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 bwp@ Ausgabe Nr. 10 | Juli 2006
Lernfirmen

Sortimentserneuerung im Projekt BAUM


 

 


1. Projekt BAUM, Klasse, Unterricht

Das Projekt BAUM ( http://www.projekt-baum.de ) ist die seit 1992 existierende Schülerfirma des Berufsfeldes I (Wirtschaft und Verwaltung) an den BBS Bremervörde mit den Geschäftszweigen HANDEL (umweltfreundliche Schulbedarfs- und Büroartikel), PRODUKTION (Fotopostkarten und Zettelkästen incl. Refills) und RECYCLING (Verkauf von leeren Tintenstrahler- sowie Laserdruckerkartuschen).

Es wird von Jahr zu Jahr im Rahmen eines zweistündigen Wahlpflichtkurses von einer Klasse auf die Folgeklasse übertragen und ergänzt damit den Unterricht im Lernbüro, ersetzt ihn aber nicht (vgl. EILERS 1996, 19 ). Z. Zt. wird der Unterricht mit Schülern der Klasse II der zweijährigen Berufsfachschule Wirtschaft (Eingangsvoraussetzung: Sekundarabschluss I/ Hauptschulabschluss) durchgeführt.

Unterrichtsgegenstand ist neben den kaufmännisch notwendigen Tätigkeiten zum Betreiben eines realen schulischen Geschäftsbetriebes (vgl. EILERS 1997, 7 ) auch die Teilnahme an Wettbewerben, Messen sowie an sonstigen Veranstaltungen, z. T. mit eigenen Beiträgen (u. a. Präsentation Projekt BAUM, Leiten und Durchführen von Workshops).

2. Sortimentserneuerung

Wie schon in der frühen betriebswirtschaftlichen Literatur betont, vermag „die Art der Erzeugnisse und die Zusammensetzung des Warensortiments die Verkaufschancen eines Unternehmens in ganz besonderer Weise zu beeinflussen“(GUTENBERG 1958, 92 ).

So müssen auch im Projekt BAUM sortimentspolitische Entscheidungen entweder integriert mit produktpolitischen Entscheidungen im Sub-Mix-Bereich „Produkt-Mix“ (MEFFERT 1977, 82) oder aber in einem eigenständigen Marketing-Mix-Bereich „Sortimentspolitik“ (GRYTSCH/ KINTZEL 1987, 2 21) getroffen werden. Sie beziehen sich dann auf die „Auswahl und Kombination des Warenangebots“ (HANSEN 1990, 50 ) und münden in einer optimalen Programmgestaltung mit Entscheidungen zur artmäßigen (was?), mengenmäßigen (wie viel?) und zeitlichen (wann?) Zusammensetzung des Produktprogramms bzw. des Sortiments (vgl. MEFFERT 1991, 401 ).

Da sich sowohl die Kaufgewohnheiten der Verbraucher ändern als auch das Angebot an Waren einem ständigen Wandel unterworfen ist, muss auch im Projekt BAUM das Sortiment ständig überprüft und ggf. den veränderten Marktdaten angepasst werden.

Die Schüler sollen sich dabei, wie der Marketingmanager, bei ihren Entscheidungen rationaler und kalkulierbarer Planungsverfahren bedienen (vgl. MEFFERT 1991, 508 ) und sich von eher kreativen und schöpferischen Fähigkeiten lösen.

So bieten sich als statistische Hilfsmittel z. B. Umsatz- und Gewinn-Analysen an, um die Umsatz- und Gewinnanteile einzelner Produkte oder Artikelgruppen zu untersuchen (vgl. KOTLER/ BLIEMEL 1999, 681 ). Auch die Kumulation von Umsätzen, in einer ABC-Analyse ranglistenmäßig aufgeführt (vgl. HENDRIX/ SCHRÖTER 1991, 228 ), ergibt recht genaue Aufschlüsse über Umsatzanteile pro Artikel oder Warengruppe und kann als Grundlage für Entscheidungen zur Sortimentsbereinigung im Projekt BAUM dienen.

