgl. LESCHINSKY/RODER 1983; LUNDGREEN 1980; WOLTER 1987). Grundlegend für die schulischen Kollegschul­modellversuche in Nordrhein-Westfalen, in denen die Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung im Prinzip der Doppelqualifizierung die zentrale Zielstellung darstellte, waren die problemgeschichtlichen und berufs­bildungstheoretischen Arbeiten von Herwig BLANKERTZ(vgl. BLANKERTZ 1963; 1969). Diese Studien greifen die Entwicklung des deutschen Bildungs- und Berufsbildungssystems auf und zeigen die Bedingungen und Interessen im Rahmen der Genese von typischen Bildungs- und Berufsbildungsstrukturen, die zur Disjunktion respektive Ungleichwertigkeit allgemeiner und beruflicher Bildung beigetragen haben. Aus der berufspädagogischen Sicht steht hinter diesen Arbeiten - cum grano salis - das virulente berufsbildungstheoretische Problem, inwieweit auch im Rahmen der schulischen und betrieblichen Berufsbildung zusätzliche schullaufbahnbezogene Berechtigungen und damit verbundene Kompetenzen erworben werden können. Schulische Berechtigungen, etwa die Hochschulreife, seien nicht – so die berufsbildungstheoretische Argumentation – ausschließlich auf Basis der konventionellen allgemein bildenden Inhalts- und Lernbereiche zu erwerben. Auch berufsfachlich ausgerichtete Lehr-Lern-Prozesse können prinzipiell – so die Annahme – eine wissenschaftspropädeutische Funktions­leistung erbringen.

Diese in der Berufs- und Wirtschaftspädagogik behandelte Frage zur Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung zielt zunächst auf die Wertigkeit der in der beruflichen Bildung erworbenen Abschlüsse im Vergleich zu den allgemein bildenden Abschlüssen für den weiterführenden schulischen, hochschulischen und beruflichen Werdegang. Formal betrachtet bedeutet Gleichwertigkeit, dass „gleichwertige“ Abschlüsse über verschiedene, nicht gleichartige, mithin allgemeine und berufliche Bildungsgänge erreicht werden können. Und weiter: „Bei der Forderung nach Gleichwertigkeit dominiert die Zielperspektive des Zugangs zum Hochschulsystem. Gefordert wird die Gleichwertigkeit bestimmter Berufsabschlüsse mit dem Abitur beziehungsweise der Fachhochschulreife hinsichtlich der Berechtigung zum Studium an Universitäten und Fachhochschulen.“ (KUTSCHA 1995, 25).

Ideengeschichtlich reicht die Begründung einer Gleichwertigkeit beruflicher Bildung gegenüber der in den Schriften des Neu humanismus gegründeten Vorrangstellung der Allgemeinbildung zurück in die Gründungsjahre der Berufsschule. Mit diesen Jahren ist in etwa die Wende in das 20. Jahrhundert angezeigt, zu der das „Duale System“ der Berufsbildung in Deutschland vermehrt institutionalisierte Formen annahm und die berufliche Bildung ihre berufsbildungstheoretische Legitimation durch den „Vater der Berufsschule“, Georg KERSCHENSTEINER, bezog. Dieser Begründung bedurfte es, weil eine schulische Institution aus ihrem Selbstverständnis heraus immer einen Erziehungsauftrag und somit einen Bildungsauftrag zu verfolgen hat, die Bildung als Kategorie des Rechts und der Entfaltung der Individualität dem Beruf in der konventionellen Interpretation des Neu humanismus jedoch abgesprochen worden war. In diese Kerbe schlug Herwig BLANKERTZ, der unter anderem in seiner Habilitationsschrift „Berufsbildung und Utilitarismus“ den Kern von Bildung aus der neuhumanistischen Theorie wieder herzuleiten versuchte, der sich erst in konträrer Stellung zu einem spezifischen gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnis entwickeln konnte: „Wenn unsere Rede von Bildung ... einen angebbaren Sinn haben will, so liegt hier, im kritischen Moment des überlieferten Begriffs, ihr unverlierbarer Kern, nämlich der Idee der Menschheit ohne Status und Übervorteilung.“ (BLANKERTZ 1968, 39).

