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 bwp@ Ausgabe Nr. 10 | Juli 2006
Lernfirmen

Der Einsatz einer computerunterstützten Unternehmens-gründungssimulation in der betriebswirtschaftlichen Ausbildung

 

 


1.  Hintergründe und Problemstellung

Unternehmensgründungsideen bieten ein interessantes Feld für die betriebswirtschaftliche Ausbildung. Traditionelle Lehrveranstaltungen, z.B. Vortrag oder fragend-entwickelnder Unterricht sind dabei wenig geeignet, um die Komplexität eines Wirtschaftsunternehmens und die Frage der ökonomischen Tragfähigkeit eines Vorhabens für die Lernenden erlebbar zu machen. Vorteile bietet der Einsatz so genannter komplexer Lehr-Lern-Arrangements, um eine Vermittlung, die Anwendung und das Tiefenverständnis von betriebswirtschaftlichen Inhalten zu fördern. Vorgestellt wird hier eine aus betriebswirtschaftlicher und didaktischer Sicht Erfolg versprechende Lernumgebung, die auf der Simulationssoftware UGS ® SIM beruht. Diese Gründungssoftware existiert seit 1996 und liegt mittlerweile in der Version 4.5 vor. Weiterentwickelt und vertrieben wird sie von der UGS-GmbH in Ulm (www.ugs.de) und ist bislang an ca. 50 Universitäten, Hochschulen und Weiterbildungsinstituten und bei zahlreichen Gründern und Gründungsberatern im Einsatz.

In Dresden wird sie derzeit unter anderem an der Europäischen Wirtschafts- und Sprachenakademie (EWS) im „Projektkurs Betriebswirtschaft / Controlling mit UGS“ eingesetzt. An der Berufsakademie Dresden wurde die Software im Fachbereich Bank in der Lehrveranstaltung „ UGS-Unternehmensgründungssimulation - betriebswirtschaftliche Planung einer Unternehmensgründung“ und im Fachbereich Versicherungswirtschaft in der Lehrveranstaltung „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Unternehmensphilosophie“ verwendet.

Wie diese drei Lehrveranstaltungen können komplexe Lehr-Lern-Arrangements curricular unterschiedlich eingebunden sein. Zu Beginn der Planung stehen für die Lehrkraft zunächst drei Fragen im Vordergrund:

(1) Welche Kompetenzen sollen die Lernenden entwickeln bzw. festigen?

(2) Welche didaktischen Gestaltungsmerkmale sollte eine Lehrveranstaltung aufweisen, um die Kompetenzentwicklung und -festigung zu fördern?

(3) Wie können diese Merkmale in der konkreten Lehrveranstaltung umgesetzt werden?

Im Kapitel 2 sollen betriebswirtschaftliche und fachübergreifende Kompetenzen dargestellt werden, die im Kontext einer Unternehmensgründung Relevanz besitzen. Zentrale wissenschaftlich gut erforschte didaktische Gestaltungsmerkmale für komplexe Lehr-Lern-Arrangements werden im Kapitel 3 kurz vorgestellt. Im Kapitel 4 wird die nach diesen Merkmalen gestaltete und bezüglich der betriebswirtschaftlichen Fachinhalte akzentuierte Lernumgebung mit UGS ® SIM vorgestellt. Im Kapitel 5 wird reflektiert, wie die betriebswirtschaftlichen und didaktischen Anforderungen umgesetzt sind und damit die Vermutung zulassen, dass der Einsatz dieser Lernumgebung die angestrebten Kompetenzen fördert. Ein kritisches Fazit und ein Ausblick schließen diesen Beitrag ab.

2.  Kompetenzen in der Gründungsausbildung

Unternehmensgründer haben allgemein die Aufgabe, ein Unternehmen aufzubauen, zu führen und vor existenzbedrohenden Einflüssen zu schützen. Dazu benötigen Sie prinzipiell betriebswirtschaftliche, branchenspezifische und fachübergreifende Kompetenzen.

