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 bwp@ Ausgabe Nr. 12 | Juni 2007
Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

Professionalisierung von Wirtschaftspädagogen im einphasigen Masterstudium „Wirtschaftspädagogik“ an der WU-Wien


 

 


1.  Blitzlichter zur Erhellung des strukturellen Umfeldes der Wirtschaftspädagogik am Standort Wien

Die Wirtschaftsuniversität Wien befindet sich aktuell in einem umfassenden Change Management-Prozess, der nicht nur die Implementierung des dreigliedrigen Studienaufbaus BA/MA/Doktorat-PhD umfasst, sondern ebenso eine tief greifende Reform der Binnenstrukturen der Universität wie auch der strategischen Ausrichtung. Diese wird u. a. durch die kürzlich erfolgte EQUIS-Akkreditierung dokumentiert. Eine derart radikale Veränderungsstrategie ist für jede Universität eine gewaltige Herausforderung, die Größe der Wirtschaftsuniversität Wien mit mehr als zwanzigtausend Studierenden stellt jedoch noch einen zusätzlichen „exponentiellen Komplexitätsfaktor“ dar. Die große Zahl an Studierenden sowie die bildungspolitische Vorgabe eines freien Universitätszuganges (in Österreich besteht weder ein Numerus Clausus noch – mit wenigen Ausnahmen – eine andere Studienbeschränkung) förderte die hochschuldidaktische Entscheidung, die ersten beiden Semester als Selektionsphase zu konzipieren und diese Studieneingangsphase weitestgehend „plattformgestützt“ abzuwickeln.

Im WS 2002/03 kam es zur Einführung der Learn@WU-Plattform, die sich in den letzten Jahren rasant entwickelte. Derzeit gibt es mehr als 30.000 registrierte Benutzer, die auf ca. 850 Kurse und Lehrveranstaltungen in über 130 verschiedenen Fächern zugreifen können (vgl. Learn@WU). Zu diesen Kursen existieren über 38.000 Lehrmaterialien. In der Prüfungszeit werden bis zu 360.000 Beispiele pro Tag von den Studierenden gelöst und täglich bis zu 4,2 Millionen Web-Server Anfragen generiert. Sowohl in der alten Studienstruktur wie auch in den seit dem WS 2006/07 flächendeckend eingeführten Bachelorstudien sind die ersten beiden Semester (1. Studienabschnitt) für alle Studierenden einheitlich und verpflichtend. Von den rund 3.500 jährlichen Studienanfängern „überleben“ rund fünfzig Prozent diese Selektionsphase. Das bedeutet, dass auch alle potenziellen WIPÄD-Studierende diese Hürde am Beginn des Studiums zu bewältigen haben, weil sie ansonsten keinen BA-Abschluss, der Voraussetzung für ein WIPÄD-Masterstudium ist, erwerben können.

An der WU wurden vier wirtschafts- und sozialwissenschaftliche BA-Studienzweige etabliert. Zur Gewährleistung eines fundierten wirtschaftswissenschaftlichen Fundaments (Polyvalenz!) sowie zur prophylaktischen Erschwerung einer möglichen künftigen bildungspolitischen Strategie, durch Schaffung einer schlechter bezahlten neuen BA-Lehrerkategorie („WIPÄD-Lehrer-light“) Kosten zu sparen, wurde bewusst auf die Errichtung eines eigenen Studienzweiges „Wirtschaftspädagogik“ im BA-Studium verzichtet (vgl. SCHÜTTE 2006, 502). Sehr wohl gibt es jedoch die Möglichkeit im Rahmen des Studienzweiges Betriebswirtschaft anstelle einer der beiden verpflichtend vorgeschriebenen Speziellen Betriebswirtschaftslehren im Umfang von 10 SST bzw. 20 ECTS die „Duftmarke“ WIPÄD mit dem primären Fokus „Betriebliche Weiterbildung“ zu wählen.

In den letzten Jahren wurde/wird die Binnenstruktur der WU umfassend verändert, indem alle Institute zu zwölf thematischen Clusters (Departments) zusammengefasst wurden. Das soeben wieder gewählte Rektorat verfolgt zielstrebig die Politik, die Identität der Departments zu Lasten der Institute zu stärken. Die neue organisatorische Ausrichtung dokumentiert sich u. a. darin, dass im geplanten WU-Neubau die räumliche Struktur durch die Departments bestimmt wird und das Rektorat mit den Departments Leistungsvereinbarungen trifft, die Basis für Mittelzuteilungen sind. Ebenso haben die Departments eine gemeinsame Forschungspolitik zu definieren, deren Umsetzung Diskussionsgegenstand der regelmäßigen Zielvereinbarungsgespräche mit dem Rektorat darstellt. Das Institut für Wirtschaftspädagogik ist Teil des betriebswirtschaftlichen Departments „Management“, wo vor allem die verhaltensorientierten betriebswirtschaftlichen Lehrstühle wie Personalmanagement oder Change Management zusammengefasst sind. Es ist offensichtlich, dass so umwälzende Veränderungen der Binnenstruktur, wie die Einführung von Departments als neue „identitätsstiftende Einheiten“, nachhaltige Auswirkungen auf die Autonomie der Institute induzieren. Das gilt vor allem für Wirtschaftspädagogik an der Nahtstelle zwischen Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaft. Die an der WU angebotenen zehn Masterstudiengänge werden in der Regel von Departments angeboten. Die Ausnahme bildet das Masterstudium Wirtschaftspädagogik, das hauptverantwortlich und weitgehend vom Institut für Wirtschaftspädagogik gestaltet wird (vgl. Pkt. 4).

