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 bwp@ Ausgabe Nr. 12 | Juni 2007
Qualifizierung von Berufs- und Wirtschaftspädagogen zwischen Professionalisierung und Polyvalenz

New Public Management und Lehrerprofessionalität in den beruflichen Schulen – Eine empirische Befragung von Leitungspersonal


 

 


1. Einleitung

Reformversuche beruflicher Schulen, wie sie bei der Umgestaltung beruflicher Schulen zu Kompetenzzentren bzw. regionalen Berufsbildungszentren vorliegen, sind zu erheblichen Teilen am Verwaltungsreformkonzept des New Public Management (NPM) orientiert (z. B. WILBERS 2002, 107f.). Mit der Einführung von NPM als administrativem Reformkonzept ist die Intention verbunden, die Verwaltung öffentlicher Einrichtungen, zu denen auch die beruflichen Schulen gehören, verstärkt an unternehmerischem Denken und ökonomischen Mechanismen zu orientieren (z. B. SCHRÖTER/ WOLLMANN 2005, 65f., 73). Diskutiert wird die Frage, ob mit neuen staatlichen Steuerungsmodellen auch eine Deprofessionalisierung des Personals verbunden sein könne (z. B. ALTRICHTER 2000, 150f.), die durch das neue innerschulische Handeln vermittelt wird. In der Kritik steht einerseits die Brauchbarkeit des Wissens, das in der stark disziplinär organisierten akademischen Ausbildung erworben wird (vgl. ebenda 154f.). Andererseits werden – vor allem auch in der Umsetzung der genannten Schulreformen – bürokratische Verfahrensweisen mit ihrer Betonung auf einheitlichen Einstellungs-, Bezahlungs- und Beschäftigungsbedingungen infrage gestellt.

Im Rahmen NPM-orientierter Reformen der beruflichen Schulen wird dabei die Aufgabe, Lehrpersonal auszuwählen, auf die beruflichen Schulen verlagert und fällt in die Verantwortung ihres Leitungspersonals (vgl. BLK 2003, 2). Dem Leitungspersonal dieser Schulen wird hier als Konsequenz besondere Bedeutung für zukünftige Entwicklungen in der Lehrerausbildung beigemessen: Im Sinne einer akteurstheoretischen Vorüberlegung wird angenommen (vgl. FEND 2006), dass die Auseinandersetzung über angemessene Modelle der Sicherung „guten“ Lehrpersonals sowie insbesondere auch die Umsetzung entsprechender Strategien über die Interessen der an der Gestaltung der beruflichen Schulen Beteiligten vermittelt werden. Der vorliegende Beitrag untersucht in diesem Rahmen den Zusammenhang zwischen Einstellungen von Leitungspersonal in beruflichen Schulen zu am NPM orientierten Reformen dieser Schulen und solchen zur Sicherung der Professionalität ihrer Lehrer. Von besonderer Relevanz sind diese auch deshalb, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Lehrerbedarf für die beruflichen Schulen durch eine Pensionierungswelle im Ansteigen begriffen ist (vgl. TREDOP 2003, 10).

Im Folgenden wird im Zusammenhang mit der beruflichen Lehrerbildung zunächst das Konzept der „Professionalität“ thematisiert. Danach wird auf tradierte Mechanismen der Sicherung ihrer Professionalität im Rahmen von Professionalisierungsstrategien eingegangen. Sodann wird behandelt, wie die am NPM orientierte Reformbewegung Vorstellungen zur Lehrerprofessionalität beeinflusst. Hieran anschließend werden empirische Befunde aus einer Befragung von Schulleitungsmitgliedern vorgestellt. Die Daten wurden im Rahmen von zwei Schulversuchen zur Umgestaltung beruflicher Schulen zu Kompetenzzentren/regionalen Berufsbildungszentren erhoben. Abschließend werden die Ergebnisse unter der Fragestellung diskutiert, welche Konsequenzen sich im Hinblick auf Überlegungen zu einer verstärkten Professionalisierung des Lehrerberufs an beruflichen Schulen ergeben.

