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 bwp@ Ausgabe Nr. 15 | Dezember 2008
Medien in der beruflichen Bildung – Mit Web 2.0, ERP & Co. zu neuen Lernwelten?
Herausgeber der bwp@ Ausgabe 15 sind H.-Hugo Kremer, Jens Siemon und Tade Tramm

Web 2.0 in der Lehrerbildung. Reflexionen über die Nutzung eines Wikis zum kooperativen Lernen

 

1. Einleitung und Motivation

Wikis und Weblogs erregen seit einiger Zeit Aufmerksamkeit sowohl in den Medien als auch in der wissenschaftlichen Diskussion, da diese die Umsetzung der Vorstellungen guter Lehre aus einem gemäßigt-konstruktivistischen Lernverständnis in geeigneter Weise unterstützen können (BRUNS/ HUMPHREY 2005; DU/ WAGNER 2006; FERRIS/ WILDER 2006; GAMBÖCK/ PICHLER 2006; MÜLLER/ DIBBERN 2006). Für die Lehrerbildung liegen bisher jedoch kaum Dokumentationen und Reflexionen von Erfahrungen zur Web 2.0-/ Wiki-Nutzung vor (eine Ausnahme findet sich bei MCKAY/ HEADLEY 2007). Es ist kein neues Postulat, dass angestrebte Veränderungen im Unterrichtsalltag, bereits in der Lehrerbildung aufgenommen werden sollen.

Wer zudem die Diskussion um Web 2.0 genauer betrachtet, stellt fest, dass nicht primär der Reiz der Technik im Vordergrund steht, sondern radikal neue Vorstellungen über das Schaffen und Austauschen von Wissen/Informationen über das Internet (ALEXANDER 2006; PICOT/ FISCHER 2006) . Diese besondere Betonung des Kooperativen stellt auch eine häufige Forderung an das Verhalten von Lehrpersonen nach einer anderen sozialen Gestaltung der Interaktion mit Schüler/innen und Kollegen/innen dar (z. B. BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002).

Dieser Beitrag hat deshalb zum Ziel, Einsatzmöglichkeiten von Wikis in der Lehrerbildung anhand eines Fallbeispiels zu dokumentieren und hinsichtlich der Herausforderungen zu reflektieren. Dabei soll in einem iterativen Prozesses im Sinne der designbasierten Forschung (BARAB 2006; WANG/ HANNAFIN 2005) untersucht werden, wie kooperatives Lernen durch den Einsatz von Web 2.0 Eingang in die Lehrerbildung finden kann. Im Vordergrund steht die Frage, wie sich angehende Lehrer/innen in einer abschließenden Veranstaltung ihres Wirtschaftspädagogikstudiums stabile Routinen zu einem kooperativen und differenzierten Umgang mit Innovationen aneignen können.

Um sich mit möglichen Veränderungen in der Lehrerbildung hin zur Nutzung von Web 2.0-Technologien beschäftigen zu können, sind zunächst die Ausgangspunkte dieser Diskussion zu klären: einerseits die Forderung nach der Ausbildung von Medienkompetenz in den (beruflichen) Schulen, andererseits die Forderung nach mehr Kooperation zwischen Lehrenden und im Unterricht (Kapitel 2). Daraufhin wird in Kapitel 3 auf die Potenziale der Mediennutzung, insbesondere hinsichtlich der Einbindung von Wikis eingegangen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht mögliche technologische Innovationen, sondern das Potenzial, das Wikis bieten, um gemeinsames Lernen und Arbeiten unter Lernenden anzuregen und damit zukünftigen Lehrpersonen eine kooperative Grundhaltung zu vermitteln. Basierend auf dem Ansatz der designbasierten Forschung (Kapitel 4) wird anschließend im Rahmen eines Fallbeispiels die Nutzung eines Wikis in der Lehrerausbildung an der Universität St. Gallen beschrieben und reflektiert.

2.  Ausgangspunkte für das mediengestützte kollaborative Lernen in der Lehrerbildung

2.1  Medienbildung und -nutzung als Voraussetzung für stabile Handlungsroutinen

Auch nach Abflauen des so genannten E-Learning-Hypes wird die Notwendigkeit einer verstärkten Mediennutzung und -bildung in den beruflichen wie allgemeinbildenden Schulen von Politik und Wissenschaft häufig betont. Dies wird einerseits durch die bereits vorhandene Allgegenwärtigkeit der Medien in den Leben der Kinder und Jugendlichen begründet, welche die Ausbildung einer medienkritischen Haltung erfordert (vgl. SÜSS 2004, TREUMANN et al. 2007). Andererseits wird aber auch eine ausgeprägte Medienkompetenz der zukünftigen Wissensarbeiter als Vorbereitung auf die Wissensgesellschaft gefordert.

In der beruflichen Bildung ist die Nutzung neuer Technologien weiterhin nicht sehr stark ausgeprägt (REVERMANN et al. 2008; KOS/ SCHAALE 2001). Dabei bieten „ […] berufsbildende Schulen […] ein großes Potenzial für die Nutzung von Online-Medien , das noch lange nicht ausgeschöpft wird“ (MMB 2008, 1; Hervorhebung im Original). Die Ausstattung in den meisten Berufsschulen ist durchaus vorhanden. So existieren in 83 Prozent der Berufsschulen in Deutschland serverbasierte Netzwerke (vgl. HERZIG/ GRAFE 2007, 36). Auch Internetzugänge sind in den Schulen weitläufig vorzufinden (vgl. MMB 2008, 4). Mangelnde Ausstattung kann also nicht als Begründung für die geringe Nutzung neuer Technologien angeführt werden. Eine mögliche Erklärung besteht in den fehlenden Handlungsroutinen der Lehrkräfte in der Nutzung von Technologien im Unterricht. Dabei mangelt es nicht nur an Medienkompetenz i.e.S., sondern an der Fähigkeit, diese Kompetenz im Unterricht anzuwenden (vgl. BAACKE 1996).

Was aber ist unter Medienkompetenz zu verstehen und wie kann diese ausgebildet werden, damit die Lehrkräfte sie im Unterricht und im Idealfall auch in der gemeinsamen Arbeit mit Kollegen nutzen?