Neben der sehr gestrafften Darstellung der aktuellen Umbrüche im universitären Umfeld der WU-Wien sind vor allem für deutsche und schweizer Leser einige Anmerkungen zur österreichischen Berufsbildungsarchitektur sowie zur Ausbildung von Lehrern an Berufsbildenden Schulen unverzichtbar. Ähnlich wie in Deutschland wird auch in Österreich der beruflichen Sekundarausbildung eine zentrale Rolle zugeordnet (vgl. AFF 2006a, 126 ff.). Im Unterschied zu Deutschland sind jedoch die vollzeitschulischen Varianten bedeutsamer als die Ausbildung im Rahmen des Dualen Systems. Innerhalb der vollzeitschulischen beruflichen Ausbildungszweige gibt es Berufsbildende Höhere Schulen im Umfang von fünf Jahren (14-19), die sowohl mit einem Vollabitur als auch mit einer Berufsqualifikation im Sinne von „Employability“ abschließen. Mehr als fünfzig Prozent der Schüler Berufsbildender Höherer Schulen entscheiden sich für wirtschaftliche Qualifikationsprofile (Handelsakademien, Höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe, Höhere Lehranstalten für Tourismus), während sich der Rest für Höhere Technische Lehranstalten (HTL) entscheidet. In der Regel sind im selben Schulgebäude auch Berufsbildende Mittlere Schulen (14/15-17/18 Jahre) untergebracht, die ähnlich strukturiert sind.

Österreichische WIPÄD-Absolventen haben kein Referendariat zu absolvieren, weil die WIPÄD-Ausbildung einphasig ist. Das bedeutet, dass mit Abschluss des Studiums die Absolventen über alle notwendigen Kompetenzen verfügen (sollten), um die ersten Unterrichtsjahre in der Schulpraxis nicht bloß auf ein „Survival-Training“ zu reduzieren. Eine strukturelle Unzuständigkeit zwischen der ersten und der zweiten Ausbildungsphase wird damit ausgeschlossen, weil die Universität gegenüber den Abnehmern für die Ausbildungsqualität ihrer Absolventen verantwortlich ist. Die vollständigen Anstellungserfordernisse sind jedoch erst dann erfüllt, wenn Absolventen nach Abschluss des WIPÄD-Studiums zumindest zwei Jahre in einem beruflichen Handlungsfeld (auf Akademikerniveau) tätig sind. Diese Regelung wird in Zukunft dahingehend modifiziert, dass Bewerber für ein WIPÄD-Masterstudium mit einem abgeschlossenem wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen BA-Abschluss sowie einer daran anschließenden mehr als zweijährigen beruflichen Tätigkeit diese „Praxiszeit“ angerechnet bekommen.

Ein zweiter wesentlicher Unterschied besteht darin, dass österreichische WIPÄD-Absolventen, sofern sie die Schullaufbahn wählen, nicht bzw. kaum in Berufsschulen des Dualen Systems unterrichten, sondern (fast) ausschließlich in Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen und dort vor allem in jenen mit einem wirtschaftlichen Qualifikationsprofil (Handelsakademien und Handelsschulen, Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe und Tourismusschulen). In Österreich verfügen Lehrer an Berufsschulen in der Regel über keine akademische Qualifikation. Sie benötigen eine langjährige einschlägige Berufspraxis sowie eine anschließende pädagogische außeruniversitäre Ausbildung an Pädagogischen Instituten. Da diese soeben in Pädagogische Hochschulen umgewandelt werden, ist auch diese Ausbildungskonzeption im Umbruch. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass es in Österreich keine universitäre Berufspädagogik gibt. Lehrer beruflicher Fächer an den Mittleren und Höheren Lehranstalten für Technische Berufe benötigen für eine Unterrichtstätigkeit einen einschlägigen universitären Abschluss (Diplomingenieur) sowie eine zumindest vierjährige Berufspraxis. Die pädagogische Ausbildung wird berufsbegleitend außeruniversitär erworben und nimmt einen eher peripheren Stellenwert ein (vgl. AFF/ FORTMÜLLER 2006, 114).

Diese Kurzdarstellung verdeutlicht, dass in Österreich das wirtschaftspädagogische Studium die einzige berufsbildende Ausbildungsschiene auf Universitätsniveau darstellt, die jedoch im Unterschied zu Deutschland nicht für das Duale System, sondern für den Unterricht an Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen qualifiziert. Die skizzierten bildungspolitischen Rahmenbedingungen (Bildungsstruktur, Lehrerausbildungstradition etc.) bestimmen wesentlich den (hohen) Stellenwert der Wirtschaftspädagogik im österreichischen Berufsbildenden Schulwesen sowie die curricularen „Stellschrauben“ für ein WIPÄD-Masterstudium, in dem Studierende zu qualifizieren sind, Schüler an Berufsbildenden Vollzeitschulen sowohl für ein Studium vorzubereiten wie auch mit arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen auszustatten.