2.  Theoretischer Hintergrund

2.1  Zum Verständnis von „Professionalität“ der Lehrer beruflicher Schulen

Mit dem Begriff der „Professionalität“ wird gemeinhin gekennzeichnet, dass Angehörige eines Berufsstandes über professionspezifische, im Rahmen einer intensiven Spezialausbildung erworbene Wissensbestände, berufsethische Orientierungen, eine relative Unabhängigkeit in der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber professionsfremden Personen und Instanzen aufweisen, die es den Angehörigen einer Profession ermögliche, Konflikte und widersprüchliche Anforderungen im professionellen Handlungsfeld auszubalancieren (vgl. LEMPERT 1998, 147; ACHTENHAGEN/ LEMPERT 2000, 91f.; zu unterschiedlichen theoretischen Zugängen zum Konzept der Professionalität s. BAUER 2000, 56). Die SEKTION BWP (2003, 7) etwa konkretisiert diesen Begriff über die folgenden Dimensionen:

„1. Differenziertes und integriertes Wissen und Können in Bezug auf pädagogisch relevante Bedingungs- und Entscheidungsfelder,

2. (Selbst-)kritisch-experimentelle Haltung und Bereitschaft zu reflexiver Praxis und

3. Pädagogisches Ethos und balancierende Identität.“

Für Lehrer der beruflichen Schulen verweisen unter anderem ACHTENHAGEN und LEMPERT (2000, 90) sowie DUBS (1999, 310ff.) auf die Notwendigkeit, im Rahmen der Ausbildung systematisches und kasuistisches Lernen wechselseitig aufeinander zu beziehen. Neben Unterrichtsversuchen solle dies nach Auffassung von LEMPERT (2006, 91) auch die „am wenigsten beachtete und von den verantwortlichen Instanzen mit geradezu sträflichem Leichtsinn vernachlässigte Ausbildungsphase der Lehrkräfte beruflicher Schulen“, die betriebspraktische Ausbildung, einbeziehen (s. auch LEMPERT 2007, 10). Eine eigene Ausbildung in einem Ausbildungsbetrieb ermögliche es den Lehrern der beruflichen Schulen am ehesten, mit der Arbeitswelt ihrer zukünftigen Schüler vertraut zu werden: „Denn wesentliches wird dort – sei es aus subjektiver Unfähigkeit oder sozialer Exklusivität, sei es mangels objektiver Explizierbarkeit – niemandem verbal vermittelt, sondern ist den betreffenden Arbeitsvollzügen und kommunikativen Episoden … als implizites Wissen inkorporiert“ (LEMPERT 2006, 91f.). ADIECK und STUBER (2006, 399) stellen die wachsende Bedeutung systematischer betriebspraktischer Erfahrung für die Ausbildung von Berufspädagoginnen und -pädagogen insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit heraus, Kompetenzen für die Ausgestaltung von Lernfeldern zu gewinnen.

Der Begriff der Professionalität wird also im Rahmen des Basiscurriculums Wirtschaftspädagogik grundsätzlich individuenbezogen und inhaltlich definiert und ist nicht notwendigerweise auf institutionelle Mechanismen ihrer Sicherung bezogen. In der einschlägigen wissenschaftlichen Diskussion wird neben wissenschaftlichem Wissen auch implizites und fallbezogenes Wissen betont. Letzterem Aspekt kann vor allem für berufsfachliches Wissen angesichts der Implementierung des Lernfeldkonzepts für die Lehrer der beruflichen Schulen wachsende Bedeutung beigemessen werden.

2.2  Sicherung von Professionalität über Professionalisierungsprozesse

In der berufs- und wirtschaftspädagogischen Literatur wird die Frage, wie die Qualität des Lehrpersonals der beruflichen Schulen gewährleistet werden kann, seit längerem diskutiert
(z. B. TRAMM 2001, 1f.). Thematisiert wird dort unter dem Gesichtspunkt einer verstärkten Professionalisierung unter anderem die Einführung von Lehrerbildungsstandards für Lehrer beruflicher Schulen (z. B. BECK 2006; 2007, 188; AFF 2007, 5f.; zur Einführung von Standards in der Lehrerbildung z. B. auch TERHART 2006).