Es kann zwischen verschiedenen Bereichen der Medienkompetenz unterschieden werden (HILLEBRAND/ LANGE 1996, 35f.): Selbstbestimmungs- und Orientierungskompetenzen, Selektions- und Entscheidungskompetenzen, instrumentell-qualifikatorische Aneignungskompetenzen, konstruktiv-qualifikatorische Aneignungskompetenzen sowie Lern- und Gestaltungskompetenzen. Eine andere Unterscheidung umfasst die Bereiche Medienkritik, Medien-Kunde, Medien-Nutzung und Medien-Gestaltung (vgl. BAACKE 1996, 120). Diese Differenzierungen bieten zwar eine Orientierung, welche Kompetenzen eine zukünftige Lehrperson benötigen könnte, um im Unterricht medienkompetent zu agieren. Allerdings gibt der Begriff Medienkompetenz „[…] nicht an, wie die eben beschriebene Dimensionierung des Konzepts praktisch, didaktisch oder methodisch zu organisieren und damit zu vermitteln sei“ (BAACKE 1996, 121).

Hinzu kommt, dass die bisherigen Konzeptionalisierungen von Medienkompetenz die neueren Entwicklungen rund um das Web 2.0 noch nicht berücksichtigen. Zwar wird bereits bei BAACKE (1996) die Medien-Nutzung als „ doppelwertig “ bezeichnet, d.h. Medien-Nutzung zum einen als Rezeption produzierter Inhalte, aber auch als Produktion eigener Botschaften. Neu umfasst Medienkompetenz beispielsweise auch den Prozess des kollaborativen Schreibens sowie die gemeinsame Produktion von Inhalten im Internet (vgl. STERZ 2006).

Da sich die Informations- und Kommunikationstechnologien weiter entwickelt haben, können die Anfang der 1990er Jahre in Modellversuchen / Forschungsprojekten für die Lehrerbildung entwickelten Curricula heute nicht mehr als aktuell bezeichnet werden (vgl. BILLES-GERHART et al. 2007) . An dieser Stelle wird jedoch darauf verzichtet, auf einer abstrakten Ebene das Konzept der Medienkompetenz im Zeitalter von Web 2.0 zu diskutieren, stattdessen geht es den Autorinnen darum, exemplarisch aufzuzeigen, wie die Entwicklung von Routinen im Umgang mit Innovationen wie aktuellem medienpädagogischem Wissen durch eine entsprechende Gestaltung von Veranstaltungen im Rahmen der Lehrerausbildung an Hochschulen möglich wird.

2.2  Forderung nach mehr Kooperation zwischen Lehrenden und im Unterricht

Neben vermehrter Mediennutzung und der größeren Betonung der Medienkompetenz wird auch immer wieder verstärkte Kooperation von Lehrpersonen gefordert (vgl. BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002, 1f.). Allgemein gesprochen, meint „der Begriff Kooperation […] in seiner Wortbedeutung soviel wie die Zusammenarbeit von wenigstens zwei Personen, deren Handlungen zumindest teilweise aufeinander bezogen sind. Der Sinn von Kooperation liegt in der gegenseitigen Nutzbarmachung von Erkenntnissen und der gemeinsamen Entwicklung oder Durchführung von Vorhaben […]“ (ADAMSKI 1983, 49). Kooperatives Verhalten basiert auf Kommunikation, indem beispielsweise Erfahrungen und Informationen ausgetauscht oder gemeinsame Projekte vorangetrieben werden (vgl. JERGER 1995, 49f.).

Kooperation kann in der Lehrerbildung im Hinblick auf unterschiedliche Zusammenhänge gefordert werden. So ist ein Ziel die Vorbereitung auf die Kooperation zwischen den Lernorten Berufsschule und Ausbildungsbetrieb als den zwei Partnern im Dualen System (z.B. EULER 2004; FRANK/ SCHOPEN 2008, 20). Ein zweites, für zukünftige Lehrende häufig näher liegendes Ziel besteht in der institutionsinternen Kooperation zwischen den Lehrpersonen (vgl. BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002, 1f.). Diese Art der Kooperation wird insbesondere im Zusammenhang mit Schulinnovations- und Schulentwicklungsprozessen thematisiert (z. B. CAPAUL 2002; DUBS 1994). Auch TERHART (1998, zit. in MESSNER/ REUSSER 2000, 158) nimmt bei der Beschreibung der beruflichen Entwicklung Bezug auf den Wandel des Berufsbildes hin zu vermehrter Zusammenarbeit im Kollegium und das Mitwirken an der Schulentwicklung (vgl. auch JERGER 1995, 47f.). Schulische Kooperation wird auch im Hinblick auf die Mediennutzung gefordert. Neben einer ausreichenden Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen bedarf es eines systematischen und auf die jeweilige Schule zugeschnittenen Medienkonzepts, um die Mediennutzung nachhaltig in den Berufsschulen zu verankern. „Das Medienkonzept muss sich an den von Schuljahr zu Schuljahr fortschreitenden schulinternen und -externen Erfahrungen und dem jeweiligen Stand der Technik orientieren. […] Das im Team […] zu erstellende Medienkonzept muss auf die konkrete Situation der eigenen Schule (bauliche Situation, Finanzen, Grad der Qualifizierung, Personal, Fortbildung) ausgerichtet sein.“ (FRANK/ SCHOPEN 2008, 22).

Zusätzlich zu dieser Art von Kooperationen zwischen Lehrenden wird weiterhin gefordert, das kooperative Lernen der Schüler/innen zu fördern und anzuleiten. Unter kooperativen Lernen versteht man die Zusammenarbeit von mehrere Lernenden in kleinen Gruppen mit dem Ziel, gemeinsam Inhalte zu erarbeiten, zu vertiefen oder anzuwenden (vgl. EULER 2007, 33). Einerseits wird kooperatives Lernen als Möglichkeit betrachtet, die Lernenden auf Teamarbeit in Unternehmen vorzubereiten, die immer häufiger als vorherrschende Arbeitsorganisationsform anzutreffen ist (vgl. EULER/ WALZIK 2007, 9f.). Andererseits kann kooperatives Lernen zu einer vertieften Informationsverarbeitung führen und stärkere Interaktion unter den Lernenden anregen (vgl. KOPP/ MANDL 2007, 18f.; KREIJNS et al. 2003) . Neben weiteren Voraussetzungen für kooperatives Lernen (z.B. Interdependenz, individuelle Verantwortungsübernahme, Reflexion des Gruppenprozesses), auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann (siehe EULER/ WALZIK 2007, 10), werden Sozialkompetenzen als eine notwendige Bedingung für das kooperative Lernen angesehen (vgl. WALZIK 2007, 174). Da eine kompetente und glaubwürdige Förderung von Teamkompetenzen letztlich auch das modellhafte Verhalten von Lehrpersonen voraussetzt (vgl. EULER 2007, 37), ist es notwendig, bereits in der Lehrerbildung durch entsprechende didaktische Designs auf das kooperative Lernen vorzubereiten.