Als wesentliche Bestandteile betriebswirtschaftlichen Fachwissens sind auf Basis einer inhaltsanalytischen Auswertung betriebswirtschaftlicher Standardliteratur und Literatur zu Entrepreneurship die Bereiche Businessplan, Grundbegriffe der BWL, rechtliche Rahmenbedingungen, unternehmensbegründende Entscheidungen, Beschaffung und Lagerwirtschaft, Produktion, Produkt und F&E, Absatz, Markt und Marketing, Investition, Finanzierung, Betriebliches Rechnungswesen / Controlling, Liquidität / Zahlungsverkehr sowie Unternehmens- und Umfeldanalyse / Strategie identifiziert worden. Diese sich naturgemäß über die gesamte Breite der Betriebswirtschaft erstreckenden Fachinhalte sollte ein potenzieller Unternehmer zumindest in Grundzügen beherrschen, da jeder dieser Bereiche Aufgaben umfasst, die für das Funktionieren der Geld- und Güterströme im Unternehmen notwendig sind.

Ein Schwerpunkt sollte jedoch bei der Überwindung der Anlaufschwierigkeiten des Unternehmens liegen, insbesondere bei der Vermeidung einer insolvenzverursachenden drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Fundierte Kenntnisse über Finanzplanungen sollen dazu beitragen, dass die erfolgskritische Zielgröße der Liquidität, ggf. in Verbindung mit einer Kontokorrentkreditlinie, ein notwendiges Mindestmaß nicht unterschreitet.

Einen zweiten Schwerpunkt sollten die Grundzüge des internen Rechnungswesens (Kosten- und Leistungsrechnung) bilden. Die Kenntnis über das Zustandekommen von Gesamtkosten, Stückkosten, Deckungsbeiträgen unter differenzierter Betrachtung abgegrenzter Umsatzbereiche und unter Einbezug sämtlicher relevanter Kostenarten ist notwendig, um erfolgskritische Preisuntergrenzen zu ermitteln und das Produkt oder die Dienstleistung auf preispolitische Marktfähigkeit beurteilen zu können.

Vor dem Hintergrund des angenommenen Verwendungszweckes des entstehenden Businessplanes zur Akquise von Kapital, Aufträgen und Fördermitteln sollte als dritter erfolgskritischer Schwerpunkt die Kenntnis des externen Rechnungswesens (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung oder Einnahme / Überschussrechnung) gesetzt werden, damit die Lernenden in die Lage versetzt werden, diese Zahlenwerke zu verstehen, zu erläutern und die Gefahr einer Insolvenz verursachenden Überschuldung prognostizieren zu können.

Eine „überragende Bedeutung“ (BLUM 2001, 119) wird darüber hinaus den hier nicht weiter vertieften branchenspezifischen Kompetenzen (bswp. Gastronomiewirtschaft, Eventmanagement, Handwerk, Recht) beigemessen, die je nach Zielgruppe und Vorwissen vorhanden sein bzw. gefördert werden sollten.

Hinzu tritt eine Reihe an benötigten fachübergreifenden Kompetenzen. Ein Unternehmensgründer sollte (vgl. auch SCHUBERT 1997, 37) in der Lage sein,

• Problemsituationen analytisch und ganzheitlich zu erfassen,

• entsprechende Handlungsziele selbstständig zu entwickeln,

• problemlösungsrelevante Informationen aktiv zu suchen,

• mit unvollständigen Informationen bewusst umzugehen,

• Entscheidungen unter Zeitdruck zu treffen,

• Entwicklungen mit der erfolgten Planung zu vergleichen und

• Abweichungen analysieren zu können.

Wünschenswert wäre weiterhin ein hohes Maß an Leistungsmotivation, Zähigkeit, ein bewusster Umgang mit Misserfolgen und Selbstvertrauen.

3.  Didaktische Gestaltungsmerkmale zur Förderung der Kompetenzen

Modernere lehr-lern-theoretische Ansätze gehen davon aus, dass Lernen durch aktive Wissenskonstruktion der Lernenden stattfindet, die von der Lehrkraft initiiert und unterstützt werden soll (vgl. BENDORF 2002, 126).