Mobilität, soziale Mobilität, ist für Blankertz eine zentrale Kategorie für die Beruflichkeit der Gegenwart:

„Alle Formen des im Berufsbegriff wirksamen Berufungsgedankens ... haben das Gemeinsame, daß sie Wahl und Ausübung von vorgegebenen Mächten abhängig machen, denen der Mensch zu folgen hat. Bildung mit dem Anspruch auf Mündigkeit der Person aber distanzierte sich davon gerade solchen Zwangscharakters wegen. Die heutige soziale Mobilität erlaubt demgegenüber, die berufliche Arbeit als die Daseinsmöglichkeit der freigesetzten Subjektivität zu begreifen. Denn die Ermächtigung des Menschen zu Wahl und Wechsel des Berufs in der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation ist die humane Chance, die den aus dem Protest gegen den determinierenden Zwangscharakter der ständischen Gesellschaft stammenden Gegensatz von Berufs- und Allgemeinbildung hinter sich lassen kann. So erscheint die den Berufsbegriff zerstörende Mobilität als neue Bildungskraft, jedenfalls so weit und insofern das Richtmaß dieser Mobilität in dem Grad der Freiheit gesehen wird, der sich im Wechsel und Wandel der Berufe realisiert.“ (BLANKERTZ 1975, 71)

 

„Im Wechsel und Wandel der Berufe“ sieht Blankertz die positive Möglichkeit, Beruflichkeit, und mit ihr die berufliche Bildung, so zu begreifen, dass sie Chancen eröffnet. Soziale und berufliche Mobilitätsprozesse eröffnen demnach Bildungschancen für das Individuum.

Das Prinzip der „Durchlässigkeit“ im Bildungssystem ist insofern eng mit der Argumentation um Chancengleichheit und Gleichwertigkeit verbunden. Aus der historischen und empirischen Analyse der Entwicklungen wird jedoch ersichtlich, das die „materiale Chancengleichheit“ und damit die erst hinreichende Voraussetzung für die postulierte Chancengleichheit im Bildungssystem nicht annähernd vorausgesetzt werden kann:

„Wenn ein eigentlich ‚gymnasiales‘ Kind – was immer das sein mag – in der Hauptschule ‚landet‘, wird es dort bei der Entfaltung seiner Potentiale so ausgebremst, dass es den Anschluss an gymnasiale Klassen nur noch schwer findet. Mit jedem Tag, den es länger in dem seine Potentialentfaltung ausbremsenden Lernmilieu lernt, vergrößert sich sein Rückstand zu den Kindern und Jugendlichen, die in Realschulen oder Gymnasien lernen können. Die differentiellen Lernmilieus der Schulformen wirken auf die Schulleistungen, die Bildungsaspirationen und die tatsächlichen Bildungswege. Von Gleichwertigkeit kann auch in dieser Hinsicht nicht die Rede sein.“ (BELLENBERG u. a. 2004, 130)

Bislang können für die Berufsbildung für diese Frage keine Ergebnisse vorgelegt werden, die den Mangel materialer Chancengleichheit derart belastbar ausweisen. Gleichwohl ist von der Annahme auszugehen, dass in der Frage der „Durchlässigkeit“ in der beruflichen Bildung in Deutschland der Aspekt, wie diejenigen Kompetenzen erworben und gewährleistet werden können, die für die nachfolgenden Bildungs- und Weiterbildungswege obligatorisch sind, beinahe systematisch ausblendet wird.

2.3  „Facharbeitermangel“ und Attraktivitätssteigerung beruflicher Bildung

Mit Beginn der 1990er Jahre gewinnt das Thema „Durchlässigkeit“, speziell die Frage der Aufwertung der beruflichen Bildung über die Vergabe zusätzlicher Berechtigungen und damit verbundener Zugangsmöglichkeiten, einen enormen Bedeutungsaufschwung. Beinahe über Nacht werden die ehemals „revolutionären“ Argumente selbst von den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft formuliert, so etwa im Positionspapier „Differenzierung, Durchlässigkeit, Leistung“ (BUNDESVERBAND DER DEUTSCHEN INDUSTRIE u. a. 1992): „Aufgrund des hohen Leistungsstands des Dualen Systems muß auch über eine qualifizierte Berufsausbildung der Hochschulzugang erreichbar sein. Wer sich hervorragend im Beruf bewährt und fortgebildet hat, dem ist ein Studium ohne den nachträglichen Erwerb formaler und schulischer Abschlüsse zu ermöglichen.“

Neben der zentralen Begründung um die Chancengleichheit gewinnt speziell für die berufliche Bildung zunehmend ein Argument an Bedeutung, das auf die mangelnde Attraktivität der beruflichen Bildung im Vergleich zu allgemeinen und hochschulischen Bildungswegen verweist. Zwar besitzt die berufliche Bildung in Deutschland, insbesondere der Abschluss im „Dualen System“, eine hohe Bedeutung für die weiterführenden Bildungsgangentscheidungen der Absolventen und Absolventinnen des allgemeinen Schulsystems. Gleichwohl führt die betrieblich-duale Berufsausbildung, einschließlich der beruflichen Aufstiegsfortbildung, nur sehr begrenzt zu weiterführenden Berechtigungen und Kompetenzen, welche die Aufnahme und erfolgreiche Absolvierung hochschulischer Bildungsgänge gewährleisten können. Insofern dominiert bei der Mehrzahl der lernleistungsstarken Schüler und Schülerinnen der Weg über die klassische Allgemeinbildung in die Hochschulen. „Durchlässigkeit“ zwischen Berufsbildung, Allgemeinbildung und Hochschulbildung vermag die Attraktivität der beruflichen Bildung zu erhöhen, um damit schließlich auch einem befürchteten Fachkräftemangel vorbeugen zu können. Diese Argumentationsfigur des „Fachkräftemangels“ hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass das Thema „Durchlässigkeit“ auch in arbeitgebernahen Positionierungen auf Akzeptanz gestoßen ist.

