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 bwp@ Profil 2 | 14. Januar 2009
Akzentsetzungen in der Berufs- und
Wirtschaftspädagogik

Holger Reinisch wird 60 und Wegbegleiter schreiben zu seinen Themen

Herausgeber: Andreas DIETTRICH, Dietmar FROMMBERGER & Jens KLUSMEYER

Zur schulischen Berufsausbildung im Kaiserreich. Die Beispiele der Fortbildungsschule des Kaufmännischen Vereins in Elberfeld und der städtischen Fortbildungsschule in Barmen (1885-1907)



Abstract

Berufspädagogisch-historische Regionalstudien verdeutlichen wie in einem Brennspiegel die Entwicklung und Veränderung ausbildungsgeschichtlich bedeutsamer Verhältnisse. Die dazu herausgearbeiteten Ergebnisse haben weit über ihren historischen Erkenntniswert hinaus eine Deutungs- und Orientierungsfunktion in Bezug auf aktuelle Problemlagen der Berufsausbildung. Insoweit liefert das Beispiel der schulischen Berufsausbildung im Wuppertal zurzeit des Kaiserreichs viele Anknüpfungspunkte für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lernort Berufsschule, ihrem Stellenwert im gesamten Ausbildungssystem, ihrer theoretischen und ausbildungspolitischen Legitimation und mit ihrer Praxis. So werden in dem vorliegenden Beitrag herausragende Entwicklungslinien der Fortbildungsschule in einer industriell weit entwickelten Region des Deutschen Reichs rekonstruiert und damit zugleich aufgezeigt, wie und mit welchen Ansprüchen private Initiativen zur schulischen Berufsausbildung sukzessive durch öffentliche Maßnahmen ersetzt wurden.

1.  Vorbemerkungen

Das Aufgabenspektrum des Kaufmanns/der Kauffrau ist umfangreich: Sie klären ab, planen, organisieren, bauen Kundenkontakte auf, kaufen ein usw. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Umgang mit Zahlen und Daten, auch in Grömitz, dem Geburtsort des Jubilars. Angenommen, ein dort lebender junger Mensch entscheidet sich für eine kaufmännische Ausbildung, dann kommt für ihn als schulischer Lernort zum Beispiel die Berufliche Schule in Eutin in Frage (BERUFLICHE SCHULEN DES KREISES OSTHOLSTEIN 2008; historische Aspekte dazu in REINISCH 1995). Zieht man in Rechnung, dass die Entfernung von Grömitz nach Eutin 30 Kilometer beträgt und dass man dafür mit dem Auto gut 30 Minuten als Fahrzeit einkalkulieren muss, so hat man es mit zwei Zahlen zu tun, deren Summe für den Jubilar eine besondere lebenszeitliche Bedeutung besitzt. Es ist aber noch ein anderes Zahlenspiel möglich: Werden der Wert der Entfernung zwischen Grömitz und Eutin und die Anzahl der erreichten Lebensalter des Jubilars addiert, die Summe mit 6 multipliziert und zu diesem Ergebnis die Zahl 12 addiert, dann ergibt sich insgesamt 552 – und das ist in Kilometern die Entfernung zwischen dem Geburtsort des Jubilars und seiner akademischen Wirkungsstätte, sprich zwischen Grömitz und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.

Etwas kürzer, nämlich 420 Kilometer, ist die Strecke zwischen Jena und Wuppertal. Der zweite Ort ist keineswegs zufällig genannt, vielmehr verweist er auf die im Folgenden thematisierten Aspekte. So geht es erstens mit besonderer Rücksicht auf die Wuppertaler Nachbarstädte Elberfeld und Barmen um die Entwicklung der schulischen Berufsausbildung zurzeit des Kaiserreichs und damit um örtliche private und öffentliche Initiativen zum Aufbau der kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungsschule im späten 19. Jahrhundert. Z weitens werden mit Bezug auf weitere zeitgeschichtliche Aspekte, die im Zusammenhang mit diesen Fallbeispielen bedeutsam waren, die Erträge der Analyse der Wuppertaler Ausbildungsgeschichte aufgezeigt und insoweit der Stellenwert berufspädagogisch-historischer Regionalstudien innerhalb der Historischen Berufsbildungsforschung beleuchtet.

Für die Konzentration auf das Wuppertal als Untersuchungsraum spricht, dass es sich hier um eine der industriell weit fortgeschrittenen Regionen des Deutschen Reichs handelt und dass die Industriestadt Barmen und das Bergische Industrie- und Handelszentrum Elberfeld gemeinsam im Jahre 1880 die sechst- und noch 1900 die achtgrößte Stadt im Deutschen Reich bildeten (HOTH 1975, 71 f.). In diesem Umfeld besaß die Frage nach der beruflichen Erziehung und Ausbildung der volksschulentlassenen Jugend sicherlich eine viel größere Brisanz als im dörflichen Grömitz des Kaiserreichs. Zwar schlugen auch dort in jener Zeit die Wellen hoch, aber das hing mit der schweren Naturkatastrophe der großen Ostsee-Sturmflut im November 1872 zusammen und kennzeichnet einen vollkommen anderen Problembereich als die zeitgenössische Rezeption des angeblichen Erziehungsnotstands des jugendlichen Arbeiters in urbanen Ballungsräumen, den das folgende Zitat verdeutlicht:

„Die Eltern verlieren vor der Zeit die Gewalt und Autorität über ihre Söhne, und anstelle des Meisters und Lehrherrn der guten alten Zeit ist zumeist das Neu trum 'Geschäft' getreten, das sich um das persönliche Ergehen seiner jungen Angestellten wenig kümmert. Kein Wunder, daß die so ohne Heimat und Halt, ohne Aufsicht und Anleitung in die Gefahren und Versuchungen des großstädtischen Lebens hineingestoßene Jugend der aufsteigenden Begierden des erwachsenen Trieblebens nicht Herr bleibt, sich an fremden Gut vergreift und in zügellosem Genuß sich … ruiniert.“ (JAEGER 1911, 6)

Die hier beklagte Emanzipation des Arbeiterjugendlichen beziehungsweise Lehrlings von überkommenen traditionellen Sozialisationsstandards, Erziehungs- und Verhaltensnormen legte den Gedanken an die „pädagogische Bedeutung eines geordneten Lehrlingswesens“ nahe (DIE PFLEGE DER … JUGEND 1894, 3). Damit geriet nicht zuletzt die Fortbildungsschule als eine Instanz in den Fokus, die außer ihrem Qualifizierungsauftrag eine unbestrittene Erziehungsaufgabe besaß (vgl. z.B. REINISCH 2001; PAHL 2004, 49 ff.) – selbstredend auch in Elberfeld-Barmen.

