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 bwp@ Ausgabe Nr. 12 | Juni 2007
Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

Der Hamburger Weg zu einem integrierten Lehrerbildungscurriculum für Berufs- und Wirtschaftspädagogen


 

 


1.  Einführung

Im Herbst 2000 legte die Hamburger Kommission Lehrerbildung (HKL) unter dem Vorsitz von Jürgen Oelkers „Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung in Hamburg“ vor, die auf der Grundlage der Ergebnisse der Terhart-Kommission der KMK (TERHART 2000) sowie einer Reihe von Evaluationen Eckpunkte einer überfälligen Reform markierten.

Hintergrund dieses Reformprojekts waren hier wie auch andernorts Klagen über die Abschottung der Ausbildungsphasen, über mangelnde Konsekutivität und Kohärenz der Gesamtausbildung, Klagen über die Beliebigkeit der Studieninhalte, über die Randexistenz der Lehramtsstudierenden bei den Fachwissenschaften, über die schwache Position der Fachdidaktiken, Klagen über mangelnden Berufsfeldbezug der universitären und zu wenig ausgeprägte Wissenschaftsorientierung der zweiten Phase.

Die HKL (KEUFFER/ OELKERS 2001, 13ff.) stellt dementsprechend fest, dass „das bisherige System der Lehrerbildung ... zu wenig effektiv“ sei, „weil die Ausbildungsphasen nicht kooperieren, keine gemeinsamen Ziele verfolgen und nicht oder zu wenig aufeinander aufbauen“. Sie empfiehlt demgegenüber, die Lehrerbildung als einheitlichen Personalentwicklungsprozess zu betrachten und „sie nicht länger in voneinander getrennten Phasen zu organisieren, die wenig miteinander zu tun haben“.

Curriculare Integration auf Basis eines kontinuierlichen Entwicklungsmodells von Lehrerkompetenz sowie institutionelle Kooperation und Verzahnung sind die Leitmotive des Gutachtens. Im Zentrum der operativen Vorschläge der Kommission steht die Einrichtung von phasen- und institutionenübergreifenden „Sozietäten“, die Erarbeitung und Implementation von Kerncurricula sowie die Verankerung der „prioritären Themen“ „Neue Medien“, „Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität“ und „Schulentwicklung“ in der Lehrerbildung (ebenda). Diese Vorschläge wurden schon im Frühjahr 2001 administrativ umgesetzt; im Juli 2001 erfolgte die formelle Einrichtung der Sozietäten im Rahmen einer gemeinsamen Fachtagung.

Mit der seit Februar 2006 vorliegenden Drucksache zur Reform der Lehrerbildung in Ham­burg werden jetzt die Ziele und wichtigsten inhaltlichen Reformvorhaben für die zukünftige Gestaltung der Lehrerbildung im Zeitalter von Bachelor- und Masterstudiengängen beschrie­ben. Sie bilden den Rahmen für eine phasenübergreifende Gestaltung der Lehrerbildung, die durch die stärkere Verzahnung von Studium, Vorbereitungsdienst und Lehrerfortbildung eine Erhöhung der Professionalität beruflichen Handelns anstrebt.

Dieser Beitrag setzt bei der Arbeit der Sozietäten an und reflektiert deren Anlage, Erträge und Desiderate aus der Perspektive der Lehrämter für die beruflichen Schulen. Darauf aufbauend soll skizziert werden, wie sich aus der Arbeit an den Kerncurricula im Rahmen der Sozietäten die Idee eines phasenübergreifenden Kerncurriculums und einer curricularen Integration der Lehrerausbildung über die Phasen hinweg entfaltet hat. Abschließend wird der Blick auf die Entwicklungsarbeiten zum Kernpraktikum – dem Kernstück einer integrierten Lehrerbildungskonzeption – gerichtet, das in personeller und institutioneller Verantwortung von Hochschule und Landesinstitut durchgeführt werden soll.

2.  Sozietäten im Zentrum des Reformprozesses der Lehrerbildung in Ham­burg

2.1  Einrichtung und Auftrag der Sozietäten

Sozietäten sind als institutionenübergreifende Arbeitsgruppen angelegt, in denen konzeptionelle und inhaltliche Fragen der Lehrerbildung erörtert und abgestimmt werden sollen. Mitglieder der Sozietäten sind seitens der Universität Vertreter der jeweiligen Fachwissenschaft und der Erziehungswissenschaft/Fachdidaktik, weiterhin Vertreter der zweiten Phase und der Lehrerfortbildung, Vertreter der Studierenden und der Lehramtsanwärter sowie jeweils ein Vertreter der Behörde für Bildung und Sport.

Insgesamt wurden 28 Sozietäten eingerichtet. Dies geschah überwiegend im Hinblick auf universitäre Studien- und Prüfungsfächer (z. B. Sozietäten für Bildende Kunst, Biologie, Chemie, Sport, Sprachen I-IV mit Bezug auf Unterrichtsfächer; Erziehungswissenschaft, Grundschulpädagogik, Sonderpädagogik mit Bezug auf erziehungswissenschaftliche Studienfächer). Die beruflichen Fachrichtungen des Studienganges für das Lehramt an beruflichen Schulen wurden zu drei Sozietäten gebündelt (gewerblich-technische Fächer, personennahe Dienstleistungen, Wirtschaft und Verwaltung). Quer zu diesen insgesamt 25 fachlich abgegrenzten Sozietäten wurden drei weitere zu den prioritären Themen eingerichtet.

Der Auftrag der Sozietäten war unscharf formuliert; man setzte auf die „Selbstorganisation“ der Gruppen. Im Zentrum ihrer Arbeit stand faktisch jedoch ziemlich unmittelbar die Arbeit an den Kerncurricula. Hierfür wurden noch in 2001 von der „Projektgruppe Lehrerbildung“ Eckwerte formuliert und relativ eng terminierte „Milestones“ gesetzt. Die Sozietäten waren und sind keine Entscheidungsgremien und im Prozess der Erarbeitung der Kerncurricula waren sie auch nicht die eigentlich handelnden Instanzen; demzufolge lag ihre Funktion primär in der Initiierung und Vernetzung der an den jeweils zuständigen Institutionen ablaufenden Entwicklungsprozesse von Kerncurricula und Standards.

2.2  Die Arbeit der Sozietäten im berufsbildenden Bereich

Im Bereich des Lehramtes an der Oberstufe – Berufliche Schulen, also in der Ausbildung von Handels- und Gewerbelehrern, wurden durch die Projektgruppe Lehrerbildung drei Sozietäten eingerichtet, die jeweils spezifische berufliche Fachrichtungen umfassten:

•  Die Sozietät 23, zuständig für die gewerblich-technischen Fachrichtungen, deren fachwissenschaftliche Ausbildung an der TU Harburg erfolgt (Metalltechnik, Elektrotechnik/Informatik, Bautechnik, Holz- und Kunststofftechnik, Farbtechnik und Raumgestaltung);

•  die Sozietät 24, zuständig für die Fachrichtungen der personenbezogenen Dienstleistungen, deren fachwissenschaftliche Ausbildung am Fachbereich Chemie der Universität Hamburg erfolgt (Gesundheit, Körperpflege, Ernährungs- und Haus­haltswissenschaft, sowie Chemotechnik);

•  die Sozietät 25, zuständig für die Handelslehrerausbildung in der beruflichen Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung, die am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg erfolgt.