Prozesse der „Professionalisierung“ vollziehen sich nach HILLMANN (1994, 693f.) in modernen Gesellschaften im Wesentlichen über eine zunehmende Verwissenschaftlichung und Akademisierung, die Systematisierung und Fortentwicklung des jeweiligen beruflichen Fachwissens, die Einrichtung von Ausbildungswegen und vor allem über die Einführung von Prüfungen, die im Sinne von Zugangskontrollen hinsichtlich der Berufsausübung fungieren. Letztere werden typischerweise gewährleistet durch verbandsmäßige Organisation der Angehörigen einer Profession; die Zugangskontrollen sichern die Monopolstellung der Mitglieder einer Profession für die Besetzung ihrer Aufgabengebiete. Mit LEMPERT (1998, 148) beinhaltet dies auch Versuche, „Laien“ aus diesen Bereichen herauszudrängen.

Folgt man TERHART (2001, 215), ist die bisherige Form der Lehrerausbildung in Deutschland Ergebnis eines für die modernen Industrienationen typischen Ausbau- und Wachstumsprozesses, der in den allgemeinen gesellschaftlichen Modernisierungs-, Rationalisierungs- und Verstaatlichungsprozess eingebettet sei. Damit verbunden sei neben der Einbindung in den Wohlfahrtsstaat

1. eine enge Anbindung an Wissenschaft und

2. eine umfassende Bürokratisierung von Bildungs- und Zertifizierungsprozessen (vgl. TERHART 2001, 218).

Der Zusammenhang zwischen Professionalisierung und Verwaltungseinbindung ist für den Lehrerberuf ein ambivalenter: Einerseits stützt die Eingliederung der Lehrerausbildung in die klassische Verwaltungslaufbahn Verwissenschaftlichungsprozesse, andererseits geht z. B. TERHART (2001, 43f.) davon aus, dass etwa der Beamtenstatus ihn für einen Abgleich mit Kriterien des klassischen Professionenkonzepts untauglich mache; Defizite werden sowohl im Hinblick auf die Sozialisation im Bereich pädagogischer Normen gesehen als auch bezüglich der Selbstorganisation der Professionsmitglieder (vgl. LEMPERT 1998). Neben einer unzureichenden Normvermittlung durch das wissenschaftliche Studium geht unter anderem LEMPERT (1998, 148, 151) davon aus, dass auch das inhaltliche bzw. methodische Wissen defizitär sei, das im Rahmen der Berufsschullehrerausbildung vermittelt werde.

Einer verstärkten Professionalisierung des Lehrerberufs soll für die beruflichen Schulen unter anderem das Basiscurriculum dienen, das die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (SEKTION BWP) verabschiedet hat: „Das Basiscurriculum dient der Professionalisierung der Berufsgruppe der Berufs- und Wirtschaftspädagogen und leistet zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Hebung der individuellen Professionalität der Absolventen berufs- und wirtschaftspädagogischer Studiengänge“ (SEKTION BWP 2003, 4); nach Auffassung der SEKTION BWP (2003, 3) soll es auch als Grundlage für die Akkreditierungsverfahren berufs- und wirtschaftspädagogischer Bachelor- und Masterstudiengänge herangezogen werden.