Über die einzelne Lehrveranstaltung hinaus kann im Idealfall ein weiterer Effekt der Förderung von kooperativem Verhalten die Entstehung einer Gemeinschaft im Sinne einer so genannten Community of Practice sein (vgl. WENGER 1998, 127).

Sowohl beim kooperativen Lernen als auch bei der Kooperation zwischen Lehrenden und zwischen Lernorten wird davon ausgegangen, dass das Kooperationsklima und die Kooperationskultur eine entscheidende Rolle für das Gelingen von Kooperationsprozessen spielen (z.B. BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002, 6; EDMONDSON 1999). Die Entstehung eines angemessenen Klimas hängt dabei von den Erfahrungen und Einstellungen der Beteiligten ab, von der gemeinsamen Zielsetzung sowie der Relevanz der Kooperation für jeden einzelnen (vgl. BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002, 6). Entsprechend ist davon auszugehen, dass eine frühe Heranführung von zukünftigen Lehrpersonen an kooperatives Lern- und Arbeitsverhalten die spätere Kooperationsfähigkeit fördert sowie in einem gewissen Maße auch einen Beitrag dazu leistet, eine Kooperationskultur zu entwickeln.

Unabhängig davon, in welchem Kontext von der Notwendigkeit zu Kooperationen gesprochen wird, die Bedeutung der Kooperationsfähigkeit von zukünftigen Lehrpersonen steht außer Frage. Sie bildet eine Voraussetzung dafür, dass die Lehrenden den zukünftigen Herausforderungen und Veränderungen in den Berufsschulen mit entsprechenden Handlungsmustern begegnen können. „Welche strukturellen Veränderungen in oder mit der Berufsschule auch geplant sind, ihre Umsetzungen erfordern also Kooperationen, berufsschulintern und mit anderen relevanten Institutionen.“ (BÜCHTER/ GRAMLINGER 2002, 2f.).

Die beiden Forderungen, einerseits nach einer größeren Offenheit von Lehrpersonen im Umgang mit neuen Medien und andererseits nach kooperativem Verhalten sind wichtige Postulate, welche in der Lehrerbildung aktiv aufgenommen werden sollten. Im Folgenden sollen deshalb Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie dies mittels der Nutzung der Wiki-Technologie erreicht werden kann.

3.  Potenziale der Mediennutzung zur Förderung kooperativen Lernens in der Lehrerbildung

Die Potenziale der Mediennutzung, insbesondere im Hinblick auf die neueren technologischen Entwicklungen, werden zunächst fokussiert, da diese die Grundlage für das didaktische Design der Lehrveranstaltung bilden (siehe Kapitel 5).

Durch die Weiterentwicklung der Computertechnologie und die weite Verbreitung schneller Internet-Verbindungen entstehen zusätzliche Potenziale der Nutzung neuer Technologien (vgl. REVERMANN et al. 2008). So ist das Internet aus der Vorbereitungsarbeit der meisten Lehrerinnen und Lehrer heute nicht mehr wegzudenken. In einer aktuellen Studie wurde eine große Offenheit der Lehrenden in der Nutzung von gut aufbereiteten Webangeboten zur Unterrichtsvorbereitung im Sinne eines Web 1.0 festgestellt. Für die Gestaltung von Angeboten im Sinne des Web 2.0 herrsche allerdings nach wie vor Skepsis (vgl. MMB 2008).

3.1 Neue Technologien - neue Nutzungsszenarien im Web 2.0

Die Veränderung des Internets hin zum so genannten Web 2.0 eröffnet neue Möglichkeiten im Hinblick auf die Integration neuer Medien sowohl in der Lehrerbildung als auch in der Schule (vgl. HOCHMUTH/ MANGOLD 2008, 23). Unter Web 2.0 werden Anwendungen verstanden, die aus den technischen Möglichkeiten des „neuen Internets“ hervorgegangen sind (ALEXANDER 2006). Ohne auf die technischen Details eingehen zu wollen, seien im Folgenden einige der im Zusammenhang mit Web 2.0 entstandenen Neuerungen erwähnt (Viele dieser Entwicklungen waren allerdings schon vorhanden, bevor der Hype um den Begriff des Web 2.0, der erst durch O'REILLY (2004) geprägt wurde, überhaupt begonnen hat.) (BOULOS et al. 2006; ALEXANDER 2006; PARKER/ CHAO 2007, 57; GROSS/ HÜLSBUSCH 2004, 44ff.): die Möglichkeit des Beitrags der Nutzer zur Weiterentwicklung des Internets (vom Empfänger von Informationen zum Autor), die vorwiegende Datenhaltung im Internet , die Unterstützung des kollaborativen Arbeitens sowie die einfache Installierung und Nutzung . „ Web 2.0 wird als Herausforderung und als Chance begriffen. Dabei steigen nicht nur die Anforderungen an die kommerziellen Anbieter, sondern auch an die Nutzer. Der Umgang mit der neuen Vielfalt muss erlernt werden“ (VOGEL 2008, 9).

Neben diesen technologischen Entwicklungen wird bereits seit längerem postuliert, dass durch den sinnvollen Einsatz neuer Medien ein didaktischer Mehrwert geschaffen werden kann: So soll die Motivation der Lernenden steigen, kooperatives Lernen unterstützt alternative Lernszenarien. Zudem wird durch die Transparenz der Interaktionsprozesse ein verstärktes Eingehen auf individuelle Schüler möglich (REVERMANN et al. 2008; MANDL/ HENSE/ KRUPPA 2003). Die didaktisch sinnvolle Einbettung in den Gesamtkontext des Unterrichts wird dabei hervorgehoben ( REVERMANN et al. 2008).