In jeder dieser Sozietäten fanden sich neben den Vertretern der Fachwissenschaften auch Fachdidaktiker aus dem Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg (IBW) sowie Vertreter der Fachseminare aus dem Landesinstitut Abteilung Ausbildung berufliche Schulen (LIA 3). Bei den Sozietäten 23 und 24 war damit allerdings noch nicht das gesamte Spektrum der beruflichen Fachrichtungen unmittelbar beteiligt.

Für das erziehungswissenschaftliche und berufsfelddidaktische Studium am IBW sollte ein einheitliches Kerncurriculum auf der Grundlage der staatlichen Prüfungsordnung und unter Berücksichtigung der in Diskussion befindlichen nationalen Standards der Berufs- und Wirtschaftspädagogik (BWP 2003) entwickelt werden. Dieses war über die Sozietäten abzustimmen mit den Spezifika der fachwissenschaftlichen Ausbildung in den unterschiedlichen Fachrichtungen und insbesondere auch mit der Ausbildungsstruktur und den Kerncurricula der Ausbildung im Landesinstitut. Darüber hinaus bilden die Kerncurricula die Basis für die konzeptionelle Ausgestaltung von Berufseingangsphase und Lehrerfortbildung.

Zur Verdeutlichung der Heterogenität der Voraussetzungen und Arbeitsprozesse soll ein kurzer Blick auf die Sozietäten 23 und 25 geworfen werden. Die gewerblich-technischen Fachrichtungen orientieren sich in der fachwissenschaftlichen Ausbildung am berufsfeldwissenschaftlichen Paradigma (vgl. PAHL/ RAUNER/ SPÖTTL 2000). Danach stehen im Zentrum der fachlichen Ausbildung nicht die traditionellen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Inhalte, sondern die berufliche Facharbeit, das ihr zugrunde liegende Prozess- und Hintergrundwissen sowie Aspekte ihrer lernenden Aneignung. Damit sind in diesem Verständnis bereichsdidaktische Fragestellungen originärer Bestandteil der fachlichen Ausbildung, was naturgemäß zu Abstimmungsproblemen oder zumindest Koordinationsbedarf mit der in Hamburg bei der Berufs- und Wirtschaftspädagogik angesiedelten Didaktik der beruflichen Fachrichtungen führen muss. Diese Aspekte der Abstimmung von Fachwissenschaft und Bereichsdidaktik/ Berufspädagogik nahm dann auch einen großen Teil der Aktivität der Sozietät ein. Hier gelang es in bemerkenswerter Weise, konsensuelle Vorstellungen über die Verzahnung fachwissenschaftlicher und bereichsdidaktischer Lehrangebote zu entwickeln und darüber hinaus auch konkrete Maßnahmen der Kooperation bis hin zu gemeinsamen Lehrveranstaltungen zu vereinbaren und umzusetzen.

Völlig anders gelagert war die Situation in der Sozietät 25, also der Fachrichtung Wirtschaft und Verwaltung. Die Ausbildung der Diplomhandelslehrer erfolgt traditionell in enger fach­licher Anlehnung an das Studium der Betriebswirtschaftslehre (vgl. KMK 1998). Seitens des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften wird umgekehrt auf die Belange der Handels­lehrerausbildung kaum Bezug genommen; weder gibt es besondere Lehrveranstaltungen für Handelslehrer noch werden in der Regel in den Veranstaltungen entsprechende inhaltliche Akzente gesetzt. Die Studienreform in den Wirtschaftswissenschaften orientiert sich eindeutig an der Konkurrenzfähigkeit der wirtschaftswissenschaftlichen Studienangebote bzw. Absolventen und nahm und nimmt in diesem Sinne kaum Anteil an oder auch nur Kenntnis von den Zielen und Gestaltungsideen der Lehrerbildungsreform. Vor diesem Hintergrund wurde in der Sozietät 25 das Studienangebot der Wirtschaftswissenschaften im Wesentlichen als Datum betrachtet; die Aktivitäten konzentrierten sich hier darauf, die wirtschaftspädagogischen Studienangebote und die curriculare Konzeption der Fachseminare Wirtschaft im Landesinstitut aufeinander zu beziehen und miteinander zu verknüpfen. Hierzu konnte die Sozietät an langjährige Kooperationsbeziehungen zwischen der universitären Wirtschaftspädagogik und den Fachseminarleitungen des Landesinstituts anknüpfen.

Im Ergebnis mag hier eher der Eindruck einer Kakophonie als eines konzertierten Vorgehens vermittelt worden sein. Dem ist nicht grundsätzlich zu widersprechen; es ist allerdings festzuhalten, dass dies im Wesentlichen die Vielgestaltigkeit und Komplexität des Handlungsfeldes widerspiegelt und damit auch transparenter macht. Sofern mit den Sozietäten die „fachliche Zusammenarbeit und die Vernetzung in der Erarbeitung von Kerncurricula und Standards“ (LENKUNGSGRUPPE LEHRERBILDUNG 2001) angeregt und unterstützt werden sollte, so ist dieses Ziel zweifellos erreicht worden. Über das Prinzip der Selbstorganisation ist um den Preis einer nicht unproblematischen Vielfalt in formaler und inhaltlicher Hinsicht zumindest erreicht worden,

•  dass der Kooperationsprozess in großer Breite nahezu aus dem Stand in Gang gesetzt werden konnte;

•  dass in vielen Fällen die Qualifizierungsangebote für zukünftige Lehrer erstmals gemeinsam in den Blick genommen wurden;

•  dass der Prozess der Entwicklung von Kerncurricula an den jeweils zuständigen Institutionen initiiert, inhaltlich angeregt, beschleunigt und auch weitestgehend abgeschlossen wurde und

•  dass in vielen Fällen konkrete Kooperationen in Studium und Ausbildung angeregt wurden.

Ob mit diesen Fortschritten allerdings auch Schritte in Richtung auf ein integriertes Lehrerbildungscurriculum verbunden sind, scheint angesichts der Segmentierung der Sozietätsarbeit zunächst eher zweifelhaft. Hier stellt sich aus unserer Sicht die Situation im Bereich der berufsbildenden Lehrämter deshalb deutlich besser dar, weil hier auf der Ebene der Universität eine enge institutionelle, personelle und curriculare Verknüpfung der Erziehungswissenschaft in Gestalt der Berufs- und Wirtschaftpädagogik mit den Didaktiken der beruflichen Fachrichtungen gegeben ist. Ca. 70% des erziehungswissenschaftlich-bereichsdidaktischen Studiums entfallen auf diesen Bereich und sind über das Kerncurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik strukturiert.