2.  Annäherung an das Thema

„Am 1. Mai des Jahres 1893 vertauschte ich die Schulbank mit dem Kontorschemel. Die Firma G. Wittenstein-Troost in Unterbarmen, eine weitbekannte Türkischrotgarn-Färberei und Handlung, suchte einen kaufmännischen Lehrling“ (STORCK 1960, 128). Mit diesen lakonischen Worten leitet der im Dezember 1877 in Elberfeld geborene VICTOR FRIEDRICH STORCK seine Erinnerungen an den ersten Arbeitstag als Kaufmannslehrling ein. Später erreichte STORCK eine gewisse Berühmtheit als Wuppertaler Mundartdichter, der in seinen Texten oft lokale Originale darstellte (siehe z.B. STORCK 1927 u. 1934). Wie auch immer: Bemerkenswert ist hier, dass er in seinen Jugenderinnerungen mit Ausnahme der oben zitierten Stelle darauf verzichtet, seine Erfahrungen als Lehrling detailliert zu beschreiben. Statt präzise Einblicke in damalige Lehrinhalte und -methoden zu vermitteln, porträtiert er lieber seinen Lehrherrn und Arbeitgeber EDUARD GUSTAV WITTENSTEIN (1848-1905) als einen zwar strengen, aber auch freundlich-wohlmeinenden Unternehmer mit großem sozialpolitischen Engagement (STORCK 1960, 146 f.).

Gleichwohl wird STORCKs lapidare Auskunft über seine Kaufmannslehre gerade durch das interessant, was sie verschweigt. So könnte die fehlende Information über inhaltliche und didaktisch-methodische Aspekte einer kaufmännischen Ausbildung zurzeit des Kaiserreichs den Gedanken erhärten, dass sich hier wenig getan hätte. Doch in Wirklichkeit verhielt es sich ganz anders, wie die zeitgenössischen Bemühungen des Elberfelder Kaufmännischen Vereins um die schulische Ausbildung der Handelslehrlinge belegen.

3.  Zum fortbildungsschulpolitischen Engagement des Elberfelder Kaufmännischen Vereins

Der Elberfelder Kaufmännische Verein konzentrierte sich nicht allein auf seine Funktion als eine berufsständische Interessenvertretung. Vielmehr verschränkte er damit eine richtungweisende Fortbildungsschulpolitik. Dabei knüpfte er an jene Initiativen an, die bereits am Ende des 18. Jahrhunderts verstärkt worden waren und darauf abzielten, die von Wuppertaler Kaufleuten als unbefriedigend bewertete Rolle der Kaufmannsschulen innerhalb der Ausbildung zu verbessern (JORDE 1903, 75 ff.; zum Kontext SIMON 1990, Bd. 2, 694 ff.). Doch trotz aller Bemühungen blieben die Probleme im Bereich der schulischen kaufmännischen Ausbildung in Elberfeld mittelfristig weitgehend ungelöst. Zu einem erheblichen Teil war dafür die besondere Regelung der Fortbildungsschulfrage für kaufmännische beziehungsweise Handelslehrlinge durch die preußischen Gewerbeordnungen verantwortlich (vgl. BRUCHHÄUSER/LIPSMEIER 1985, 12 ff.; SIMON 1990, Bd. 2, 864 ff.). So schloss § 154 Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 außer den Gehilfen und Lehrlingen der Apotheken auch diejenigen im Handelssektor von der Fortbildungsschulpflicht aus. Erst mit dem durch die Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 geänderten § 154 wurde dieser Personenkreis in die Fortbildungsschulpflicht einbezogen, allerdings auf der Basis ortsstatuarischer Bestimmungen. Neben den somit von den Kommunen eingerichteten Fortbildungsschulen konnten gemäß der Gewerbeordnung vom 26. Juli 1897 auch weitere in der Trägerschaft von Innungen, Innungsverbänden oder Handwerkskammern bestehen.

Diese Regelung galt allerdings nur für die gewerbliche Fortbildungsschule. Sie ist gleichwohl in Hinblick auf Elberfelder Verhältnisse insoweit interessant, als die dort gegründeten kaufmännischen Fortbildungsschulen nicht vergleichbare Innungsschulen waren, sondern von einem kaufmännischen Verein eingerichtet wurden. Ein kaufmännischer Interessenverband übernahm also in Elberfeld die Trägerschaft einer kaufmännischen Fortbildungsschule sowie den größten Teil der anfallenden Kosten, während die Restfinanzierung durch städtische und staatliche Zuschüsse gesichert wurde (TOUPS/ LEHMHAUS 1910, 382 f.).

Der Elberfelder Kaufmännische Verein hatte die Fortbildungsschule im Jahre 1885 gegründet (RhWW, 22-13-1; DOERR 1911). Verwaltet von der Abteilung für Fortbildung dieses Vereins, fanden die ersten privaten kaufmännischen Unterrichtskurse in dem Vereinshaus statt. Erst zwei Jahre später verfügte die Fortbildungsschule des Vereins über geeignete Räume in einigen Elberfelder Volksschulen. Dort wurden dann 56 Lehrlinge in den Fächern Buchführung, Stenographie, Französisch und Englisch unterrichtet. Die relativ geringe Teilnehmerzahl ist ein Indiz dafür, dass die Elberfelder Kaufmannsschaft keineswegs geschlossen die Notwendigkeit sah, ihren Berufsnachwuchs über den Rahmen der betrieblichen Ausbildung hinaus fachlich zu fördern. Nichtsdestoweniger gewann die Fortbildungsschule des Kaufmännischen Vereins nach und nach eine größere Akzeptanz unter den Prinzipalen. Diese spiegelt sich in der verdoppelten Schülerzahl sechs Jahre nach der Gründung der Schule wider. So besuchten 1891 insgesamt 118 junge Beschäftigte des Handelsgewerbes die kaufmännische Fortbildungsschule und wurden dort u. a. in „Deutsch, Handelskorrespondenz, … in einfacher, in doppelter Buchführung, im kaufmännischen Rechnen, in Französisch und Englisch und im Schönschreiben“ unterrichtet (DOERR 1911, 3 f.).

Dieser im Vergleich mit den Anfangsjahren der privaten kaufmännischen Fortbildungsschule erweiterte Fächerkanon verweist auf erhöhte berufliche Ansprüche im Handel wie auf die gewachsene Komplexität des Kaufmannsberufes. Demnach wurde das von zahlreichen Kaufmannsromanen des 19. Jahrhunderts transportierte idyllische (Leit-)Bild über die kaufmännische Arbeitsweise und Lehrlingsausbildung immer brüchiger. Sowohl die durchorganisierten kaufmännischen Abteilungen in modernen (Wuppertaler) Industriebetrieben, so bei den Farbenwerken Bayer (die übrigens den ersten kaufmännischen Lehrling im Jahre 1867 eingestellt hatten), als auch die Orientierung des Elberfelder Handels und Gewerbes auf internationale Märkte setzten ganz andere professionelle Standards, als in den oft sehr realitätsfernen zeitgenössischen Kaufmannsromanen beschrieben. Insoweit entsprach der erweiterte Fächerkanon der Fortbildungsschule des Elberfelder Kaufmännischen Vereins durchaus dem Wandel beziehungsweise Zuwachs beruflicher Anforderungen an den künftigen Handlungsgehilfen oder Kaufmann.