Deutlich wird hierbei: Mit dem Begriff der Professionalisierung wird gemeinhin ein zunehmender Grad an Institutionalisierung (Der Beitrag folgt hierbei dem „Institutionen“-Begriff von MEYER und ROWAN (1977, 341): ,,Institutions inevitably involve normative obligations but often enter into social life primarily as facts which must be taken into account by actors. Institutionalization involves the process by which social processes, obligations, or actualities come to take on a rulelike status in social thought and action”.) im Sinne einer zertifikatsgebundenen, curricularen und berufsständischen Absicherung des für die Berufsausübung zu Erlernenden verbunden. Für Deutschland ist mit der Entwicklung des Lehrerberufs einerseits eine akademische Ausbildung auf Universitätsebene verbunden, andererseits eine Einbindung in formal einheitliche Einstellungs-, Beschäftigungs- und Bezahlungsbedingungen im Sinne des herkömmlichen bürokratischen Verwaltungskonzepts. Eine Institutionalisierung als Profession hat aufgrund der mangelnden berufsständischen Absicherung bislang nur begrenzt stattgefunden; vielmehr ist der institutionelle Zugang zur Ausübung des Berufs von Lehrern an beruflichen Schulen an Verfahrensweisen der öffentlichen Verwaltung gekoppelt.

2.3  New Public Management und Vorstellungen zur Sicherung „guter Lehrer“ für die beruflichen Schulen

Öffentliche Verwaltungen sind im Rahmen der international aufzufindenden Verwaltungsreformbewegung des NPM derzeit erheblichen Veränderungen unterworfen. Folgt man dem weit verbreiteten Verständnis von HOOD (2001), ist diese Bewegung durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:

•  an unternehmerischen Verhaltensweisen orientiertes Management,

•  Wettbewerb,

•  explizite Setzung von Standards,

•  Output-Überprüfung,

•  Betonung von Wirtschaftlichkeit sowie

•  Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen auf niedere Verwaltungseinrichtungen und Kontraktmanagement.

Diese Verwaltungsreformbewegung betrifft derzeit auch die Umgestaltung des beruflichen Schulwesens in Deutschland. Vor allem Schulversuche bzw. Reformen zur Umgestaltung beruflicher Schulen zu Kompetenzzentren/regionalen Berufsbildungszentren weisen in hohem Maß Merkmale einer am NPM orientierten Umgestaltung auf (s. ausführlich WITTMANN 2003). Hierzu gehörten im Personalbereich vor allem die Übertragung dienstrechtlicher Befugnisse auf die Einzelschulen (vgl. MKN 2006 6ff.) und veränderte Strategien der Personalrekrutierung wie Seiteneinsteigerprogramme, Rekrutierung „fachkompetenten“ Lehrpersonals aus Wirtschaftsbetrieben (vgl. MBWFK 2002, Punkt 4) und befristete Beschäftigungsverhältnisse (vgl. MKN 2006, 97) sowie einzelvertragliche Aushandlung von Vergütungen für Angestellte (94) und leistungsorientierte Bezahlung (vgl. LANDTAGSDRUCKSACHE 14/2701).

NPM wird im Folgenden als eine Verwaltungsreformbewegung begriffen, die nicht nur die rationale Umgestaltung von Verwaltungseinrichtungen – einschließlich der beruflichen Schulen – zum Gegenstand hat. Vielmehr bewirkt sie auch Veränderungen in den Ideen und Wertvorstellungen der betroffenen Akteure (vgl. WITTMANN, im Erscheinen). In Bezug auf die Lehrerbildung ereignet sich hierbei nach Ansicht TERHARTS (2001, 222) ein „Kampf um Anerkennung“ nicht nur zwischen unterschiedlichen Ideen, sondern auch zwischen den Interessengruppen, die Träger dieser Ideen seien. Erkennbar sei dies insbesondere daran, dass kaum auf zuverlässige Daten und Forschungsergebnisse zur Lehrerausbildung zurückgegriffen werden könne und die Diskussion in der Folge einen auf Abwehr- und Hoffnungsargumentationen aufbauenden, ritualhaften Charakter aufweise. (Auch LEMPERT (1998, 151) hebt, ohne diesen Aspekt explizit zu bearbeiten, die Bedeutung der Einstellung von Akteuren – in diesem Fall der Schulbehörden – für die Entwicklung von Lehrerprofessionalität heraus: „Welche Bedeutung Schulbehörden dem Studium … Erziehungswissenschaften (einschließlich der Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftspädagogik) als Vorbereitung auf das Lehramt an beruflichen Schulen zumessen, kann daraus erschlossen werden, dass sie in Zeiten des Lehrermangels immer wieder sozial- und erziehungswissenschaftlich völlig unqualifizierte Diplomingenieure und Diplomkaufleute als Referendare in den Schuldienst übernommen haben. Das war gerade in den letzten Jahren in acht Bundesländern der Fall“.)