3.  Der Reformprozess der 2. Phase im Landesinstitut

Um die Perspektiven eines integrierten Lehrerbildungscurriculums entwickeln zu können, soll im Folgenden der am Landesinstitut durchgeführte Reformprozess nachgezeichnet werden. Im Rahmen eines BLK-Verbund-Modellversuchs führte die Abteilung Berufliche Schulen des Landesinstituts Hamburg in der Zeit von 2001-2004 einen Modellversuch zur „Flexibilisierung der Lehrerbildung im Referendariat durch Subjektorientierung und Modularisierung (UbS-HH)“ durch, aus dem heraus es zu einer grundlegenden und nachhaltigen Umstrukturierung der Ausbildung in der zweiten Phase kam. Der Modellversuch und die daraus resultierenden Reformen umfassten als Maßnahmen die subjektorientierte Seminargestaltung, die äußere Seminarorganisation in Modulen und Kontinua, das Projekt zur „Konstruktion, Durchführung und Evaluation von handlungs- und produktorientierten Lehr-/Lernsequenzen“ und die Erarbeitung und Umsetzung eines Fortbildungskonzeptes für Seminarleiterinnen und Seminarleiter ( www.innovelle-bs.de ). Zeitgleich hierzu wurden aus der Arbeit der Sozietäten heraus Kerncurricula für Haupt- und Fachseminare entwickelt und Konzepte für prioritäre Themen in der Lehrerbildung erarbeitet. Im Zuge der Neugestaltung der 2. Phase wurden die Ausbildungscurricula 2003 erprobt und 2005 einer Revision unterzogen und in überarbeiteter Form implementiert. Sie umfassen Vereinbarungen über die Inhalte der Ausbildung, die Vermittlungs- und Erarbeitungsformen sowie die anzustrebenden Kompetenzen. Die externe Begutachtung durch Prof. Dr. Terhart hat ergeben, dass sie den anzulegenden Standards entsprechen und einer einheitlichen Struktur der Darstellungsform weitestgehend folgen (vgl. PROJEKTGRUPPE LEHRERBILDUNG 2001; www.li-hamburg.de ).

Ausdrückliches Ziel der Ausbildung in der 2. Phase ist es, eine umfassende Handlungskompetenz für das Gestalten von Lehr-Lernarrangements zu erwerben, eine positive Haltung zu lebensbegleitendem Lernen zu entwickeln und sich auf eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung von Schule vorzubereiten. Die Umsetzung dieser Zielsetzung erfolgt als Ergebnis des Modellversuchs auf der theoretischen Grundlage der Handlungstheorie und der Erkenntnisse über das explizite und implizite Wissen von Polanyi sowie der Entwicklungslogik des Experten-Novizen-Modells von Dreyfus und Dreyfus (vgl. u. a. MUSTER-WÄBS/ PILMANN-WESCHE/ RUPPEL 2003; SPÖTTL/ DREHER/ BECKER 2002; NEUWEG 1999).

Pragmatischer Bezugspunkt der Reformen am Landesinstitut waren die bekannten strukturellen Probleme eines relativ praxisfernen akademischen Studiums im Rahmen der zweiphasigen Lehrerausbildung (vgl. TERHART 2000; KEUFFER/ OELKERS 2001) mit den daraus resultierenden Kompetenzdefiziten und Fehlorientierungen auf Seiten der Lehramtsanwärter. Insbesondere wurde die Gefahr gesehen, dass sich Referendare in ihrer unterrichtlichen Praxis in Ermangelung einer hinreichend durchdrungenen und erprobten wissenschaftlichen Handlungsgrundlage mehr an Vorbildern ihrer eigenen Schul- und Ausbildungsbiographie orientieren oder sich unreflektiert an das anzupassen versuchen, was sie in ihrer Ausbildungsschule an Unterrichtspraxis erleben (vgl. u. a. KORTHAGEN et al. 2002; TRAMM 2003; ARNOLD 2004).

Zu diesen Problemen, die im Prinzip alle Referendare haben, kommen für die Lehramtsanwärter an beruflichen Schulen noch weitere Schwierigkeiten hinzu, die sich aus der starken Veränderungsdynamik der beruflichen Schule herleiten lassen und von denen hier nur einige exemplarisch angesprochen werden sollen:

•  Referendarinnen und Referendare an beruflichen Schulen haben es mit einer extrem heterogenen Schülerschaft zu tun. So unterrichten sie etwa in der Berufsvorbereitung Schüler, die häufig durch Lernschwierigkeiten Motivationsprobleme und Verhaltensauffälligkeiten geprägt sind, während sie es parallel dazu in vielen dualen Ausbildungsberufen verbreitet mit Schülern zu tun haben, die die Hochschulreife besitzen, ein Studium abgebrochen oder sogar abgeschlossen haben. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen angehende Lehrerinnen und Lehrer insbesondere über diagnostische Kompetenzen und über ein breites Methodenrepertoire verfügen.

•  Die lernfeldorientierte Umstrukturierung beruflicher Curricula erfordert – um handlungs­orientierte Lernsituationen entwickeln zu können – eine Auseinandersetzung mit den Arbeits- und Geschäftsprozessen, in denen sich Auszubildende befinden. Für Lehrerinnen und Lehrer hat die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes weitreichende Konsequenzen. Lernsituationen sind so angelegt, dass in der Regel mehrere Fachdisziplinen berührt werden. Dies macht es erforderlich, dass Lehrerinnen und Lehrer als interdisziplinäre Curriculumentwickler im Team arbeiten müssen. Handlungsorientierter Unterricht führt zu einer Erweiterung des Rollenspektrums. Die Rolle als Wissensvermittler und Beurteiler wird ergänzt um die des Gestalters von Lernarrangements, des Lernprozessbegleiters und des Moderators. Reflexion und Evaluation sind wesentliche Elemente eines Unterrichts zur Förderung der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern und stellen erweiterte Anforderungen an die pädagogische Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer (vgl. MUSTER-WÄBS/ RUPPEL 2001).

•  Berufliche Schulen entwickeln sich – mit unterschiedlichen Ausprägungen in einzelnen Bundesländern – zu Kompetenz- oder Berufsbildungszentren. Mit einer veränderten Struktur und einer größeren Eigenverantwortung von beruflichen Schulen sind zusätzlich zu bewältigende Anforderungen verbunden. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um:

•  die Weiterentwicklung der Angebotsstruktur der Schule (Weiterbildungsangebote oder Förderangebote),

•  die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte,

•  die Gestaltung neuer organisatorischer Strukturen,

•  die Etablierung einer veränderten Lernkultur,

•  die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung der Ausbildungsqualität und

•  die Übernahme erhöhter Verantwortung durch Lehrerinnen und Lehrer.

Aus den Zielsetzungen des Referendariats und auf der Grundlage o. a. angeführter Theorien wurden im Modellversuch UbS u .a. folgende Eckpunkte für die Gestaltung der Ausbildung formuliert (vgl. MUSTER-WÄBS/ PILMANN-WESCHE/ RUPPEL 2003):

•  In der Ausbildung ist an die Erfahrungen der Lehramtsanwärter anzuknüpfen, damit die neu zu erarbeitenden handlungsleitenden Theorien für die Lehramtsanwärter von persönlichem Nutzen sind und an die bisherigen individuellen Theorien anschließen.

•  Für die innere Seminargestaltung ist den Referendaren ein hohes Maß an Mitgestaltungsmöglichkeiten einzuräumen (Prinzip der Subjektorientierung); die Organisation der Seminare (Prinzip der Kontinua und Module) sollte flexibel sein. Ausgangspunkt für Lernprozesse sind die Fragen, Probleme und Erfahrungen der Referendarinnen und Referendare, die mit ihrer schulischen Praxis im Zusammenhang stehen.