Aus den verschiedenen Ansätzen können die nachfolgend dargestellten Gestaltungsmerkmale für Lernumgebungen abgeleitet werden. Für Details wird u.a. auf BRANSFORD et al. (2000) und ACHTENHAGEN (2003) verwiesen.

Die Lernenden sollten mit einer Problemstellung konfrontiert werden, die realitätsbezogen, komplex, dynamisch, teilweise intransparent, vernetzt sowie in Bezug auf die Lösung unbestimmt ist (vgl. auch FÜRSTENAU 1994 und DÖRNER 2001).

Innerhalb der Lernumgebung sollten Zugriffsmöglichkeiten auf problemlösungsrelevantes Fachwissen bestehen. Die Lernenden sollten untereinander kommunizieren und außerdem Kommunikationskanäle zur realen Welt nutzen können. Durch eine kontinuierlich stattfindende Einschätzung/Evaluation des Lernerfolges sollte sichergestellt werden, dass Lerner und Lehrkraft den Lernprozess überwachen und steuern können.

Diesem Verständnis der Lehr-Lern-Prozesse folgend liegt die Verantwortung der Lehrkraft dabei weniger in der Darbietung von Fachinhalten (Stoff) sondern mehr in der Initiierung des Lernprozesses, in geeigneten instruktiven Maßnahmen, in der Überwachung und Reflexion und ggf. in einer Gegensteuerung bei unerwünschten Entwicklungen. Zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens ist dabei eine anfangs stärkere Anleitung der Lerner von Vorteil. Diese Aktivität der Lehrkraft verschiebt sich dann mit zunehmendem Lernfortschritt auf vorwiegend beratende und Feedback gebende Aufgaben.

4.  Die Unternehmensgründungs-Lernumgebung UGS ® SIM

Einen Überblick über die Lernumgebung, die hier als eine Kombination von Unterrichtsmethoden, Lernmaterialien und Medien verstanden wird, gibt die Abbildung 1. Nach der Erläuterung folgen in diesem Kapitel die exemplarische Darstellung von softwareseitigen Abbildungen der drei genannten Schwerpunkte sowie die Erläuterung der curricularen Einbindung in die drei Studien- bzw. Ausbildungsrichtungen.

Im einführenden Unterricht (1) werden ein Überblick über die Veranstaltung und Fachinhalte über Existenzgründungen, insbesondere über zentrale Elemente eines Businessplanes (vgl. auch SCHEFCZYK & PANKOTSCH 2003 und COLLREP 2004) durch den Seminarleiter gegeben.

Anschließend erfolgt anhand eines vereinfachten Standard-Gründungs-Szenarios eine Einführung in die verwendete Gründungs- und Planungssoftware UGS ® SIM. Diese Software systematisiert den quantitativen Teil einer Unternehmensgründungsplanung, indem Absatz, Unternehmens- und Umfelddaten (vgl. Abbildung 2) nach entsprechender Recherche eingegeben werden und die Software die Planungsergebnisse (GuV, Bilanz bzw. Einnahme/Überschussrechnung, Liquiditätsrechnung, Kennzahlen und grafische Auswertungen) ausgibt. Damit wird die ökonomische Tragfähigkeit des Vorhabens auf Basis der Eingabedaten und unter Simulation eines wahrscheinlichen Szenarios, eines optimistischen Szenarios (20 Prozent Mengen- und Angebotspreiszuwachs) sowie eines pessimistischen Szenarios (20 Prozent Mengen- und Angebotspreiseinbruch) abgebildet. Eine integrierte Hilfefunktion unterstützt den Nutzer bei softwarespezifischen und betriebswirtschaftlichen Problemen.