Im Folgenden wird kooperatives Lernen als eine Möglichkeit der Nutzung von Medien exemplarisch am Beispiel der Wiki-Technologie in den Vordergrund gestellt, da dieses als besonders potentialreich betrachtet wird.

3.2  Einsatz eines Wiki zur Förderung von kooperativem Lernen

Ein Wiki besteht aus einer Sammlung verschiedener Webseiten, die prinzipiell von jedem Nutzer editiert werden können (vgl. GROSS/ HÜLSBUSCH 2004, 46; BRAHM 2006). Für einfache Strukturierungen (z. B. Titel, Aufzählungen, Listen) und Formatierungen (z. B. fett, kursiv) wird eine simple und relativ rasch zu erlernende Syntax angewandt, die vom Wiki-Server zur Anzeige in HTML umgewandelt wird (DOEBELI HONEGGER 2005, 173). Dieser Editiermodus ist direkt über das Internet zugänglich und bedarf keiner weiteren Installationen. Dadurch sind Wikis auch leicht in Lehr-Lern-Kontexten einsetzbar, da die Lernenden aufgrund des einfachen und benutzerfreundlichen Zugangs gemeinsam Webseiten bearbeiten können (vgl. PARKER/ CHAO 2007, 58; JONIETZ 2005). Wikis zeichnen sich zudem durch eine Versionenkontrolle aus, welche es erlaubt alle erfolgten Änderungen nachzuvollziehen und bei Bedarf rückgängig zu machen (DOEBELI HONEGGER 2005, 174).

Obwohl sich prinzipiell alle Wiki-Systeme durch diese Eigenschaften auszeichnen, ist es dennoch notwendig, für den Einsatz im Unterricht bzw. in der Lehre die Funktionen verschiedener Wiki-Applikationen miteinander zu vergleichen (vgl. AUGAR et al. 2004, 96f.; KOHLS/ HAUG 2008, 25) (Auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, ein Wiki zu installieren, kann hier nicht eingegangen werden. Es wird verwiesen auf RICHARDSON 2006, 70ff. sowie BRAHM 2006, 45f.). So bieten einige Wiki-Systeme neben der Eingabe des Textes auf Basis der Wiki-Syntax auch eine Tool-Box an, wodurch der Text ähnlich wie in Word eingegeben werden kann. Der Umfang und die Ausgereiftheit dieser Tool-Boxen unterscheiden sich von Wiki zu Wiki (vgl. ebd.). Ein weiterer Aspekt stellt die Möglichkeit der Einschränkung von Benutzerkennungen dar, welche gerade im schulischen Kontext zu bedenken ist. So sollen nicht alle Wikis für die Öffentlichkeit zugänglich bzw. verschiedene Seiten gegebenenfalls von unterschiedlichen Gruppen bearbeitet werden können (z. B. im Rahmen von Gruppenarbeiten) (vgl. RICHARDSON 2006).

3.3  Potenziale und Herausforderungen bei der Nutzung von Wikis zum kooperativen Lernen

Aus der Literatur können einige Anforderungen abgeleitet werden, die zum Erfolg des kooperativen Lernens mit Wikis beitragen können.

Integration in das didaktische Design

Damit Wikis von Lehrenden wie Lernenden nicht als „technische Spielerei“ und Zusatzarbeit angesehen werden, ist es notwendig, das Wiki als integralen Bestandteil der Lernumgebung einzuführen (siehe Kap. 3.1). Durch diese Integration kann das Wiki zu einem Mehrwert werden (vgl. GUZDIAL et al. 2001, 277). Neben der Akzeptanz des Wikis wird auf diese Weise auch die Interaktion in der internetbasierten Lernumgebung unterstützt, die ansonsten häufig als in Quantität oder Qualität nicht ausreichend bemängelt wird (vgl. KREIJNS et al. 2003; AUGAR et al. 2004 ). Damit diese Integration gelingt, sind weitere Aspekte zu beachten, wie im Folgenden ausgeführt wird.

Nutzerfreundlichkeit

Zunächst ist es unabdingbar, dass das Wiki leicht zu bedienen ist, damit es nicht zu Hindernissen im Hinblick auf das Schreiben von Beiträgen oder die Navigation zwischen den verschiedenen Inhaltsseiten kommt (vgl. GUZDIAL et al. 2001, 266). “T he choice of wiki software plays a significant role in the success of its adoption in an online or hybrid course […] and results varied amongst participants due to challenges in learning how to format text created in the wiki and upload documents and files to the wiki” (MCKAY/ HEADLEY 2007, 2409). Dabei ist der leichte Zugang zur Technologie nicht nur für die Lernenden wichtig, sondern auch für die Lehrkräfte, die das Wiki initiieren.

In ihrer Forschung zur Nutzung des so genannten CoWeb, einer Applikation, die einem Wiki ähnelt, stellten GUZDIAL et al. 2001 fest: „the CoWeb is an example of a kind of application in which teachers actively invent their own uses“ (GUZDIAL et al. 2001, 267).

Wiki-Sozialisation

Eine Herausforderung stellt die Sozialisation der Lernenden in der wiki-basierten Lernumgebung dar, die für die meisten zudem auch ungewohnt ist (vgl. HOIDN 2007, 13). „It may also be necessary to re-educate learners regarding their participation within such a dynamic learning environment” (BOULOS et al. 2006, 4). Dabei geht es um das Schaffen von Vertrauen und Sicherheit in der offenen, neuen und kollaborativen Lernumgebung (vgl. ANDERSON 2004, 39). Zur Unterstützung der Sozialisation beim Lernen mit dem Wiki sind aber auch klare Regeln und Abstimmungen notwendig. Diese sollte man auf das Notwendigste beschränken, um das Prinzip der Selbstorganisation nicht im Keim zu ersticken. Gleichzeitig sollten die Erwartungen klar kommuniziert werden, da fehlende Anleitungen aufgrund von Unsicherheit bei den Lernenden zu geringer Interaktion bzw. ausbleibender Teilnahme am Wiki führen können (vgl. REINHOLD 2006, 48).