Dass es jedoch innerhalb der Elberfelder Kaufmanns- und Handelswelt auch Ressentiments gegenüber der privat organisierten schulischen Ausbildung des Kaufmannslehrlings gab, belegt der Aufruf des Kaufmännischen Vereins vom November 1898 zur „Theilnahme des hiesigen Kaufmannsstandes für die von ihm eingerichtete Fortbildungsschule“ (HANDELSKAMMER FÜR ELBERFELD, Dez. 1898, in RhWW, 22-13-1). Den Anlass dafür lieferte die Erkenntnis des Vereinsvorstandes, dass „die Bemühungen für angemessene Erhaltung und weitere Fortentwickelung der Kaufmännischen Fortbildungsschule seitens der Betheiligten nicht diejenige Unterstützung (finden), welche sie verdienen“ (Ebda.). In dieser Situation unterstützte die Elberfelder Handelskammer, die sich an dieser Schule seit 1887 finanziell zunehmend beteiligte (jährlicher Zuschuss von 400 Mark im Jahre 1887 über 800 Mark für 1888 und 1890 auf 1.000 Mark 1891 bis 1896; siehe DOERR 1911, 3), den folgenden Aufruf:

„… an die Firmen unserer Stadt wird das angelegentliche Ersuchen gerichtet, die zum Nutzen des Handelsstandes in's Leben gerufene Anstalt in jeder Weise zu fördern, die bei ihnen beschäftigten jungen Angestellten zum Besuch der Schule zu ermuntern und ihnen die Theilnahme an dem Fortbildungsschulunterrichte durch rechtzeitige Entlassung aus dem Geschäfte möglich zu machen“ (HANDELSKAMMER FÜR ELBERFELD 1898, in RhWW, 22-13-1).

Obwohl diese private Fortbildungsschule durch die Elberfelder Handelskammer, durch die Stadt und (mit einer Unterbrechung von 1893 bis 1896) durch die Königliche Regierung jährlich bezuschusst wurde, traf sie nicht auf die gewünschte Resonanz. Dabei waren die Subventionen durchaus beachtlich: So lag der städtische Zuschuss für diese Schule ab 1897 in Höhe von 600 Mark; zudem leistete die Regierung 1888 einen Zuschuss in Höhe von 500 Mark, den sie allerdings 1891 auf 450 Mark kürzte und 1893 ganz einstellte. Seit 1897 gab sie dann wieder einen jährlichen Zuschuss von 600 Mark (vgl. DOERR 1911, 3). War der Erfolg auch recht bescheiden, so hatte der Elberfelder Kaufmännische Verein mit seiner Fortbildungsschule doch einen entscheidenden Schritt in jene Richtung gesetzt, die darauf hinauslief, die kaufmännische Berufsausbildung in schulischen Bildungsgängen zu etablieren. Dass sich dem viele Lehrherren widersetzten, die den fortbildungsschulischen Unterricht für ihre Lehrlinge strikt ablehnten, änderte nichts an dem weiteren Aufbau dieser Bildungseinrichtung im Wuppertal des Kaiserreichs.

In diesem Zusammenhang besaßen die beiden Verhandlungen der Elberfelder Stadtverordnetenversammlung vom 4. November 1902 und 9. Januar 1903 einen großen Stellenwert. In ihnen wurde nämlich wieder an die in den 1870er Jahren gescheiterte Initiative für einen obligatorischen Fortbildungsschulunterricht angeknüpft. Angestoßen durch eine Denkschrift der Elberfelder Handelskammer zur Frage der fakultativen oder obligatorischen kaufmännischen Fortbildungsschule vom November 1901 (siehe COMMISSIONSSITZUNG betr. das kaufm. Fortbildungsschulwesen am 4. Nov. 1901, in RhWW, 22-13-1), erklärte die Stadtverordnetenversammlung in der oben genannten ersten Sitzung ihre grundsätzliche Zustimmung zur Errichtung einer obligatorischen Fortbildungsschule und setzte dieses Thema dann auf die Tagesordnung der erwähnten zweiten Sitzung (2. u. 3. Beilage zum TÄGLICHEN ANZEIGER FÜR BERG UND MARK 1903, 1 ff. bzw. 9 ff.). Ausdrücklich wurde dort dem Kaufmännischen Verein für sein Engagement für die kaufmännische Fortbildungsschule gedankt, zugleich aber angemerkt, dass es ausgeschlossen sei, dass „der kaufmännische Verein die Kurse weiterführen wird, wenn die Stadt solche einrichtet“ (2. Beilage zum TÄGLICHEN ANZEIGER FÜR BERG UND MARK, Nr. 14/1903, 2). Ein Hauptargument dafür war, „daß viele Prinzipale und Lehrlinge erkannt haben werden, daß [die] bis jetzt bestehenden Einrichtungen den berechtigten Anforderungen nicht genügen“, was mit dem Hinweis auf den „schlechten Besuch der Kurse des Kaufmännischen Vereins“ argumentativ untermauert wurde (3. Beilage zum TÄGLICHEN ANZEIGER FÜR BERG UND MARK, Nr. 14/1903, 9). Es wurde aber auch nicht verschwiegen, dass zahlreiche Vertreter des Handelsstandes kritisiert hätten, dass „bei dem Besuch der bisherigen Unterrichtskurse … den Lehrlingen zu viel Zeit verloren (ginge), die sie im Geschäft zubringen müßten“ (2. Beilage zum TÄGLICHEN ANZEIGER FÜR BERG UND MARK, Nr. 14/1903, 3).

Doch abgesehen davon legitimierten vor allem die beiden erstgenannten Kritikpunkte die Intention eines Großteils der Stadtverordnetenversammlung: Es ging darum zu beschließen, dass die private durch eine öffentliche obligatorische Fortbildungsschule abgelöst werden und gleichermaßen eine kaufmännische wie gewerbliche Abteilung erhalten sollte. Die diesbezügliche Aussprache war sehr heftig und kontrovers. So wurde zum einen argumentiert, dass der durch den Schulbesuch verursachte Zeitverlust für die betriebliche Lehrlingsausbildung nicht hinnehmbar sei. Gegen diese Sichtweise wurde zum andern die enorme Wichtigkeit einer „für den Kaufmannsstand bestimmte[n] Schuleinrichtung unserer Kaufmanns- und Handelsstadt“ betont und daran appelliert, Folgendes zu berücksichtigen: Für die Schule sei deshalb „ein wirkliches Bedürfnis vorhanden“, weil es bei den „heutigen gänzlich veränderten Geschäftsverhältnissen ... ein Ding der Unmöglichkeit (ist), daß der Prinzipal sich, wie in früheren Zeiten, persönlich mit der Unterweisung seiner Lehrlinge im einzelnen befaßt“ (2. u. 3. Beilage zum TÄGLICHEN ANZEIGER FÜR BERG UND MARK, Nr. 14/1903, 3, 9 u. 10). Diese Auffassung, die überkommene Ausbildungsverhältnisse verabschiedete, setzte sich schließlich durch. Am 9. Januar 1903 fasste die Elberfelder Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich den Beschluss, eine obligatorische – kaufmännische – Fortbildungsschule einzurichten. Damit war eine wichtige Voraussetzung erfüllt, um schließlich zwei Jahre später das Ortsstatut für die städtische obligatorische Fortbildungsschule zu Elberfeld vom 31. März 1903 in Kraft setzen zu können, das nach zwei weiteren Jahren durch ein modifiziertes Ortsstatut (vom 13. November 1905) ersetzt wurde (vgl. die STATUTEN in RhWW, 22-13-3). Stieg die Schülerzahl der kaufmännischen Fortbildungsschule in Elberfeld kontinuierlich an, wurden gleichzeitig die Lehrpläne wiederholt modifiziert. Notwendigerweise wurden die Unterrichtsgegenstände an die qualifikatorischen Anforderungen für das kaufmännische Personal angepasst.

