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 bwp@ Profil 2 | 14. Januar 2009
Akzentsetzungen in der Berufs- und
Wirtschaftspädagogik

Holger Reinisch wird 60 und Wegbegleiter schreiben zu seinen Themen

Herausgeber: Andreas DIETTRICH, Dietmar FROMMBERGER & Jens KLUSMEYER

Aufgaben- und Rollenpluralität des beruflichen Bildungspersonals – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung

     

Abstract

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwieweit das Bildungspersonal in der beruflichen Bildung auf die zunehmende Aufgabenvielfalt im Zuge gesellschaftlicher Veränderungsprozesse vorbereitet ist. Basierend auf einer theoretischen Darstellung gesellschaftlicher und ökonomischer Wandlungstendenzen und dem damit einhergehenden wachsenden Anforderungsportfolio an Jugendliche und das Bildungspersonal soll anhand eines wissenschaftlich begleiteten Projekts aufgezeigt werden, welche konkreten Herausforderungen für das berufspädagogische Personal im Rahmen der Ausbildungstätigkeit bestehen. Das Projekt „Xenos-Mentoren“ hatte zum Ziel, das Bildungspersonal für ethische und gesellschaftspolitische Fragestellungen innerhalb der Berufsausbildung zu sensibilisieren und diese zu einer aktiven Rollenwahrnehmung als Mentor gegenüber den Jugendlichen zu befähigen. Die Ergebnisse zeigen, dass den pädagogischen Akteuren durchaus bewusst ist, einem erweiterten Aufgabenspektrum gegenüberzustehen und dass sie diesem mit verschiedenen über die Rolle des Fachmanns hinausgehenden Rollen begegnen müssen. Insofern wird konstatiert, dass durch die Übernahme weiterer Rollen, wie die des Beraters , Motivators oder Erziehers eine plurale Rollenidentität unterstellt werden kann.

1.  Einleitung

Die berufliche Bildung in Deutschland ist ein wesentlicher Faktor für die Sicherung der Wertschöpfung der Unternehmen in einem kompetitiven Marktumfeld. Neben dem bildungsökonomisch legitimierten Anspruch, beruflich verwertbare Kompetenzen zu entwickeln, verfolgt sie jedoch auch eine pädagogische Intention. Demnach kommt der beruflichen Bildung auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung zu, die sich in der Aufgabe manifestiert, Jugendliche auf dem schwieriger gewordenen Weg der Identitätsentwicklung zu begleiten und sie zu gesellschaftlicher Partizipation zu befähigen.

Ausgehend von ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungstendenzen, so wird im Folgenden konstatiert, erhöhen sich die beruflichen Anforderungen an die Jugendlichen. Aufgrund sozialer und leistungsbezogener Defizite wird die ökonomische und gesellschaftliche Integration insbesondere für die Gruppe der benachteiligten Jugendlichen erschwert. Als potenzielle Folgeerscheinung nehmen gesellschaftliche Probleme wie Alkohol, Drogenkonsum, Gewalt etc. zu. Um diesen Jugendlichen Perspektiven im Bildungs- und Beschäftigungssystem und bessere Chancen auf soziale Teilhabe zu geben, bedarf es einer gezielten Vorbereitung auf die gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt. Für das berufliche Bildungspersonal stellt dies eine besondere Herausforderung dar, weil sich auf vielen Ebenen auch die Anforderungen an die berufspädagogisch Handelnden deutlich erhöht haben. Insbesondere scheint die erzieherische Dimension wieder an Bedeutung zu gewinnen.

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit sich für das berufliche Bildungspersonal Veränderungen bzw. Erweiterungen hinsichtlich des eigenen Aufgabenspektrums in Folge von gesellschaftlichen Wandlungstendenzen ergeben. Von Interesse ist, ob die angesprochenen Veränderungen auch ein anderes/neues Selbstverständnis hervorbringen bzw. ob sich das noch vielfach verankerte Selbstbild eines Fachexperten wandelt. Empirisch soll untersucht werden, ob und inwieweit sich ein solches erweitertes Bewusstsein in einem pluralen Rollenbild konstituiert. Darüber hinaus sollen ausgewählte aufgabenbezogene und gesellschaftspolitische Einstellungen des Bildungspersonals erhoben werden.

In Kapitel 2 werden zunächst Anforderungsveränderungen im Kontext der beruflichen Bildung und die Implikationen dieses Prozesses auf das Bildungspersonal theoretisch diskutiert. Anschließend wird in Kapitel 3 die Qualifizierungsmaßnahme „ Xenos-Mentoren “ skizziert, mit deren Hilfe die an ihr teilnehmenden Berufspädagogen zur Übernahme des neuen Leitbildes des Mentors bzw. einer pluralen Rolle sensibilisiert werden sollen. Kapitel 4 stellt die wesentlichen Ergebnisse mehrerer Evaluationen bezogen auf die Rollenpluralität bzw. die Wahrnehmung des eigenen Aufgabenspektrums und die Erhebung aufgabenbezogener und gesellschaftspolitischer Einstellungen dar. Der Beitrag schließt im 5. Kapitel mit Handlungsempfehlungen für die Qualifizierung des berufspädagogischen Bildungspersonals und einem Fazit.

2.  Aktuelle Rahmenbedingungen beruflicher Bildung

2.1  Anforderungsänderungen im Rahmen beruflicher Bildung

Eine Auseinandersetzung mit zentralen Funktionen, Aufgabenfeldern und Rollenprofilen des pädagogischen Ausbildungspersonals erfordert es, sich mit den gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen und den daraus resultierenden Anforderungen zu beschäftigen. Erstens hat berufliche Bildung die Funktion, dem Jugendlichen durch anforderungsgerechte Qualifizierung eine Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Zweitens wird mit der beruflichen Bildung das Ziel verfolgt, die Integration der nachwachsenden Generation in die Gesellschaft sicherzustellen (vgl. ZABECK 2004, 128; LEISCHNER 1990, 35 f.). Die ökonomisch-gesellschaftlichen Anforderungen und Wandlungsprozesse einer Zeitepoche finden dabei zwangsläufig ihren Niederschlag in inhaltlichen und strukturellen Neuerungen der Berufsausbildung, deren pädagogische und methodisch-didaktische Umsetzung wiederum dem Bildungspersonal obliegt.

Aus der zunehmenden Technisierung und Modernisierung der Wirtschaftswelt, die sich nicht zuletzt in kürzer werdenden Produktlebens- bzw. Veränderungszyklen niederschlagen, resultieren u. a. gestiegene Qualifikationsanforderungen. Eine sinkende Halbwertszeit des Wissens (vgl. TIMMERMANN 2004, 3) macht bspw. die Entwicklung anpassungsfähiger und breit einsetzbarer beruflicher Handlungskompetenzen notwendig. Arbeitsorganisatorische Umstrukturierungen (vgl. WILKE 2001, 370 ff.) wie der Abbau von Hierarchieebenen führen zur zunehmenden Übertragung komplexer werdender und autonom zu bewältigender Aufgaben an den Mitarbeiter (vgl. DOMSCH/ REGNET/ ROSENSTIEL 2001, 185). In stärker dezentral organisierten Betriebsstrukturen wird gleichsam die Herstellung und Aufrechterhaltung der eigenen Employability (vgl. BLANCKE/ ROTH/ SCHMID 1999, 7) zur Sache des Individuums (vgl. SEVERING 2001, 8). Ihm verlangt man daher verstärkt Flexibilität sowie die Fähigkeit zum selbstgesteuerten/lebenslangen Lernen ab (vgl. DEITERING 1995, 9). Dies birgt Chancen, aber auch Risiken, da Individuen, die nicht über die geforderten Handlungs- und Lernkompetenzen verfügen, schnell Gefahr laufen, vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu werden. Ferner führen zunehmende Globalisierungs- und Internationalisierungstendenzen und der fortschreitende europäische Integrationsprozess zu einer stärkeren Vernetzung der Märkte. Daher muss sich auch die berufliche Bildung internationalen Anforderungen – wie etwa der Förderung internationaler Qualifikationen, interkultureller Kompetenzen (vgl. HERING/ PFÖRTSCH/ WORDELMANN 2001, 19) oder der Mobilitätsförderung – stellen (vgl. BORCH 2003, 16; DIETL 2007, 5 f.). Verstärkte Migrationsprozesse (vgl. RAT DER EUROPÄISCHEN UNION 2001, 5 f.) machen zudem die gesellschaftliche und berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu einer wichtigen Aufgabe beruflicher Bildung (vgl. ZEDLER 2001, 6).