Im Anschluss an die Softwarevorstellung erfolgt die Konfrontation der Lernenden mit der Problemstellung (2), die die Erstellung, Präsentation und Verteidigung eines zahlenbasierten Businessplanes auf Basis einer realen oder fiktiven Geschäftsidee unter Berücksichtigung der im einführenden Unterricht (1) erläuterten Fachinhalte umfasst. Damit wird der Ablauf im Klassenverband vorerst aufgehoben und die Gruppenarbeit beginnt, zu der (3) PCs mit Standardsoftware und ggf. Internet-Zugang, (4) die Software UGS ® SIM sowie (6) ausgewählte Literatur zur Verfügung stehen. Explizit erwünscht ist die Nutzung des Umfeldes (5) außerhalb des Klassenzimmers, indem je nach vorhandenen Rahmenbedingungen Kommunikation per Telefon, Telefax, Email und ggf. persönlich mit realen Institutionen (Kammern, Verbände, Banken, Unternehmen) erfolgen kann.

Weiterer zentraler Bestandteil der Gruppenarbeit ist der fortlaufend, i.d.R. nach einer Namensliste stattfindende Report beim Seminarleiter, bei dem die Teilnehmer Rechenschaft über Meilensteinplanungen und Zwischenergebnisse vorlegen und bei Notwendigkeit steuernd eingegriffen werden kann. Als Support wird die Möglichkeit bezeichnet, den Seminarleiter zu einzelnen Aspekten der Problemlösung zu konsultieren.

Zu der terminierten Abschlusspräsentation wird eine Banken- bzw. Fördermittelgeberrunde initiiert, in der die Gruppen ihren Businessplan präsentieren und die Zuhörer von ihm überzeugen sollen. Im Anschluss daran verteidigen (9) die Präsentierenden ihre Darstellungen, indem sie kritische Fragen der Seminarleitung und der übrigen Teilnehmer beantworten.

Abschließend erfolgt nach der Selbsteinschätzung der Gruppen ein Feedback (10) durch die übrigen Teilnehmer sowie durch die Seminarleitung. Eine Leistungsbewertung kann als Rückmeldung über den Erfolg sowie als Anreiz zur intensiveren Beschäftigung mit den Aufgaben eingesetzt werden.

Dreh- und Angelpunkt der gesamten Lernumgebung ist die quantitative softwareseitige Abbildung der Unternehmensgründungsidee und die betriebswirtschaftliche Ausrichtung an den in Kapitel 2 genannten Schwerpunkten.

Im dargestellten Beispiel der CAD-GmbH (Abbildung 3) ist für den Schwerpunkt 1 ersichtlich, dass diese aufgrund der Planung und bei Eintreten des pessimistischen Szenarios im vierten Quartal 2006 zahlungsunfähig wird.

Zu den Grundzügen des internen Rechnungswesens (Schwerpunkt 2) ist in Abbildung 4 dargestellt, dass der Umsatzbereich „Leiterplatten-Layout“ im wahrscheinlichen Szenario durchgängig positive Deckungsbeiträge III aufweist und damit positive Beiträge für den Gesamtgewinn des Unternehmens erwirtschaftet werden.

In der Bilanz des pessimistischen Szenarios (externes Rechnungswesen - Schwerpunkt 3) in Abbildung 5 ist ersichtlich, dass die CAD-GmbH im Jahre 2007 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aufweist, also überschuldet ist.

Die gesamten Planungsergebnisse können problemlos in zahlenbasierter oder grafischer Form exportiert und in Präsentationen, Business-Pläne, Internetseiten o.ä. eingebunden werden. Einen Eindruck über die grafischen Darstellungen ausgewählter zentraler Größen gibt die Abbildung 6.

Die vorgestellte Lernumgebung kann curricular unterschiedlich verankert werden. In der Europäischen Wirtschafts- und Sprachenakademie (EWS) Dresden findet der „Projektkurs Betriebswirtschaft / Controlling mit UGS“ fakultativ statt und wird ausschließlich leistungsstärkeren Schülern angeboten, die zum Wirtschaftsassistenten Fachrichtung Fremdsprachen und weiterführend zum Internationalen Direktionsassistenten / Internationalen Managementassistenten ausgebildet werden. Der Kurs beginnt, nachdem die Schüler das Modul 1 „Grundlagen Betriebs- und Volkswirtschaft“ des Faches „Einzel- und gesamtwirtschaftliche Leistungsprozesse“ absolviert haben und läuft über das zweite und dritte Ausbildungshalbjahr parallel zu den Modulen 2 (Beschaffung, Lager, Produktion, Absatz), Modul 3 (Marketing), Modul 5 (Personalwirtschaft) und Modul 6 (Betriebliches Rechnungswesen). Neben umfangreichen eigenständigen Arbeiten der Schüler umfasst der Kurs ca. 36 Unterrichtseinheiten (UE) für Arbeiten im Klassenverband sowie 6 UE für die Abschlusspräsentation und Verteidigung.