Der Anlass der Forderung nach einer „Attraktivitätssteigerung“ beruflicher Bildung und der Befürchtung, in Zukunft einen Mangel an qualifizierten Facharbeitern konstatieren zu müssen, ist auf das Jahr 1990 zu datieren, weil dieser Zeit erstmals in der deutschen Bildungsgeschichte die Zahl der Studierenden an den Hochschulen und Universitäten die Zahl der Auszubildenden übertraf. Obwohl der Vergleich dieser beiden Zahlen äußerst problematisch ist, wurden sie „als ein Alarmsignal für die weitere Entwicklung der Berufsausbildung gedeutet“ (GREINERT 1994, 357).

Mit der Zwecksetzung der „Grenzerhaltung getrennter Bildungssysteme mit ungleichartigen Curricula und vor allem ungleichartigen Zuständigkeiten staatlicher, korporativer und betrieblicher Entscheidungsträger“ (KUTSCHA 1995, 27) wird der Gleichwertigkeit beruflicher und allgemeiner Bildung das Wort geredet, um insbesondere die Attraktivität beruflicher Bildung zu erhöhen. Damit hat sich gegenüber der zuvor angedeuteten Diskussion um Gleichwertigkeit eine andere Bewertung des Sachverhalts durchgesetzt: Ging es damals - im Kontext expansiver Bildungspolitik, also in den 1960er und 1970er Jahren - darum, Bildungsreserven für die Erhöhung der Abiturientenquote zu erschließen und mit integrierten, doppelqualifizierenden Bildungsgängen die Optionen für Studium und Beruf zu erweitern, steht jetzt das Bemühen im Vordergrund, die Berufsausbildung im Dualen System gegenüber dem Studium attraktiver zu machen. Auch WOLTER (1994, 22) interpretiert so die bildungspolitischen Entwicklungen: „Diese programmatische Einigkeit kann jedoch nicht verdecken, daß mit dem Postulat der Gleichwertigkeit ganz unterschiedliche bildungs- und gesellschaftspolitische Motive verbunden sind. Während für die eine Seite das primäre Ziel darin besteht, die mit der Unterscheidung ... einhergehenden inhaltlichen Differenzierungen und hierarchischen Zuordnungen einzuschränken oder aufzuheben, sieht die andere Seite die Gleichwertigkeit ... als ein Instrument zur Umsteuerung der Verteilungsprozesse im Bildungssystem.“

Im Zuge der angezeigten Argumentation zur Attraktivitätssteigerung beruflicher Aus- und Weiterbildung gewann die Forderung nach einer Öffnung der Hochschulen für Berufstätige mit entsprechenden beruflichen Abschlüssen höchste Bedeutung. Die Palette der bildungspolitischen Stellungnahmen des Bundesinstituts für Berufsbildung, der Bundesregierung, der Bundesländer, der Parteien sowie der Arbeitgeber und Gewerkschaften kumuliert zu einer deutlichen Befürwortung der breiten Hochschulöffnung und damit der gleichwertigen Anerkennung beruflicher Abschlüsse (vgl. MUCKE/ SCHWIEDRZIK 1995).

2.4  International-vergleichendes Benchmarking und Europäische Berufsbildungspolitik

Auch die Ergebnisse der international-vergleichender Bildungsforschung führen vermehrt zu den Schlussfolgerungen, die „Durchlässigkeit“ im deutschen Bildungssystem sei zu gering. Verwiesen wird hierbei insbesondere auf die vergleichsweise gering ausgeprägte Mobilität zwischen den Bildungsrichtungen und Ausbildungsstufen in den stark gegliederten Sekundarstufen I und II (vgl. BELLENBERG u.a. 2004) sowie auf die niedrige Anzahl formaler Hochschulzugangsberechtigungen und Hochschulzugänge (vgl. OECD 2008). Die Ergebnisse der Vergleiche auf der Basis der OECD-Indikatoren veranschaulichen auch die spezifische deutsche Situation, dass zwar vergleichsweise sehr viele junge Erwachsene einen Abschluss der Sekundarstufe II erwerben, diese Abschlüsse jedoch nicht zu einer Berechtigung oder der Entscheidung für ein Hochschulstudium führen. Zwar erwirbt ein Großteil der Absolventen und Absolventinnen der Sekundarstufe II über die berufliche Bildung ausgewiesene berufsqualifizierende Abschlüsse, die mehr als in vielen anderen Ländern mit einem hochwertigen Tauschwert auf dem Arbeitsmarkt verknüpft sind. Doch die Tatsache, dass mit diesen Abschlüssen keine Berechtigungen für den Tertiärbereich verknüpft sind, führt zu einem Chancennachteil deutscher Absolventen im europäischen und internationalen Vergleich.