Die jüngere Diskussion um die Lehrerausbildung ist der Auffassung von TERHART (2001, 216) zufolge durch konfligierende Modernisierungsvorstellungen gekennzeichnet. Kritik an der Lehrerbildung beziehe sich

(1) einerseits auf deren Verwissenschaftlichung,

(2) andererseits auf das Verstaatlichungs- und Bürokratisierungsniveau mit dem Ziel seiner Absenkung (vgl. TERHART 2001, 220).

(Ad 1) Unter Kritik seien der Verwissenschaftlichungsprozess sowie die Kultur des Zweifels innerhalb der Wissenschaften. Pädagogische Arbeit werde im Sinne traditionell geisteswissenschaftlich-kulturpädagogischer Positionen, aber auch wissenschafts- und rationalitätskritischer Argumentationen und Haltungen im Sinne reformpädagogischer Milieus als personales, gemeinschaftsbezogenes Geschehen konzipiert. Das personalistisch-, kleinräumig-netzwerk­artige, bedürfnis- und marktgesteuerte Muster der „transklassischen Moderne“ (TERHART 2001, 221) stehe dem rational-administrativen Muster der klassischen Moderne entgegen, das auf eine immer längere, verstärkt wissenschaftsgestützte, zunehmend differenzierte Ausbildung, auf aufwändige Prüfungen und nicht zuletzt auf immer höhere Gehälter gesetzt habe (221). Während TERHART (2001) den letzteren Diskurs nicht explizit als durch die Verwaltungsreformbewegung des NPM beeinflusst ansieht, haben vor allem angelsächsische Autoren im Zuge seiner Einführung Tendenzen zu einer marktnäheren und stärker berufsorientierten, das „Berufliche“ über den Wert des „Akademischen“ stellenden (HODKINSON 1992, 30), Deprofessionalisierung beinhaltenden Rekrutierung von Lehrkräften vor allem im beruflichen Bildungssektor gesehen (vgl. RANDLE/ BRADY 1997, 229; SHAIN/ GLEESON 1997, 452).

(Ad 2) Der Idee des NPM zufolge solle ein verkleinerter Staat nur noch Standards setzen, Anforderungen ausschreiben und Mittel bereitstellen; staatliche Leistungen sollten extern evaluiert werden (vgl. TERHART 2001, 220). Dem ökonomischen Kalkül des NPM zufolge gehe es um einen Rückbau des Apparates bei erhöhter Wirksamkeit zurückgefahrener Mittel. Zu den Mitteln, mit denen „gute Lehrer“ in diesem Sinne gewährleistet werden sollen, gehören leistungsorientierte Bezahlung sowie veränderte laufbahnrechtliche Instrumente, unter anderem die Kopplung von Beförderung an vorgängige Qualifizierung (vgl. TERHART 2001, 227).

3. Methodisches Vorgehen

Im Folgenden wird auf ein Datenset aus dem Jahr 2003 zurückgegriffen und beleuchtet, welche Positionierungen Mitglieder von Schulleitungen der beruflichen Schulen zur Entwicklung von Professionalität ihrer Lehrer einnehmen. Im Rahmen von Reformprojekten, die die Umgestaltung beruflicher Schulen zu Kompetenzzentren (Modellversuch ProReKo in Niedersachsen) bzw. Regionalen Berufsbildungszentren (Konzeptstudie Weiterentwicklung beruflicher Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren in Schleswig-Holstein) zum Gegenstand hatten, wurden in einer quantitativen Fragebogenerhebung Führungskräfte in den Schulen befragt. Die Befragung war an Mitglieder der Erweiterten Schulleitungen (Schulleiterinnen und -leiter, stellvertretende Schulleiterinnen und -lei­ter sowie Abteilungsleiter und -leiterinnen) gerichtet.