Aus soziologischer Perspektive lässt sich konstatieren, dass gerade für Jugendliche – insbesondere in Anbetracht des Verteilungskonfliktes um Ausbildungs- und Arbeitsplätze – die Zukunft unsicherer wird. Der zunehmende Entlegitimierungs- und Individiualisierungsprozess in der Gesellschaft führt weiterhin dazu, dass traditionelle Lebensformen, Lebensstile und Bildungsziele immer mehr ihren orientierungsstiftenden Charakter verlieren (vgl. BRATER 1996, 8 ff.). In einem von Pluralität, Diskontinuität, Arbeitslosigkeit und Unsicherheit geprägten Zeitalter sind Orientierungsverlust und Perspektivlosigkeit der jungen Generation eine Konsequenz, die gleichsam die potenzielle Gefahr nach sich zieht, sich in rechtsextremen oder anderen Randgruppen identitätsstiftende Elemente zu suchen. Unter qualitativen Gesichtspunkten sind sowohl ein Wandel der Wertekultur, von der Existenzsicherung hin zur Lebensqualität, als auch ein gestiegener Trend zur Freizeitorientierung für veränderte Berufswahlmotive verantwortlich. Dies äußert sich z. B. darin, dass Jugendliche selbst bei mangelhaften Qualifikationsniveaus zu sehr hohen monetären Ansprüchen und unrealistischen Berufswunschmotiven tendieren (vgl. DIETL 2007, 9). Aufgrund der geschilderten Entstrukturierung der Jugend laufen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend Gefahr, eine Abgrenzung um jeden Preis bspw. auch durch Drogen, Gewalt und radikale politische Einstellungen in Kauf zu nehmen.

Sowohl die gestiegenen Anforderungen der Wirtschaftswelt als auch der verstärkte Zwang zur Individualisierung und selbständigen Identitätsfindung stellen an die gesamte nachwachsende Generation, insbesondere aber an die Gruppe der benachteiligten Jugendlichen hohe Ansprüche. Ohne eine umfassende Definition dieser Gruppe vornehmen zu wollen (vgl. HILLER 1997; BOHLINGER 2004; BRÜNING/ KUWAN 2002), stammen diese Jugendlichen aus den stark problembehafteten sozialen Milieus, werden frühzeitig mit sozialer Armut konfrontiert, erhalten im Prozess der individuellen und beruflichen Identitätsentwicklung wenig soziale Unterstützung und sind häufig mit Leistungsschwächen konfrontiert (vgl. ebd.). Gerade die lern- und sozial benachteiligten Jugendlichen sind es, die am stärksten von den gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen und damit von Arbeitsmarktrisiken und Ausbildungsplatzmangel betroffen sind. Sie befinden sich häufig im sog. Übergangssystem, z. B. in Maßnahmen zur Ausbildungsplatzvorbereitung (vgl. EULER/ SEVERING 2006, 23 ff.), und erfahren auch hier wieder berufliche und soziale Ausgrenzung (vgl. HILLER 1997, 41). Die Integration dieser Jugendlichen in das Bildungs- und Beschäftigungssystem stellt damit eine besondere Herausforderung für das berufspädagogische Ausbildungspersonal dar. Vor diesem Hintergrund muss sich das berufliche Selbstverständnis der in diesem Bereich tätigen Ausbilder wandeln, weil ihnen eine erhebliche Bedeutung für den Erfolg beruflicher Bildung zukommt (vgl. DIETTRICH 2008, 156). Insgesamt resultiert hieraus die Notwendigkeit eines differenzierteren Rollenbildes, welches mit dem Slogan ‚Vom Fachausbilder zum Mentor' umschrieben werden kann.

Hieraus ergibt sich die forschungsleitende Fragestellung, über welche aufgabenbezogenen Einstellungen, Werte und Normvorstellungen das betrachtete Berufsbildungspersonal im Rahmen der Benachteiligtenförderung verfügt. Letztendlich sind es eben diese individuellen Selbstkonzepte, Wertvorstellungen und Einstellungen von Ausbildern, die sich auf das direkte Ausbildungshandeln, auf bereitgestellte Lernsituationen und deren Qualität auswirken (vgl. DIETTRICH 2008, 158). Damit das Bildungspersonal insbesondere benachteiligte Jugendliche unter den betrachteten Rahmenbedingungen anforderungsgerecht auf die Zukunft vorbereiten kann, müssen in einem ersten Schritt Aspekte wie die Förderung einer positiven Einstellung zur Internationalisierung, zum lebenslangen Lernen, zu Migration, Mobilität und konstruktiver Konfliktbewältigung auf Seiten der nachwachsenden Generation als neue Aufgaben angenommen werden.

2.2  Der Mentor als Leitbild einer neuen Ausbilder-/Lehrerrolle

Das Mentoring-Konzept bildet ein erfolgversprechendes didaktisch-methodisches Instrument zur Realisierung des oben genannten Anspruches und bietet zusätzlich fruchtbare Ansatzpunkte zur Ableitung adäquater (neuer) Rollenbilder für das Ausbildungspersonal. Mentoring bezeichnet Tätigkeiten in der Lehrbeziehung zwischen einer erfahrenen Person (Mentor), die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten mit dem Ziel der persönlichen und beruflichen Entwicklung an eine noch unerfahrene Person (Mentee) weitergibt (vgl. HOFFMANN-LUN/ SCHÖNFELD/ TSCHIRNER 1999, 8). Somit dient es nicht nur der Karriereförderung, sondern zielt ebenso auf eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung ab (vgl. KRAM 1985, 22-43). Die wichtigsten Funktionen des Mentors sind die Vorbildfunktion, die Karrierefunktion sowie die psychosoziale Unterstützung des Mentees.

Im Rahmen der Vorbildfunktion geht es vor allem darum, den jungen Menschen gesellschaftliche Normen und Wertevorstellungen, Verhaltensregeln und Arbeitsmoral zu vermitteln. Aus dieser Vorbildfunktion kann unter pädagogischen Gesichtspunkten das Rollenprofil des „Erziehers“ abgeleitet werden. Die Reintegration der Erziehungsfunktion in die Ausbildertätigkeit gilt unter den geschilderten Wandlungsprozessen als unabdingbar und wird vornehmlich als normative Aufgabe interpretiert (vgl. DIETTRICH 2008, 156). Ziel ist es, gesellschaftlich anerkannte Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen des Auszubildenden zu fördern und gegen Fremdenfeindlichkeit, Gewalt und andere destruktive Verhaltensweisen wie Alkohol- und Drogenkonsum zu intervenieren. Ein weiterer wesentlicher Ausbildungsbestandteil ist die Vermittlung bestimmter Arbeitstugenden wie Genauigkeit, Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Ordnung, aber auch zwischenmenschlicher Fähigkeiten wie Unvoreingenommenheit, soziales Interesse und Kooperationsbereitschaft, die einen reibungslosen Arbeitsablauf erst ermöglichen (vgl. RÖHR 1995, 29).