Schließlich gewinnt die Europäische Bildungs- und Berufsbildungspolitik an Bedeutung für das Thema „Durchlässigkeit“. Im Sinne der Bemühungen um eine europäische Integration werden von den Organen der Europäischen Union Ziele, Maßnahmen und Instrumente propagiert, die der Förderung der Möglichkeit zwischen den Bildungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt dienen sollen. Das prinzipielle Recht auf Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit zwischen und innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU bzw. das Prinzip des Gleichbehandlungsgebotes sowie das Grundrecht auf den freien Zugang zur Beschäftigung in den EU-Mitgliedsstaaten haben bereits früh zu Maßnahmen der Anerkennung, Angleichung und Entsprechung beruflicher Befähigungen und später auch zu Transparenzansätzen geführt (vgl. ausführlich FROMMBERGER 2006). Derzeit besitzt das Konzept eines Europäischen Qualifikationsrahmens für die Abschlüsse in Bildung, Berufsbildung und Hochschulbildung eine große Bedeutung im Rahmen der Schaffung von Rahmenbedingungen für die Förderung der Transparenz und „Durchlässigkeit“ zwischen verschiedenen Bildungssystemen (vgl. KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN 2006). Hinzu kommt der Ansatz zur Schaffung von Systemen des Transfers und der Akkumulation von Lernleistungen in der Hochschulbildung (ECTS) und in der beruflichen Bildung (ECVET). „Durchlässigkeit“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur die Öffnung innerhalb der nationalen Bildungssysteme, sondern auch die Mobilitätsmöglichkeit in geographischer Hinsicht. Die Anerkennung und Anrechnung erworbenen Lernleistungen bei der Fortsetzung der Ausbildungsbemühungen in einem anderen Land sollen die Mobilitätsbereitschaften erhöhen.

Im Kontext europäischer Bildungs- und Berufsbildungspolitik, die ihre Wirkungen auf die nationalen Prioritäten entfaltet, kommt dem Thema „Durchlässigkeit“ auch eine hohe Bedeutung unter dem Aspekt der Implementation von Strukturen lebenslangen Lernens zu. Im Interesse einer höheren Anfänger- und Absolventenquote sollen durchlässige Bildungsstrukturen ein zusätzliches Qualifikationspotenzial erschließen (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008, S. 177)

3.  Zur Frage der „Durchlässigkeit“ an typischen Schnittstellen in der beruflichen Bildung in Deutschland und denkbare Übergangs- und Anrechnungsmodelle

In der beruflichen Bildung in Deutschland besitzt die Forderung nach durchlässigen Aus- und Weiterbildungswegen derzeit eine hohe Relevanz. Aktuell werden die Möglichkeiten und Grenzen der „Durchlässigkeit“ in der beruflichen Bildung im Rahmen einer dreijährigen Pilotinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung modellartig ausprobiert, um Schlussfolgerungen für Weiterentwicklung der Berufsbildung zu gewinnen (vgl. www.decvet.net ). Neben der „europäischen Dimension“, die das Pilotprogramm begründet, besitzen konkrete deutsche Problemlagen im Bereich der beruflichen Bildung eine große Bedeutung für die BMBF-Pilotinitiative „Entwicklung eines Leistungspunktesystems in der beruflichen Bildung“. Ein Leistungspunktesystem in der beruflichen Bildung, so die Annahme, kann die individuelle Mobilitätsmöglichkeit und -bereitschaft an den Schnittstellen in der beruflichen Bildung erhöhen und damit die „Durchlässigkeit“ verbessern.

Die akuten Problemlagen betreffen nicht primär die internationale Mobilität, sondern die Mobilitäts- bzw. Übergangsmöglichkeit zwischen und innerhalb der verschiedenen Berufsbildungsteilsysteme in Deutschland. An den folgenden vier „Schnittstellen“ der beruflichen Bildung werden Übergangshindernisse angenommen und diagnostiziert:

1.  Die Berufsausbildungsvorbereitung ist nach Berufsbildungsgesetz (§ 1 Abs.1) Teil der Berufsbildung. Die Berufsausbildungsvorbereitung dient der Vermittlung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit und kann insbesondere durch inhaltlich und zeitlich abgegrenzte Lerneinheiten erfolgen, die aus den Inhalten anerkannter Ausbildungsberufe entwickelt werden (Qualifizierungsbausteine, vgl. Berufsbildungsgesetz § 69). Idealtypisch erfolgt der Übergang von der Berufsausbildungsvorbereitung in eine anschließende Berufsausbildung unter Berücksichtigung und Anerkennung der erworbenen Qualifizierungsbausteine. In der Praxis der Berufsbildung erfolgt der Übergang an dieser Schnittstelle jedoch nicht reibungslos. Ein Leistungspunktesystem soll die Bedingungen für einen Übergang verbessern.