Ergeben sich dann bei einem solchen Planungsverfahren „Langsamdreher“ oder „Penner“, können sie aus dem bestehenden Sortiment z. B. eliminiert werden, um Platz zu machen für neue, aktuelle Artikel, die einen höheren Umsatz- und Gewinnanteil vermuten lassen. Im Marketingplan, auf den Unternehmenszielen basierend, entscheiden die Schüler u. a., welche und wie viele Artikel aus dem Sortiment genommen bzw. neu aufgenommen werden, aber auch über die Artikel bzw. -gruppen, deren Vermarktung eingeschränkt oder intensiviert werden sollen.

Ob für diese Produkte am Markt auch tatsächlich Absatz- und damit Gewinnchancen existieren, soll durch eine Marktanalyse ermittelt werden. Die Daten dazu werden in einer Primärforschung erhoben, also in eigenen Beobachtungen und/oder Befragungen der Kunden, da Daten aus einer Sekundärforschung, in der bereits vorhandenes Material ausgewertet werden könnte (vgl. BERNDT 1996, 167 ), nicht zur Verfügung stehen.

Schließlich müssen von den Schülern endgültige Entscheidungen getroffen werden: Welche der vom Markt akzeptierten und mit Gewinnerwartungen versehenen Artikel werden tatsächlich neu ins Sortiment des Projekts BAUM aufgenommen? Entsprechen dabei die getroffenen Entscheidungen dem Marketingplan oder aber weichen die Schüler davon ab, treffen intuitiv Entscheidungen und gehen damit ein unternehmerisches Wagnis ein?

3.  Relevanz der Lerninhalte

Die RRL führen aus, dass in der zweijährigen Berufsfachschule - Wirtschaft - eine „berufliche Grundbildung für anerkannte Ausbildungsberufe im Berufsbereich Wirtschaft und Verwaltung sowie eine fachliche und allgemeine Bildung für diesen Bereich“ (RRL 2001, 1 ), vermittelt wird und dass dafür „zielgruppenspezifische Lern- und Lehrsituationen“ bereitzustellen sind (RRL 2001, 3).

Kurze explizite Hinweise zu den Unterrichtsinhalten einer Sortimentserneuerung lassen sich in den RRL im Lerngebiet A3 (Kundenorientierung und Marketing) des Faches Allgemeine Wirtschaftslehre finden, anderen Lerngebieten sind Hinweise zu entnehmen.

Die Schüler sollen dabei die schulische EDV-Ausstattung integrieren und die Software z. B. zum Beschreiben von Sachverhalten (Word®: Marketingplan), zum Visualisieren (MindManager®: Artikelgruppen; Excel® Umsatzdiagramm) oder als Rechenhilfe (Excel®: Preiskalkulation) dann integrieren, wenn sie pädagogisch sinnvoll einzusetzen ist.

Das bewusste Nutzen von Verknüpfungen zu den Unterrichtsinhalten anderer Lerngebiete bietet sich somit an und wird intendiert: Dort erworbenes Wissen wird angewendet, ggf. vertieft, ergänzt und in einem neuen Zusammenhang dargestellt.

Auch die Forderung, „die Schüler und Auszubildenden konsequent auf die berufliche und personale Selbständigkeit hin auszubilden und zu fördern“ (TRAMM 2003, 4 ) soll angesprochen werden: Die Schüler treffen unternehmerische Entscheidungen, deren Erfolge sie unmittelbar anhand der nächsten Verkaufszahlen überprüfen können. Durch das Lernen im Modell soll der Erwerb eines wirtschaftlichen Prozess- und Systemverständnisses (vgl. TRAMM/ GRAMLINGER 2002, 110) angeregt werden.

4.  Begründung durch die Schüler

Im Projekt BAUM äußern die Schüler schon seit geraumer Zeit, dass „wir uns Gedanken machen müssen über unserer Sortiment“ und „neue, mehr an Jugendliche angepasste Artikel“ verkaufen sollten. Als Grund werden unregelmäßige Umsatz- bzw. Gewinnzahlen genannt.

Somit wird die Sortimentserneuerung als Teil des Marketing-Mixes im Projekt BAUM durchgeführt, die Darstellung des Gesamtzusammenhanges wird dem Lerngebiet A3 des Faches Allgemeine Wirtschaftslehre zugeordnet.