Bei der Entwicklung des Masterstudiums an der WU Wien wurde curriculares Neuland betreten, weil es derzeit kein einphasiges WIPÄD-Studium in der „Bologna-Architektur“ gibt. Während die WIPÄD-Ausbildung in Deutschland durch eine zweiphasige Ausbildungsphilosophie bestimmt wird, sind die Wirtschaftsfakultäten der drei anderen österreichischen WIPÄD-Standorte (noch) nicht auf die BA/MA-Struktur umgestiegen. Bevor auf die zentrale Thematik eingegangen wird, wie das Curriculum des Masterstudiums WIPÄD an der WU-Wien aufgebaut ist, das sich an der Zielvorstellung „Umsetzung von Professionalität und Polyvalenz“ orientiert, wird auf die aktuelle Lehrerbildungsdiskussion (vgl. stellvertretend TERHART 2001, LIPOWSKY 2006, MERKENS 2003, OELKERS 2001, 2003, 2004, REINISCH 2003, SCHÜTTE 2006) eingegangen, um zentrale Kritikpunkte und Reformimpulse angemessen zu berücksichtigen. Dieser Blick über den Tellerrand zur Optimierung der eigenen curricularen Arbeit schließt eine Berücksichtigung zentraler Befunde der Lehrerbildungsforschung ein, ebenso eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Qualität einer Lehrerausbildung erhöht und evaluiert werden kann. Diese Fragestellung impliziert u. a. eine Beschäftigung mit der Theorie-Praxis-Verknüpfung, weil ohne curriculare und hochschuldidaktische Modellierung des unwegsamen Geländes zwischen Theorie und Praxis, Wissen und Können (vgl. EULER 1996, 355) eine anspruchsvolle berufsrelevante einphasige universitäre Ausbildung, wo eine zweite korrigierende und (Verantwortung) delegierende Ausbildungsschleife „Referendariat“ nicht existiert, Wunschdenken bleibt.

2. Universitäre Lehrerbildung im Spiegel empirischer Befunde und historisch/bildungspolitischer Erfahrungen

Universitäre Lehrerbildung und empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von Lehrerbildung machen nur Sinn, wenn man von einem Zusammenhang zwischen der Qualität der Lehrerausbildung und einer daraus resultierenden Erhöhung der Qualität des Unterrichts und in der Folge besseren Lernergebnissen der Schüler ausgeht. Diese Basisannahme wird von vielen empirischen Forschern tendenziell befürwortet (vgl. BLÖMEKE 2004, 62 ff., HELMKE 2006), wenngleich – wie TERHART feststellt – gesichertes Wissen über die Wirkung und Wirksamkeit von Lehrerbildung kaum vorliegt (vgl. TERHART 2007, 7). Die Diskussion über die Bedeutung des Lehrers für einen guten Unterricht wird von WEINERT pointiert mit den beiden Fragen auf den Punkt gebracht, ob man zukünftig überhaupt noch Lehrer benötigt oder nur mehr sozialpsychologisch ausgebildete Moderatoren autonomer Lerngruppen und ob kompetente Lehrer eine notwendige Bedingung für die Kompetenzentwicklung der Schüler darstellen (vgl. WEINERT 2002, 14, 23). Auf die zweite Frage antwortet WEINERT wie folgt: „Die Antwort auf diese Frage ist nach meiner Auffassung ein uneingeschränktes „Ja“. Allerdings gilt: Für die zu bewältigenden schwierigen Lernaufgaben genügt es nicht, dass Lehrer zur Verfügung stehen; entscheidend ist, dass es sich um kompetente Lehrer handelt…“ (WEINERT 2002, 23). Kompetente Lehrer erfordern jedoch lt. Expertiseforschung eine professionelle universitäre Lehrerausbildung (vgl. BLÖMEKE u. a. 2006), weil die begabten und kompetenten, keine professionelle Ausbildung benötigenden, pädagogischen Autodidakten, wie sie vor allem von Vertretern der „Deregulierer“ propagiert werden (vgl. BLÖMEKE 2004, 70 f.) eher die Ausnahme und nicht die Regel darstellen.

Das Problem besteht jedoch darin, dass eine kompetente und professionelle universitäre Lehrerausbildung im Argen liegt. Diese Kritik OSERs wird von ihm wie folgt präzisiert: „Das, was im Kopf der Lehramtskandidaten und -kandidatinnen entsteht, ist nicht professionelles Können und Beherrschen, sondern bloß partikuläres, verinseltes Wissen“ (OSER 2001, 310). Die empirisch fundierten Kritikpunkte in Bezug auf die Qualität und Professionalität der universitären Lehrerausbildung sind seit Jahrzehnten geradezu stabil (vgl. exemplarisch STELTMANN 1979, 1986, ÖSTERREICH 1987). Die mangelhafte bis fehlende Abstimmung zwischen dem Fachstudium, den erziehungswissenschaftlichen Studienanteilen, der Fachdidaktik sowie der schulpraktischen Phase wird seit Jahrzehnten als eine der Hauptschwächen diagnostiziert (vgl. TERHART 2001, 196 f.). OELKERS sieht neben den angeführten Kritikpunkten einen weiteren zentralen Mangel in der Organisation der Lehrerbildung, die sich u. a. durch eine fehlende Profilierung auszeichnet. „Für die Lehrerbildung insgesamt ist niemand zuständig, die komplexe Ausgangssituation hat kein geeignetes Management, daher muss – und kann – keine Verantwortung übernommen werden und gibt es keine Profilierung“ (OELKERS 2001, 156).

Viele der angeführten Mängel in der universitären Lehrerausbildung gelten nur bedingt für die Wirtschaftspädagogik, weil beispielsweise die von OELKERS geforderte klare Zuständigkeit innerhalb der Universität in WIPÄD-Studiengängen gegeben ist. Ebenso übernehmen die WIPÄD-Lehrstühle eine „Heimatfunktion“ für Studierende und vermögen die Studienanteile Fachwissenschaft, Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik und schulpraktische Studien wirksamer als Lehramtsstudien allgemeinbildender Fächer zusammenzuführen. Damit wird ein abgestimmtes Studienprogramm „aus einem Guss“ möglich. In der Frage der Abstimmung besteht an der WU-Wien eine wenig zufrieden stellende Ausbildungsstruktur, weil hier aus historischen Gründen erziehungswissenschaftliche Anteile im WIPÄD-Studium von einem eigenen Institut für Erziehungswissenschaft angeboten werden. Dadurch nehmen viele erziehungswissenschaftliche Inhalte wenig bis kaum auf eine wirtschaftsberufliche Ausbildungsperspektive Bezug, andererseits gibt es mehr inhaltliche Überschneidungen als Synergieeffekte (vgl. STUDIERENDENBEFRAGUNG 2006).