2.  In der Berufsbildung im dualen System wird auf der Basis unterschiedlicher Ausbildungsberufe ausgebildet. Diese Ausbildungsberufe sind Berufsfeldern subsumiert, beispielsweise dem metall- oder elektrotechnischen Berufsfeld oder dem kaufmännisch-verwaltenden Berufsfeld. Es existiert eine curriculare Schnittmenge zwischen verschiedenen Ausbildungsrichtungen innerhalb eines Berufsfeldes und gegebenenfalls auch zwischen verschiedenen Berufsfeldern. Die Frage ist, wie beim Wechsel von einer Ausbildungsrichtung in eine andere bereits absolvierte Lernleistungen für die neue Ausbildungsrichtung anerkannt und angerechnet werden können, um Lernschleifen und -redundanzen zu vermeiden. Diese Frage ist auch deswegen von besonderer Relevanz, weil ein hoher Prozentsatz der Auszubildenden den Ausbildungsvertrag vorzeitig auflöst und in eine alternative Berufsausbildung wechselt.

3.  Trotz § 39 Berufsbildungsgesetz, wonach der Prüfungsausschuss der zuständigen Stellen für die Berufsbildung zur Bewertung einzelner, nicht mündlich zu erbringender Prüfungsleistungen gutachterliche Stellungnahmen Dritter, insbesondere der berufsbildenden Schulen, einholen kann, besitzt die Anerkennung berufsschulisch erbrachter Lern- und Ausbildungsleistungen im System der außerschulischen Berufsbildung praktisch kaum eine Bedeutung. Auch der § 43 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz, wonach zur Abschlussprüfung zuzulassen ist, wer in einer berufsbildenden Schule oder einer sonstigen Berufsbildungseinrichtung ausgebildet worden ist, wenn dieser Bildungsgang der Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf entspricht, besitzt selbst in Zeiten einer schwierigen Ausbildungsplatzsituation nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Anerkennung schulischer Leistungen für die Berufsausbildung im dualen System soll über ein Leistungspunktesystem verbessert werden.

4.  Die vierte Schnittstelle betrifft den Übergang zwischen Berufsausbildung und beruflicher Fortbildung (des Bundes nach §§ 53 und 54 Berufsbildungsgesetz). Die Frage ist, wie auf der Basis eines Leistungspunktesystems die beiden Teilbereiche Aus- und Weiterbildung, die im deutschen System der beruflichen Bildung strukturell und zeitlich relativ weit auseinander liegen, stärker aufeinander bezogen werden können.

Eine weitere relevante Schnittstelle betrifft den Übergang von der Berufsbildung in den Hochschulbereich. Dieser Übergang wird in der oben skizzierten BMBF-Pilotinitiative jedoch nicht explizit berücksichtigt, sondern in einem eigens dafür durchgeführten alternativen Programm (vgl. www.ankom.his.de ). Diese Schnittstelle steht im Mittelpunkt der Frage um die Förderung durchlässiger Strukturen im deutschen Bildung-, Berufsbildungs- und Hochschulsystem.

Mit Blick auf die „Durchlässigkeit“ zwischen verschiedenen Bildungsteilbereichen ist deutlich zu unterscheiden zwischen der Gewährung von Zugangsmöglichkeiten einerseits, etwa in den Bereich der beruflichen Weiterbildung oder in den Hochschulbereich, und Anerkennungen bzw. Anrechnungen andererseits. Zugänge zu ermöglichen, etwa für den Hochschulbereich auf der Basis beruflicher Abschlüsse, sind in Deutschland, soweit es sich um die Abschlüsse der außerschulischen Berufsbildung und nicht um Abschlüsse der vollzeitschulischen Berufsbildungsgänge handelt, sehr heterogen geregelt. Hierzu liegen unterschiedliche landeshochschulgesetzliche, hochschulische sowie fachbereichs- und fachgebietsbezogene Regelungen vor. Die Zugangsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Teilbereichen der beruflichen Bildung sind in der schulischen beruflichen Bildung auf der Basis der Wirksamkeit des Berechtigungssystems grundsätzlich klar geregelt. Problematisch ist die Frage des Zugangs im System der betrieblich-dualen Berufsausbildung. Dort entscheiden primär die Ausbildungsbetriebe darüber, welchen Ausbildungsplatzbewerber sie unter welchen Bedingungen zulassen. Formale Zugangsrechte besitzen dort prinzipiell keine Bedeutung. Eine Anrechnung hingegen ist weitergehend und bezogen auf die Verrechnung von mitgebrachten Teilleistungen, so dass die Absolvierung des neuen Bildungsganges oder eine notwendige Prüfung gegebenenfalls verkürzt bzw. entfallen kann. Die Anerkennung und Anrechnung von Lernleistungen auf den anderen oder einen nachfolgenden Bildungsgang ist daher ungleich schwieriger.