Gefragt wird hier, in welcher Beziehung positive Einstellungen von Schulleitungsmitgliedern zu einer am NPM orientierten Veränderung der beruflichen Schulen mit Einstellungen

1. gegenüber dem Verhältnis von wissenschaftlichen und berufspraktischen Ausbildungsanteilen von Lehrern der beruflichen Schulen stehen;

2. zur institutionellen Absicherung von Lehrerprofessionalität über bürokratische Verfahrensweisen stehen.

Der Beitrag untersucht vor dem aufgezeigten Hintergrund zwei Hypothesen:

Hypothese 1: Schulleitungsmitglieder, die eine am NPM orientierte Umgestaltung der beruflichen Schulen unterstützen, präferieren verstärkt berufspraktische gegenüber akademischen Ausbildungsanteilen der Lehrer beruflicher Schulen.

Hypothese 2: Schulleitungsmitglieder, die eine am NPM orientierte Umgestaltung der beruflichen Schulen unterstützen, bevorzugen verstärkt informelle gegenüber institutionalisierten Strategien der Gewährleistung guten Lehrpersonals im Sinne formal einheitlicher Einstellungs-, Beschäftigungs- und Bezahlungsbedingungen.

Die Studie wurde in Form einer Vollerhebung bei allen beteiligten Modellversuchsschulen durchgeführt. Ein Rücklauf wurde von 70% der befragten Schulen erzielt. 64 der befragten Schulleitungsmitglieder stammen aus dem Bundesland Niedersachsen, 49 aus dem Bundesland Schleswig-Holstein. Aussagen über die Grundgesamtheit der Schulleitungsmitglieder sind nicht möglich. Der Studie ist insofern ein exploratorischer Charakter zuzuschreiben.

Im Rahmen dieser Befragung wurden unter anderem Einstellungen zu Veränderungen in der Lehrerbildung für die beruflichen Schulen untersucht. Auf der Basis von Faktorenanalysen wurden hierzu Skalen gebildet. Die Reliabilitätskoeffizienten der Skalen reichen von .69 bis .78. Daneben wird im Folgenden mit Einzelitems gearbeitet. Die verwendeten Skalen sowie die Reliabilitätswerte für die Einzelskalen sind in den Tabellen 1 bis 3 dargestellt. Zur Datenauswertung wurde auf Pearson-Korrelationen zurückgegriffen. (Damit wird der Auffassung gefolgt, wonach Likert-Skalen vor allem in Studien mit exploratorischem Charakter als Intervallskalen behandelt werden sollten: Hierdurch wird es ermöglicht, innerhalb der Daten neue Muster zu entdecken. Darüber hinaus ermöglicht dies im Vergleich zu ihrer Verwendung als Ordinalskalen die Nutzung kraftvollerer statistischer Verfahren (vgl. BORTZ 1989, 32; VELLEMAN/ WILKINSON 1993). Eine Prüfung mittels Spearman-Rangkorrelationskoeffizienten stützt die hier vorgestellten Befunde.) Zur Hypothesenprüfung werden im Folgenden Signifikanzen auf dem 1 %- und auf dem 5 %-Niveau ausgewiesen.

 

 

 

 

4. Ergebnisse

Von den Befragungsteilnehmern wird die Einführung von NPM überwiegend befürwortet (Skala NPM). Dieser Befund ist angesichts der Stichprobenziehung insofern nicht überraschend, als ihre Schulen sich um eine Teilnahme an einschlägigen Modellstudien aktiv bemüht haben. Die Ergebnisse verdeutlichen außerdem: Einem akademischen (EINZELITEM 1) und insbesondere einem pädagogischen Studium für angehende Lehrer der beruflichen Schulen (EINZELITEM 2) wird von den Befragten insgesamt ein hoher Wert beigemessen; dies gilt insbesondere auch gegenüber der berufspraktischen Erfahrung (Skala PRAXIS). Einstellungen von formalen Kriterien unabhängig vorzunehmen, wird demgegenüber tendenziell abgelehnt; Urteile hierzu fallen allerdings vergleichsweise heterogen aus (EINZELITEM 3). Durchschnittlich bewertet werden flexibel ausgehandelte Vertrags- und Bezahlungsbedingungen (Skala FLEXIBEL). Gleichzeitig spricht sich eine hohe Anzahl der Befragten dafür aus, von Lehrern regelmäßige betriebspraktische Erfahrung zu verlangen (EINZELITEM 4).