5.  Artikelgruppen, Umsatz- und Gewinnanalyse sowie erste Erkenntnisse

In welchen Artikelgruppen das Projekt BAUM seine Artikel verkauft, beantwortet ein Mind-Map, das schon aus einer früheren Bearbeitung zur Verfügung steht. Es wird angepasst, um z.B. die Farbauswahl für verschiedenfarbige Artikel im Hauptast in Klammern darzustellen.

Abb1: Artikelgruppen im Projekt BAUM

 

Welche Artikel sollen aber ersetzt und wo sollen neue aufgenommen werden? Und vor allen Dingen: nach welchen Kriterien soll das geschehen?

Schnell kommt die erhoffte Diskussion zustande: „Penner müssen ersetzt werden“, „Ordner mit 8 cm Rückenbreite z. B. verkaufen wir nicht so häufig, diese Artikel müssen aber bleiben“, „Der Umsatz muss betrachtet werden, nicht die Häufigkeit, mit der wir die Artikel verkaufen“, „Wie viel haben wir eigentlich in den Artikelgruppen umgesetzt? Erst wenn wir das wissen, können wir entscheiden, ob wir einen Artikel ersetzen oder nicht!“

Nun wird die vorhandene Excel-Tabelle, in der sonst die Verkäufe gebucht werden, zu einer Umsatztabelle umgearbeitet und ausgefüllt. Sind die verkauften Mengen eines Zeitraumes eingegeben, errechnet Excel den Wert, für den jeder einzelne Artikel an einen Mitschüler bzw. an einen Mitarbeiter verkauft wird. Aufsummiert ergibt sich der Umsatz je Artikelgruppe.

 

Die erhoffte Kritik kommt, aber nicht inhaltlich, wie erwartet: „Die Tabelle ist unübersichtlich, wir müssen sie als Diagramm darstellen. Wie im EDV-Unterricht im letzten Jahr!“ Die Schüler helfen sich gegenseitig oder nutzen ein von mir erstelltes Arbeitsblatt „Erstellen Sie in vier Schritten ein Umsatzdiagramm für das Projekt BAUM“.

 

Eine erste Mutmaßung wird geäußert: „Die Artikelgruppe Versand macht kaum Umsatz, die kann raus!“ Auch Fragen und Zweifel kommen auf: „Die Artikelgruppe Schreibtischbedarf bringt zwar einen hohen Umsatz, aber auch einen entsprechenden Gewinn“?

Das wird sofort überprüft: In einer Bezugskalkulation wird der Einstandspreis für jeden Artikel (Mitschüler/Mitarbeiter) ermittelt. Erst nachdem die Prozentrechnung noch einmal wiederholt ist, bringt die vorgegebene Excel-Tabelle den notwendigen Motivationsschub. Die Differenz des Bezugspreises zum Verkaufspreis ergibt dann den Gewinn pro Artikel und multipliziert mit der verkauften Menge den Gesamtgewinn.

 

Verblüffung macht sich breit: „Wieso machen wir denn bei einigen Artikeln nur so geringe Gewinne, bei anderen sogar Verluste“? „Haben wir falsch gerechnet oder ist die Excel-Datei falsch programmiert?“

Einige Schüler sind sich ganz sicher: „Richtig gerechnet haben wir. Es kann also nur am Einkaufs- oder am Verkaufspreis liegen. Den Verkaufspreis haben wir rechnerisch ermittelt, ihn dann aber so angepasst, dass er die Kunden anreizt, die Ware auch zu kaufen. Das könnte ein Grund sein. Mit einem noch höheren Verkaufspreis riskieren wir aber auch einen Umsatzrückgang“.

Andere Schüler nehmen sich bestimmte Artikel vor, z. B. S 2001, Spiralbuch, kariert, A4, Verkauf an Mitarbeiter (Verlust: 0,02 €/Stück). „Diesen Artikel haben wir immer zu unterschiedlichen Preisen nachgekauft. Bei der Gewinnberechnung haben wir den zuletzt bezahlten Einkaufspreis zugrunde gelegt, es sind aber auch noch vorher gekaufte Spiralbücher zu einem günstigeren Einkaufspreis im Lager vorhanden. Wären wir beim Einkaufspreis von einem Durchschnittswert ausgegangen, hätten wir auch keinen Verlust errechnet. Hatten wir ja früher auch nicht. Den Artikel rauswerfen können wir deshalb auf gar keinen Fall!“

„Und in der Grafik müssen wir gut auf die Farben aufpassen: die blaue Farbe im Umsatzdiagramm kennzeichnet den Schreibtischbedarf, im Gewinndiagramm aber die Artikelgruppe Diverse. Das hätten wir besser anpassen sollen“.