Nachfolgend sollen Erfahrungen und Überlegungen für unterschiedliche Ausprägungen der „Durchlässigkeit“ an den genannten Schnittstellen in der beruflichen Bildung in Deutschland präsentiert werden. Es werden also typische Zugangs- bzw. Anrechnungsmodelle dargestellt:

Modell 1:

Es erfolgt eine grundsätzlich vollständige Anrechnung der bereits erworbenen Abschlüsse oder Teilabschlüsse auf den nachfolgenden Bildungsgang oder die anstehende Prüfung. Die curricularen Bestandteile der verschiedenen Aus- und Weiterbildungsangebote sind transparent und bausteinartig aufeinander bezogen, so dass trotz unterschiedlicher Ausbildungsrichtungen, Aus- und Weiterbildungsstufen und Lernerfahrungen die Anerkennung und Anrechnung für die Absolventen und Absolventinnen planbar und verbindlich erfolgen kann. Es gibt keine weiteren Vereinbarungen zwischen den diversen Bildungsbereichen, Anerkennungen und Anrechnungen ist flächendeckend geregelt.

Modell 2:

Die Anrechnung der bereits erworbenen Abschlüsse oder Teilabschlüsse auf den nachfolgenden Bildungsgang oder die anstehende Prüfung erfolgt auf der Basis von Vereinbarungen zwischen den Trägern unterschiedlicher Berufsbildungsangebote oder mittels spezieller staatlicher Anrechnungsverordnungen. Die Anrechnung führt zu einer Verkürzung bzw. Verringerung der nachfolgenden Aus- oder Weiterbildungszeiten bzw. Prüfungsumfänge. Der Gesamtumfang der Anrechnung kann jedoch begrenzt werden, beispielsweise auf einen Umfang/eine Zeit von maximal 50 Prozent des nachfolgenden Bildungsganges bzw. Abschlusses.

Modell 3:

Die Anerkennung und Anrechnung der im Vorfeld erworbenen formalen Aus- und Weiterbildungsleistungen auf den nachfolgenden Bildungsgang oder die anstehende Prüfung erfolgt nur nach Prüfung/Zulassungsprüfung durch die aufnehmende Einrichtung. Es besteht kein Anspruch auf Anerkennung oder Zulassung. Die erfolgreiche Prüfung kann zur Zulassung und gegebenenfalls zu einer Anrechnung und damit zu einer Verkürzung der Aus- und Weiterbildungszeit bzw. der Prüfungsumfänge führen.

Modell 4:

Für die Zulassung und Anrechnung erfolgt die explizite Dokumentation, Erfassung und Bewertung vorhandener Kompetenzen, die relevant, aber nicht oder nur unzureichend in bescheinigter Form vorliegen. Gegebenenfalls erfolgt die Zulassung oder sogar Anrechn ung. Die Prüfung der Dokumente und die anschließende Entscheidung zur Einstufung übernimmt die aufnehmende Einrichtung.

Modell 5:

Es erfolgt keine Anrechnung von erworbenen Abschlüssen bzw. Teilabschlüssen auf den nachfolgenden Bildungsgang oder die anstehende Prüfung, sondern ausschließlich eine Anerkennung der Abschlüsse im Sinne einer Zugangsberechtigung zum weiterführenden oder alternativen Bildungsgang oder zur entsprechenden Abschlussprüfung.

Modell 6:

Es erfolgt keine Anrechnung von erworbenen Abschlüssen bzw. Teilabschlüssen auf den nachfolgenden Bildungsgang oder die anstehende Prüfung. Vielmehr sind zusätzliche Prüfungen, Erfahrungen und/oder Auswahlverfahren zu absolvieren, um für einen nachfolgenden Bildungsgang zugelassen zu werden.

 

Es sind vor allem die folgenden Punkte, die den Übergang und die Anerkennung zwischen verschiedenen Bildungsgängen prinzipiell erschweren:

•  Übergänge werden – insbesondere mit Blick auf die Frage der Anerkennung – dadurch erschwert, dass innerhalb und zwischen den verschiedenen Bildungsbereichen und Bildungsstufen gegebenenfalls a) unterschiedliche Inhalte gelernt werden, b) auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus gelernt wird und c) unterschiedliche Ausbildungsziele angestrebt werden.

Es bestehen also große Vorbehalte bei den handelnden und entscheidenden Akteuren darin, Lernleistungen, die fachlich und hinsichtlich des Ausbildungsniveaus und der Ausbildungsziele unterschiedlich definiert sind, für einen anderen Bildungsgang anzuerkennen.