Tabelle 4 stellt die Ergebnisse der Analysen zum Zusammenhang zwischen Einstellungen zum NPM und solchen zur Anforderung berufspraktischer Erfahrungen, akademischer Ausbildung und eines pädagogischen Studiums als Voraussetzungen zur Einstellung von Lehrern für die beruflichen Schulen dar.

 

Wie die Tabelle ausweist, besteht zwischen der Wertschätzung NPM-orientierter Reformen der beruflichen Schulen und der Befürwortung

•  eines akademisches Studiums,

•  eines pädagogischen Studiums oder

•  berufspraktischer Vorerfahrung

als Einstellungskriterien für das Lehramt an diesen Schulen kein Zusammenhang. Hypothese 1 kann anhand der Daten also nicht untermauert werden.

Tabelle 5 weist Zusammenhänge aus zwischen Einstellungen der Befragten zum NPM und der Befürwortung

•  einer flexiblen Vertragsgestaltung für die Lehrer der beruflichen Schulen,

•  der Unabhängigkeit von Einstellungskriterien von formalen Bedingungen sowie

•  der Anforderung regelmäßiger betrieblicher Praxiserfahrung.

Die ausgewiesenen Korrelationskoeffizienten sind für alle geprüften Aspekte signifikant. Positive Einstellungen zum NPM korrelieren vor allem hoch mit der Befürwortung individuell ausgehandelter Verträge für Lehrer der beruflichen Schulen. Dessen Anhänger befürworten außerdem regelmäßige betriebspraktische Erfahrungen von Lehrern der beruflichen Schule. Tendenziell lehnen sie formale Einstellungsvoraussetzungen ab. Die Daten stützen also Hypothese 2.

 

5. Fazit

Dem akademischen und pädagogischen Studium wird unabhängig von Einstellungen zum New Public Management ein hoher Wert beigemessen; die berufspraktischen Anteile der Ausbildung dieser Lehrer werden im Verhältnis hierzu geringer geschätzt. Demgegenüber richten sich Anhänger des New Public Management gegen die formale Festschreibung dieser Kriterien als Einstellungskriterien bzw. gegen die Einheitlichkeit der Beschäftigungs- und Bezahlungsbedingungen. Sie betonen verstärkt auch die Notwendigkeit betriebspraktischer Erfahrung während der Berufstätigkeit und stützen damit besonders eine Komponente der Entwicklung professionellen Lehrerwissens, der angesichts der Einführung des Lernfeldansatzes eine erhöhte Bedeutung zukommt.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Beeinflussung von Personalauswahl und -einsatz durch die Schulen erscheint die Tendenz problematisch, Einstellungen von Personal unabhängig von formalen Kriterien vornehmen zu wollen. Dies gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit, verstärkt Seiteneinsteiger sowie nicht grundständig qualifiziertes Lehrpersonal einzustellen. Gegenwärtige verfügbare Mechanismen der Absicherung einer möglichst professionellen Lehrerausbildung über bürokratische Verfahrensweisen stehen damit vermehrt infrage. Zu vermuten ist also, dass die am New Public Management orientierte Umgestaltung beruflicher Schulen Bemühungen um eine verstärkte Professionalisierung ihrer Lehrer erschwert, die notwendigerweise an eine starke Institutionalisierung des Lehrerberufs geknüpft ist. Die vorgelegten Befunde deuten zumindest darauf hin, dass klassische Strategien der Entwicklung von Professionalität über die wissenschaftliche Lehrerausbildung von den Befragten – unabhängig von ihrer Einstellung zum New Public Management – geschätzt werden.

 

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