An der Berufsakademie in Dresden / Fachbereich Bankwirtschaft wurde die Lehrveranstaltung „ UGS-Unternehmensgründungssimulation - betriebswirtschaftliche Planung einer Unternehmensgründung“ am Ende des Grundstudiums im Block über 24 UE durchgeführt, nachdem die Studierenden in den ersten 4 Semestern die Teilgebiete „Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre“, „Investition und Finanzierung“, „Bilanzierung und betriebliche Steuerlehre“, „Marketing“ und „Kosten- und Leistungsrechnung“ absolviert hatten.

Im Fachbereich Versicherungswirtschaft wurde die Lernumgebung über das komplette Studium (3 Jahre / 6 Semester) parallel zum Fach „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ mit einem zeitlichen Umfang von 144 UE (24 UE pro Semester) eingesetzt. Dabei haben die Studierenden die jeweils in dem Semester behandelten Fachinhalte in der Software quantitativ abgebildet und in den Business-Plänen umgesetzt und präsentiert. In der Studienordnung waren dafür folgende Inhalte festgeschrieben: „Grundlagen der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre“ (Semester 1), „Marketing und Kosten/Leistungsrechnung“ (Semester 2), „Organisation und Personalwirtschaft“ (Semester 3), „Investition, Finanzierung, Bilanzierung und betriebliche Steuerlehre“ (Semester 4), „Unternehmensführung“ (Semester 5) und „Mitarbeiterführung“ (Semester 6).

5. Umsetzung der didaktischen Gestaltungsmerkmale, Fazit und Ausblick

Die aufgezeigten didaktischen Gestaltungsmerkmale werden innerhalb der dargestellten Lernumgebung weitgehend umgesetzt. Der Businessplan basiert i.d.R. auf Ideen der Teilnehmer und weist daher einen engen Bezug zur Realität unter Anknüpfung an das Vorwissen auf. Durch die hohe Anzahl der zu betrachtenden Parameter zur Businessplanerstellung ist die Problemstellung komplex, wobei die Dynamik, d.h. die eigenständige Veränderung des Systems ohne Impulse der Teilnehmer, im Vergleich zu anderen komplexen Lehr-Lern-Arrangements (z.B. Planspiel) relativ gering ausgeprägt ist. Die Forderungen nach Intransparenz, Vernetztheit und Unbestimmtheit sind erfüllt, da nicht alle benötigten Informationen ersichtlich sind, sich Parameter in Abhängigkeit voneinander verändern sowie das Problem „Erstellung und Präsentation eines Businessplanes“ anfangs wenig konkret ist und sich erst während der Bearbeitung präzisiert. Durch die Existenz der softwareinternen Hilfefunktion, die Bereitstellung von Literatur und durch die Recherche und Kommunikationsmöglichkeit im Internet können die Teilnehmer auf umfangreiches Fachwissen zugreifen.

Die Kommunikation innerhalb und außerhalb des Klassenverbandes ist durch die Gruppenarbeit und die zur Verfügung gestellten Freiräume bzw. die Infrastruktur gewährleistet. Die Support und Reportaktivitäten sowie die Abschlusspräsentation und Verteidigung sichern eine Offenlegung des Lernerfolges und somit eine Steuerungsmöglichkeit durch die Lehrkraft.