•  Die Ausbildungskulturen an verschiedenen Lernorten, die sich in der Art und Weise der Ausbildungs- und Lernprozesse widerspiegeln, sind disparat. So können stärker erfahrungsgebundene stärker theoriebezogenen Lernmilieus gegenüber stehen.

•  Es ist nicht immer klar, worin der Nutzen der Anerkennung/Anrechnung für die beteiligten Akteure in der beruflichen Bildung besteht. Teilweise liegen auch kollidierende Interessen vor. Während der Vorteil für die Absolventen und Absolventinnen aufgrund einer Zeit- und Kostenersparnis evident erscheint, dominiert speziell für die Ausbildungsbetriebe in vielen Fällen die Skepsis gegenüber möglichen oder gar notwendigen Anrechnungsmechanismen, da etwa eine Verkürzung der Ausbildungszeit nicht immer im Interesse der Ausbildungseinrichtung liegt.

•  Ein weiterer Grund, der die „Durchlässigkeit“ erschwert, liegt in der Unkenntnis des anderen Systems oder Teilsystems. Daraus erwächst Mistrauen. Das Misstrauen ist vor allem bezogen auf die Frage der Qualität der Abschlüsse.

•  Ein vierter Grund liegt in einem ausgeprägten Berechtigungssystem, speziell in Deutschland, in dem traditionell die mitgebrachten Leistungen aus einem zuvor durchlaufenden Bildungsgang als eine valide Prognose für die angenommenen zukünftigen Fähigkeiten verstanden werden. Damit sind Zugänge in einem hohen Maß an mitgebrachte Abschlüsse gebunden.

•  Schließlich sind es natürlich die Traditionen gewachsener Abschottungen zwischen den Teilsystemen sowie die Interessen bzw. Überzeugungen der Akteure, die eine „Durchlässigkeit“ erschweren.

Eine besondere Herausforderung stellt die Anrechnung von Leistungen zwischen unterschiedlichen Anspruchsniveaus dar. Es ist häufig der Fall, dass Lerninhalte in unterschiedlichen Bildungsgängen bzw. Prüfungen zwar große Ähnlichkeiten aufweisen, die Form des Erwerbs und der damit gewonnenen Kompetenzen jedoch unterschiedlich ist. Ebenso schwierig ist die Anrechnung von Leistungen für fachlich sehr spezielle Bildungsgänge und Abschlüsse. Je mehr ein Bildungsgang und ein Abschluss auf die Ausübung einer speziellen beruflichen Tätigkeit zielt und gegebenenfalls sogar als ein reglementierter Beruf geführt wird, desto schwieriger ist die Anerkennung bzw. Anrechnung der Leistung aus „fremden“ Bereichen.

Eine aktuelle Curriculumstrategie, die einen Beitrag zur Lösung der Anerkennungsproblematik leisten und damit die „Durchlässigkeit“ zwischen den Bildungssystemen und Bildungsteilbereichen fördern soll, stellt die Orientierung an den so genannten „Learning Outcomes“ dar. Die Kodifizierung der Aus- und Weiterbildungsprofile und die Steuerung der gewünschten Lernprozesse soll nicht primär – wie gewohnt – auf der Basis der Angaben zu den fachlichen Inhalten, Lernzielen, Lernzeiten und Lernorten erfolgen („Inputs“), sondern mittels der Formulierung von „Lernergebnissen“, die für den Erwerb von Abschlüssen, Zertifikaten und Anrechnungsberechtigungen durch das Individuum in standardisierten Evaluationsprozessen nachgewiesen werden müssen. In den „Lernergebnissen“ bzw. „Outcomes“ werden die Kenntnisse, das Verständnis und die Fähigkeiten formuliert, die als Grundlage für die Erfassung und Bewertung der individuell erworbenen Kompetenzen dienen sollen. Je nachdem, wie die „Outcomes“ formuliert werden, wird es möglich, von inhaltlichen Standards zu abstrahieren und die individuellen Verhaltensdispositionen verstärkt in den Vordergrund zu rücken. Damit sollen die Unterschiede der Formen und Institutionen für den Erwerb der gewünschten Kompetenzen an Bedeutung verlieren, um verstärkt informelle und non-formale Lernprozesse für das Gesamtsystem allgemeiner und beruflicher Bildung berücksichtigen zu können.