Zusammengefasst verdeutlicht das Engagement des Elberfelder Kaufmännischen Vereins für die schulische Ausbildung des Handelslehrlings, dass es ihm dabei vor allem auf die Qualifikationsfunktion der Fortbildungsschule ankam. Zwar hoben Kritiker der vereinseigenen Schule hervor, dass diese den damals modernen Ausbildungsanforderungen nicht gerecht werde, aber dieser Vorwurf diente keineswegs dem Interesse an einer verbesserten schulischen Lehrlingsausbildung, sondern vielmehr als Legitimation für den traditionell verfestigten Anspruch des Lehrherrn an die unbeschränkte Verfügungsgewalt über die Arbeitskraft und -zeit seines Lehrlings. Dass aber ausgerechnet die betriebliche Ausbildung anforderungs- und bedarfsgerecht sei, bestritt der Kaufmännische Verein vehement. Somit setzte er stark auf die von ihm verwaltete Fortbildungsschule als jenen zweiten Lernort, an dem die praktische Ausbildung im Betrieb theoretisch ergänzt und solide untermauert werden sollte. Freilich war damit ein spezifisches standespolitisches Interesse untrennbar verbunden. Dessen zentrales Motiv bestand darin, qua solider Berufsausbildung den Erhalt der ökonomisch wie gesellschaftlich wichtigen Schlüsselposition der Wuppertaler Kaufmannsschaft zu gewährleisten.

Die Elberfelder Stadtverordnetenversammlung wiederum baute zwar mit ihrem oben genannten Beschluss zur Einrichtung einer obligatorischen kaufmännischen Fortbildungsschule auf den Bemühungen des Kaufmännischen Vereins auf, löste aber damit zugleich die Schule aus ihrer privaten Einflusssphäre heraus. In diesem Vorgehen manifestierte sich nach der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert der immer stärkere öffentliche Anspruch an die Erziehung und berufliche Ausbildung der erwerbstätigen Jugend (vgl. einschlägige Akten zur Entwicklung des Wuppertaler Fortbildungsschulwesens in SCHULHISTORISCHE SAMMLUNG WUPPERTAL, ferner LANGE-APPEL/ WAHLE 1993 und über den regionalen Rahmen hinaus WAHLE 2007). Dieses ausbildungspolitische Programm betraf nicht allein den kaufmännischen Zweig der Fortbildungsschule, sondern genauso deren gewerbliche Abteilung.

So wurde in Elberfeld bereits im Juli 1888 die Einrichtung einer städtischen gewerblichen Fortbildungsschule nach langen Auseinandersetzungen von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, die im Dezember desselben Jahres ihren Unterricht aufnahm (dazu BOODSTEIN1910, 165 ff., TOUPS/ LEHMHAUS 1910, 381 ff., StA WUPPERTAL, J. VIII 79). Und genau in diesem Kontext stand die oben erläuterte Debatte der Elberfelder Stadtverordnetenversammlung zur Fortbildungsschulfrage mit dem Ergebnis, dass am 10. Februar 1903 die Einrichtung einer obligatorischen berufsbildenden Schule beschlossen wurde. Im Schuljahr 1903/04 eröffnet, umfasste diese Schule unter einem Dach einen gewerblichen wie kaufmännischen Zweig; im Jahre 1907 wurden diese beiden Bildungsgänge zugunsten der Institutionalisierung einer jeweils eigenständigen kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungsschule voneinander getrennt.

4.  Zur städtischen Fortbildungsschule in Barmen

Dem Entwicklungs- und Institutionalisierungsprozess der obligatorischen Fortbildungsschule in Elberfeld hinkte die Nachbarstadt Barmen um ein Jahr hinterher. Dort wurde eine städtische gewerbliche Fortbildungsschule im Jahre 1889 errichtet (ZEHME 1888 u. 1957, 20 ff.; StA WUPPERTAL, L III 28A; Ebda., L III 75; HStA DÜSSELDORF, Reg. Düsseldorf, 21942-21944). Genauso wie in Elberfeld war dabei die in den 1880er Jahren seitens der rheinischen Provinzialregierung intensivierte Diskussion der Lehrlingsfrage vorausgesetzt. So unterstrich die Regierung in Düsseldorf zum Beispiel in einer Stellungnahme zur Regelung des Lehrlingswesens vom 6. Februar 1886, dass es verstärkt darauf ankomme, dass die „wesentlichen Seiten des Lehrverhältnisses befriedigend geregelt werden“ (REGIERUNG ZU DÜSSELDORF, 6. Feb. 1886, in StA WUPPERTAL, J VIII 79). Demnach sei es unverzichtbar, dass „a, eine ordnungsgemäße technische und gewerbliche Ausbildung geführt, b, auch für die sittliche Zucht der Lehrlinge Sorge getragen, c, den Lehrherren die Verpflichtung auferlegt wird, ihre Lehrlinge zu dem Besuche bestehender Fach- und Fortbildungsschulen, mögen dieselben von der Innung selbst oder von anderer Seite errichtet sein, auszuhalten“ (Ebda.). Wie der betrieblichen war somit auch der schulischen Ausbildung eine doppelte Funktion zugedacht: Im Zentrum stand jeweils die Qualifizierung und Sozialisation der erwerbstätigen männlichen Jugend.

Insoweit schoben sich in Bezug auf die Fortbildungsschulfrage im Wuppertal des Kaiserreichs drei Aspekte in den Vordergrund: erstens die Notwendigkeit einer soliden Berufslehre, zweitens das Problem des erzieherischen Einflusses auf den Lehrling und drittens das adäquate Verhältnis von betrieblicher und schulischer Lernzeit. Dass dabei wesentliche Anstöße zur Diskussion des Fortbildungsschulthemas nicht nur aus Barmen selbst, sondern zudem von außerhalb kamen, zeigt u. a. der an den Oberbarmer Oberbürgermeister adressierte Revisionsbericht des Regierungsschulrats HILDEBRANDT vom 3. Januar 1883. Dieser bezog sich auf einen Besuch der von dem „Allgemeinen Bürgerverein zu Mittel-Barmen“ getragenen Fortbildungsschule und bemerkte:

„Im Alter von 14 - 16 Jahren ist der Mensch von Natur aus träge, hat kein Bewusstsein vom … Werth der Bildung und sucht die Fortbildung nur, wenn er sie als nützlich oder interessant erkennt. Den allgemeinen Bildungswerth der Physik erkennen die dem Handwerkerstande angehörigen Zöglinge … nicht; eine unmittelbare Bedeutung für ihren Beruf liegt nicht vor; daher findet dieses Fach sowenig Anklang, solange der Besuch der betreffenden Unterrichtsstunden nicht obligatorisch ist“ (zit. nach ZEHME 1957, 24).