 

Jetzt werden auch andere Aussagen einer kritischen Prüfung unterzogen: „Die Artikelgruppe Schreibtischbedarf erbringt zwar den höchsten und die Artikelgruppe Diverse den zweithöchsten Umsatz, beim Gewinn ist es aber genau anders herum: da verdienen wir durch Diverse mehr als durch Schreibtischbedarf. Das müssen wir berücksichtigen!“

6.  Marketingplan

Berücksichtigt werden diese Überlegungen im Marketingplan, der die Unternehmens- und Marketingziele sowie die Marketingentscheidungen auf unterschiedliche Weise konkretisiert. Es werden einerseits Grundsatzentscheidungen formuliert für das Heraus- bzw. Neuaufnehmen von Artikeln aus dem Sortiment, andererseits werden konkret Artikel benannt, um die das Sortiment bereinigt werden sollen. Die Begründung dazu wird als Stichwort formuliert, die Abstimmung erfolgt mehrheitlich.

Über die Anzahl der neuen Artikel wird schnell Einigkeit erzielt: 4 bis 5 neue Artikel sollen erprobt werden, weitere könnten bei Erfolg ja noch folgen, so die Schüler. So wird gewährleistet, dass unsere „Strichliste“, in die beim Verkauf in der Pausenhalle handschriftlich die Anzahl der verkauften Produkte eingetragen werden, den bisherigen Umfang von Vorder- und Rückseite nicht übersteigt und somit leicht zu handhaben bleibt. Beim Festlegen der Höhe des Einkaufswertes halten sich die Schüler verantwortungsvoll zurück: eine kleine Ermunterung, und dann ist auch diese Entscheidung getroffen.

 

Ein in der Literatur nur selten erwähntes (anders : HANSEN 1990, 52 ), in Schülerfirmen aber eines der zentralen, ist das Problem der Finanzierung einer Sortimentserneuerung. Im Projekt BAUM sind die zur Verfügung gestellten Zahlungsmittel, wie in der Realität, begrenzt. Der notwendige Blick auf die beiden zur Verfügung stehenden Konten „Kasse“ sowie „Bank“ zeigt den Schülern aber, dass die Finanzmittel vorhanden sind und Eingangsrechnungen in der geplanten Höhe bezahlt werden können.

7.  Marktuntersuchung

Sämtliche Mitarbeiter des Projekts BAUM haben inzwischen schriftlich ihre Favoriten benannt, von denen sie meinen, sie könnten sich zu einem Renner entwickeln. Eine kurze Begründung wird verlangt, ebenso wie die Kalkulation des Bezugs- sowie des möglichen Verkaufspreises, erst handschriftlich, dann mithilfe der herbeigesehnten Excel-Tabelle.

Nun kann der Gewinn berechnet werden, der pro Artikel zu erwarten ist, sollte er tatsächlich ins Sortiment aufgenommen werden. Dabei wird der rechnerisch ermittelte Verkaufspreis an einen realistischen Marktpreis angepasst: berücksichtigt wird die Konkurrenzsituation, die Absatzchance, aber auch ein leicht zu beherrschender Verkaufspreis.

So wird der Verkaufspreis für Artikel S 3825, Kombi-Paket für den Schreibtisch, auf 5,00 € festgelegt. „Bei einem errechneten Verkaufspreis von 5,21 € können wir einen Gewinn von 0,52 € erwarten. Senken wir den Verkaufspreis auf 5,00 €, haben wir zwar nur noch einen Gewinn von 0,31 €, aber die Chance, den Artikel sicherer zu verkaufen“.

Eine Tabelle mit vier Seiten und über zwanzig möglichen neuen Artikeln ist das Ergebnis: zu lang für eine Marktbefragung. Um sie bearbeitbar zu machen, wird sie per Abstimmung auf zwei Seiten, zehn Artikel, verkürzt.