Im Sinne der Karrierefunktion verfügt der Mentor als Ratgeber über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen. Er unterstützt den Mentee darin, eigene Ziele und berufliche Perspektiven klarer und realistischer zu formulieren und durch die Anerkennung der eigenen Stärken und Leistungen ein höheres Selbstbewusstsein zu entwickeln. Eine derartige Berufsberatung ist gerade für benachteiligte Jugendliche von großer Relevanz, da die Eltern – insbesondere aufgrund der zunehmenden Komplexität am Arbeitsmarkt – häufig nicht über die hierfür erforderlichen Kompetenzen, Ressourcen und Beziehungen verfügen (vgl. ELFTER KINDER- UND JUGENDBERICHT 2002). Die psychosoziale Funktion des Mentors beschreibt im Weiteren die Bereitschaft, sich als Ansprechpartner auch mit deren persönlich-privaten Problemen auseinanderzusetzen und ihnen dahingehend Unterstützung anzubieten. Aus beiden Funktionen resultiert die Rolle des „Beraters“ . Beratung bezieht sich dabei auf die beidseitig initiierte kommunikative Interaktion zwischen Mentor und Mentee und ist stark durch einen kooperativen Charakter gekennzeichnet. In dieser Rolle unterstützt der Mentor den Mentee durch Gesprächsangebote sowohl in beruflichen wie auch in persönlichen Problemlagen.

Aus den genannten Funktionen resultiert weiterhin die Rolle des „Helfers/Unterstützers“ . In Abgrenzung zur Rolle des Beraters wird hier durch aktives Handeln zur Lösung beruflicher und persönlicher Herausforderungen beigetragen. Für die betrachtete Zielgruppe handelt es sich hierbei z. B. um Probleme im Zusammenhang mit Gewalt, Drogen- oder Alkoholkonsum, mit denen der Jugendliche im sozialen Umfeld oder aufgrund vorhandener Perspektivlosigkeit konfrontiert wurde.

Aus dem zuletzt genannten Aufgabenschwerpunkt kann gleichsam das Rollenprofil des „Motivators“ abgeleitet werden. Neben fachlichen Entwicklungsfragen geht es hier insbesondere darum, die Jugendlichen z. B. über die Artikulation beruflicher Ziel- und Wunschvorstellungen und die Generation eines realistischen Selbstbildes zum Lernen zu motivieren und ihnen berufliche und soziale Perspektiven aufzuzeigen. Insgesamt fokussiert die Rolle des Motivators auf das Herstellen von Motivation für Lernen, Arbeiten und das Lösen persönlicher Probleme.

Letztlich ist die Rolle des „Moderators“ zu erwähnen, die in der Literatur unter dem Fokus der Lernprozessbegleitung diskutiert wird. Hierin spiegelt sich ein mit dem Slogan „Hilfe zur Selbsthilfe“ umschriebenes Grundprinzip von Mentoring und Coaching wider. Als Moderator gibt der Ausbilder keine fachlichen Problemlösestrategien vor, sondern agiert aus dem Hintergrund. Moderieren bedeutet, die wie auch immer gearteten Problemlöse- und Lernprozesse unter Berücksichtigung des jeweiligen Erfahrungsstandes des Adressaten zu fördern, Impulse zu geben, zu reflektieren und zu korrigieren, ohne diese inhaltlich zu lösen (vgl. SPERLING 1997, 13). Auf diese Weise werden Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Auszubildenden entwickelt. Im Rahmen dieser Rolle stehen die Förderung von selbstgesteuertem, lebenslangem Lernen und die Entwicklung einer Lernkompetenz (vgl. DIETTRICH 2008, 165) im Vordergrund.

Nicht zu vergessen bleiben klassische Rollenbilder, die trotz neuer Anforderungen als wichtige Funktionen im Aufgabenspektrum verbleiben. Zu nennen sind an dieser Stelle die Rollen des „Fachmanns“ , „Organisators“ und „Prüfers“ (vgl. RUSCHEL/ LEUCHTER/ ZEDLER 2000, 187).

In diesem Zusammenhang ergeben sich die weiteren Forschungsfragen, inwieweit sich mit den neuen Aufgaben des Bildungspersonals auch eine differenzierte, plurale Rollenwahrnehmung entwickelt hat bzw. die betrachtete Zielgruppe über ein den Wandlungsprozessen angemessenes Rollenverständnis verfügt und inwieweit die im Folgenden beschriebene Qualifizierungsmaßnahme hier Entwicklungsmöglichkeiten bietet.

3. Das Projekt – Xenos-Mentoren

3.1  Zielsetzung und Qualifizierungsmaßnahme

Im Rahmen des Bundesprogramms „Xenos – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ entwickelten die Friedrich-Schiller-Universität Jena und Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e. V. das Projekt „ Xenos-Mentoren “. Ausgangspunkt des Vorhabens bildeten die dargestellten ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozesse. Das Ziel des Projektes bestand darin, ein Fortbildungskonzept zu entwickeln und zu erproben, welches berufspädagogisch Handelnde zu Mentoren qualifiziert. Diese „Mentoren“ sollten befähigt werden, einerseits die Beschäftigungsfähigkeit der Jugendlichen zu fördern und somit Arbeitsmarktrisiken zu mindern. Andererseits sollten gesellschaftspolitische Fragestellungen in die berufliche Bildungsarbeit integriert werden. Schließlich sollte es darum gehen, das pädagogische Ausbildungspersonal in die Lage zu versetzen, den Jugendlichen sowohl gesellschaftliche als auch arbeitsmarktbezogene Perspektiven anzubieten. Das Qualifizierungskonzept richtete sich an alle Akteure der beruflichen Bildung, die stark mit den neuen Rollenanforderungen konfrontiert sind.

In diesem Sinne sollten Ausbilder, Berufsschullehrer, Sozialpädagogen und sog. Stützlehrer qualifiziert werden, wobei insbesondere eine Kombination von pädagogisch-didaktischer und gesellschaftspolitischer Weiterbildung intendiert war. Positive Effekte für die Veränderung berufsbezogener Einstellungen erhoffte man sich zudem aus einer Zusammensetzung von Lerngruppen über „Lernortgrenzen“ hinweg, die auch zu einer Verbesserung der Lernortkooperation führen sollte. Um der geäußerten Notwendigkeit einer zunehmenden Rollenpluralität gerecht zu werden, bildete eine kontinuierliche Reflexion der eigenen Ausbilderrolle vor dem Hintergrund veränderter Anforderungen an die berufliche Erstausbildung einen weiteren zentralen Ausbildungsschwerpunkt über die gesamte Qualifizierungsmaßnahme hinweg.