3. Professionalisierung wirtschaftspädagogischer Handlungskompetenz durch Implementierung von Lehrerbildungsstandards

Professionelles Lehrehandeln muss – wie OSER zu Recht pointiert anmerkt – u. a. daran erkannt werden, ob Lehrpersonen im „emergency room“ Klassenzimmer kompetenter handeln als Nichtprofessionelle und sich von diesen klar unterscheiden (vgl. OSER 2002, 9). Selbstverständlich repräsentiert der „emergency room“ als Metapher ebenso andere pädagogisch relevante Handlungsfelder, denken wir nur an das weite Feld der betrieblichen Weiterbildung. Aus historischer Sicht hat sich das Lehrerbild kontinuierlich gewandelt. Dominierte noch zu Zeiten HERBARTS das Bild vom Lehrer als Methoden-Handwerker und Schulzuchtkontrolleur, so wandelte sich in der Reformpädagogik bzw. der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik das Bild vom Lehrer entscheidend, weil er nun als „Künstler“ und Menschenbildner gesehen wurde. In Zeiten des Behaviorismus dominierte das Bild vom Lehrer als Lern- und Instruktionsingenieur bzw. als Sozialtechnologe wobei aktuell, also nach Vollzug der „konstruktivistischen Wende“, der Lehrer primär als Lernberater, Coach, Facilitator oder/und Moderator gesehen wird (vgl. TERHART 1987, 800). Aus der Sicht des Autors wäre die Metapher eines Lehrers als „theoriegeleiteter Kunsthandwerker“ zutreffend, weil dieses Bild die Notwendigkeit einer Verknüpfung von wissenschaftlichem Wissen (Theorie/Empiriebezug) und Können, also Befähigung zum professionellem Handeln im „emergency room“ (Handwerk), verdeutlicht. Der Hinweis auf „Kunst“ unterstreicht die kreative, adaptive Flexibilität erfordernde und daher nur beschränkt planbare Dimension pädagogischen Handelns. Dadurch wird klargestellt, dass „das Technologiedefizit des pädagogischen Handelns zwar begründbar und beschreibbar, gewiss auch zu begrenzen, aber prinzipiell nicht aufzuheben (ist)“ (GIESECKE 2005, 752).

Geht man davon aus, dass die Entwicklung einer pädagogischen Professionalität neben einer kognitiven Dimension ebenso eine soziale und persönliche sowie eine intuitive und kreative umfasst, dann wird deutlich, dass die Förderung eines derartig komplexem Qualifikations- und Haltungsportfolios einen biografischen Entwicklungsprozess darstellt, den zu begleiten und professionell zu unterstützen zentrale Aufgabe einer Lehrerausbildung darstellt. Wirksames professionsbezogenes Wissen und Können setzt immer eine Integration in die personale Entwicklung einer Lehrkraft voraus (vgl. TERHART 2001, 166, HAAG/ LOHRMANN 2006, 624).

Es wird davon ausgegangen, dass für ein professionelles Lehrerhandeln eine elaborierte Wissensbasis, der Bogen reicht von fundiertem fachwissenschaftlichen über curriculares und fachdidaktisches Wissen bis zum Wissen über Klassenmanagement, eine notwendige wenn auch keine ausreichende Voraussetzung darstellt. Die Notwendigkeit einer seriösen fachwissenschaftlichen Basis ergänzt um eine lernpsychologisch fundierte fachdidaktische Expertise wird beispielsweise von SCHNEIDER betont und von DUBS mit Hinweis auf die Relevanz pädagogischen Inhaltswissens unterstrichen (vgl. SCHNEIDER 1999, DUBS 1999). Es stellt sich jedoch die Frage, wie einigermaßen transparent und kontrollierbar gewährleistet werden kann, dass die einzelnen Wissensbereiche nicht isoliert wie Gesteinsbrocken auf der Geröllhalde trägen Wissens herumliegen. Vielmehr geht es darum, die einzelnen Gesteinsbrocken in hochschuldidaktischen Gesteinsformationen variantenreich zu arrangieren, wobei jede Gesteinsformation für ein spezifisches pädagogisches Handlungsfeld (Peer Teaching, Videoanalyse, Erarbeitung einer Fallstudie etc.) steht. Studierende sollten die Chance erhalten zu erfahren und zu lernen, wie man aus Gesteinsbrocken Skulpturen kreativ modellieren kann. Im Unterricht genügt nämlich nicht allein die Metaperspektive, also jene Fähigkeit, sachkundig Skulpturen zu bewerten, sondern im Klassenzimmer, im Weiterbildungsseminar ist situatives Handeln, also Können und nicht bloß Wissen gefragt. Demnach gleicht metaphorisch gesprochen eine professionelle pädagogische Arbeit einer kompetenten und kreativen Bildhauer- und Steinmetzarbeit.

3.1  Universitäre Lehrerbildung zwischen theoriegeleiteter Praxis und praxisgeleiteter Theorie

In der universitären Ausbildung sind für eine „kreative Bildhauer- und Steinmetzarbeit“ die Grundlagen durch eine hochschuldidaktische Konzeption einer facettenreichen Theorie-Praxis-Verknüpfung zu legen. Schon Schleiermacher (vgl. OSER 2004, 192) hat im Jahr 1850 drauf hingewiesen, dass die genaue Kenntnis der musikalischen Komposition allein keinen zum Komponisten macht.