•  Die Lehrerbildung sollte so organisiert werden, dass Lernsituationen in der Schule den Ausgangspunkt bilden. Die Bearbeitung komplexer Aufgaben und Problemstellungen bedingt die Integration verschiedener Disziplinen und fördert die Fähigkeit und Bereitschaft zur Teamarbeit, zur Weiterentwicklung curricularer Vorhaben, zur Reflexion und Evaluation der eignen Tätigkeit und das Erkennen und Realisieren von Gestaltungsnotwendigkeiten in der Schule (Bearbeitung handlungs- und produktorientierter Lehr-Lernsequenzen HupLL).

Mit dem Start der neuen Ausbildungsstruktur zum 01.11.2004 wurde die Ausbildung auf 18 Monate verkürzt und 20 % der Seminarausbildung in Modulen organisiert. Die neue Struktur sieht eine Phasierung in Start- (3 Monate), Kern- (12 Monate) und Prüfungsphase (3 Monate) mit unterschiedlichen hohen Seminaranteilen und Anteilen von eigenverantwortlichem Unterricht in den einzelnen Phasen vor. Die Haupt- und Fachseminare (Kontinua) werden durch 5 Modulblöcke ergänzt, die jeweils einen Umfang von 2 Wochen haben. In dieser Zeit finden die kontinuierlichen Seminare nicht statt.

Im Rahmen der Modularisierung bedeutet Subjektorientierung, dass den Referendarinnen und Referendaren Lernangebote unterbreitet werden, die möglichst ihren individuellen Lernbedarfen genügen und sich an den Erfordernissen der Schule orientieren. Deshalb bedarf es nicht nur einer inneren Differenzierung des Angebots in den Seminaren durch eine entsprechende inhaltliche und methodische Gestaltung, sondern auch einer äußeren Differenzierung des Seminarangebots in Form von Modulen.

Mit einer Modularisierung der Ausbildung sind Vorteile im Hinblick auf die Subjektorientierung aber auch diverse Nachteile verbunden. Aus diesem Grunde wurde mit dem Konzept der Teilmodularisierung in Hamburg der Versuch unternommen, die Vorteile einer kontinuierlichen Seminararbeit mit den Vorteilen von Modulen zu verbinden (Konzept der Teilmodularisierung, vgl. www.ubs-modellversuch.de ; BADE 2005). Modularisierte Angebote stellen neben sogenannten Kontinua eine sinnvolle Ergänzung in der äußeren Ausbildungsstruktur dar, wenn die Vor- und Nachteile der beiden Ausbildungsformen abgewogen werden und die Risiken der Modularisierung durch geeignete Modulwahl und ein komplementäres Angebot an kontinuierlichen Seminaren ausgeglichen werden können. Im Modellversuch wurde dabei von folgendem Modulbegriff ausgegangen (vgl. MUSTER-WÄBS/ PILMANN-WESCHE/ RUPPEL 2003, 33):

•  „Module sind thematisch und organisatorisch geschlossene Einheiten;

•  Kompetenzen und Inhalte werden ausgewiesen;

•  Module lassen sich so zu thematischen Zusammenhängen aufeinander beziehen, dass sie das Erreichen bestimmter Kompetenzen ermöglichen;

•  Module sind in der Regel bewertungsrelevant;

•  Module sind Einheiten, die nur einen Teil der Gesamtausbildungszeit ausmachen;

•  Es gibt Pflicht- und Wahlmodule.“

Der Begriff Kontinua wurde demgegenüber wie folgt definiert (ebenda):

•  „Kontinua sind die ganze Ausbildung begleitende verbindliche Seminare;

•  sie sind gekennzeichnet durch Konstanz der Gruppe und der Leitung über den gesamten Ausbildungszeitraum;

•  sie sind erforderlich um Langzeitentwicklungsprozesse zu ermöglichen;

•  es werden mehrere Themen bearbeitet, die entwicklungslogisch strukturierte Prozesse bei den Lernern ermöglichen (vom Novizen zum Experten);

•  sie ermöglichen entwicklungsbezogene individuelle Beratung und kontinuierliche Lernbegleitung durch die Seminarleitung“.

Die bisherigen Diskussionen und Kooperationsgespräche von Vertretern des Instituts für Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Hamburg und des Landesinstituts zeigen, dass die Umgestaltung des Vorbereitungsdienstes auf der Grundlage der Ergebnisse des Modellversuchs UbS, die Empfehlungen der HKL sowie hochschuldidaktische Innovationen und die konzeptionellen Arbeiten an der Entwicklung eines Kerncurriculums am Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik für die Entwicklung eines integrierten Lehrerbildungscurriculums (siehe unten) eine breite Basis bilden. Sowohl die handlungsleitenden Theorien als auch die Vorstellungen eines kompetenzorientierten Leitbildes von Lehrerbildung weisen eine hohe Affinität auf.

4.  Leitidee der Ausbildung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen

Die Arbeit am Kerncurriculum Berufs- und Wirtschaftspädagogik des IBW begann als kollegialer Curriculumentwicklungsprozess bereits deutlich vor den Impulsen der HKL und der Einrichtung der Sozietäten. In dieser Phase gab es intensive Rückkoppelungen mit Kolleginnen und Kollegen des Landesinstituts, überwiegend im Rahmen eher informeller Gesprächskreise, aber auch in Gestalt einer zweisemestrigen „Zukunftswerkstatt Handelslehrerausbildung“, die als Lehrveranstaltung der Universität und zugleich als Lehrerfortbildungsveranstaltung zur Mentorenqualifizierung angelegt war.

In dieser ersten Phase war die Arbeit von eher konzeptionell-grundsätzlichen Überlegungen zur Entwicklung eines kompetenzorientierten Lehrerbildungskonzepts geprägt.

Die Verständigung mit den Kolleginnen und Kollegen des Landesinstituts Abteilung Ausbildung berufliche Schulen (LIA 3) über eine gemeinsame Leitvorstellung der Lehrerbildung erwies sich deshalb als relativ unproblematisch, weil sich zentrale Eckpunkte hierzu bereits in der vorherigen Kooperation deutlich herausgebildet hatten. Wie bereits skizziert, finden sie mit unterschiedlichen Akzentuierungen ihren Niederschlag in den jeweiligen Kerncurricula, aber auch z. B. in der Anlage des am LIA 3 durchgeführten BLK-Modellversuchs UbS zur „subjektorientierten“ Reorganisation der 2. Phase ( www.ubs-modellversuch.de ).

Im Kerncurriculum des IBW wurde als Ziel der Ausbildung von Berufs- und Wirtschaftspä­dagogen die „Fähigkeit und Bereitschaft zu einem theoriegeleitet-reflexiven, erfahrungsoffenen und verantwortlichen Handeln im pädagogischen Handlungsfeld Berufsbildung“ postuliert. In analytischer Sicht setzt dies die Entwicklung berufs- und wirtschaftspädagogischer Professionalität in drei aufeinander verwiesenen Dimensionen voraus, wie dies in Abbildung 1 illustriert wird.