Die Umsetzung der bisher angesprochenen Zielsetzungen mündete in die Konzeption eines Qualifizierungsprogramms, welches aus insgesamt zehn inhaltlich zusammenhängenden, Modulen bestand, die von vier heterogen zusammengesetzten Gruppen über einen Zeitraum von zwei Jahren absolviert wurden. Bei den Teilnehmenden der Qualifizierungsmaßnahme handelte es sich zum einen um Ausbilder und Berufsschullehrer, die in der betrieblichen oder überbetrieblichen Berufsausbildung tätig sind. Ferner wurden insbesondere in der Benachteiligtenförderung agierende Sozialpädagogen und Stützlehrer einbezogen. Insgesamt konnte auf diese Weise ein intensiver Erfahrungsaustausch initiiert sowie ein im Sinne der Lernortkooperation notwendiger Perspektivwechsel in andere Felder, Aufgaben und Probleme ermöglicht werden. Die auf langfristige Zusammenarbeit angelegte Maßnahme ermöglichte den Aufbau eines engen Vertrauensverhältnisses und einen ehrlichen und intensiven Erfahrungsaustausch. Zudem sollte es den Teilnehmern ermöglicht werden, erworbene Kompetenzen in der praktischen pädagogischen Arbeit auszuprobieren und diese Erfahrungen wiederum in anschließenden Modulen zu reflektieren. Vor diesem Hintergrund ist das Projekt inhaltlich voll anschlussfähig an bildungspolitische, aber auch berufspädagogische Konzeptionen für eine moderne Berufsausbildung.

3.2 Forschungsmethodisches Vorgehen der Evaluation

Um das Projekt Xenos-Mentoren so zielorientiert wie möglich gestalten zu können, wurden mit Hilfe einer formativen Evaluation projektbegleitend Daten gesammelt, die unmittelbar zur Überprüfung der angestrebten Projektziele sowie zur Optimierung des Fortbildungskonzeptes beitragen sollten. Als Zielsetzungen werden u. a. die oben skizzierten Forschungsfragen tangiert:

1. Im Sinne der Vorbildfunktion müssen die Mentoren über positive Einstellungen hinsichtlich Interkulturalität und Internationalisierung, zu lebenslangem Lernen, zu Migration, Mobilität und konstruktiver Konfliktbewältigung auf Seiten der nachwachsenden Generation verfügen sowie die Unterstützung im Rahmen der Identitätsfindung als neue Aufgaben angenommen haben. Auf diese Weise werden die aufgabenbezogenen Einstellungen und deren Veränderung im Laufe der Fortbildung angesprochen.

2. Die Teilnehmer müssen zur Übernahme eines neuen Rollenbildes des Mentors sensibilisiert werden, mit dem auch neue und erweiterte Aufgaben (Beratung, Diagnose, individuelle Förderung, Erziehung, Motivation, Kompetenzentwicklung, Vermittlung gesellschaftlicher Verantwortung, Entwicklung von Sensibilität für Interkulturalität, etc.) einhergehen. Die Mentoren sollen dieses Rollenleitbild, welches unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann, verinnerlichen und dementsprechend in der Ausbildung agieren. Dieser Aspekt richtet sich insbesondere auf die Frage nach der Ausprägung eines pluralen Rollenbildes.

Die Strategien zur Datengewinnung, Sicherung der Nachhaltigkeit des Projekts bzw. zum Transfer der Ergebnisse waren u. a. eine Eingangsuntersuchung, die Durchführung von Gruppendiskussionen sowie eine Abschlussuntersuchung.

Für die Eingangsuntersuchung wurde ein standardisierter Fragebogen konzipiert, der u. a. Informationen zu den Teilnahmegründen, thematischen Interessenlagen, Einstellungen zu gesellschaftspolitischen, beruflichen und privaten Problemfeldern sowie zu Kenntnissen und Fähigkeiten auf den diagnostizierten Problemfeldern der beruflichen Bildung erfasste.

Mit Hilfe von Gruppendiskussionen sollte zusätzlich die Übernahme eines pluralen Rollenprofils ermittelt werden. Hierzu wurden Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Gruppenmitglieder zu einem vorgegebenen Fallbeispiel erhoben. Im Rahmen der angesprochenen Methode steht unter forschungsmethodischen Gesichtspunkten weniger die Erhebung von Individualmeinungen als vielmehr die Explikation gruppenspezifischer Kollektivmeinungen im Vordergrund. LOOS/ SCHÄFFER (2001, 22) fassen dies treffend in der Formel „[...] daß die Gruppenmeinungen keine Summe von Einzelmeinungen, sondern das Produkt kollektiver Interaktionen seien […]“ zusammen. Die Gruppendiskussionen wurden von einem Moderator geleitet, dessen Funktion sich auf die Initiierung der Diskussion durch Impulsfragen beschränkte bzw. der durch immanente Fragen die schon geäußerten Gedanken der Gruppe aufgriff und so die Diskussion in eine bestimmte Richtung lenkte (vgl. ebd., 52). Eine derart indirekte Befragung von kleineren Teilnehmergruppen schien auch deshalb zielführend, da die zukünftigen Mentoren im Sinne eines quasi während der Diskussion stattfindenden Lernprozesses Lösungsstrategien für Fallbeispiele entwickelten und verschiedene Verfahren im Umgang mit spezifischen Problemen der Ausbildungspraxis offen legten. Mit dieser Vorgehensweise konnten verschiedene Pädagogen-Typen identifiziert werden, die über ein je eigenes Rollenverständnis verfügten, bestimmte Einstellungen zur Problemstellung hatten und verschiedene Strategien zur Lösung der Fallbeispiele präferierten. Insofern trug das Instrument der Gruppendiskussion dazu bei, verschiedene Bewältigungsstrategien, welche die Mentoren in der Vergangenheit eingesetzt hatten, zu erfassen.

Die Abschlussevaluation des Projektes wurde im Anschluss an das letzte Modul in Form eines standardisierten Fragebogens durchgeführt. Im Kern konnten hiermit die Projektziele überprüft werden, indem die Einstellungsveränderungen der Mentoren erfasst und der Lern- und Transfererfolg gemessen wurde. Neben biographischen und soziodemographischen Fragen wurden Daten zur Zufriedenheit mit der Qualifizierung, Fragen zu Einstellungen, zu Lernerfolgen sowie zu vollzogenen oder avisierten Transferleistungen bzw. Transferhemmnissen gestellt. Im Vergleich mit den Daten aus der Eingangsbefragung konnten hinsichtlich der Veränderung aufgabenbezogener Einstellungen, Werte und Normvorstellungen Soll-Ist-Vergleiche durchgeführt werden.

4.  Evaluationsergebnisse im Hinblick auf ein plurales Rollenbild

4.1  Rollenexploration im Rahmen von Gruppendiskussionen

Eine wesentliche Fragestellung der Evaluation bezog sich auf die Exploration verschiedener berufspädagogischer Rollen. Forschungsleitend war hierbei jedoch nicht, die oben theoretisch dargestellten Rollen umfassend zu validieren. Stattdessen sollte ergebnisoffen ein Bild der Rollenselbstwahrnehmung der Teilnehmer skizziert werden. Das Ziel bestand darin, aus den Äußerungen der Teilnehmer eine deskriptive Klassifikation gelebter Rollen abzuleiten.

Eine theoretische Basis liefert die Rollentheorie, die das Verhalten eines Individuums aus einer ihm zugeschriebenen Rolle zu erklären versucht und Prognosen des faktischen Verhaltens aus dieser Rolle ermöglicht. „Rollen sind relativ konsistente, mitunter interpretationsbedürftige Bündel von Erwartungen, die an eine soziale Position gerichtet sind und als zusammengehörig perzipiert werden“ (WISWEDE 1977, 17). Erwartungen können dabei als soziale Normen oder Rechte und Pflichten interpretiert werden. Normen, Erwartungen, Rechte und Pflichten definieren mögliche und notwendige Aufgaben und führen dazu, dass ein Subjekt die jeweilige Rolle annimmt und sich entsprechend verhält. Hinzuzufügen bleibt, dass ein Individuum nur in Ausnahmefällen ausschließlich eine einzige Rolle annimmt. Man kann daher von einer Rollenpluralität sprechen. Im Weiteren wird versucht, intersituativ einzelne Rollen aus dem Diskussionsmaterial zu charakterisieren und in Bezug auf ihre Eigenschaften zu beschreiben.