Diese Position unterscheidet sich von jener ZABECKs, der in einer Vermittlung praktischer Unterrichtskompetenz den Anspruch der Wissenschaftlichkeit der Handelslehrerausbildung gefährdet sieht und im Prinzip eine „Arbeitsteilung“ zwischen einer primär theoretischen Ausbildung in der ersten Phase (Universität) und einer unterrichtspraktischen Ausbildung in der zweiten Phase (Referendariat) befürwortet (vgl. ZABECK 1995, 479 ff.). Abgesehen davon, dass im Rahmen einer einphasigen Lehrerausbildung ein weitgehender Verzicht auf die Förderung einer berufsrelevanten Handlungskompetenz die Berechtigung einer universitären Lehrerausbildung und deren Akzeptanz durch die Abnehmer grundsätzlich in Frage stellen würde, gibt es aus lernpsychologischer und pädagogischer Perspektive (vgl. exemplarisch WEINERT, 2002, OSER/ OELKERS 2001, LIPOWSKY 2006) sehr viele Gründe, bereits im Studium den Aufbau einer theoriegeleiteten berufsrelevanten Handlungskompetenz, also Wissen und Können, Theorie und Praxis zu verknüpfen. Es wird die Ausschöpfung eines breiten hochschuldidaktischen Spektrums zur Theorie-Praxis-Verknüpfung zwischen den beiden Polen

•  „Primat der Theorie“, der einem empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnis verpflichtet ist und

•  „Primat der Praxis“ in der Tradition der Aktionsforschung

befürwortet. In diesem Kontinuum (vgl. BACKES-HASSE/ FROMMER 2004, NEUWEG 2004, MESSNER 2001) zwischen sehr unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Positionen wird dem Theorie-Praxis-Verständnis der hermeneutischen Wissenschaftsorientierung ein besonderer Stellenwert eingeräumt, weil dieses Paradigma von keinem vertikalen, also asymmetrischen Theorie-Praxis bzw. Praxis-Theoriebezug ausgeht, sondern von einer Theorie-Praxis-Relation, die weder hierarchisch noch linear, sondern dialektisch zu verstehen ist. Nach diesem Theorieverständnis in der Tradition der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik haben Theorien eine kritisch-reflexive Funktion für die Praxis, wobei die Dignität der pädagogischen Praxis unabhängig von der Theorie besteht. Theoriebildung hat demnach in Wechselwirkung mit der Praxis zu erfolgen. Wenngleich die Relevanz der (Unterrichts)Praxis als eigentlicher pädagogischer Bewährungsraum professionellen Handelns außer Streit steht, betont eine dialektische Theorie-Praxis-Position die akademisch unverzichtbare Funktion von Theorien, der Praxis kritisch-konstruktiv zu begegnen. Das schließt die Initiierung einer Veränderung der Praxis durch Theorie/Empirie ein, weil vielfach die pragmatische Wucht der (Praxis)Wirklichkeit zu einer Veränderungsresistenz führt oder die Praxis ökonomischen Unterrichts zu willfährig allen kurzfristigen Moden des Arbeitsmarktes durch Einführung neuer Ausbildungsschwerpunkte folgt, ohne über eine einigermaßen seriöse empirisch/theoretische Fundierung zu verfügen. Gerade in Österreich ist die zuletzt genannte Option höchst aktuell, weil die Berufsbildenden Schulen im Rahmen ihrer curricularen Autonomie selbst Ausbildungsschwerpunkte etc. bestimmen können.

Hochschuldidaktisch gewendet bedeutet dieser Pluralismus, dass beispielsweise Hochschullehrer Studierenden den Einfluss unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Ansätze (Theorien) auf die inhaltliche und methodische Gestaltung des ökonomischen Unterrichts aufzeigen und mit der dadurch initiierten Förderung betriebswirtschaftlicher Metakognition wird u. a. die Bedeutung der Theorie für eine reflektierte ökonomische Fachdidaktik, zum Beispiel für eine Kategorien gestützte Auswahl von Unterrichtsinhalten (vgl. AFF 2006b, 14), verdeutlicht. Ebenso kann der „Primat der Praxis“ während der schulpraktischen Phase betont werden, wenn Studierende im Rahmen eines portfoliogestützten Aufgabenspektrums forschendes Lernen in der Tradition der Aktionsforschung praktizieren, indem sie zum Beispiel die Qualität ihrer Fragetechnik im fragend- entwickelnden ökonomischen Unterricht evaluieren und diskursiv weiterentwickeln. Theoriegeleitete Praxis eröffnet ein variantenreiches Design hochschuldidaktischer Angebote, beispielsweise die Organisation von Peer Teaching-Lehrveranstaltungen, wo Studierende vor ihren Kommilitonen und dem jeweiligen Lehrveranstaltungsleiter Unterricht zu vorgegebenen Themen (z.B. Abschreibung von Forderungen, Deckungsbeitragsrechnung) gestalten. Die theoriegeleitete Modellierung von Peer Teaching kann mit Hilfe des Cognitive Apprenticeship-Ansatzes erfolgen (vgl. STRAKA/ MACKE 2003, 121 ff.), indem Mitarbeiter des Instituts am Beginn des Seminars selbst Unterrichtseinheiten gestalten und als Experten Studierenden ihre kognitiven Prozesse und angewandte Strategien (modelling) transparent machen, um anschließend Studierenden bei der Vorbereitung der Unterrichtseinheiten Hilfestellung (coaching) zu geben. Nach Abhaltung der Unterrichtseinheiten haben die Studierenden die eigenen fachdidaktischen Überlegungen zu artikulieren und mit den Kommilitonen zu reflektieren. Die Rückmeldungen der Lehrveranstaltungsleiter sind u. a. geeignet, einen Problemlösungsvergleich zwischen Experten und Novizen transparent zu machen. Anschließend werden die erlernten Strategien und fachdidaktischen Problemlösungsheuristiken von den Studierenden in anderen authentischen Anwendungssituationen, zum Beispiel in Unterrichtssequenzen während der schulpraktischen Phase, erprobt und damit ein Transfer auf neue Kontexte gefördert.