Mit diesem kompetenzorientierten Leitbild, auf dessen systematische Fundierung und Ausdifferenzierung an dieser Stelle nicht näher einzugehen ist (vgl. BRAND/ TRAMM 2002; TRAMM 2000; 2005), werden kognitive, pragmatische, motivationale und volitionale Aspekte aufeinander bezogen. In diesem Sinne handelt es sich hierbei um eine normative Leitvorstellung für den berufs- und wirtschaftspädagogischen Qualifizierungsprozess über alle Phasen und Institutionen hinweg, und daraus ergibt sich die weitergehende Herausforde­rung, die je spezifischen Beiträge der einzelnen Phasen im Qualifizierungsprozess zu definie­ren und damit auch die Leistungsschwerpunkte bzw. die originären Beiträge von Studium und Referendariat zu bestimmen. Diesbezüglich bestand Konsens, dass Studium wie zweite Phase kompetenzorientiert anzulegen sind, dass sie sich an einem theoretisch fundierten Modell der individuellen Kompetenzentwicklung orientieren und Spielräume für eine individualisierte Prozessgestaltung eröffnen sollen. Einigkeit bestand auch im Hinblick auf die Notwendigkeit eines frühzeitigen und kontinuierlichen Bezugs auf das berufliche Praxisfeld schon im Studium.

In den Diskussionen mit den Kolleginnen und Kollegen des Landesinstituts wurde sehr früh deutlich, dass dieses Postulat durchaus ambivalent ist und die Gefahr einer praxeologischen Fehlorientierung mit sich bringen kann. Die Frage nach der Art und Funktion von Praxiskontakten im Qualifizierungsprozess wurde in diesem Sinne als Schlüsselfrage der Studienreform aber auch der konkreten Kooperation der beiden Phasen angesehen. Die methodische Leitidee des IBW-Kerncurriculums (2003) „über die wissenschaftliche Reflexion praktischer Orientierungs-, Gestaltungs- und Handlungsprobleme zu reflektierendem Handeln in exemplarischen Praxisbereichen zu gelangen“, ist als programmatischer Ausdruck dieses Problembewusstseins zu verstehen.

5. Rahmenbedingungen einer zukünftigen Lehrerbildung im Bachelor-Master-System

Mit Vorlage der Drucksache 18/3809 hat der SENAT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG (2006) der Bürgerschaft die Grundlage für die Umgestaltung der Lehramtstudiengänge nach dem Bachelor- und Mastersystem, das ab dem Wintersemester 2007/08 beginnen soll, vorgelegt. Die Drucksache beschreibt die Eckpunkte an denen sich die inhaltliche Ausgestaltung einer phasenübergreifenden Lehrerbildung orientiert. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

•  Die Lehramtstudiengänge werden konsequent auf die Erfordernisse der späteren Berufstätigkeit in Schule, durch eine hohe Verbindlichkeit von erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Anteilen sowie schulpraktischen Studien und das Studium eines zweiten Faches bereits im Bachelorstudium ausgerichtet.

•  Praxisbezogene Einführungen zu Beginn des Studiums, ein begleitetes Orientierungspraktikum (4 Wochen) und Praxis im Umfang eines Semesters in der Masterphase sollen den Praxisbezug deutlich erhöhen. Insbesondere das „Kernpraktikum“ in der Masterphase, das in gemeinsamer personeller und institutioneller Verantwortung der Universität und des Landesinstituts durchgeführt werden soll, dient dazu, den unzu­reichenden Praxisbezug im Lehramtstudium zu beheben.

•  Die bereits begonnene Entwicklung von Kerncurricula durch die Sozietäten wird verbindlich eingeführt und stellt sicher, dass eine phasenübergreifende systematische Ausrichtung der Ausbildung an den zu erwerbenden Kompetenzen erfolgt.

•  Im Rahmen der Einführung des Bachelor- und Mastersystems werden die Studiengänge modularisiert und im Rahmen des Europäischen Credit-Transfer-Systems akkreditiert.

•  Die Ausbildung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen wird durch ein 10-semestri­ges Studium (incl. Praxis im Umfang von einem Semester) und einem ein­jährigen Vorbereitungsdienst verkürzt.

•  Das Prüfungswesen wird durch abschichtende Leistungen während des Studiums refor­miert.

•  Mit der Einrichtung eines Zentrums für Lehrerbildung (ZLH), das sowohl von der Universität, als auch vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung getragen wird, sollen Qualitätsverbesserungen durch inhaltliche Abstimmungen des Studienangebotes und Verbesserungen in der Anschlussfähigkeit der Phasen erreicht werden. Darüber hinaus soll die Lehrerbildung regelmäßig evaluiert und den wechselnden Anforderungen entsprechend weiterentwickelt werden. Die Arbeit der Sozietäten wird ebenfalls durch das ZLH koordiniert und gesteuert.

•  Jungen Lehrkräften wird eine Berufseingangsphase angeboten und eine berufsbeglei­tende Fortbildung für alle Lehrkräfte, wie sie die Arbeitszeitverordnung für Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen im Umfang von 45 Stunden/Jahr vorsieht, wird verbindlich eingeführt.

Die im Überblick skizzierten Eckpunkte machen deutlich, dass sich die weitere gemeinsame konzeptionelle Entwicklung auf die Kernpraxisphase im Masterstudium fokussiert. Mit der „Perspektive Integriertes Lehrerbildungscurriculum“ werden erste gemeinsame Überlegungen vorgestellt.


6. Perspektive integriertes Lehrerbildungscurriculum

Nach Erarbeitung, Abstimmung und formaler Implementation der Kerncurricula ist der Reformprozess nunmehr in eine Phase getreten, in deren Zentrum nicht mehr die Sozietäten stehen, sondern vielmehr die direkte konzeptionelle Kooperation von erster und zweiter Phase vor dem Hintergrund der anstehenden Einführung von Bachelor-Master-Strukturen, der anhaltenden Diskussion um Funktion und Stellenwert des Referendariats und schließlich auch der aus der Sozietätsarbeit hervorgegangenen Einsicht in die Notwendigkeit eines integrativen Lehrerbildungscurriculums.

Ausgehend von den Überlegungen zur Umgestaltung der Lehrerausbildung in Hamburg, die eine zweijährige Masterphase und ein einjähriges Referendariat vorsehen, soll in diesen drei Jahren sowohl der akademische Abschluss eines Masters als auch eine Lehramtsbefähigung auf dem Niveau des zweiten Staatsexamens erworben werden können. In diesem Rahmen wird von beiden Seiten eine konsequente curriculare Integration und eine weitestmögliche personale und institutionelle Vernetzung von erster und zweiter Phase der Berufsschullehrerausbildung im Rahmen eines Hamburger Modells angestrebt.

Eine erste konzeptionelle Verständigung erfolgte auf Basis der folgenden „Eckpunkte“ eines solchen Modells :

•  verbindliche Orientierung der Ausbildung an einem gemeinsamen normativen Leitbild der Lehrerbildung sowie konsensualen theoretischen Leitvorstellungen;

•  durchgängige Orientierung der Ausbildung an Kompetenzen und Standards unter Berücksichtigung der KMK-Standards vom 16.12. 2004 (vgl. KMK 2004);

•  curriculare Integration der Ausbildung über die Phasen hinweg auf der Grundlage eines theoretisch fundierten Kompetenzentwicklungsmodells und hochschuldidaktisch begrün-deter Sequenzierungsüberlegungen;

•  eine „echte“ Verzahnung von Theorie und Praxis im Sinne einer intensiven gegenseitigen Bezugnahme kasuistischen und systematischen Lernens und nicht nur eines Nebeneinanders theoretischer und unterrichtspraktischer Lernangebote.