Scaffolding

Zur Unterstützung von Wiki-Sozialisation und Nutzerfreundlichkeit aus Sicht der Lernenden ist es ebenfalls sinnvoll, dass das Wiki insbesondere Lernenden, die zum ersten Mal mit der Technologie arbeiten, nicht völlig inhaltslos zur Verfügung gestellt wird, sondern bereits eine gewisse Strukturierung im Sinne eines Gerüsts enthält (vgl. REINHOLD 2006, 48; KOHLS/ HAUG 2008, 28). Dabei kann es sich um die Gliederung der Veranstaltung handeln, um Hinweise zu Aufgabenstellungen oder um das Anlegen von Unterseiten für bestimmte Personen oder Gruppen. Diese Art der Strukturierung ähnelt dem so genannten „scaffolding“, welches nach dem gemäßigt konstruktivistischen Lehr-Lern-Verständnis notwendig ist, um die Lernenden zu motivieren und zu aktivieren (vgl. BOULOS et al. 2006, 3f.). Hierfür kann ein gemeinsamer Kick-Off des Wikis unterstützend wirken. „Auf diese Weise wird das Wiki als gemeinsames Projekt empfunden, und es fällt später leichter, im Wiki zu diskutieren und kooperativ, aber von verteilten Orten aus, zu arbeiten“ (KOHLS/ HAUG 2008, 28). HOIDN (2007) betont aber zu Recht, dass eine Überstrukturierung zu vermeiden ist. Ziel sollte es sein, „in der Anfangsphase einen einfachen, sinnvollen, grob strukturierten Rahmen zu schaffen, der Orientierung bietet und dann im Laufe des Seminars kollaborativ ausgestaltet werden kann“ (HOIDN 2007, 8).

Verändertes Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden

Obwohl Wikis leichter zu bedienen sind als klassische Webseiten, brauchen die Lehrpersonen Medienkompetenzen sowie medienpädagogisches Wissen, um das Wiki einzurichten und sinnvoll im Unterricht zu nutzen. Erfolgsversprechend ist der Einsatz eines Wikis, wenn die Lehrkräfte selbst innovationsfreudig und kooperationsorientiert veranlagt sind. „The teachers themselves were already innovators. They were open to try things, and they had some technological skill to fall back on” (GUZDIAL et al. 2001, 277).

Den Lehrenden muss gleichzeitig ihre neue Rolle bewusst sein - weg vom Inhaltsvermittler hin zum Initiator und Moderator von offenen Lernprozessen. Da sowohl die Lehrperson als auch die Lernenden zum Wiki beitragen können, verschwindet die alleinige Autorität des Lehrenden. Ein gewisses Maß an Gleichberechtigung zwischen Schüler und Lehrer kann entstehen. „The role of the instructor changes from being the single authority to being a partner with the students” (FRYDENBERG 2008, 169). Die Offenheit des Wikis für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten kann gleichzeitig eine Überforderung der Lehrkräfte wie auch der Lernenden darstellen. Je nach Zweck der Kooperation kommen auch andere Anwendungen infrage wie beispielsweise ein Diskussionsforum (vgl. GUZDIAL et al. 2001, 276).

Lernen über die Lehrveranstaltung hinaus

Ein erfolgreiches Wiki kann nicht nur für ein Semester oder Schuljahr genutzt werden, sondern über mehrere Jahre erhalten bleiben. Auf diese Weise kann auch ein Beitrag zur Entstehung einer Gemeinschaft geleistet werden. „[The wiki] lends itself to the building of community within a course as students and teachers all contribute to the success of the course and web site. The contributions of all students also persist over the course of terms or semesters so the knowledge gained in one cohort or term's work is not lost but carried over into following terms and years” (MCKAY / HEADLEY 2007, 2409) .

HURLBURT (2008, 184) verweist zudem auf die Möglichkeit von spontanen Interaktionen mit Personen außerhalb des instruktionalen Kontextes, durch die Tatsache, dass Lernprozesse und -produkte nach außen hin sichtbar gemacht werden.

Lernkultur

Um die Entwicklung einer auf Kooperation ausgerichteten Lernkultur zu fördern, ist auch eine beständige Ermunterung zu Beiträgen von Seiten der Lehrperson oder anderer Nutzer notwendig (vgl. MCKAY/ HEADLEY 2007, 2411). Da das Wiki im kollaborativen Prozess entstehen soll, müssen die Studierenden angeleitet werden, selbst Beiträge einzustellen, obwohl es keine „richtige“ Antwort gibt. Diese für die meisten ungewohnte Notwendigkeit, selbst schriftliche Beiträge zu verfassen, kann auf Seiten der Lernenden zu Unsicherheit führen (vgl. HURLBURT 2008, 4). Die Ermunterung durch den Lehrenden kann beispielsweise durch Kommentierung auf bereits geleistete Wiki-Beiträge geschehen. Auf diese Weise ist es möglich, die sonst meist ausbleibende Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden anzuregen.

Der bereits weiter oben angeführte Aspekt der Integration der Wiki in das übergreifende didaktische Design kann ebenfalls unterstützend wirken, um eine entsprechende Lernkultur durch die Wiki-Nutzung zu erreichen. So besteht eine weitere (wenn auch eher extrinsisch motivierende) Möglichkeit, zu regelmäßigen Beiträgen anzuregen, darin, die Anforderungen eines Kurses so zu gestalten, dass die Studierenden angehalten sind, das Wiki zu besuchen und dort ihre Kommentare oder Postings zu hinterlassen (vgl. MCKAY/ HEADLEY 2007, 2411). „'Students' grades were linked to its use. Teachers talked about and encouraged its use” (GUZDIAL et al. 2001, 277).

Durch die Integration der neuen Medien in den Unterricht und ihre Verzahnung mit bereits erprobten Unterrichtsansätzen kann eine nachhaltige Veränderung der Lern- und Unterrichtskultur geschaffen werden (vgl. SCHULZ-ZANDER 2005; SCHULZ-ZANDER et al. 2000 ). „Die neuen Medien können entscheidend dazu beitragen, die Lehr- und Lernkultur nachhaltig zu verändern […]“ (FRANK/ SCHOPEN 2008, 21). Um eine solche Veränderung, die ja bisher - trotz vieler E-Learning-Projekte - weitgehend ausgeblieben ist, zu erreichen, ist es notwendig, den Habitus der Lehrenden zu verändern. Die Lehrkräfte bedürfen Handlungsroutinen im Umgang mit den neuen Medien, aber gleichzeitig auch in ihrer veränderten Rolle als Berater anstelle des klassischen Wissensvermittlers. Dies bedingt auch ein erweitertes (kooperatives) Verständnis der Lehrperson als Mitglied der Schulorganisation (vgl. ebd., 22), was wiederum Kooperationsfähigkeit voraussetzt.