3.2  Theorie-Praxis-Verknüpfung und Professionalisierung durch Einführung von Lehrerbildungsstandards

Der von OSER und OELKERS entwickelte Professionsgenerierungs-Ansatz durch Bestimmung und Implementierung situativer professioneller Standards (vgl. OSER 2001, 217 ff., OSER 2004, 193 ff.) stellt eine stringente Theorie-Praxis-Verknüpfung dar. Standards sind demnach komplexe berufliche Kompetenzen, die zu theoriegeleitetem Handeln werden, weil einerseits ein Bezug zur Wissenschaft gegeben ist und andererseits eine kritisch reflektierte Praxis diese Praxis erst (wirksam) ermöglicht. Standards in der Lehrerbildung beschreiben notwendige professionelle Handlungskompetenzen, die in unterschiedlichen und komplexen Situationen zur Anwendung gelangen. Sie verknüpfen Theorie, Empirie, Befunde der Expertenforschung zur Bestimmung der Qualität professionellen Handelns mit Praxisartikulation, also der (zumindest partiellen) Befähigung zum situativen Agieren im Rahmen „erträglicher Unübersichtlichkeit“ (OSER 2001, 224). In der universitären Ausbildung erreichen Studierende Standards, wenn sie

•  sich theoretische Grundlagen für das spätere berufliche pädagogische Handlungsfeld aneignen (Didaktische Modelle, Befunde der Lernpsychologie, unterschiedliche paradigmatische Zugänge der Betriebswirtschaftslehre etc.),

•  relevante empirische Forschungsbefunde und deren Relevanz für die eigene Unterrichtstätigkeit (er)kennen (z. B. empirische Befunde zur Frage „Was ist guter Unterricht?“)

•  Expertenkönnen und -wissen beispielsweise in Form von fachdidaktischen Gestaltungsheuristiken für den eigenen Unterricht nutzen (z. B. Know How der Mitarbeiter des Lehrstuhls bzw. der Betreuungslehrer) und

•  situatives pädagogisches Handeln unter Handlungszwang erproben, also in der Praxis Erfahrungen sammeln, ohne dabei die obigen Standardkriterien weitgehend zu „entsorgen“.

Selbstverständlich gibt es kein lineares Stufenmodell für den Standarderwerb nach dem Motto „Zuerst die Theorie und zuletzt die Praxis-Erfahrung“. Vielmehr können Standards in unterschiedlichen Lehrveranstaltungen, die primär theoretisch oder eher praxisorientiert konzipiert sind, gefördert werden. Sehr wohl erfordert jedoch die Entscheidung für eine standardorientierte Ausbildungskonzeption eine curriculare Abstimmung im Lehrveranstaltungsportfolio, um zu vereinbaren, welche Standards bzw. Standard- Dimensionen (Theorie, Empirie etc.) in welchen Lehrangeboten vermittelt und/oder geübt werden. Für das Masterstudium Wirtschaftspädagogik an der WU-Wien wurden knapp vierzig Standards vor allem zur Präzisierung des Könnens, also der angestrebten beruflichen Handlungskompetenz entwickelt (vgl. INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSPÄDAGOGIK – STUDIENSTRUKTUR).

4.  Das Masterstudium Wirtschaftspädagogik an der WU-Wien zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

Bei der Entwicklung des Studienplans für das Masterstudium Wirtschaftspädagogik orientierten wir uns an der zentralen Zielvorstellung, durch eine professionelle (Lehrer)Ausbildung nicht nur eine hohe Akzeptanz bei den „Abnehmern“ im Bereich der Berufsbildenden Schulen zu erreichen, sondern ebenso – wie bisher – ein hohes Maß an Polyvalenz zu gewährleisten. Diese wird in einer kürzlich durchgeführten empirischen Erhebung unseres Instituts dokumentiert, wonach exakt 50,5 Prozent der Absolventen, deren Studienabschluss bereits vier Jahre oder länger zurückliegt, tatsächlich in der Wirtschaft tätig sind (vgl. HAUER/ KAISER 2007, VI), und zwar nicht nur im Bereich der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung, sondern ebenso in beratenden Berufen, beispielsweise in der Steuerberatung. Daher strebten wir keinen eigenen wirtschaftspädagogischen BA-Studiengang an, sondern entschieden uns, im Rahmen des betriebswirtschaftlichen BA-Studienganges vor allem betriebspädagogische Studienangebote zu integrieren (vgl. Pkt. 1). Zur Gewährleistung einer soliden fachwissenschaftlichen Basis können sich in Wien nur Studierende für das WIPÄD-Masterprogramm bewerben, die über einen wirtschaftswissenschaftlichen BA-Abschluss verfügen. Ebenso stand außer Zweifel, die einphasige österreichische WIPÄD-Struktur in die „Bologna-Architektur“ zu transferieren. Eine zweite strategische Grundsatzentscheidung bestand darin, an bewährte curriculare Traditionen des Standortes Wien, dem ältesten WIPÄD-Standort in Österreich, anzuknüpfen und diese um theorie- und/oder empiriegeleitete Innovationen zu ergänzen.