Mit diesen Worten wird betont, dass die Fortbildungsschule gleichermaßen eine Bildungs- wie Erziehungseinrichtung sei und dazu beitragen solle, die Kenntnisse des Lehrlings zu erweitern – und zwar über die Grenzen des beruflich direkt verwertbaren Wissens hinaus. Die Pointe des Berichts besteht in dem Votum, dass der Aufbau obligatorischer Fortbildungsschulen in städtischer Trägerschaft forciert werden müsse. Dieser Position schloss sich die Mehrheit der Barmer Stadtvertreter an, wie u. a. das Protokoll der Sitzung der städtischen Schuldeputation am 5. November 1888 belegt. Danach wurde die von dem Stadtschulinspektor WINDRATH erarbeitete „Vorlage eines Planes zur Errichtung von Fortbildungsschulen“ verhandelt und dabei die Bedeutung dieser Institution für die Entwicklung des lokalen Handwerks und der ortsansässigen Industrie herausgestellt (HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21942).

Schließlich wurde in Barmen, wie erwähnt, die städtische Fortbildungsschule mit einem gewerblichen und kaufmännischen Zweig im Jahre 1889 etabliert. Ausbildungsgeschichtlich interessant ist daran, dass gleichzeitig ein besonderes Projekt zur schulischen Berufsausbildung im Wuppertal zerschlagen wurde: die im März 1889 eröffnete Fortbildungsschule des „Barmer Maler- und Anstreichergehülfen-Vereins“, die spezielle Unterrichtskurse für Lehrlinge anbot. Dazu teilte der Barmer Oberbürgermeister dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten in einem Schreiben vom 20. November 1889 Folgendes mit:

„Ueber das Thun und Treiben der Schule habe ich nichts in Erfahrung bringen können. Einer von den Unterricht haltenden Gehülfen huldigt socialdemokratischen Auffassungen … Der Vorstand des hiesigen Maler- und Anstreicherbundes beantragte … die Aufhebung der genannten Fortbildungsschule … Der Vorstand ist der Ansicht, daß es … nicht statthaft sei, jungen Leuten, die selbst in ihrer beruflichen Ausbildung noch unfertig sind, einen größeren Einfluß auf die Ausbildung von Lehrlingen einzuräumen …“ (OBER-BÜRGERMEISTER-AMT (BARMEN), 20. Nov. 1889, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21942).

Die Antwort aus Düsseldorf war eindeutig: Der Gesellenverein dürfe ohne staatliche Erlaubnis keinen Unterricht anbieten; weil diese nicht vorliege, müsse die betreffende Schule geschlossen werden (REG.-PRÄS. DÜSSELDORF, 18. März 1890, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21942). Die damit entstandene Lücke wurde durch das Unterrichtsangebot der städtischen Fortbildungsschule geschlossen. Über diese Aspekte hinaus ist ein weiterer Punkt bedeutsam: die in dem Schreiben des Oberbürgermeisters anklingende Sorge, dass die Barmer Lehrlinge möglicherweise sozialdemokratisch indoktriniert werden könnten. Diese 'Gefahr' bestand in den städtischen Einrichtungen nicht. Vielmehr kam es (nicht nur) der Barmer Fortbildungsschule darauf an, außer beruflichen (Fach-)Kenntnissen auch soziale Verhaltensstandards zu vermitteln, die dem bürgerlichen Normen- und Werteverständnis entsprachen. Mit ihrem Qualifikationsauftrag fiel also die Sozialisationsfunktion der Barmer Fortbildungsschule zusammen. In dieser Hinsicht sind der Organisationsplan, die Satzungen und Schulordnung eindeutig. So bestimmt § 1der Satzungen der Barmer Fortbildungsschulen von 1891/92: „Die städtischen Fortbildungsschulen sollen jungen Leuten Gelegenheit geben, sich in den für ihren gewerblichen Beruf und für das Leben erforderlichen Kenntnisse[n] und Fertigkeiten weiter zu bilden“; und das bedeutete, sich nicht nur mit den Gegenständen „Deutsch und Geschäftsaufsätze, Rechnen und Buchführung, Freihandzeichnen, Geometrie, Geometrisches Zeichnen, Fachzeichnen“ zu beschäftigen, sondern zudem Gehorsam, Pünktlichkeit, Fleiß, sittlichen Anstand aufzubringen und auf Tabak- und Alkoholkonsum zu verzichten (vgl. SATZUNGEN und SCHULORDNUNG v. 1891/92).

Soweit zum Profil der städtischen Fortbildungsschulen in Barmen, deren Erziehungsauftrag weit über berufsbezogene Ziele hinausreichte. Trotz deren Einrichtung behielten indes mehrere private Vereine wie zum Beispiel der evangelische Jünglings- und Männerverein Wichlinghausen oder der katholische Gesellenverein das Recht, gewerbliche Unterrichtskurse abzuhalten; zudem existierten diverse Barmer Fortbildungsschulen in der Trägerschaft einzelner Innungen (siehe HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21943).

Ein tiefer Umbruch erfolgte dann im Jahre 1904, als sich die Stadtverordneten-Versammlung darauf einigte, „die wiederholt angeregte Einführung des obligatorischen kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungsschulunterrichts zu beschliessen“ und erklärte: „Die Einführung ist für das Jahr 1905 gedacht“ (OBERBÜRGERMEISTER BARMEN, 18. Mai 1904, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21943). Gleichzeitig scheiterte der Versuch, eine „einheitliche Regelung des Fortbildungsschulwesens mit Elberfeld und die Anstellung eines gemeinsamen Direktors für die Fortbildungsschulen in Barmen und Elberfeld“ durchzusetzen: Beides galt als undurchführbar (PROTOKOLL über die 25. Sitzung der Schulverordneten-Versammlung (Barmen) am 25. Okt. 1904, 7, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21943). Allerdings wurde in das Ortsstatut für die obligatorische Barmer Fortbildungsschule der Paragraph 4 des Elberfelder Statuts fast wörtlich übernommen und damit dem Schulvorstand ermöglicht, schulpflichtige Schüler aus bestimmten Gründen vom Schulbesuch zu befreien (vgl. ORTSSTATUT, Barmen, 18. Nov. 1904, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21943). Diese Regelung verstieß gegen das Prinzip der allgemeinen Schulpflicht, so dass das Barmer Statut auf Weisung des Regierungspräsidenten vom 3. Dezember 1904 überarbeitet werden musste. Das sodann am 1. April 1905 in Kraft getretene Ortsstatut für die städtische obligatorische Fortbildungsschule in Barmen dehnte die Schulpflicht auf alle „im Bezirk der Stadt Barmen in gewerblichen Betrieben … nicht bloß vorübergehend beschäftigten männlichen Arbeiter, Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge … bis zum Ablauf desjenigen Schuljahres, in welchen sie das 17. Lebensjahr vollenden“, aus (§ 1 ORTSSTATUT v. 17. Jan. 1905, in Schulhistorische Sammlung Wuppertal, 003 a).