Bezüglich des genannten betriebswirtschaftlichen Fachwissens kann festgestellt werden, dass es in der Lernumgebung weitgehend und in unterschiedlicher Detailtiefe angesprochen werden kann und eine Fokussierung der drei genannten Schwerpunkte in Abhängigkeit der curricularen Einbindung möglich ist. Entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung der fachübergreifenden Kompetenzen sind ebenfalls gegeben: die offene Problemstellung erfordert eine ganzheitliche Lösung, die nur durch eine selbstständige Arbeit in Gruppen erreicht werden kann. Das Fehlen von benötigten Informationen zwingt die Teilnehmer zur aktiven Suche und zum bewussten Umgang mit kurzfristig nicht recherchierbaren Daten. Die nicht vorherzusehenden Reaktionen und Fragen in der Verteidigung und das Feedback geben zunächst die Möglichkeit, die inhaltliche Plausibilität der Planungsparameter kritisch zu hinterfragen und schulen gleichzeitig die Argumentationstechnik. Einem Realitätstest kann das Ergebnis der Teilnehmer innerhalb der Lernumgebung naturgemäß nicht unterzogen werden.

Durch die Berücksichtigung der wissenschaftlich abgesicherten didaktischen Gestaltungsmerkmale und aufgrund umfangreicher praktischer Erfahrungen kann vermutet werden, dass der Einsatz dieser Lernumgebung bei potenziellen Unternehmensgründern und bei sonstigen kaufmännisch auszubildenden Personen positive Wirkungen auf die Kompetenzentwicklung und -festigung entfaltet. Eine gesicherte Aussage über den tatsächlich eintretenden Erfolg bleibt jedoch weiterführenden empirischen Untersuchungen vorbehalten.

Bei der im Gegensatz zu traditionellen Unterrichtsstunden relativ offen gehaltenen Unterrichtsgestaltung wird allerdings die Kompetenz der Lehrkraft in besonderem Maße gefordert, da der schlecht prognostizierbare Verlauf der Teilnehmeraktivitäten flexible Reaktionen erfordert und die Ergebniseinschätzung komplex und anspruchsvoll ist.

Weiterführend wäre die Problematik der Teilnehmermotivation im Vergleich zu traditionellen Lehrveranstaltungen zu untersuchen. Dieser muss insbesondere bei der weitestgehend eigenständigen Bearbeitung der komplexen Problemstellung eine hohe Bedeutung beigemessen werden. Interessant wäre auch eine empirische Erforschung der Auswirkung von Leistungsbewertungen auf die Motivation und den Lernerfolg der Teilnehmer beim Einsatz einer solchen Lernumgebung.

 

Literatur

ACHTENHAGEN, F. (2003): Konstruktionsbedingungen für komplexe Lehr-Lern-Arrangements und deren Stellenwert für eine zeitgemäße Wirtschaftsdidaktik. In: KAISER, F./ KAMINSKI, H. (Hrsg.): Wirtschaftsdidaktik. Bad Heilbrunn/Obb., 77-98.

BENDORF, M. (2002): Bedingungen und Mechanismen des Wissenstransfers: Lehr- und Lern-Arrangements für die Kundenberatung in Banken. Wiesbaden.

BLUM, U. (2001): Entrepreneurship und Unternehmertum: Denkstrukturen für eine neue Zeit. Wiesbaden.

BRANSFORD, J. D./ BROWN, A. L./ COCKING, R. R./ DONOVAN, S. M./ PELLEGRINO, J. W. (2000): How People Learn, Brain, Mind, Experience and School. Washington D.C.

COLLREP, F. v. (2004): Handbuch Existenzgründung: für die ersten Schritte in die dauerhaft erfolgreiche Selbstständigkeit. 4. Aufl. Stuttgart.

erfolgreiche Selbstständigkeit. 4. Aufl. Stuttgart.

DÖRNER, D. (2001): Die Logik des Misslingens: strategisches Denken in komplexen Situationen. 14. Aufl. Reinbek bei Hamburg.

FÜRSTENAU, B. (1994): Komplexes Problemlösen im betriebswirtschaftlichen Unterricht. Wiesbaden.

SCHEFCZYK, M./ PANKOTSCH, F. (2003): Betriebswirtschaftslehre junger Unternehmen. Stuttgart.

SCHUBERT, R. (1997): Lernziele für Unternehmungsgründer: dargestellt am Beispiel der Tourismusbranche. Köln.