4. Methode - Design basierte Forschung

Als methodische Zugangsform zur Untersuchung der Fragestellung wurde die designbasierte Forschung gewählt. Dieser Ansatz hat unter diesem Namen erst kürzlich Eingang in die Erforschung von Lehr-Lern-Prozessen gehalten (Ähnliche Ansätze wie die Wissenschafts-Praxis-Kommunikation nach EULER (1994) sind dagegen bereits vorzufinden. ) (vgl. REINMANN 2005, 53). Designbasierte Forschung wird als ein flexibler, aber systematischer Forschungsansatz verstanden, der sowohl darauf abzielt, nachhaltige Innovationen für die Praxis zu erzielen, aber auch die Theoriebildung auf der Basis von Erprobungen in der Praxis zu erweitern (vgl. WANG/ HANNAFIN 2005, 6) . Dabei werden das Design, die Erforschung und die praktische Umsetzung von Bildungsprozessen miteinander verbunden, was insbesondere für innovative Forschungsfragen hilfreich erscheint. Designbasierte Forschung ist dabei durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

•  Iterative Entwicklung des Lehr-Lern-Designs: Durch die Erforschung des Lernprozesses wird das didaktische Design beeinflusst, was wiederum Auswirkungen auf die nächste Untersuchung hat (vgl. RICK/ GUZDIAL 2006, 91). Im Vergleich zu anderen Forschungszugängen wird das Design im Forschungsprozess deutlich aufgewertet. „Der Gestaltungsprozess […] wird zum Kristallisationspunkt für systematische Lernprozesse und zu einer Quelle für die Entwicklung von Theorien“ (REINMANN 2005, 61).

•  Authentische Kontexte: Designbasierte Forschung findet in authentischen Untersuchungssettings statt, z.B. in Lehrveranstaltungen. Damit wird das Ziel verfolgt, die Komplexität authentischer Kontexte zu erfassen (vgl. BARAB/ SQUIRE 2004, 3f.; RICK/ GUZDIAL 2006, 91). Um die Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses zu stärken, ist es von besonderer Wichtigkeit, auch die Rahmenbedingungen zu beschreiben, unter denen der Forschungsprozess stattgefunden hat (vgl. WANG/ HANNAFIN 2005, 11).

•  Aktive Rolle der Teilnehmenden bzw. Lernenden: Im Rahmen der Forschung werden die Lernenden aktiv einbezogen; sie bringen ihre eigenen Eindrücke und Erkenntnisse in den Forschungsprozess ein (vgl. BARAB/ SQUIRE 2004, 4).

•  Rolle des Forschers: In der Regel umfasst die Rolle der Lehrperson gleichzeitig die Rolle des Forschers. „Design-based research challenges the assumption that research is contaminated by the external influence of the researcher” (WANG/ HANNAFIN 2005, 5f.). Gleichwohl erachten es die Autorinnen für wichtig, durch eine möglichst transparente und reflektierte Darstellung des Forschungsprozesses die intersubjektive Nachvollziehbarkeit sicherzustellen (vgl. STEINKE 2000).

Im Rahmen der hier vorliegenden designbasierten Forschung hat eine der beiden Autorinnen ein erstes Design für eine Lehrveranstaltung entwickelt. Die Untersuchung des ersten Durchgangs erfolgte hauptsächlich in Zusammenarbeit mit der Co-Autorin, um auf diese Weise die Objektivität der gewonnenen Erkenntnisse zu erhöhen, aber auch in der Interaktion weitere Impulse für die iterative Weiterentwicklung zu gewinnen.

So wurden Verfahren der Dokumentenanalyse angewendet, um über die Auswertung studentischer Lernprodukte Rückschlüsse über das kooperative Verhalten wie auch die Qualität und Intensität der Wiki-Nutzung zu gewinnen.

Im nächsten Schritt werden auch die Studierenden systematisch in den Forschungs- und Designprozess einbezogen (siehe Kapitel 6.1).

5.  Das Fallbeispiel – „Aktuelle Probleme der Wirtschaftsdidaktik“

5.1  Konzeption Herbstsemester 2007

Die Master-Studierenden der Universität St. Gallen besuchen im Rahmen ihrer „Zusatzausbildung Wirtschaftspädagogik“ eine abschließende Pflichtveranstaltung zum Thema „Aktuelle Probleme der Wirtschaftsdidaktik“ im Umfang von 4 ECTS-Punkten.

In der Durchführung der Veranstaltung im Herbst 2007 wurden verschiedene Lernziele verfolgt. So sollten die Studierenden nach dem Veranstaltungsbesuch in der Lage sein:

•  „aktuelle Probleme“ differenziert zu benennen sowie in einen größeren gesellschaftlichen und bildungspolitischen Kontext einzuordnen;

•  „aktuelle Probleme“ der Wirtschaftsdidaktik theorie- wie praxisgeleitet zu erfassen und kritisch über Lösungsstrategien von Lehrpersonen nachzudenken;

•  „aktuelle Probleme“ konkrete in Verbindung mit dem eigenen Lehrerberuf zu denken und eine gewisse Betroffenheit zu fühlen;

•  einen Themenbereich eigenständig zu vertiefen und problemorientiert aufzubereiten sowie zu vermitteln;

•  konstruktives Feedback zu verfassen.