Damit stieß die Stadt an die Toleranzgrenze vieler Eltern und Gewerbetreibender. Im Bürgermeisteramt häuften sich Schreiben, in denen besorgte Mütter und Väter für ihre Söhne eine Befreiung von der Fortbildungsschulpflicht beantragten. So schrieb beispielsweise eine Mutter, sie sei froh, dass ihr Sohn „etwas verdient, [er] ist schon ein Jahr bei Max Flamm[e] … am arbeiten, durch diesen Fall [d.h. die Fortbildungsschulpflicht, d.Vf.] würde ihn die Firma entlassen und er würde bis 17 Jahre auf der Straße herum laufen [,] denn die meisten Fabrikanten wollen die Jungen nicht mehr beschäftigen“ (Brief der Frau ANG. STRAUCH aus Unterbarmen v. 21. Dez. 1904, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21944). Meldeten sich die Arbeitgeber zu Wort, dann so oder ähnlich:

„dass man wohl die facultative Fortbildungsschule für nützlich betrachte, aber die Einführung des obligatorischen Unterrichts während der Tagesstunden nicht als empfehlenswert, namentlich für den kleinen Geschäftsmann, ansehen könne. Nach unserer Meinung ist es Sache der Schule, den jungen Mann auf seinen Beruf vorzubereiten und genügt der genossene Unterricht für die kaufmännische Laufbahn nicht, so dürfte die Vorbereitung durch eine kaufmännische Fachschule vor Eintritt in die Lehre zu empfehlen sein; welche in einem Jahre zweifelsohne bessere Resultate erzielen würde, als der Fortbildungsschulunterricht im Cyclus in 3 Jahren … Die obligatorische Fortbildungsschule mit Tagesunterricht nimmt dem Lehrling überdies einen Teil der Zeit [,] die er braucht [,] um … im Geschäft zu lernen … der kleinere Geschäftsmann ist nicht in der Lage, sich Ersatz für den Lehrling zu verschaffen, während der Zeit [,] in welcher dieser die Schule besucht.“ (VEREIN DER LADENBESITZER BARMENS 1904, 1)

Zwei Punkte sind bei dieser Beschwerde interessant: Zum einen wird der qualifikatorische Aspekt der Kaufmannslehre stark unterstrichen und, sei es bewusst oder deshalb, weil es gar nicht im Horizont der Barmer Kaufleute lag, kein Wort über deren Sozialisationsfunktion verloren; zum andern wird auf eine der Lehrzeit vorgelagerte, berufsvorbereitende Ausbildung im allgemein bildenden Schulwesen abgehoben (zur aktuellen Variante dieser Forderung vgl. WAHLE 2007, 204 f.) und damit zugleich ein Argument angeführt, das die Praxis der zeitlich unbeschränkten Verwendung des Lehrlings im Betrieb befürwortet. Dem insoweit reklamierten Anspruch an die freie Disposition des Lehrherrn über die Arbeitszeit des Lehrlings stand indes die gesetzlich fixierte Integration der schulischen Ausbildungs- in die betriebliche Lehrzeit strikt entgegen. Schon darum nahm sich die Stadt nichts von der Kritik der Barmer Gewerbetreibenden an der obligatorischen Fortbildungsschule an – und brauchte es zudem auch gar nicht, weil die Schule innerhalb kurzer Zeit etabliert war. So wurde festgestellt, dass „bereits im ersten Jahre 230 Schüler in der kaufmännischen und 1350 Schüler in der gewerblichen Fortbildungsschule vorhanden (sind), so daß auf Grund dieser Zahlen die Schulen nach vollem Ausbau gering gerechnet sicherlich 700 bezw. 3600 Schüler haben werden“ (OBERBÜRGERMEISTER BARMEN am 18.12.1905, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21944). Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass „eine große Anzahl von Gewerbetreibenden wünschten, die Unterrichtsstunden für ihre jungen Leute auf den Vormittag oder die frühen Nachmittagsstunden festgesetzt zu haben … Da vom erziehlichen und sozialpolitischen Standpunkte aus ein solcher Stundenplan ganz besonders günstige Resultate erwarten läßt, war er nur zu begünstigen“ (Ebda.). Dass Jugendliche nach Unterrichtsschluss abends unkontrolliert durch die Stadt streifen könnten, widersprach demnach allen Moralvorstellungen und Erziehungsdevisen.

Wenn in Barmen kurz nach der Jahrhundertwende im Zusammenhang mit der schulischen Ausbildung der männlichen Arbeiterjugend die Erziehungsfrage angesprochen wurde, dann war das in erster Linie, wie dieser Text und die oben zitierten Quellen zur städtischen Fortbildungsschulpolitik zeigen, ein Thema der Bürokratie beziehungsweise der lokalen politischen Führungsschicht. Dafür mag es in deren Perspektive gute Gründe gegeben haben, die vor allem mit der immer wieder beschworenen Gefahr zusammenhingen, dass die Arbeiterjugend angeblich besonders dann, wenn sich niemand um sie bemühe, gegen die bestehende Ordnung verstoßen würde. Viele der Betriebsbesitzer hatten dagegen, soweit sie sich zu diesem Thema überhaupt öffentlich äußerten, ganz andere Sorgen: Ihnen kam es primär darauf an, ihre jugendlichen Arbeiter und/oder Lehrlinge an den Arbeitsplatz zu binden und sie eben nicht, so wie es die in dem oben zitierten Schreiben erwähnten Unternehmer taten, für den Fortbildungsschulbesuch freizustellen. „Leider können sich viele Prinzipale immer noch nicht mit der Schulordnung befreunden“, beklagte darum im Februar 1907 der Barmer Oberbürgermeister und fügte hinzu: „Sie halten ihre fortbildungsschulpflichtigen Lehrlinge häufig aus geschäftlichen Gründen … vom Schulbesuche ab“ (OBLIGATORISCHE KAUFMÄNNISCHE FORTBILDUNGSSCHULE, 26.2.1907, in HStA Düsseldorf, Reg. Düsseldorf, 21944). Übereinstimmungen mit aktuellen Verhältnissen sind nicht völlig ausgeschlossen; zumindest ist nicht zu bestreiten, dass die Berufsschule nach wie vor gegenüber dem betrieblichen Lernort im Hintertreffen liegt. Das heißt: Die gegenwärtige periphere Stellung der Berufsschule im Dualen Ausbildungssystem verweist darauf, dass das Kaiserreich bis heute tiefe Spuren auf dem Feld der Berufsausbildung hinterlassen hat (vgl. PÄTZOLD/ WAHLE 2003, 476 f. u. 481; WAHLE 2007, 201 ff.).