Es ergaben sich insgesamt sechs verschiedene Rollen, die sich unterschiedlich stark in den Diskussionen manifestierten. Als wesentliche Rollen wurden Fachmann, Erzieher, Berater, Helfer & Unterstützer, Moderator und Motivator analysiert.

Fachmann: Die Befunde weisen wenige Indizien auf, dass sich die Teilnehmer primär als Fachmann in ihren berufsfachlichen Fragen sehen. Dies liegt zum Teil im forschungsmethodischen Vorgehen begründet, da den Diskutanten Fallbeispiele präsentiert wurden, die weniger fachliche Probleme und Aufgaben betonten. Ein Großteil der Teilnehmer der Gruppendiskussionen sieht sich weniger als Fachmann, sondern vielmehr als Pädagoge, wobei dies als Aggregat weiterer unterschiedlicher Rollenbilder zu verstehen ist, die im Folgenden näher ausdifferenziert werden. Dies gilt insbesondere für Sozialpädagogen und Lehrkräfte im außerbetrieblichen Ausbildungsbereich.

Erzieher: Die Befunde weisen darauf hin, dass sich die Teilnehmer stark in der Rolle des Erziehers sehen und sie sich in bestimmten Situationen auch als Elternersatz verstehen, der mit der Wahrnehmung einer gewissen Erziehungs- und Vorbildfunktion einhergeht. Die Diskutanten sehen einen sehr klaren Erziehungsauftrag und identifizieren eine Erziehungsnotwendigkeit, die sie u. a. aus dem Versagen anderer gesellschaftlicher Instanzen (Schule, Medien, Familie etc.) und den o. g. Veränderungen ableiten. In diesem Kontext wird von den Teilnehmern darauf aufmerksam gemacht, dass insbesondere die Eltern nicht genügend Werte und Normen vermitteln und dies durch das Bildungspersonal kompensiert werden muss.

Xm: „Aber eine gewisse Vorbildwirkung haben wir doch trotzdem!

Yw: Ja sicherlich.

Xm: Zumindest von unseren gesetzten Normen, die wir so haben (…). Und wenn wir das auch erstmal durchsetzen (…), haben wir doch auch einen Teil ersetzt von dem, was die Eltern zum Beispiel versäumt haben – von Pünktlichkeit und Höflichkeit und so was. Also meiner Meinung würde ich das als ersetzen (…) bezeichnen-

(…)

Sw: Ja aber man kann sie [die Eltern, d. V.] nicht generell ersetzen.

Xm: Nein.

Sw: Das geht nicht“ (Auszug aus der Gruppendiskussion 3).

Diese Notwendigkeit wird nicht nur aus der gesellschaftlichen Verantwortung oder einem pädagogischen Habitus heraus begründet, sondern auch damit, dass die Vermittlung grundlegender Normen, Werte oder Tugenden oftmals der eigentlichen Ausbildung vorausgehen muss, um diese überhaupt erst zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere bei der beruflichen Förderung Benachteiligter.

Sicherlich beinhalten grundlegende Aufgaben des Lehrpersonals auch die Erziehung und somit den Ausgleich misslungener außerschulischer Sozialisation (vgl. GUDJONS 2006, 161). HAMMEL weist allerdings darauf hin, dass der Lehrer (und somit i. w. S. auch andere pädagogische Positionen) „(...) nicht etwa unter einem Mandat zur ‚Verlängerung' oder zum ‚Ausbau' der Familienerziehung“ (HAMMEL 1994, 164) steht. Somit mag Erziehung bis zu einem gewissen Grad notwendig sein, sollte jedoch die Eltern nicht ersetzen. Auch die Diskutanten sehen sich nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung der elterlichen und gesellschaftlichen Verantwortung und weisen zugleich darauf hin, dass insbesondere der Aufbau einer sehr persönlichen Beziehung kritisch angesehen werden muss.

Cw: „Das ist sehr gefährlich, das zu ersetzen. Weil man sie zu sehr an sich ranlässt. Weil man …

Bm: Oh ja,

Cw: … die Probleme von Jugendlichen mit nach Hause nimmt und dann grübelt man darüber mehr

als über seine eigene Familie. Das kann zu dicht rankommen, das kann krank machen-

?w: Darf man gar nicht!

Cw: Und das darfst de nicht.

Dw: Da geht man ja selber kaputt“ (Auszug aus der Gruppendiskussion 1).

Insofern spiegelt die explizierte Erzieherrolle die im Kap. 2.2 beschriebenen Erziehungs- und Vorbildfunktionen des Mentors wider, die aber in der berufspädagogischen Praxis mit einer gewissen emotionalen Distanz einhergehen muss. Die Diskutanten betonen hier immer wieder, den kooperativen Weg zu suchen und Kontakt zu den Eltern herstellen zu wollen, um mit diesen gemeinsam nach Lösungen für die Probleme der Jugendlichen suchen.

„Und in der Berufsvorbereitung (…), da arbeiten wir mit Eltern zusammen und (…) dort wünschen sich die Eltern dann auch, dass sie informiert werden, wenn was ist. Ich hatte einen Fall (…), das ist gerade der Jugoslawe gewesen. Der war anfangs wirklich nicht einfach. Der ist nicht gekommen, hat sich nicht gemeldet, hat keinen Krankenschein gehabt. Nichts. Da bin ich dann mal hingefahren, dort wo er wohnt. Und hatte dann die Schwester. (…) Sie sagt, sie haben keine Probleme mit den Eltern. Sie haben ein Telefon und hat mir die Nummer gegeben. Und dann habe ich auch mal angerufen. Und dann hab ich mal den Vater gekriegt und der kam. Und als ich dann (…) mit diesen Eltern zusammengearbeitet habe, dann lief das mit dem super- (…) einwandfrei und das klappte“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Bm).

Helfer & Unterstützer: Sehr häufig deuten die Befunde auf eine Rolle, die man als eine Helfer- bzw. Unterstützerrolle bezeichnen kann. Hier steht die aktive Hilfestellung bei der Bewältigung von Problemen der Jugendlichen im Vordergrund. Charakteristisch an dieser Rolle ist, dass diese Hilfestellungen von den Jugendlichen nicht notwendigerweise angefordert und unabhängig von deren Verhalten angeboten werden. Die Hilfe durch die Mentoren wird als überdurchschnittlich wichtig und notwendig angesehen und ist stark intrinsisch motiviert. Dies entspricht der vom BMBF geäußerten Forderung an das Personal in der Benachteiligtenförderung nach besonders hohem persönlichem Engagement und einer hohen Identifikation mit der Aufgabe (vgl. BMBF 2005, 25). Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Diskutanten teilweise eine starke innere Bindung zu ihren Auszubildenden aufbauen und sehr viel Zeit und Mühen in den einzelnen Jugendlichen investieren, wobei ein ausgeprägter beruflicher Ethos vorliegt.