Das Zusammenspiel von Kompetenz- und Entwicklungsorientierung ist für diese Überlegungen konstitutiv und diese Akzentsetzung greift wie zuvor beschrieben zugleich Innovationslinien auf, die in den vergangenen Jahren von beiden Partnern aus unterschiedlichen Kontexten heraus verfolgt wurden. Die folgende Abbildung 2 verdeutlicht diesen Ansatz schematisch:

Die Identifikation relevanter Kompetenzdimensionen wird in einem ersten Verständigungs schritt zu erfolgen haben, wobei hier auf die Handlungs- und Reflexionsfelder des IBW-Kerncurriculums Bezug genommen werden kann. Nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen bietet sich eine Bündelung zu sieben Kompetenzdimensionen an, die in der Anordnung vom lernenden Subjekt ausgehend zum historisch-gesellschaftlichen Rahmen des Bi ldungssystems führen (siehe Abbildung 3). Im Zentrum stehen dabei die für den Lehrerberuf prägenden unter richtlich-curricularen Gestaltungsaufgaben und kommunikativen Herausforderungen.

Bezogen auf jede dieser Kompetenzdimensionen sind in curricular-konstruktiver Hinsicht jeweils vier Schritte der Konkretisierung zu leisten:

•  Die Ausdifferenzierung dieser komplex formulierten Kompetenzen in Richtung auf die darin enthaltenen thematischen Aspekte und Dimensionen;

•  die Identifikation der mit diesen Kompetenzen verbundenen Wissensbasis und damit die Aufdeckung der relevanten Theoriebezüge und der grundlegenden (empirischen, normativen) Informationen über den Gegenstandsbereich;

•  die Identifikation prototypischer Fälle und Situationen, über die dieser Problembereich situierbar ist und über die er auch den Studierenden zugänglich gemacht werden kann;

•  d ie Bestimmung einer Sequenz von Gegenstandserfahrungen und systematischen Reflexionen, über die sich die Lehrerstudenten im Verlauf ihres Professionalisierungsprozesses über die Phasen diesen Bereich erschließen können (Sequenz von Modulen).

Wer Curricula entwicklungsorientiert anlegen will, benötigt ein Modell der Kompetenzentwicklung, an dem er sich orientieren kann. In Ermangelung empirisch gesicherten Wissens über den Verlauf der Kompetenzentwicklung im pädagogisch-didaktischen Feld können solche Modellvorstellungen vorerst nur den Charakter technologischer Hypothesen (Dies sind Hypothesen aus wissenschaftlich-technologischen Theorien. Sie enthalten Sätze darüber, welche Mittel zum Erreichen bestimmter Zwecke eingesetzt werden können und basieren auf einer Kombination wissenschaftlich-theoretischen Wissens und praktischen Handlungswissens. Ihr Geltungskriterium ist die Bewährung in der praktischen Umsetzung ( Bunge 1967; Achtenhagen 1984).) besitzen, die in Sequenzierungskonzepte zu überführen und auf ihre praktische Bewährung hin zu überprüfen sind.

Einen Entwurf für ein solches Niveaustufenmodell, mit dem am IBW zu arbeiten versucht wird, zeigt Abbildung 4:

 

Dieses Modell, das stark von der Programmatik „Subjektive Theorien“ (GROEBEN et al. 1988; DANN 1989; WAHL 2005) beeinflusst ist, gliedert den Professionalisierungsprozess in drei Hauptphasen:

Die erste Phase setzt sehr bewusst bei den subjektiven Annahmen und Theorien an, mit denen die in einer langjährigen Schülerkarriere sozialisierten Studierenden ihr Studium aufnehmen. Sie intendiert über die Auseinandersetzung mit pädagogisch gehaltvollen Situationen, dieses subjektive Überzeugungswissen herauszufordern, für seine Begrenztheit zu sensibilisieren und andere, theoriegeleitete Zugänge zu öffnen. Erst auf dieser Grundlage haben Prozesse der kategorialen Ordnung, der begrifflichen Elaboration, der theoretischen Deutung und Erklärung auf Basis des wissenschaftlichen Professionswissens einen sinnvollen subjektiven Bezugspunkt.

In einer zweiten Phase scheint es uns möglich und notwendig, die Studierenden in die Handlungsperspektive der Lehrer zu versetzen und es ihnen zu ermöglichen, diese Praxis aktiv teilnehmend zu erkunden und zu erfahren. Wesentlich wäre es in dieser Phase, das unterrichtliche Handlungsrepertoire und die Handlungsstrategien von Lehrern kennen zu lernen, auf dieser Grundlage eigene Unterrichtsversuche durchzuführen und diese unter Rückgriff auf das in der ersten Phase erworbene Wissen bewusst zu reflektieren. Der Gegenstand des Lehrerstudiums (und damit auch der Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Forschung) soll auf diese Weise erfahren und für weitere Studien als Erfahrungshintergrund verfügbar gemacht werden.

Die dritte Phase schließlich differenziert dieses theoretisch reflektierte Handlungswissen in zweifacher Richtung aus und führt zugleich aus den Etappen der Rezeption, der Anwendung und der kritischen Reflexion professionellen Wissens und Könnens, wie sie für die Phasen eins und zwei prägend waren, in die Bereiche der Produktion und der eigenverantwortlichen Ausweitung und Ausdifferenzierung dieses „herkömmlichen“ Wissens. Unter dem Anspruch „ forschenden Lernens “ sollte dies über die exemplarisch vertiefte Auseinandersetzung mit theoretischen Fragestellungen erfolgen (was inhaltlich technologische Theorien ebenso einschließt, wie es methodisch im Wesentlichen empirisch ausgerichtete Forschung sein wird). Mit zunehmend größeren Studienanteilen sollen durch die Verzahnung von Vorbereitungsdienst und Masterphase schließlich Möglichkeiten zur „ reflexiven Routinebildung “ eröffnet werden. Das Gewinnen von Handlungssicherheit und Routine sollte hier mit dem Anspruch verknüpft werden, das eigene Handlungsrepertoire zu flexibilisieren, zu differenzieren und zu erweitern (vgl. DASCHNER 2005, 8f.).