Schnell wird die Anzahl der zu kopierenden Fragebogen festgelegt: ca. 25 % der Schüler der Berufsbildenden Schulen Bremervörde sollen befragt werden, denn, so die Schüler, das „gibt uns schon ein ziemlich genaues Bild über die Absatzchancen“.

 

Die Arbeitsgruppen sind zurück, die Antworten werden aufsummiert und gleich im Fragebogen festgehalten, das erspart weitere Arbeit.

Erste Vermutungen werden geäußert: „Den Spiralblock „College-Trio“ sollten wir auf jeden Fall ins Sortiment aufnehmen, den könnten wir fast 600 mal verkaufen“, aber auch kritische Stimmen: „Nicht nur die 600 Stück sind wichtig: Wir müssen doch den zu erwartenden Gewinn berücksichtigen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Die Zahlenwerte haben wir ja!“

8.  Entscheidung

„Wenn wir jetzt die Anzahl der möglichen Verkäufe mit dem erwarteten Gewinn pro Stück multiplizieren, haben wir doch für jeden Artikel die Gewinnerwartung. Und das kann Excel für uns machen“. Die Tabellenstruktur gebe ich vor, die Schüler geben die Excel-Formeln sowie die ermittelten Werte ein.

 

Schon werden erste Entscheidungen geäußert, so dass meine Frage nach weiteren Kriterien neben der Gewinnerwartung recht explizit erfolgen muss. Die im Marketing-Plan festgelegten Kriterien werden noch einmal deutlich hervorgerufen, schließlich dürfen sie nicht unberücksichtigt bleiben.

Die Schüler stimmen ab und verteilen rote und grüne Punkte, die klären, ob die Kriterien des Marketing-Plans den betreffenden Artikeln zuzuordnen sind oder nicht. Das Abstimmen bleibt nicht ohne deutliche Diskussionen, z. B. ob denn das Preisniveau für den Artikel mit „eher niedrig als hoch“ zu bewerten ist oder nicht, ob also ein grüner oder ein roter Punkt zu verteilen sei.

Endlich fertig, die Entscheidungen sind getroffen. Trotzdem sind einige Schüler unzufrieden. „Eigentlich müssten wir die CD-Spindel ins Sortiment aufnehmen, die Gewinnerwartung beträgt immerhin rund 250,00 €. Ich glaube aber trotzdem nicht, dass wir die CDs in unserer Schule verkaufen würden, die werden eher im Fachgeschäft oder beim Discounter gekauft“.

„Auch der nachfüllbare Retro-Stift ist zwar „trendy und zeitgemäß“, auch „solide und robust“, aber mit 6,70 € in der Schule nicht zu verkaufen. Wir müssen einen angemessenen Gewinn erzielen, den Artikel aber auch zu einem angemessenen Preis verkaufen.“

Zustimmung in der Klasse. „Dem einen ist dieses Marketing-Kriterium wichtiger, dem anderen jenes. So kommen wir doch nie auf ein gemeinsames Ergebnis. Wie können wir denn die unterschiedlichen Meinungen berücksichtigen?“

Wieder wird die vorhandene Excel-Tabelle verändert: In die gelb markierten Felder sollen die Schüler ihre Gewichtungen verteilen: Zum einen maximal 100% für die Marketingziele, zum anderen die Gewichtung 1 (nicht so wichtig), 2 (wichtig) oder 3 (sehr wichtig) für jeden einzelnen Artikel. Erst zögernd, doch dann nehmen zwei Schüler die Organisation in die Hand und nach kurzer Zeit ist die Diskussion da und erst später das Ergebnis in Form von Punkten ablesbar.

 

„Aber jetzt haben wir ja ein völlig anderes Ergebnis! Lasst uns die Gewinner-Artikel und deren Kriterien einmal an die Tafel schreiben. Dann haben wir eine bessere Übersicht“.

 

„Jetzt ist die CD-Spindel ja immer noch drin. Die wollten wir doch gar nicht neu ins Sortiment aufnehmen. Aufgrund der Berechnungen müssten wir das aber tun. Was machen wir denn jetzt?“

„Wir nehmen sie auch heraus. Die Berechnung ist ein Hilfsmittel und soll uns die Entscheidung erleichtern, aber nicht abnehmen. Die treffen immer noch wir. Außerdem werden bei den Gewichtungen die Häufigkeiten der möglichen Verkäufe gar nicht mehr berücksichtigt“.