Bei der Entwicklung des Master- Studienprogramms wurde vor allem an die „Wiener Tradition“, die durch KRASENSKY begründet und von SCHNEIDER in seiner mehr als 30-jährigen Ordinariustätigkeit ausgebaut wurde, angeknüpft, nämlich einer schulisch anschlussfähigen wirtschaftswissenschaftlichen, vor allem betriebswirtschaftlichen Ausbildung unter besonderer Berücksichtigung der Fachdidaktik einen großen Stellenwert zuzuordnen (vgl. KRASENKY 1935, SCHNEIDER 1999). Die Betonung einer fundierten fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Ausbildung gewährleistete stets, dass trotz einer klaren schulischen Ausrichtung der WIPÄD-Ausbildung in Wien die Polyvalenz nicht in Frage gestellt wurde. Die von TRAMM geäußerte Befürchtung, dass eine klare Ausrichtung auf schulische Handlungsfelder zur Alternative „Professionalisierung oder Polyvalenz“ führen könnte, hat sich am Standort Wien bisher nicht bestätigt (vgl. TRAMM 2003, 242).

Diese curriculare Grundsatzentscheidung impliziert u. a., fachdidaktische Lehrveranstaltungen nicht primär oder ausschließlich an externe Lektoren auszugliedern, sondern Fachdidaktik als ein „Kerngeschäft“ im Rahmen der wirtschaftspädagogischen Lehre und Forschung zu positionieren. Das führt dazu, dass am Standort Wien die fachdidaktischen Studienangebote seitens der Studierenden und Absolventen sehr positiv bewertet werden. So verweist SCHNEIDER auf empirische Befunde, wonach Studierende die fachdidaktische Ausbildung auf einer vierstufigen Skala zu 55 % mit sehr gut und zu 45 % mit gut beurteilen (vgl. SCHNEIDER 1999, 344). Diese erfreulichen Befunde werden durch die Ergebnisse der regelmäßig vom Vizerektorat für Lehre durchgeführten Evaluationen der Lehrveranstaltungen bestätig, wo stets der Großteil der fachdidaktischen Angebote auf einer fünfstufigen Skala im Spektrum zwischen 1 bis 2 bewertet wird. Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine jüngst von der Studienvertretung Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführte Studierendenbefragung. Beispielsweise wurde die Frage „“Ich habe in der LV für mich persönlich viel gelernt“ in der Lehrveranstaltung „Buchhaltung und Bilanzierung unter didaktischem Aspekt“ von 48 % der Teilnehmer, die an der Befragung teilnahmen, auf einer fünfstufigen Skala mit 1 und von 35 % mit 2 bewertet. (vgl. „STUDIERENDENBEFRAGUNG WIRTSCHAFTSPÄDAGOGIK 2006/07“). Dem gegenüber sind die empirischen Befunde über die Qualität der erziehungswissenschaftlichen Ausbildung im Allgemeinen und der fachdidaktischen im Besonderen seit Jahrzehnten ernüchternd (vgl. exemplarisch STELTMANN 1979, 1986 und LERSCH 2006, 164 ff.). So bewerteten Referendare im Rückblick auf ihre Studienzeit den Nutzen der fachdidaktischen Elemente des Studiums auf einer fünfstufigen Skala wie folgt: Während nur 1,8 Prozent der Befragten einen hohen Nutzen sahen, indem sie die Skala 1 (sehr viel) ankreuzten, entschieden sich 36,4 Prozent für die Skala 4 (wenig) und 29,1 Prozent für die Skala 5 (gar nicht). Diese bereits wenig erfreuliche Bewertung der fachdidaktischen universitären Angebote wurde noch durch die katastrophale Einschätzung des Nutzens der erziehungswissenschaftlichen Studienanteile übertroffen. (vgl. LERSCH 2006, 171). Im Masterprogramm wurde daher – wie bisher – der Fachdidaktik (Didaktik der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer) ein hoher Stellenwert zugeordnet (vgl. Abbildung 1).

Die curricularen zentralen Überlegungen des Masterstudiengangs WIPÄD werden wie folgt zusammengefasst (vgl. Abbildung 1):

•  Das Masterstudium umfasst fünf Semester mit einem Gesamtlehrangebot von 51 SSt. und 150 ECTS und schließt mit dem akademischen Titel „Master of Science (WU)“ ab. Die um 1 Semester längere Studiendauer erklärt sich aus der einphasigen Studienstruktur, weil die Integration einer schulpraktischen Phase von 180 SSt. in einem viersemestrigen Masterprogramm nicht angemessen möglich ist.

•  Berufsrelevante Kompetenzen werden mit Hilfe von Standards präzisiert. Durch diese Outputorientierung wird den potenziellen Stakeholdern klar signalisiert, über welche beruflich relevanten Qualifikationen die Absolventen des Masterstudiengangs verfügen sollten. Durch die Bestimmung zentraler Lehrerbildungsstandards wird die Ergebnisverantwortung der Universität gegenüber den Abnehmern transparent. Da rund fünfzig Prozent der WIPÄD-Absolventen in Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen eine Beschäftigung finden und rund zehn bis zwanzig Prozent im Bereich der betrieblichen Weiterbildung und Personalentwicklung, wurden vor allem für den beruflich relevanten Bereich „Gestaltung von Lehr/Lernprozessen im schulischen und außerschulischen Kontext“ Lehrerbildungsstandards formuliert. Diese beziehen sich vor allem auf die Lehrveranstaltungsblöcke „Didaktik der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer“, „Schulpraktische Studien“ sowie „Wahlfächer im Bereich der Wirtschaftspädagogik“. Die Standards für diese Lehr/Lernangebote wurden vom Institut für Wirtschaftspädagogik in zahlreichen ganztägigen curricularen Sitzungen erarbeitet und werden im kontinuierlichen Diskurs mit den Begleitlehrern sowie der Schulverwaltung auf ihre „Bewährung“ geprüft und gegebenenfalls modifiziert. Auf Wunsch des Rektorats ist beabsichtigt, sie in den Studienplan zu integrieren (vgl. INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSPÄDAGOGIK – Studienstruktur) .