„Und ich würde auch sagen während des Praktikums – Muss man dazu sagen: das Praktikum lief ja eigentlich immer ganz gut bei meinen, aber sobald ich gemerkt habe, dass die ausgenutzt werden, waren die sofort weg beim Praktikum. Da habe ich mir einen neuen Praktikumsplatz gesucht für die. Und das haben sie dann auch gemerkt, die Jugendlichen. Da setzt sich ja einer für uns ein – das war ganz wichtig.“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Aw)

Aus der Perspektive des Helfers & Unterstützers wird der Jugendliche, wie in Kap. 2.2 beschrieben, als Individuum samt seiner Probleme und seines näheren Umfelds betrachtet. Das Spektrum der Hilfsangebote reicht von Gesprächsangeboten bei privaten Problemen bis hin zu Hausbesuchen, um zunächst Probleme und deren Ursachen zu identifizieren und darauf basierend Lösungen oder Hilfestellungen anzubieten. Als außergewöhnliche Hilfsmaßnahme wird z. B. die Vermeidung einer Haftstrafe eines Jugendlichen beschrieben.

„So, und dann versuchen wir wirklich Wege zu finden, und ich sag mal, wir haben sie gefunden, wir haben ihn, ähm, ich hab ihn ins Auto geladen und wir sind dann hin zur Richterin, haben einen Termin gemacht, haben das abgesprochen, und, und, und … . Und konnten diesen Arrest auch abwehren, also ist alles geklärt. Er kam auch wieder zur Ausbildung, dann läuft das wieder.“ (Zitat aus Gruppendiskussion 1, Aw)

Berater: In einer Beraterrolle werden in diesem Beitrag vor allem Teilnehmer betrachtet, die versuchen im Sinne einer kooperativen Kommunikationssituation durch Gespräche zu helfen. Sie bieten somit nicht durch Taten Unterstützung, sondern durch Beratung. Mehrfach wurde beschrieben, dass den Jugendlichen immer wieder Stellenannoncen gezeigt werden, um berufliche Perspektiven, aber auch Grenzen im Sinne der Berufsberatung aufzuzeigen.

„Hier guck mal, hier steht schon wieder eine Stellenanzeige drin, für deinen Berufszweig, oder so was, (…). Das man eben, wie gesagt, immer diese Überzeugungsarbeit leistet, es muss nicht sein, dass du auf der Straße landest, (…). Jeder kann selbst dazu beitragen und ich werde nichts erreichen, wenn ich nur ständig rumjammere.“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Cw).

„Sag ich: Junge oder Mädel, egal wie, (…) Euer Beruf (…), der soviel gesucht (…), die brauchen überall Leute und wenn du mir jetzt hier sagst, wenn du hier raus bist, machst du eine neue Lehre, dann verrate mir bitte, wie willst du das anstellen? Du hast hier eine teure Lehre hinter dir, du bist wirklich vermittelbar, du kriegst von niemanden eine neue Lehre (…). Du hast eigentlich nur die Perspektive, jetzt erstmal versuchen ein wenig zu arbeiten und im Laufe der Jahre dich evtl. mal neu zu orientieren, dass ist die Möglichkeit. Aber du selber in deiner (Branche, d. V.) kriegst nichts Neues, da musst du schon jemanden finden, der dich eventuell finanziert und du selber hast ja das Geld nicht“ (Zitat aus Gruppendiskussion 1, Aw).

Im Problembereich des Rechtsradikalismus agiert der Berater auch aufklärend und versucht im Gespräch die Jugendlichen selbst bspw. über rechtsradikale Symbole erzählen zu lassen, um somit auch Fehlinterpretationen zu verhindern. Daran anschließend besteht die Möglichkeit, als Mentor effektiver gegen den Rechtsradikalismus zu agieren und Aufklärungsarbeit zu leisten.

Der Aufbau eines engen Vertrauensverhältnisses ist Grundlage, um als Berater zu agieren und resultiert vor allem aus persönlichen Gesprächen und Offenheit. Dies sehen die Jugendlichen als äußerst wichtig an, da vertrauensvolle Gesprächspartner, denen man die eigenen Probleme anvertrauen kann, im eigenen familiären oder sozialen Umfeld mitunter fehlen.

„Und die Erfahrung ist, (…) [Zuhören ist, d. V.] eine neue Möglichkeit ihnen etwas anzubieten, was sie vielleicht bislang noch überhaupt nicht gehabt haben. (…) wir haben die Zeit dafür, denen zuzuhören, und ihre Probleme einfach auch mal aufzunehmen“ (Zitat aus Gruppendiskussion 1, Em).

„So unter vier Augen gibt er dann doch was von seinem Inneren preis. Wenn da im familiären Bereich irgendwelche Probleme sind, dann wollen die doch nicht öffentlich darüber reden“ (Zitat aus Gruppendiskussion 2, Ew).

„Wir sind jetzt hier wirklich unter uns, ihr könnt euch drauf verlassen, ihr habt noch nie gehört, dass solche Gespräche irgendwo anders hingegangen sind. Und deshalb sagt mir doch jetzt mal, was ist nun wirklich los“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Aw).

Betont wird indirekt, dass bspw. Sozialpädagogen oder Stützlehrer über bessere Voraussetzungen verfügen diese Rolle zu übernehmen, da sie mehr Zeit in Gespräche und andere vertrauensbildende Maßnahmen investieren können als Ausbilder oder Berufsschullehrer.

„Die wollen Kontakt zu der vertrauten Person haben, die dann nicht so gestresst ist wie der Berufsschullehrer, der halt dreißig Leute in der Klasse sitzen hat und überhaupt nicht die Chance hat, auf jeden Einzelnen einzugehen“ (Zitat aus Gruppendiskussion 1, Em).

Motivator: Eine zunehmend wichtige Aufgabe sehen die Teilnehmer darin – und hier insbesondere diejenigen, die mit benachteiligten Jugendlichen arbeiten – Motivation zu erzeugen und aufrecht zu erhalten. Oft müssen die Diskutanten mit Jugendlichen arbeiten, welche nur geringes Interesse an der Ausbildung zeigen. Nur eine Erhöhung der Motivation ermöglicht eine gute theoretische und praktische Ausbildung. Eine grobe Differenzierung bzgl. der Motivatorrolle ist dahingehend möglich, dass die Lehrkräfte motivieren, um auf einer Seite Disziplinlosigkeit im Unterricht und auf der anderen Seite die allgemeine Orientierungslosigkeit der Jugendlichen zu bekämpfen.

Um Motivation im Unterricht zu erzeugen, wird auf Unterrichtsinhalte zurückgegriffen, die eine gewisse Gegenwarts- und Aktualitätsbedeutung für die Jugendlichen besitzen. Hierzu verwendet man Beispiele und Materialien aus den Bereichen des gegenwärtigen Umfeldes der Jugendlichen.

„Und da hat er da so ein Hobby von sich vorgekramt und da ging es dann auch so um Datenaustausch und so und da habe ich dann gesagt, los jetzt Internet an, suchen Sie mal Bilder. Und über diese Schiene habe ich dann herausgekriegt, dass der so Quad-Fahrer ist. Alles was mit Motoren zu tun hat und so. Und habe dann im Prinzip über die Schiene dann versucht, dann beschreiben Sie doch mal so etwas. Machen Sie mal so ein richtiges Dokument, wo drauf steht, was ist da drin. Erklären Sie mir das doch mal schriftlich. Und darüber habe ich ihn dann eigentlich gekriegt, dass er bleibt und dass er mitmacht. (…) Wie gesagt, versuchen über die Hobbies (…) näher zu kommen, (…) um den Abstand zu (…) verringern, du bist diejenige, die mir immerzu befiehlt, das und das zu machen, obwohl ich dazu gar keine Lust habe. Und ich bin derjenige, der immer springen muss. (…) ich wollte es nicht akzeptieren, dass (…) er immer alles hinschmeißt, sobald er gefordert wird“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Cw).