7.  Das Kernpraktikum als Zentrum einer integrativen Lehrerbildungskonzeption

In der Hamburger Lehrerbildungskonzeption nimmt das in die Masterphase eingebettete Kernpraktikum eine Schlüsselposition ein. In ihm fokussieren sich programmatische Ansprüche und professionspolitische Befürchtungen. Zugleich stellt es natürlich in hohem Maße eine pragmatische Herausforderung an alle Beteiligten dar, denn es soll

•  mit seinen 30 Leistungspunkten integraler Teil des Studienganges auf Masterniveau sein und zugleich

•  im Umfang von einem Semester auf den Vorbereitungsdienst angerechnet werden, was wiederum voraussetzt, dass äquivalente Qualifizierungsleistungen zum bisherigen ersten Referendariatssemester erbracht werden;

•  in gemeinsamer personeller und institutioneller Verantwortung der Universität und des Landesinstituts durchgeführt werden, wobei durchaus unklar bleibt, was dies inhaltlich und formal bedeutet;

•  wesentlich an beruflichen Schulen und unter Beteiligung dieser Schulen durchgeführt werden, womit ein dritter gestaltender Partner ins Spiel kommt – genauer gesagt 45 berufliche Schulen als potentielle Ausbildungspartner;

•  auf Seiten der Universität die Berufs- und Wirtschaftspädagogik, die Didaktiken der beruflichen Fachrichtungen, die Fachdidaktiken der (zweiten) Unterrichtsfächer und schließlich auch die Fachwissenschaften einbeziehen, d. h. wiederum die Fachwissenschaften der beruflichen Fachrichtungen und der Unterrichtsfächer.

Die curriculare Einbettung des Kernpraktikums in das Leistungspunktetableau des Gesamtstudiengangs weist Abbildung 5 aus.

Herauszuheben ist hierbei, dass sowohl die Qualifizierung in der beruflichen Fachrichtung als auch das erziehungswissenschaftlich-didaktische Studium mit signifikanten Anteilen im Masterprogramm enthalten ist und dass die Masterarbeit, die mit 20 Leistungspunkten das vierte Mastersemester dominieren wird, in der Regel mit einem klaren erziehungswissenschaftlich-didaktischen Bezug und in Anbindung an das Kernpraktikum verfasst werden soll.

Unter Federführung des Zentrums für Lehrerbildung wurden mittlerweile die organisatorischen Eckpunkte des Kernpraktikums fixiert und der konzeptionelle Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen zurzeit differenzierte curriculare Konzepte für die Kernpraktika der verschiedenen Lehrämter in Hamburg erarbeitet werden. Aus Sicht der beruflichen Bildung ist hierbei erfreulich, dass Rahmenbedingungen verabredet werden konnten, die den Besonderheiten des Lehramtes an beruflichen Schulen Rechnung tragen und sich von anderen Lehrämtern unterscheiden. Das Kernpraktikum wird sich im Bereich der beruflichen Lehrämter über das zweite und dritte Mastersemester erstrecken, voraussichtlich mit 10 Leistungspunkten im zweiten und 20 Leistungspunkten im dritten Semester. Damit soll gewährleistet werden, dass die Studierenden insbesondere ihre fachwissenschaftlichen Studien während des Kernpraktikums fortsetzen können und nicht aus dem häufig jährlichen Veranstaltungsturnus herausfallen. Das Kernpraktikum wird wesentlich an den beruflichen Schulen absolviert und von Lehrveranstaltungen unterschiedlicher Art begleitet werden. Hierfür müssen Zeitmodelle und Veranstaltungsformate entwickelt werden, die es den Studierenden erlauben, ihr Fachstudium mit dem Kernpraktikum flexibel zu verzahnen.

 

Wichtiger noch scheint es uns, dass wesentliche konzeptionelle Überlegungen, die aus der in diesem Beitrag dargelegten Gesamtkonzeption einer integrativen Lehrerbildung heraus in der Diskussion von IBW und LIA3 für das Kernpraktikum entwickelt wurden, für die Gestaltung des Kernpraktikums in allen Lehrämtern aufgegriffen wurden. Diese sollen im Folgenden abschließend vorgestellt werden:

Ein Hauptproblem bei allen Überlegungen zur Theorie-Praxis-Verknüpfung in der Lehrerbildung scheint die Befürchtung zu sein, dass Studierende vor der Herausforderung, ihren ersten Unterricht zu planen und durchzuführen, all das, was sie im wissenschaftlichen Studium gelernt und an Einstellungen ausgebildet haben, über Bord werfen und sich mit dominanten Überlebensstrategien an dem orientieren, was ihnen sicher und verlässlich scheint: an den “bewährten“ Unterrichtskonzepten ihrer eigenen Schulzeit, am Rat erfahrener Praktiker und an den Strukturen der von ihnen verwendeten oder empfohlenen Lernmaterialien. Im Kernpraktikum treffen unterschiedliche Didaktiken aufeinander – eine Erfahrung die in kleinerem Maße schon aus den bisherigen Schulpraktika und in verschärfter Form aus dem Referendariat durchaus vertraut ist. Die besondere Herausforderung des Kernpraktikums sehen wir darin, diese Konfrontation weder zu umgehen, indem sich etwa jeder auf das beschränkt, was bisher traditionell seine Aufgabe war, noch sie auf Kosten der Studierenden auszutragen, indem diese dazu veranlasst werden, jedem das zu zeigen, was er sehen will. Es wird vielmehr darum gehen, mit den Studierenden gemeinsam diese unterschiedlichen Erfahrungs- und Wissenssysteme am jeweils konkreten Fall oder Beispiel aufzuarbeiten und sie auf ihre spezifischen Leistungen und Grenzen hin zu reflektieren. Die besondere Chance des Kernpraktikums liegt darin, diesen Prozess der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Wissenssystemen und ihren pragmatischen Postulaten und Empfehlungen vor dem Hintergrund komplexer Praxisanforderungen reflexiv begleiten und aufarbeiten zu können.

Es ist eine wesentliche Konsequenz dieser Position, dass die Studierenden bewusst und ausdrücklich die Chance erhalten sollen, die Handlungsstrategien erfahrener Praktiker kennen zu lernen, sich wesentliche Elemente davon anzueignen und diese im eigenen Handeln zu erproben. Dies ist ein Stück beabsichtigter Enkulturation einer vorfindlichen Praxis, wobei durchaus in Kauf genommen wird, dass in dieser Phase und in diesem Kontext wissenschaftliche Konzepte eher in den Hintergrund treten werden. Den Studierenden dürfte es hier primär um den Gewinn von Handlungssicherheit gehen, um ein Stück Routinebildung, den Abbau von Ängsten und Unsicherheiten. Erst wenn dies geleistet ist, so unsere Annahme, kann erwartet werden, dass kognitive Kapazitäten und die affektive Bereitschaft zu gewinnen sind, sich mit dieser Praxis reflexiv und analytisch auseinanderzusetzen und in Kooperation mit den Praktikern nach konstruktiven Möglichkeiten zu seiner Weiterentwicklung zu suchen.

Dieses Konzept setzt voraus, dass qualifizierte Mentoren gewonnen werden, die bereit sind, sich in ihrer Praxis zu öffnen und selbst auch an Impulsen zur Weiterentwicklung dieser Praxis interessiert sind. In dieser Strategie spielen die Seminarleiter des Landesinstituts insofern eine wesentliche Rolle, als sie jene Standards, Kompetenzen und Impulse in den Praktikumsprozess hineintragen sollen, die den Innovationsprozess im Praxisfeld vorantreiben.