•  Fähigkeiten, Haltungen und Kompetenzen, die mit dem Abschluss eines universitären Studiums – im Unterschied einer Ausbildung an einer Fachhochschule – zu vermitteln sind, wie eine

•  normative Reflexionskompetenz,

•  Befähigung zur kritischen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Theorien,

•  eine Befähigung zum Wissenschaftlichen Arbeiten einschließlich der damit zusammenhängenden Methodenkompetenz für empirische Forschung

erfordern eine curriculare Inputorientierung, um nicht das gesamte Studium zu „normieren“. Dadurch wird sichergestellt, dass der notwendige Freiraum wissenschaftlicher Lehre und Forschung nicht in Frage gestellt wird. Daher sind die Lehrveranstaltungsblöcke „Erziehungswissenschaftliche und wirtschaftspädagogische Fragestellungen“, „Wahlfächer im Bereich der BW“ sowie der Bereich „Forschungspropädeutik“ durch eine Inputorientierung charakterisiert. Das bedeutet, dass nicht vorgegebene Standards (learning outcomes) den Inhalt dieser Lehrveranstaltungen. (maßgeblich) beeinflussen, sondern primär der Input der jeweiligen Lehrveranstaltungsleiter. Bei der Bestimmung wesentlicher Lehrveranstaltungsinhalte erfolgt jedoch eine Orientierung am Basiscurriculum für das universitäre Studienfach Berufs- und Wirtschaftspädagogik der deutschen Sektion „Berufs- und Wirtschaftspädagogik“.

Zur Gewährleistung einer umfassenden Theorie-Praxis-Verknüpfung werden nicht nur die sechs Ausbildungsblöcke im Kontinuum zwischen Fachwissenschaft (Wahlpflicht BW), Fachdidaktik (Didaktik der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer), Wirtschaftspädagogik und Erziehungswissenschaft, Forschungspropädeutik und der schulpraktischen Phase curricular eng verzahnt. Die Theorie-Praxis-Verknüpfung wird ergänzend auf der personellen, organisatorischen und strukturellen Ebene umgesetzt (vgl. Abbildung 2).

Ich bin zuversichtlich, dass auch in Zukunft in einer gestuften „Bologna-Struktur“ das herausragende Markenzeichen des wirtschaftspädagogischen Studiums, nämlich eine professionelle Lehrerausbildung mit einer attraktiven Polyvalenz in vielen Handlungsfeldern der Wirtschaft zu verknüpfen, erhalten werden kann. Diese Aussage soll nicht als euphorische Befürwortung der BA/MA-Struktur interpretiert werden. Sehr wohl jedoch wird die Auffassung vertreten, dass die „Bologna-Architektur“, für die sich alle großen Wirtschaftsfakultäten und Wirtschaftsuniversitäten entschieden haben, auch neue Optionen eröffnet, die Professionalität der Lehrerausbildung zu erhöhen, ohne dadurch die polyvalente Berufsperspektive zu „beschädigen“. Ich teile die Auffassung von FRIED, wenn sie resümierend feststellt: „Alles in allem macht der Forschungsstand deutlich, dass die Gegenüberstellung von ‚grundständigem, integrierten' vs. ‚polyvalentem, konsekutivem Modell' bzw. von ‚Professionalität vs. Polyvalenz' den Blick für das Wesentliche zu verstellen droht; nämlich die Frage, wovon eigentlich die Wirkungen der Lehrerausbildung am stärksten abhängen. Laut jüngerer Untersuchungen sind das eher die Prozesse und Ausbilder (Dozenten, Mentoren) als die Strukturen und Leitbilder. Deshalb scheint es sowohl klug als auch möglich, Modelle zu ersinnen, die einerseits den politischen Realitäten (Strukturerfordernisse, Erfordernisse des Arbeitsmarktes) und andererseits den pädagogisch-professionellen Erkenntnissen (Lehr-Lern-Arrangements, Kompetenzen der Ausbilder) Rechnung tragen“ (FRIED 2004, 240). Ich hoffe, dass meine Mitarbeiter und ich mit dem in diesem Beitrag vorgestellten Masterstudiengang WIPÄD an der WU-Wien ein Modell in einer gestuften „Bologna-Struktur“ ersonnen haben, das dieser Realität Rechnung trägt, ohne dadurch das Leitbild des WIPÄD-Studiums „Professionalität und Polyvalenz“ in Frage zu stellen.


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Internetverzeichnis für nähere Informationen über die WU-Wien (Learn@WU-Plattform) und das Masterstudium WIPÄD an der WU-Wien (alle Quellen geprüft am 16.04.07):

INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSPÄDAGOGIK – STUDIENSTRUKTUR: http://www.wu-wien.ac.at/lehre/studienangebot/studienangebot_aktuell/wiso/master/studienplaene/master_wipaed.pdf

STUDIENPLAN für das WIPÄD-MASTERSTUDIUM (Änderungen sind vor Beschlussfassung):
http://www.wu-wien.ac.at/wipaed/studium/aufbau

STUDIEPLAN FÜR DAS BA-STUDIUM BETRIEBSWIRTSCHAFT an der WU-Wien: http://www.wu-wien.ac.at/lehre/studienangebot/studienangebot_aktuell/wiso/bachelor/studienplan_bachelor_wiso.pdf

STUDIERENDENBEFRAGUNG 2006:
http://studium.oeh-wu.at/images/stories/wipaed/downloads/auswertung_studierendenbefragung.pdf

LEARN PLATTFORM der WU: Statistiken .
https://learn.wu-wien.ac.at/info/statistiken

WISSENSBILANZ DER WU .
http://www.wu-wien.ac.at/portal/publikationen/wissensbilanz.pdf