Die Studierenden wurden durch folgendes methodisch-didaktisches Design an die oben genannten Lernziele herangeführt (siehe auch Abb. 1):

In der ersten Veranstaltungshälfte gestaltete die Dozentin eine Vorlesungsreihe und führte die Studierenden in ausgewählte aktuelle bildungspolitische und didaktische Themen ein (z. B. Neue Lernende, Bildungsstandards, Förderung überfachlicher Kompetenzen, Klassenführung). Die Studierenden waren daraufhin angehalten, eine ausgewählte Fragestellung in Zweierteams vertieft zu bearbeiten und zu reflektieren (z. B. Wie beeinflusst der Zugang zu neuen Medien die Lerngewohnheiten von Schülern vorgelagerter Schulen?) . Dabei wurde eine wissenschaftliche Auseinandersetzung erwartet, welche in zwingendem Maß auch einen Kontakt mit der Praxis erforderlich machte (z. B. Befragung einer Schulklasse). In den Präsenzveranstaltungen in der zweiten Semesterhälfte vermittelten die Studierenden ihre Erkenntnisse ihren Mitstudierenden, indem sie eigenständig eine Lektion nach didaktischen Kriterien gestalteten. Je nach Thema hielten sie ein Referat, leiteten Gruppenarbeiten an oder moderierten eine Diskussion. Die Entscheidung über die Art der Unterrichtsgestaltung lag bei den Studierenden selbst, wobei eine Passung von Lernziel, Lerninhalt sowie Methode gefordert war. Zusätzlich hatten die Zweierteams zum Paper und der Präsentation eines weiteren Teams nach vorgeschlagenen Kriterien ein Peerfeedback zu verfassen. Die Schlussnote berücksichtigt die Leistungen des Kurzpapers (40%), des Peerfeedbacks (20%) sowie der schriftlichen Prüfung (40%). Die Präsentation wurde bewusst nicht benotet, um den Handlungsspielraum betreffend der Wahl einer geeigneten Präsentationsform (z. B. Referat, Gruppenarbeiten, Debatte) der Studierenden nicht unnötig einzuschränken.

In der ersten Durchführung im Herbstsemester 2007 kam das Wiki wie folgt zum Einsatz:

Das Wiki diente in erster Linie als Informationsplattform , auf der alle Vorlesungsunterlagen und Lernprodukte der Studierenden aufbereitet wurden. Zusätzlich wurde ein so genanntes Wochenbuch geführt. In jeder Vorlesung wurde eine Person gesucht, welche sich freiwillig bereit erklärte, ein Kurzprotokoll zur Veranstaltung im Wiki zu verfassen. Das Wochenbuch sollte einerseits die Studierenden animieren, zu den Inhalten im Wiki beizutragen, und war gleichzeitig ein Service für die Prüfungsvorbereitung und für abwesende Studierende (es wurde explizit darauf hingewiesen, dass keine Anwesenheitspflicht herrscht). In der zweiten Veranstaltungshälfte gestalteten die Studierenden jeweils 45 Minuten Vorlesungszeit zu ihrem Themenschwerpunkt. Die knappe verbleibende Zeit wurde für eine vertiefende inhaltliche Diskussion verwendet; die Dozentin nutzte das Wochenbuch für Feedback zur didaktischen Gestaltung.

Zu Beginn des Semesters wurde den Studierenden der Link zum Wiki zugestellt mit der Bitte, sich in einem eigens dafür eingerichteten Bereich (Sandkasten) anhand eines Ferienbildes vorzustellen. Diese Übung diente auch dazu, sich ein erstes Mal mit der Funktionsweise der Plattform vertraut zu machen. Das gesamte Wiki wurde durch ein einfaches Passwort geschützt, um den Zugang für die im Rahmen des Kurses entstandenen Diskussionen und Inhalte auf eine begrenzte Öffentlichkeit zu beschränken.

Kooperative Elemente waren in mehreren Formen angelegt:

•  Die Studierenden erarbeiteten einen Themenschwerpunkt (Kurzpaper) in Zweierteams, dies um den Koordinationsaufwand für die Zusammenarbeit zu beschränken. Da jeweils zwei Teams zum selben Themenschwerpunkt sich ergänzende Fragestellungen vertieften und ihre Resultate am selben Termin präsentierten, war es jedoch notwendig, dass sie ihre Inhalte und das didaktisches Design im Vorfeld mit dem jeweils anderen Team absprachen. Unterstützt wurde diese Koordination durch ein gemeinsames Vorbereitungsgespräch mit der Dozentin. Aufgrund der Erfahrungen im Vorjahr war es der Dozentin in diesem Prozess auch wichtig, ein gewisses Maß an Qualitätssicherung durchführen.

•  Letztlich hatten die Zweierteams den Auftrag, zeitnah ein Peer-Feedback zu verfassen und einem weiteren Team anhand vorgeschlagener Kriterien eine Rückmeldung zum Kurzpaper wie auch zur Gestaltung der Lektion zu geben.

Ziel dieser kooperativen Elemente war die vertiefte Bearbeitung des gewählten Themas auf der Grundlage des Austauschs untereinander und die gegenseitige Unterstützung bei der Gestaltung des Themengebiets während der Präsenzveranstaltung. Letztlich sollten die Studierenden durch das Peer-Feedback nicht nur Hinweise bzgl. der eigenen Lehrtätigkeit erhalten, sondern auch selbst lernen, anderen Lehrpersonen Feedback zu geben.

5.2  Erfahrungen aus der ersten Durchführung

Im Folgenden werden Erfahrungen aus der ersten Durchführung berichtet insbesondere im Hinblick darauf, inwieweit es gelungen ist, das Wiki für die Zusammenarbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung zu nutzen und eine Lernkultur zu gestalten, wie sie in Kapitel 3.3 skizziert wurde.

Ko-Produktion mit Zurückhaltung

Die Studierenden haben sich ohne Diskussion auf das Projekt Wochenbuch eingelassen. Es ist der Dozentin nicht schwer gefallen, eine freiwillige Person zu Beginn jeder Vorlesung zu finden. Wurde jedoch keinem Studierenden ein expliziter Auftrag erteilt, erfolgte auch kein Eintrag.

Seitens der Dozentin wurden nur wage Erwartungen an die Einträge geäußert, da zu enge Vorgaben die Idee einer Dienstleistung von und für Studierende konterkariert hätten:

„Gerne möchte ich Sie auch vom Wert eines gemeinsamen Wochenbuchs begleitend zur Veranstaltung überzeugen. Jede Woche soll mindestens ein Eintrag zum Geschehen in der Veranstaltung entstehen. Geteilte Arbeit ist nur halbe Arbeit. Ich bin gespannt, ob es gelingt.“ (Erster Wochenbucheintrag vom 11. August 2007).