All diese Überlegungen beziehen sich auf den Kernbereich des Praktikums, der in Praktikanten-Tandems an den Schulen stattfinden wird. Eine wichtige Rolle spielen die begleitenden Reflexions- und Supervisionsprozesse, die parallel dazu in größeren Gruppen von vielleicht 12-14 Studierenden laufen sollten. Ein wichtiges Korrektiv gegenüber einem zumindest phasenweise in der Gefahr der praktizistischen Verengung stehenden Praktikums aus der Lehrerperspektive sollten nach unserer Vorstellung integrierte Projekte aus einer Forschungsperspektive bilden. Integrierte Projekte, die in Verantwortung der Universität liegen, sollten den Blick zunächst systematisch auf die Lernprozesse der Schüler (z. B. pädagogische Diagnostik) und in einer zweiten Phase dann auf die curriculare Analyse und Planung unterrichtlicher Arrangements richten.

Abbildung 6 bildet diese Überlegungen noch einmal im Zusammenhang ab.

 

Aus diesem theoretisch-programmatischen Kontext heraus ist von uns ein so genanntes „Bändermodell“ in den lehramtsübergreifenden Diskussionsprozess eingebracht worden (Entwickelt worden ist dieses Modell aus dem gemeinsamen Diskussionsprozess von IBW und LIA 3 heraus; wesentlichen Anteil an seiner Ausarbeitung und Promotion hatten insbesondere auch Barbara Fahland und Prof. Dr. Thomas Vollmer.), das auf breite Akzeptanz gestoßen und als gemeinsamer Rahmen des Kernpraktikums vom Rat des Zentrums für Lehrerbildung verabschiedet worden ist. Abbildung 7 gibt die aktuelle Fassung dieses Bändermodells wieder, das in seinen Grundzügen kurz erläutert werden soll:

Das Schul- und Unterrichtsband bildet das Zentrum des Kernpraktikums. Die Studierenden absolvieren es in Tandems an berufsbildenden Schulen in Hamburg und werden dort von Mentoren betreut, die ihrerseits am Landesinstitut und vom IBW qualifiziert und beraten werden. Die Studierenden hospitieren und führen eigene Unterrichtsversuche mit zunehmender Komplexität und Eigenverantwortlichkeit durch. Eingebettet hierin finden u. a. schulübergreifend kollegial hospitierte Unterrichtsversuche in einer Gruppe von je 8-12 Studierenden statt, die von jeweils einem Hochschullehrer (als hauptverantwortlichen Betreuer) gemeinsam mit einem Seminarleiter des LIA begleitet werden. Hierbei geht es wesentlich darum, wieder an die didaktischen Standards der universitären Ausbildung anzuschließen und erste Routinen „guten Unterrichts“ zu entwickeln.

Standortübergreifende Seminare führen in das Schul- und Unterrichtsband ein und begleiten dieses unter unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten (z. B. rechtliche und schulorganisatorische Grundlagen, Grundlagen handlungsorientierten Lernens, Methodenworkshops, Heterogenität und innere Differenzierung, Leistungsmessung und Lernerfolgskontrolle). Die Seminare werden schwerpunktmäßig vom Landesinstitut verantwortet und sind Teil eines Seminar- und Projektbandes.

 

Das hierin eingebettete Projektband bildet den Schwerpunkt forschungsbezogener Aktivitäten im Kernpraktikum und ist damit auf forschendes Lernen fokussiert. Die Studierenden sollen sich mit gehaltvollen Problemen pädagogischer Praxis theoriegeleitet auseinandersetzen, Forschungsfragen auf der Grundlage vorwiegend empirischer (qualitativer wie quantitativer) Forschungsmethoden systematisch bearbeiten und die Ergebnisse in angemessener Form darstellen und vertreten. Die Projektarbeiten sollen Gelegenheiten zur individuellen Schwerpunktbildung bieten. Eine erste Projektarbeit sollte sich dabei auf das Gebiet pädagogischer Diagnostik oder die Analyse von Lehr-Lern-Prozessen beziehen, eine zweite Projektarbeit auf curriculare Fragestellungen aus dem Umfeld der Analyse curricularer Rahmenbedingungen oder der Konstruktion, Begründung oder Evaluation von Lehr-Lern-Arrangements. Hier sind die Fachwissenschaften in angemessener Weise zu beteiligen. Die Projektarbeiten werden von der Universität angeleitet, begleitet und bewertet; aus ihnen könnten vorzugsweise Themenstellungen für die Masterarbeit entwickelt werden.

Im Supervisions- und Reflexionsband stehen die Studierenden, ihre Kompetenzen, Erfahrungen, Pläne, ihr Studium und ihre Berufsperspektive im Vordergrund. Das Band dient der reflexiven Begleitung und der Auswertung der Praktikumserfahrungen. Es ist zugleich Ort der individuenbezogenen Planung, Steuerung und Auswertung des Praktikums im Rahmen einer schulübergreifenden Seminargruppe von 12-14 Studierenden unter kooperativer Betreuung von Universität und Landesinstitut. Als zentrales Instrument wird hierfür das Portfolio eingeführt.

8. Ausblick

Mit den Empfehlungen der Hamburger Kommission Lehrerbildung, der Initiative zur Einrichtung von Sozietäten und schließlich den Eckpunkten vom Frühjahr 2006 haben Senat und Universität in Hamburg einen breit angelegten und von großer Vielfalt geprägten Prozess der Reorganisation der Lehrerbildung von innen heraus auf den Weg gebracht. Ergebnisse, wie z. B. die Erstellung der Kerncurricula und die Umgestaltung der 2. Phase belegen dies. Dennoch ist der vorliegende Beitrag immer noch ein Werkstattbericht, der dokumentiert dass bildungspolitische Impulse diesen Reformprozess initiiert, vorangetrieben und beschleunigt haben, dass sie aber zugleich durch unklare Ziel- und Rahmenvorgaben und problematische strukturelle Entscheidungen die Arbeit belastet und behindert haben. Er verdeutlicht, dass konzeptuelle Überlegungen, curriculare Umsetzung und strukturelle Entscheidungen aufeinander bezogen werden müssen, dass aber genau dies im konkreten Prozess häufig unterblieben ist. Hier scheint es vielmehr, dass allzu häufig neue Konzepte direkt in strukturelle Reformen umgesetzt werden, ohne den mühsamen Zwischenschritt der curricularen Konkretisierungen zu gehen. Das politisch vorgegebene Kernpraktikum stellt hier eine ganz besondere Herausforderung dar, weil es nur erfolgreich sein kann, wenn eine überzeugende integrative curriculare Konzeption im doppelten Sinne gefunden werden kann. Nämlich einerseits im Sinne der Integration von Praxiserfahrung und wissenschaftlichem Wissen und nicht nur der Ko-Operation und andererseits im Sinne der Einbettung des Kernpraktikums in ein subjektbezogenentwicklung spädagogisches Gesamtkonzept der Professionalisierung zukünftiger Berufs- und Wirtschaftspädagogen über alle Phasen hinweg.

In diesem Sinne wird auch die Frage nach der Ausgestaltung der konzeptionellen Überlegungen für das Kernpraktikum und deren Umsetzung in gemeinsamer Verantwortung von Universität, Landesinstitut und beruflichen Schulen zu beantworten sein. Dabei hat es sich bisher als günstig erwiesen, dass wesentliche konzeptuelle Überlegungen für die Gestaltung des Kernpraktikums in einem konstruktiven und von gegenseitigem Vertrauen geprägten Diskussionsprozess zwischen dem IBW und dem LI Abteilung Ausbildung Berufliche Schulen entwickelt wurden.

 

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