So entscheiden die Schüler:

„Die CD-Spindel und die nachfüllbaren Retro-Stifte erfüllen zwar sämtliche Kriterien, fallen aber trotzdem heraus, weil sie einfach sehr teuer sind und wir das Risiko eingehen, sie nur selten zu verkaufen. Das gleiche gilt auch für die nachfüllbaren Textmarker. Wir haben schon welche im Sortiment und würden das Produkt eigentlich nur ersetzen“.

„Somit bleiben vier neue Produkte: Der Spiralblock Trio ist etwas neues, denn er enthält kariertes, liniertes sowie unliniertes Papier. Er erfüllt außerdem sämtliche drei Kriterien und die Marktanalyse zeigt, dass unsere Mitschüler ihn benötigen und kaufen würden“.

„Etwas anders ist es mit dem Holzstift Curve-Line, den Bewerbungsmappen sowie dem Hefter Magic Stapler: sie erfüllen zwar nur zwei Kriterien, sind aber neue Ideen: Der Kugelschreiber Curve-Line besitzt einen Holzschaft, sieht gut aus und ist ergonomisch gedreht, während der Hefter Magic Stapler ganz und gar ohne Heftklammern auskommt und wir ihn zu einem vernünftigen Preis anbieten können. Ja, und die Bewerbungsmappen, die benötigen alle Schüler, haben sie auch noch nicht im Sortiment, auch wenn das Produkt selbst nicht wirklich neu ist“.

„Aber, dass wir, um unsere Entscheidungen zu treffen, so lange gebraucht haben, das hätten wir ja nie gedacht“.

9.  Unterrichtsziel erreicht?

Das Verknüpfen von Unterrichtsinhalten war intendiert und hätte auch noch zu weiteren Lerngebieten erfolgen können, so z. B. zum Rechnungswesen/ Controlling- (Bewertungsmethoden von Umlaufvermögen: welcher Wert ist beim Artikel S 2001, Spiralbuch, A4, anzusetzen, wenn zu unterschiedlichen Anschaffungswerten eingekauft wurde) sowie zum Mathematik-Unterricht (Berechnung eines gewogenen Durchschnittswertes als eine mögliche Lösung). Durch die wiederholte Kalkulation von Einstands- und Verkaufspreisen konnte eine intensive Wiederholung der Prozentrechnung erreicht werden, pädagogisch sicherlich sinnvoll im Hinblick auf die bevorstehende Abschlussprüfung.

An EDV-Software wurde der MindManager® zum Verändern von Aststrukturen (Farbauswahl vom Nebenast in den Hauptast) und Word® zum Eintragen in eine Tabelle mit mehreren Spalten und Zeilen (Ausfüllen des Marketingplanes) genutzt, bei mehr zur Verfügung stehender Zeit wäre auch deren Erstellung ein Ziel gewesen.

Excel® wurde bei sich wiederholenden Multiplikationen mit anschließenden Additionen eingesetzt (Umsatz-, Gewinnberechnungen) sowie bei der Prozentrechnung (Kalkulation des Bezugs- bzw. Verkaufspreises), hier allerdings immer erst nach mehreren manuellen Berechnungen. Für die Schüler ganz selbstverständlich war die Idee der Visualisierung mit Hilfe des Excel-Diagramm-Assistenten (Umsatz-, Gewinndiagramm).

Verblüffung machte sich breit, als man sich mit unerwarteten Situationen konfrontiert sah: Wieso ergab sich bei einem Produkt ein Verlust, wenn doch die mit der Excel-Tabelle vorgenommene Kalkulation fehlerfrei sein sollte? Schüler fühlten sich persönlich betroffen und nutzten die Situation, durch eigene unterschiedliche Vorgehensweisen den Fehler an einer nicht gerade offensichtlichen Stelle (Verweis auf die unterschiedlichen Einkaufspreise) zu identifizieren. Persönliche und fachliche Kompetenzen konnten entwickelt werden, um beiden Beteiligten zu nützen: den Schülern, um selbst Lernverfahren zu entwickeln und der Schülerfirma, um eine mögliche Fehlerursache zu ermitteln.