5.  Zwischenfazit

Die Diskussion über die schulische Ausbildung der männlichen Arbeiterjugend im Wuppertal zurzeit des Kaiserreichs spielte sich auf mindestens drei, manchmal miteinander verschränkten Ebenen ab. Einmal ging es dabei, wie das Beispiel des Elberfelder Kaufmännischen Vereins zeigt, um standespolitische Interessen, mit denen ein verstärktes Engagement von Wuppertaler Lehrherren für die qualifizierte Ausbildung ihrer Lehrlinge verkoppelt wurde. Zum zweiten spielte das Erziehungsproblem eine wichtige Rolle. In diesem Kontext war die Integration von Teilen der Berufsausbildung in die städtischen Fortbildungsschulen Elberfeld-Barmens das Kernstück einer gleichermaßen bildungs- wie jugendpolitischen Strategie, die darauf abzielte, die männliche erwerbstätige Wuppertaler Jugend zumindest zeitweise in öffentlichen Räumen unter die Kontrolle von Erwachsenen, sprich von Fortbildungsschullehrern zu stellen. In diesem Sinne wurde die Fortbildungsschule nicht allein als ein Lernort ausgewiesen, an dem berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt und vertieft werden sollten, sondern ihr war darüber hinaus die Funktion einer Sozialisationsagentur zugedacht. Die von daher als eine ihrer zentralen Aufgaben angesehene Vermittlung system- und normgerechter Einstellungs- und Verhaltensstandards fiel zweifellos mit dem bürgerlichen Hegemonialanspruch an die Arbeiterjugend zusammen. Drittens entzündete sich an dem Thema der schulischen Ausbildung des Barmer-Elberfelder Lehrlings und/oder jugendlichen Arbeiters die Kritik der örtlichen Unternehmer an der zwar nicht grundsätzlich, aber doch wenigstens temporär eingeschränkten Dispositionsfreiheit über die Arbeitszeit und -kraft ihrer minderjährigen Beschäftigten. Insoweit erhielt jene im Wuppertaler Arbeitgeberlager kaum umstrittene Position einen Sinn, wonach es als angemessen galt, den Lehrling und jugendlichen Arbeiter selbst zu beschulen. Die von den eigenen Standesorganisationen getragenen Fortbildungsschulen erhielten demzufolge oft einen enormen Sympathievorschuss vor öffentlichen Einrichtungen. Die jahrzehntelang erstaunlich unproblematische Koexistenz von privaten und öffentlichen Fortbildungsschulen in Elberfeld-Barmen wurde jedoch dann zu einem Thema, als der Etablierungsprozess der städtischen obligatorischen Fortbildungsschule abgeschlossen war. Das bedeutet: Die von den Elberfelder-Barmer Schuldeputationen lange angebahnte Neu strukturierung des beruflichen Schulwesens am jeweiligen Ort und damit in jeder der beiden Nachbarstädte konnte von den Wuppertaler Unternehmern nicht verhindert werden.

6.  Erträge der Untersuchung der Wuppertaler Ausbildungsgeschichte: Zum Stellenwert berufspädagogisch-historischer Regionalstudien innerhalb der Historischen Berufsbildungsforschung

Das obige Fazit zur Lage der schulischen Berufsausbildung im Wuppertal des Kaiserreichs verweist darauf, dass die Historische Berufsbildungsforschung im Kern auf die Analyse und Interpretation vergangener Ausbildungswirklichkeiten beziehungsweise Ausbildungsverhältnisse abstellt (vgl. PÄTZOLD/ REINISCH/ WAHLE 2000). So liegt der Akzent berufspädagogisch-historischer Forschung als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft auf der Frage nach der Gestaltung von Bildungs-, Erziehungs- und Sozialisationsprozessen im Medium von Arbeit und Beruf in verschiedenen Epochen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei immer auch das komplexe Verhältnis von Individuum und Arbeitswelt, womit sich eine Vielzahl an Untersuchungsfeldern öffnet. Die Untersuchung der darin angesiedelten Gegenstände, Verhältnisse und Problemdimensionen geht weit über ein bloßes erziehungswissenschaftliches (Erkenntnis-)Interesse an vergangenen Ausbildungsverhältnissen hinaus. So besitzt die Analyse historisch-konkreter Lagen der Berufsausbildung, ihrer Entwicklung und der in den geschichtlichen Prozess eingebetteten Veränderungen einen hohen Wert für das tiefere Verständnis gegenwärtiger ausbildungsspezifischer Sachverhalte und der damit verbundenen berufspädagogischen wie ausbildungspolitischen Herausforderungen. Demnach hat die Historische Berufsbildungsforschung innerhalb der vielfältigen Wissenschafts- und Praxisfelder der Berufs- und Wirtschaftspädagogik eine unverzichtbare Funktion: Sie stellt der Disziplin Wissen zur Verfügung, das über die historisch-gesellschaftliche Realität von Arbeit und Beruf und die darauf bezogenen Qualifikations- und Sozialisationsprozesse aufklärt. Insoweit bietet die berufspädagogische Historiographie konstruktive Orientierungs- und Deutungshilfen hinsichtlich aktueller und zukünftiger ausbildungsrelevanter Fragen an.

Dass berufspädagogisch-historische Erkenntnisse und Befunde keineswegs nur Impulse für die weitere Auseinandersetzung mit besonderen geschichtlichen Details liefern, sondern dass deren (Gebrauchs-)Wert viel höher ist, kennzeichnet (implizit) auch die Intention des vorliegenden Beitrags. In diesem Sinne geht es über die hier thematisierten regionalgeschichtlichen Aspekte hinaus insgesamt darum, Kontinuitäten und Diskontinuitäten von Ausbildungs- und Berufsfeldaktivitäten sowie von Entwicklungen der Berufserziehung, der beruflichen Sozialisation und Qualifizierung so zu thematisieren, dass erziehungswissenschaftlich-historische Befunde aktuelle Fragen klären hilft und dementsprechend aussagekräftige Interpretations- sowie Verstehensangebote macht. Dafür ist konstitutiv, dass Berufsbildungsgeschichte und Berufsbildungstheorien als Teil einer sozialen Geschichte der Arbeit, ihrer Organisationsmuster, der Veränderung ihrer strukturellen Rahmenbedingungen und ihrer ideologischen Legitimationen analysiert und interpretiert werden.

Zweifellos sind in diesem Kontext berufspädagogische Untersuchungen in regionalgeschichtlicher Perspektive aufschlussreich. So macht zum Beispiel die Analyse einzelner historisch-konkreter Facetten der beruflichen Ausbildungsfrage im Wuppertal zurzeit des Kaiserreichs plausibel, dass die Geschichte der berufspädagogischen, jugendpflegerischen und sozialpolitischen Bemühungen um den ortsansässigen Lehrling um die beiden Pole Fremdbestimmung und Motivation zur Selbstbestimmung der Arbeiterjugend kreiste (DIETZ/ LANGE/ WAHLE 1996). In dieser Hinsicht ergibt sich als ein zentraler Befund, dass die (berufs-)erzieherischen Leitbilder, die für und über diese Gruppe entworfen wurden, nur in Nuancen voneinander unterschieden waren. Die Prämissen der diesbezüglichen Argumentation vermeintlich konkurrierender gesellschaftlicher Teilkräfte, wie Lehrherren, Fortbildungsschulleute, private Wohlfahrtsvereine und kirchliche Lehrlingsvereine, hatten ebenso wie die Bilder, die Erwachsene von den Jugendlichen entworfen haben, eines gemeinsam: Die Selbstbestimmung der erwerbstätigen Jugend war absolut ausgeschlossen. Demnach gestanden sich Erwachsene gleich welcher sozialen, politischen und/oder kirchlichen Zugehörigkeit ein Interpretationsmonopol zu, aufgrund dessen unterschiedliche Problemlagen der Arbeiterjugend festgestellt, beurteilt und gelöst werden sollten (LANGE-APPEL/ WAHLE 1993). Ähnlichkeiten mit aktuellen Klagen über vermeintliche Gefahren und Bedrohungen, denen heutige Heranwachsende angeblich ausgesetzt seien, und mit darauf abzielenden Lösungsvorschlägen liegen durchaus nahe.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich besonders in Hinblick auf den männlichen Wuppertaler Arbeiterjugendlichen/Lehrling Folgendes. Die an diese Zielgruppe adressierten jugendpolitischen und berufserzieherischen Programme und entsprechende Initiativen (beispielsweise der kirchlichen Jünglings- und Lehrlingsvereine, privater sozialer Fürsorgevereine und der Lokalpolitik) basierten auf einem in der Regel sensationell aufgemachten und undifferenzierten Bild. In dieser Perspektive erschien der Lehrling/jugendliche Arbeiter im Unterschied zu dem Gymnasiasten als körperlich und moralisch verwahrlost, als sittlich gefährdet, als respektlos und rebellisch. Diese negative Projektion der erwerbstätigen Jugend beziehungsweise des Lehrlings als Risiko, Gefahr und Bedrohung des obrigkeitlichen Systems der Wilhelminischen Gesellschaft und der daraus deduzierten Erziehungsansprüche und -normen, wie Ordnung, Disziplin, Gehorsam und Fleiß, profilierte einen pädagogischen Auftrag, dessen zentrale Elemente Fürsorge, Berufserziehung und Ausbildung waren (vgl. WAHLE 1994 u. 1996).