Die Motivatorrolle seitens der Lehrenden besteht auch darin, bei den Jugendlichen eine positivere Zukunftssicht zu initiieren und deren Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit entgegenzuwirken. Dies erscheint dem Teilnehmer als notwendig, da eine Ausbildung von den Jugendlichen sonst schnell als sinnlose Zeitverschwendung angesehen wird und dies wiederum die erfolgreiche Absolvierung der entsprechenden Maßnahme gefährdet.

„[...] dass die Jugendlichen eben nicht immer nur schwarz sehen und sagen, was passiert denn, wenn ich jetzt bestehe? Ich krieg doch eh keine Arbeit“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Bm).

Moderator: Durch eine gewisse Affinität zur Rolle des Motivators ist die des Moderators gekennzeichnet, da durch Moderation von Lernprozessen und Übertragung von Verantwortung für das eigene Lernen Motivation entsteht. Der Moderator fungiert im Lernprozess als Lernbegleiter, strukturiert und organisiert Lernanlässe und -umgebungen. Die Mentoren versuchen in diesem Sinne, den Jugendlichen Verantwortung im Unterricht zu übertragen, um somit ihre Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten zu fördern. Dies erhöht eben auch die Motivation, da die Jugendlichen das Gefühl bekommen, ernst genommen zu werden, ihnen Vertrauen und Zutrauen entgegengebracht wird, sie sich ein Stück weit selbst verwirklichen und eigene Ideen einbringen und ggf. auch realisieren können.

„Ja, oder ich hab es auch schon so gemacht, dass (…) ich ihnen auch ganz einfach mal Verantwortung übertragen habe, über eine ganz bestimmte Sequenz von (…) einem Thema. (…) gesagt hier, das Thema steht an, wie würdest du das jetzt bearbeiten wollen, wie würdest du das jetzt den anderen beibringen wollen, welche Ideen hast du da, mach dir mal einen Kopf.“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Cw).

„[…] aber die arbeiten von vornherein lieber so, ich will mir das selber erarbeiten (…) Dieses selber Erarbeiten und dann vorstellen zu können, dass ist meine Arbeit, dass ist mein Plakat, das ist meine Präsentation, dass macht denen viel mehr Spaß, als nur dazusitzen, mitzuschreiben und zuzuhören“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Aw).

„Und, ich muss auch dazusagen, sie sind dann wirklich gekommen, bevor sie das dann halt vorgetragen haben, um von mir zu erfahren, ist das überhaupt so oder blamiere ich mich jetzt. Und da hat man dann jetzt, ne, die Möglichkeit gehabt, die dann noch ein bisschen zu lenken, das was da noch fehlte das noch ein bisschen rein zu bringen, ihnen aber trotzdem das Gefühl zu geben, dass es eigentlich ihre Arbeit gewesen. (…) Und dann, dieses Erfolgserlebnis zu verschaffen, das hat geklappt, obwohl man genau weiß, man hat eigentlich den größeren Teil dazu getan. Und das ist äh eigentlich gut angekommen“ (Zitat aus Gruppendiskussion 3, Cw).

Die Aussagen der Teilnehmer der Gruppendiskussionen zeigten, dass neue und erweiterte Aufgaben wahrgenommen und akzeptiert werden und dementsprechend agiert wird. Hierzu bedarf es allerdings einer hinreichenden Ausstattung mit entsprechenden Kompetenzen. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Teilnehmer nicht einseitig dem Rollenbild eines reinen Fachmannes verbunden sind, sondern sich vielmehr als Pädagoge dem Leitbild eines Mentors verschrieben haben. Die Argumentationen der Diskutanten zeigen, dass Rollen wie Helfer , Motivator , Berater, Moderator oder Erzieher zunehmend das Selbstverständnis der Ausbildenden mit jeweils unterschiedlichem Gewicht dominieren. Charakteristische Elemente dieser neuen Rollen sind zusammengefasst die fürsorgliche Unterstützung und Förderung in (außer-)schulischen Bereichen, die Übernahme von Erziehungsaufgaben und Vorbildfunktionen, die Vermittlung von beruflichen, aber auch gesellschaftlichen Normen und Werten, die Übertragung von Verantwortung und die Motivation der Jugendlichen, die Initiierung und Begleitung selbstgesteuerter/selbstorganisierter Lernprozesse, die Vermittlung einer positiven Zukunftssicht, um der Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit entgegenzuwirken oder der Aufbau einer engen Vertrauensbasis.

4.2  Dominierende Rollenbilder, Rollenprofile und Einstellungen

Die im Rahmen der Gruppendiskussionen explorierten Rollen wurden in der Abschlussbefragung erneut aufgegriffen und weiter untersucht. Im Sinne der ersten Forschungsfrage sollte untersucht werden, inwieweit sich aus Sicht des beruflichen Bildungspersonals weitere Veränderungen bzw. Erweiterungen hinsichtlich des eigenen Aufgabenspektrums ergeben haben, auch im Zusammenhang mit der Qualifizierungsmaßnahme Xenos. Die mit Hilfe des Eingangs- und Abschlussfragebogens erhobenen aufgabenbezogenen Einstellungen wurden hierfür einem Vorher-Nachher-Vergleich unterzogen.

Abb. 1 zeigt, wie sich die Einstellungen in Bezug auf die berufliche Tätigkeit verändert haben. Eindeutig ist, dass sich mit der Mentorenschulung die Einstellung gegenüber Lernortkooperationen geändert hat. Eine deutliche Ablehnung von Kooperationen wich einer generellen Zustimmung der Zusammenarbeit der einzelnen Akteure zur Verbesserung der beruflichen und persönlichen Chancen der Jugendlichen. Dies kann u. a. auf die heterogenen Lerngruppen und die langfristige Zusammenarbeit zurückgeführt werden (vgl. JAHN/ JÄGER 2008). Auch die Akzeptanz hinsichtlich der Förderung interkulturellen Bewusstseins sowie des Bewusstseins zu beruflicher Mobilität konnten positiv beeinflusst werden. Generell kann somit im Zuge der Qualifizierung gesagt werden, dass aufgabenbezogene Einstellungsveränderungen festgestellt wurden und diese zu einer erweiterten Wahrnehmung von Rollenaufgaben führten.

Weiterhin sollte herausgefunden werden, inwieweit sich das erweiterte Aufgabenspektrum in der Wahrnehmung eines pluralen Rollenprofils widerspiegelt und ob sich dabei dominierende Rollenbilder ableiten lassen.

Abb. 2 zeigt, dass die bereits in den Gruppendiskussionen eruierten Rollen des Fachmanns, Beraters, Motivators Erziehers und des Helfers das Rollenverständnis der Teilnehmer in besonderer Weise prägen. Bis auf die Tatsache, dass der Moderator im relativen Vergleich als weniger wichtig eingeschätzt wird, offenbart sich, dass dieses Rollenbündel dem Leitbild eines Mentors in der beruflichen Bildung entspricht.