4.  Schlussbemerkungen

Bezüglich der Aktivitäten und bildungspolitischen Entscheidungen zur Förderung der Mobilität respektive „Durchlässigkeit“ in der Allgemeinbildung, in der beruflichen Bildung, zwischen Berufsbildung, Allgemeinbildung und Hochschulbildung sowie zwischen verschiedenen nationalen Bildungssystemen steht auf der Grundlage der programmatischen Einigkeit der diversen sozialen Akteure die Schaffung von formalen Berechtigungen und Übergangs- bzw. Zugangswegen oder die Abschaffung von Grenzziehungen im Vordergrund („formale Chancengleichheit“). Da die faktische Mobilität jedoch, etwa mit Blick auf die europäische Mobilität in der beruflichen Bildung oder hinsichtlich der „Durchlässigkeit“ zwischen der Berufsbildung und Hochschulbildung, ausgesprochen gering bleibt, ist zu fragen, welche Maßnahmen ergriffen werden, um den Zielgruppen nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Kenntnisse und Kompetenzen zu vermitteln, die für eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft und -fähigkeit als zwingend notwendig erscheinen. Die Förderung der „Durchlässigkeit“, ja immer auch zum Zwecke der Reduzierung sozialer Selektions- und Segmentationsmechanismen, ist als problematisch einzuschätzen, solange den Absolventen und Absolventinnen nicht die Möglichkeit offeriert wird, diejenigen Kompetenzen zu erwerben, die sie in den nachfolgenden Bildungsgängen und Karriereoptionen benötigen („materiale Chancengleichheit“).

Zu fragen ist daran anschließend, ob die „Durchlässigkeit“ im Sinne der Gleichwertigkeit bei Aufrechterhaltung der Andersartigkeit tatsächlich die Möglichkeiten der Mobilität im Bildungssystem schafft. Es bleibt das Problem, dass diejenigen, die mobil sein wollen und in einen nachfolgenden bzw. alternativen Bildungsgang wechseln, häufig nicht die Kenntnisse und Kompetenzen besitzen, die sie dort benötigen. Insofern scheint es notwendig zu sein, über eine curriculare und didaktische Verbindung (Integration?) der unterschiedlichen Ausbildungswege und -stufen nachzudenken.

Eine besondere Herausforderung im Zusammenhang mit der oben angesprochenen Outcome-Orientierung liegt darin, die verbindlichen Standards für die Möglichkeit des Erwerbs der gewünschten Kompetenzen zu gewährleisten. Je weniger die Ziele der allgemeinen und beruflichen Bildung inhaltlich und fachlich bestimmt bleiben und je weniger Vorgaben und Rahmenbedingungen zu den Lernorten, Lernprozessen und Lernzeiten erfolgen, desto mehr liegt die Verantwortung für die Lernprozesse bei den Individuen. Diese grundsätzlich als positiv einzuschätzende Möglichkeit der Entfaltung und Einbringung individueller Bildungs- und Berufslaufbahnen kann zugleich dazu führen, dass diejenigen, die in einem höheren Maße eine institutionelle Unterstützung für die Entwicklung ihrer Bildungspotentiale benötigen, benachteiligt und gegebenenfalls ihrer Chancen beraubt bleiben. Diese „Öffnung“ der Bildungs- und Ausbildungsstrukturen kann also auch zu einem offenen Wettbewerb zwischen den Bildungsteilnehmern führen. Daher setzt eine curriculare Orientierung an den Outcomes voraus, dass eine Bindung an den strukturellen Rahmenbedingungen der Ausbildungsprozesse erhalten bleibt und die Outcomes vielmehr ausschließlich unter der didaktischen Perspektive dazu dienen, die Lernprozesse stärker in den Zusammenhang mit der Erreichung der individuellen Verhaltens- und Dispositionsspielräumen zu stellen. Nur so können Outcomes den Erfolg gewünschter Lernprozesse erhöhen. Outcomes dürfen aber nicht dazu beitragen, dass die Verantwortung für die Bildungsstandards in eine Beliebigkeit abschweift. „Durchlässigkeit“ und die Entkopplung von Abschlüssen und Ausbildungswegen erfordern daher mindestens eine Standardisierung der Nachweisverfahren zur Erfassung, Dokumentation, Bewertung und Zertifizierung; ansonsten werden Abschlüsse erworben, die nicht den Kompetenzstandard gewährleisten, der nachfolgend vorausgesetzt wird.

5.  Persönliches

Dieser Beitrag ist meinem Mentor und Kollegen Holger Reinisch zum 60. Geburtstag gewidmet. Das hier vorgetragene Thema ist Dir, Holger, immer ein fachliches und persönliches Anliegen gewesen. Menschen benötigen die Möglichkeiten der beruflichen und individuellen Entwicklung durch Aus- und Weiterbildung. Schablonen sind Dir dabei fremd geblieben.

Mit Dir verbindet mich eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit, von der ich hoffe, dass sie noch lange andauern wird. Immer wieder beeindruckt mich Deine authentische und kollegiale Haltung. Zugleich schaffst Du es, Deine wissenschaftliche Expertise und persönliche Meinung unprätentiös und fair zu vermitteln.

Ich habe aus unserer Zusammenarbeit sehr viel Gewinn gezogen. Dafür möchte ich mich bei Dir sehr herzlich bedanken! Alles Gute für die Zukunft!

 

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zuletzt gespeichert am: 06.10.2008 8:58 PM

 

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