So unterschiedlich die jeweiligen Bemühungen um die männliche Wuppertaler Arbeiterjugend im Einzelnen auch immer waren, so sehr verwiesen sie gemeinsam auf die Relevanz der beruflichen Erziehung und Ausbildung als Beitrag zur Integration des Heranwachsenden in die damalige Arbeits- und Leistungsgesellschaft. Diese unter bürgerlichen Vorzeichen stehende Arbeiterjugendpolitik war eng verkoppelt mit den Begriffen Arbeitsethik, Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. In diesem Sinne wurde Arbeit ein hoher Wert als Erziehungsmittel zugewiesen und damit ein jugendpolitisches Konzept vorgelegt, das kurz vor der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert ein zusehends genuin berufspädagogisches Profil gewann. Dabei spielten die beiden Lernorte Fortbildungsschule und Betrieb eine tragende Rolle. Insbesondere in dem beschleunigten Industrialisierungsprozess im Wuppertal zurzeit des Kaiserreichs rückte bei allem Festhalten an der Sozialisationsfunktion der Lehre sukzessive deren Qualifikationsfunktion in den Vordergrund. Vor allem in den Wuppertaler Fabriken, seltener im Klein gewerbe, doch auch in den obligatorischen örtlichen Fortbildungsschulen ging es spätestens seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts immer stärker um die solide berufliche Qualifizierung des zukünftigen Facharbeiters, nichtsdestoweniger aber immer auch um seine berufliche Erziehung unter dem Anspruch der Integration in das bestehende Ordnungs- und Normativgefüge.

Damit ergibt sich der folgende quellenmäßig abgesicherte Befund: Die aufgebotenen Initiativen zur (beruflichen) Erziehung, Sozialisation und Ausbildung des Lehrlings besaßen eine große Spannbreite. Dominant war dabei die These von der Erziehungs- und Schutzbedürftigkeit des erwerbstätigen Jugendlichen. Dementsprechend konzentrierten sich die geballten jugendpflegerischen und -politischen Aktivitäten darauf, den jugendlichen Arbeiter und Lehrling unter erwachsenem Normalitätsdruck an gegebene Ordnungsverhältnisse anzupassen. Im zeitgenössischen Kontext war damit zugleich eine stabile Legitimationsbasis für verstärkte 'Zugriffe' auf die volksschulentlassene Jugend geschaffen, die schließlich um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert ein immer schärferes berufspädagogisches Profil erhielten: Berufserziehung und -ausbildung wurden zusehends als Schlüssel zur adäquaten Lösung der Arbeiterjugendfrage angesehen und anerkannt.

Diese Aspekte veranschaulicht zu keinem geringen Teil das (Fall-)Beispiel der Arbeiterjugend im Wuppertal des Kaiserreichs. An ihm wird auf besondere Weise klar, welche Intention die Jugendpolitik und -pflege auf der einen Seite und auf der anderen die Lehrlingsausbildung im Kontext der Formation der industriekapitalistischen Gesellschaft verfolgten und welche Effekte sie besaßen. Beide wurden als Eckpfeiler auf dem Weg der gesellschaftlichen Modernisierung diskutiert, auf dem man durch die richtige Lenkung den Heranwachsenden im Sinne der als sakrosankt geltenden Normativpostulate erziehen und fördern wollte. Von daher wurden schließlich berufserzieherische Perspektiven und berufliche Qualifizierungsansprüche zusehends enger miteinander verschränkt. Allerdings war der insoweit abgeschlossene Entwicklungsprozess der Sozialdisziplinierung der Jugend in ihrer anfänglich jugendpflegerischen Form zu einem berufspädagogischen Konzept durch Ambivalenzen gekennzeichnet. Während einerseits die Überwindung traditioneller Orientierungen und Gepflogenheiten im beruflichen Ausbildungssektor eng mit dem Aufbau der industriekapitalistischen Arbeitsgesellschaft verkoppelt war, wurden andererseits überkommene Traditionen als Schutz vor dem mehr oder weniger diffuse Ängste auslösenden sozialökonomischen, gewerbestrukturellen und kulturellen Wandel im Industriezeitalter hoch gehalten.

7.  Fazit

Die Relevanz und Anschlussfähigkeit der oben zusammengefassten Ergebnisse an künftige berufspädagogisch-historische Forschungsprojekte ist insoweit gegeben, als diese zum einen auf das breite Spektrum der Gegenstände und Themen der aktuellen Historischen Berufsbildungsforschung verweisen. Zum andern unterstreicht der oben skizzierte Ertrag der Analyse der Ausbildungsfrage im Wuppertal zurzeit des Kaiserreichs die Bedeutsamkeit der Historischen Berufsbildungsforschung. Diese besteht keineswegs zuletzt darin, dass die fraglichen Befunde auch in Hinblick auf heutige jugend- und ausbildungspolitische Problemlagen und darauf gerichtete Lösungsansätze aufschlussreich sind. Der Nutzen und Ertrag einer berufspädagogisch-historischen Untersuchungskonzeption, die ihren Untersuchungsrahmen nicht auf berufsbildungsspezifische Aspekte im engeren Sinne verkürzt, sondern diesen vielmehr um gesellschafts-, politik-, wirtschafts-, kultur- und institutionengeschichtliche Ereignisse und Diskurse erweitert, liegt demzufolge darin, dass Historische Berufsbildungsforschung zur vertieften Erkenntnis der Konstanz und des Wandels berufspädagogischer Paradigmen und Berufserziehungsstrukturen im Kontext weitreichender gesellschaftlicher Entwicklungs- und Veränderungsprozesse beiträgt.

 

Literatur

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zuletzt gespeichert am: 08.01.2009 10:08 AM

 

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