Weiterhin scheinen die Berufspositionen (Ausbilder, Stützlehrer, Berufsschullehrer, Sozialpädagoge) Einfluss auf das Rollenprofil zu haben. So herrschen in den verschiedenen Berufsgruppen jeweils verschiedene Rollen vor, die auf die entsprechende Tätigkeit zurückzuführen sind. Generell kann konstatiert werden, dass bis auf die Sozialpädagogen die Rolle des Fachmanns von allen Berufsgruppen als besonders wichtig eingeschätzt wird. In Abb. 3 wird weiterhin deutlich, dass sich die Rollenprofile voneinander unterscheiden. Während sich z. B. die betrieblichen Ausbilder eher als Helfer verstehen, ist bei den außerbetrieblichen Ausbildern die Motivatorfunktion stärker ausgeprägt. Während die Rolle des Beraters bei den befragten Berufsschullehrern keine Rolle spielt, ist sie bei den Sozialpädagogen und Stützlehrern stark verhaftet.

Die Rolle des Erziehers ist in den Berufsgruppen relativ vergleichbar ausgeprägt. Eine gewisse Dominanz ist jedoch in der Gruppe der Berufsschullehrer ersichtlich. Vor dem Hintergrund traditioneller Rollenbilder überrascht dies ebenso wenig wie die Tatsache, dass die betrieblichen Ausbilder sich am wenigsten als Erzieher verstehen. Im Hinblick auf die vorangestellte Forschungsfrage scheint besonders erwähnenswert, dass das Rollenbild der Gruppe der Sozialpädagogen im Gegensatz zu den anderen Berufsgruppen relativ plural ausgeprägt ist.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich der Mentorengedanke im Teilnehmerfeld unterschiedlich akzentuiert hat. Der Leitgedanke des Mentors spiegelt sich aber in der Wahrnehmung einer relativen Rollenpluralität in allen befragten Berufsgruppen wider.

Eine zentrale Zielsetzung des Projekts „ Xenos-Mentoren “ bestand darin, die Mentoren in die Lage zu versetzen, gesellschaftspolitische Fragestellungen, wie z. B. Toleranz, demokratische Gesinnung oder Bekämpfung von Ausgrenzung, in ihre Ausbildungstätigkeit zu integrieren. Letztendlich sollte es auch darum gehen, den Jugendlichen neben arbeitmarktbezogenen auch gesellschaftliche Perspektiven aufzuzeigen.

Diesbezüglich sollte ermittelt werden, inwieweit förderliche gesellschaftspolitische Einstellungen vorhanden sind bzw. durch die Qualifizierungsmaßnahme verändert werden konnten. Wie Abb. 4 zeigt, wurden mit Hilfe der zweijährigen Fortbildung vor allem die Wahrnehmungen und Einstellungen zu Interkulturalität und gesellschaftlicher Heterogenität weiterentwickelt. Indiz hierfür ist, dass die Anpassungs- und Integrationsleistungen ausländischer Mitbürger weniger stark eingefordert werden als vor der Qualifizierung und damit Assimilationsdenken abgebaut wurde. Zudem konnte auch eine höhere Ablehnung von Ausgrenzung verzeichnet werden.

Die Ausprägungen der einzelnen Rollen und die allgemeinen, aufgabenbezogenen und gesellschaftspolitischen Einstellungen wurden schließlich auf bestehende Korrelationen untersucht (Rollen rekodiert, p=0,05). Wenngleich die Stichprobe relativ klein ist, sollen ausgewählte Tendenzen genannt werden. Befragte, die der Rolle des Erziehers sehr verhaftet sind, stimmten verstärkt der Aussage zu, dass sie politisches Interesse als besonders wichtig erachten, um an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern. Auch sehen sie es stärker als ihren Auftrag an, die Mobilitätsbereitschaft und ein interkulturelles Bewusstsein bei Auszubildenden sowie die Integration von ausländischen Mitbürgern zu fördern. Die stärker fachlich orientierten Teilnehmer lehnten es tendenziell ab, das Thema Fremdenfeindlichkeit stärker in der Ausbildung zu thematisieren. Schließlich waren Moderatoren eher nicht der Ansicht, dass der gestiegene Arbeitsumfang eine intensive Auseinandersetzung mit einzelnen Jugendlichen verhindert.

5.  Zusammenfassung und Ausblick

Ausgehend von ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungstendenzen, so wurde konstatiert, erhöhen sich die beruflichen Anforderungen an die Jugendlichen. Insbesondere für die Gruppe der benachteiligten Jugendlichen wird aufgrund sozialer und leistungsbezogener Defizite die ökonomische und gesellschaftliche Integration erschwert. Als potenzielle Folgeerscheinungen nehmen gesellschaftliche Probleme wie Alkohol- und Drogenkonsum, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit etc. zu. Die Integration dieser Jugendlichen in das Bildungs- und Beschäftigungssystem durch eine gezielte Vorbereitung auf die gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt und die gleichzeitige Erhöhung der Chance auf soziale Teilhabe stellen damit besondere Herausforderungen für das berufspädagogische Bildungspersonal dar. Um sich diesen stellen zu können, sollten die Teilnehmer einer Qualifizierungsmaßnahme zur Übernahme des neuen Leitbildes des Mentors sensibilisiert werden. Mit diesem sind neue und erweiterte Aufgaben (Beratung, Diagnose, individuelle Förderung, Erziehung, Motivation, Kompetenzentwicklung, Vermittlung gesellschaftlicher Verantwortung, Entwicklung von Sensibilität für Interkulturalität, etc.) verbunden.

Durch die Auswertung der Daten einer standardisierten Erhebung aufgabenbezogener Einstellungen konnte festgestellt werden, dass diese „neuen Aufgaben“ bereits vor der Qualifizierung wahrgenommen wurden und nach dieser noch stärker im Bewusstsein und dem pädagogischen Handeln der Teilnehmer verankert werden konnten.

Aus dem erweiterten Aufgabenportfolio ergibt sich gleichsam die Notwendigkeit der Übernahme eines pluralen Rollenverständnisses. Folgt man den Darstellungen zu den Lern- und Transfereffekten, so kann ein solches ebenfalls als erreicht angesehen werden (vgl. JAHN/ JÄGER 2008). Die Befunde zeigen, dass die Teilnehmer den im Projekt angestrebten Rollenwechsel vom reinen Fachausbilder hin zum Pädagogen, zum Mentor bereits zu großen Teilen vollzogen haben. Die Argumentationen im Rahmen durchgeführter Gruppendiskussionen und die Ergebnisse der quantitativen Befragungen zeigen, dass Rollen wie die des Helfers , Motivators , Beraters oder Erzieher s zunehmend das Selbstverständnis der Ausbildenden mit jeweils unterschiedlichem Gewicht dominieren, sich also eine plurale Rollenwahrnehmung entwickelt hat.

Im Sinne einer Vorbildfunktion sollten die Mentoren weiterhin hinsichtlich ihrer gesellschaftspolitischen Einstellungen sensibilisiert und als Multiplikatoren geschult und befähigt werden, um die genannten gesellschaftlich-sozialen Problembereiche in die Ausbildung zu übertragen. Ein wesentlicher Aspekt der Qualifizierungs- und Professionalisierungsstrategien soll abschließend herausgestellt werden. Die Evaluationsergebnisse, aber auch andere Praxisbeispiele und theoretische Konzeptionen zur Lernortkooperation weisen auf eine hohe Bedeutung lernortübergreifender Qualifizierungsarrangements hin, um wechselseitig Kenntnis der Besonderheiten, Probleme wie auch Strategien anderer Lernorte zu erhalten und somit Vertrauen zu entwickeln. Gleichzeitig ist in diesem Kontext für langfristig angelegte kooperative Qualifizierungswege zu plädieren. Offenheit, Vertrauen und ein ehrlicher lernübergreifender Erfahrungsaustausch kann damit auch ein Modelllernen anregen, so dass andere Facetten der berufspädagogischer Rollen sichtbar und einsichtig werden.

 

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