Ungewohnt war es, Entscheidungen konsequent unter Berücksichtigung der Unternehmens-/ Marketingziele zu treffen. Anders als bei schon häufig getroffenen Entscheidungen über z. B. Bestellmengen sollte das bestehende System verändert werden, wobei sich der Erfolg messbar in Form veränderter realer Verkaufszahlen zeigen würde. Eine Hilfestellung gegen diese Unsicherheit gab es aber genau durch das Beziehen auf die getroffenen Entscheidungen, deren Struktur nunmehr als Rückgrat dienen und weitere Entscheidungen vorbereiten konnte.

So zeigten sich die Schüler auch kaum überfordert, Matrix 1 bis 3 rein als Entscheidungshilfe zu nutzen und sich auch für Artikel auszusprechen, die nur zwei von maximal drei möglichen Kriterien entsprachen und damit von der berechneten Entscheidung abwichen. Begründet wurde dabei aus der Sicht des Marketing-Managers oder des Verkaufsmitarbeiters, auch die Sicht des Kunden wurde mit einbezogen.

Zusammenfassend bescheinige ich den Schülern ein hohes Maß an Identifikation für das Projekt sowie eine Menge Verantwortungsbewusstsein, Fach-, Methoden- sowie für die im Team getroffenen Entscheidungen Sozialkompetenz. Mit den von den Schülern getroffenen Entscheidungen zu neuen Artikeln bin ich sehr zufrieden, insbesondere aber damit, dass die CD-Spindel nicht Eingang ins Sortiment gefunden hat.


Literatur

BERNDT, R. (1996) : Marketing. 1. Käuferverhalten, Marktforschung und Marketing-Prognosen. 3. vollst. überarb. und erw. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York.

EILERS, T. (1996): Projekt BAUM. Schüler führen ein Mini-Unternehmen an ihrer Schule. In: Winklers Flügelstift. Beiträge für die kaufmännische Aus- und Weiterbildung in Schule und Betrieb, 3/96.

EILERS, T . (1997): Projekt BAUM (Beschaffungs-Aktion-Umweltfreundlicher Materialien). Darmstadt.

GRYTSCH, R./ KINTZEL, R . (1987): Wirtschaftslehre für die Einzelhandelskauffrau und den Einzelhandelskaufmann. Rinteln.

Gutenberg, E. ( 1958) : Einführung in die Betriebswirtschaftslehre. Wiesbaden.

HANSEN, U. (1990): Absatz- und Beschaffungsmarketing des Einzelhandels: eine Aktionsanalyse. Göttingen.

HENDRIX, W./ SCHRÖTER W. R. ( 1991) : Einzelhandelsbetriebslehre. Köln.

NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM ( 2001) : Rahmenrichtlinien für die Unterrichtsfächer Wirtschaftspraxis, Bürokommunikation, Allgemeine Wirtschaftslehre, Rechnungswesen-Controlling, Englisch/Kommunikation, Mathematik sowie für die Wahlpflichtkurse in der zweijährigen Berufsfachschule – Wirtschaft. Hannover.

KOTLER, P./ BLIEMEL, F. ( 1999) : Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 9. überarb. und aktualisierte Aufl. Stuttgart.

MEFFERT, H . ( 1977) : Eine Einführung in die Absatzpolitik. Wiesbaden.

MEFFERT, H . ( 1991) : Marketing. Grundlagen der Absatzpolitik. 7., überarb. u. erw. Aufl. Wiesbaden.

TRAMM, T. ( 2003) : Unternehmerisches Denken und Handeln - ein Leitziel von Übungsfirmen, Lernbüros und Juniorenfirmen. Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark, Graz. Symposium der Sommerakademie.

TRAMM, T./ GRAMLINGER, F. ( 2002): Lernfirmen in virtuellen Netzen – didaktische Visionen und technische Potenziale. In: GAVRANOVIC, Z./ ELSTER, F./ ROUVEL, J./ ZIMMER, G. (Hrsg.): E-Commerce und unternehmerisches Handeln. Kompetenzentwicklung in vernetzten Juniorenfirmen. Bielefeld, 96-128.

http://www.projekt-baum.de