Deshalb ist die Interpretation des Auftrags in den neun Wochenbucheinträgen interessant. Diese weisen einige Gemeinsamkeiten auf:

•  Fokus auf inhaltliche Zusammenfassungen (insbesondere auch organisatorische Hinweise),

•  recht sorgfältige und umfangreiche Dokumentation (durchschnittlich eine DIN A4 Seite),

•  nur ein Eintrag verzichtet mehrheitlich auf einen detaillierten Bericht, sondern ist bemüht, die Essenz zu fassen;

•  selten werden eigene Meinungen, Kritik am Inhalt oder Feedback an die Dozentin formuliert;

•  interessant ist die Tatsache, dass mehrere Einträge in der Wir-Form formuliert sind;

•  mehrere Studierende verzichteten darauf, sich explizit als Verfasser des Beitrags zu nennen.

Abgesehen von der klar zugewiesenen Verantwortung für das Wochenbuch und ausgenommen bei klar erteilten Aufträgen (Aufforderung sich vorzustellen, Aufforderung für Feedback), sind wenig spontane Beiträge im Wiki entstanden. Nicht selten jedoch haben Studierende die Dozentin per Email oder in der Präsenzveranstaltung auf Zeitungsartikel, welche zum Thema der Vorlesung passten, aufmerksam gemacht.

Diese Kommunikation per Email scheint Ausdruck davon sein, dass es nicht vollständig gelungen ist, die klassischen Rollenzuschreibungen zu durchbrechen und die Studierenden zur Ko-Produktion anzuregen. Nur in Einzelfällen mag die unzureichende Vertrautheit mit dem technischen System dieses Verhalten erklären.

Monolog statt Dialog

In der zweiten Semesterhälfte wurden keine Wochenbucheinträge durch die Studierenden verfasst, stattdessen wurde die „Diskussion“ der didaktischen Gestaltung durch die Dozentin bestritten. Auch hier haben sich die Studierenden kaum ergänzend, bestätigend oder kritisch zu Wort gemeldet. Es wurde jedoch deutlich, dass ein Großteil der Studierenden die Beiträge aktiv mitgelesen hat.

Diese Zurückhaltung kann mit der Art des Feedbackprozesses erklärt werden. Zwei Studierende waren aufgefordert, zeitnah (bis 6 Tage nach der Präsentation) ein Peerfeedback zu verfassen. Erst im Anschluss daran hat die Dozentin auf der Basis dieses Peerfeedbacks Einzelaspekte im Wochenbuch nochmals vertiefend thematisiert. Dies hatte zur Folge, dass der Zeitpunkt, zu welchem Diskussionsbedarf beständen hätte (d.h. zeitnah zur erlebten Präsentation), verpasst wurde. Zudem war die Mehrheit der Studierenden durch die klare Delegation der Feedbackaufgabe auch nicht direkt angesprochen. Letztlich hat es die Dozentin auch unterlassen, früh gegenzusteuern, indem sie die Studierenden mahnte, sich ergänzend, bestätigend oder kritisch zu Wort zu melden.

Arbeit an der Feedbackkultur

Wie bereits erwähnt, mag eine mögliche Ursache für die Zurückhaltung der Studierenden in der zweiten Semesterhälfte im formalisierten Peerfeedbackprozess liegen. Allerdings war die Qualität der Peerfeedbacks aus Sicht der Dozentin sehr unbefriedigend. 10 der 14 Teams hatten im Vergleich zur Vertiefungsarbeit eine schlechtere Note, 6 davon wurden um 0.75 Notenpunkte und mehr tiefer bewertet.

•  Kritisiert wurde von Seiten der Dozentin die sture Strukturierung des Feedbacks entlang der vorgeschlagenen Kriterien, welche häufig zu Redundanzen führte (siehe Abb. 3).

•  Häufig wurde eine recht oberflächliche Analyse vorgenommen und es wurden wenig konkrete und konstruktive Verbesserungsvorschläge eingebracht.

•  Am meisten erstaunt hat die Tonalität des Feedbacks. Die gewählten Formulierungen waren meist recht beschönigend, in wenigen Fällen wurde auch eine unangebracht harte Sprache verwendet.

Mögliche Gründe könnten darin liegen, dass 20% Anteil an der Benotung fast vernachlässigbar sind und entsprechend das Engagement für diesen Teil geringer ausfiel. Zudem scheint die Aufgabe unpopulär, da das Risiko besteht, Mitstudierenden zu nahe zu treten. Ein weiterer Grund könnte auch im Selbstverständnis der Studierenden liegen, welche sich nicht für die Bewertung zuständig sehen und nicht durch die Dozentin autorisiertes Feedback entsprechend für beschränkt hilfreich erachten.

5.3  Geplante Änderungen für die zweite Durchführung

Für die zweite Durchführung im Herbstsemester 2008 wurden die Lernziele wie folgt angepasst (Neuerungen kursiv gedruckt):

Die Studierenden sind in der Lage,

•  „aktuelle Probleme“ differenziert zu benennen sowie in einen größeren gesellschaftlichen und bildungspolitischen Kontext einzuordnen;

•  „aktuelle Probleme“ der Wirtschaftsdidaktik theorie- wie praxisgeleitet zu erfassen und kritisch über Lösungsstrategien von Lehrpersonen nachzudenken. Dabei sollen die Studierenden „ein aktuelles Problem“ konkret in Verbindung mit dem eigenen Lehrerberuf reflektieren und eine gewisse Betroffenheit fühlen;

•  einen Themenbereich eigenständig im Team zu vertiefen und ein Thema problemorientiert aufzubereiten und weiterzuvermitteln. Insbesondere sollen die Studierenden bewusst den Transfer kooperativer Routinen vom Studium in den Lehrberuf reflektieren;

•  konstruktives Feedback verfassen (als explizit ausgewiesenes Lernziel gelöscht).

Im Vordergrund steht eine verstärkte Betonung des Kooperativen und damit verbunden auch das Anliegen, eine Kultur des Austausches zu gestalten, welche der klassischen Rollenerwartung gegensteuert und somit die Potentiale der Wiki-Nutzung stärker zum Tragen bringt.

Damit verbunden sind Änderungen in drei Bereichen:

•  Durchbrechen starrer Dozierenden- und Studierendenrollen

•  Stärkere und bewusste Betonung der Entwicklung Teamkompetenzen

•  Nach einem ersten zaghaften Versuch, ein Wiki einzusetzen, soll dies mutiger eingefordert werden, um verstärkte Interaktion auch über dieses Medium anzuregen.

•  Dozierenden-Studierenden Interaktion (Dialog statt Monolog)

Noch stärker als im letzten Jahr wird versucht, die bereits bestehende Lehrerfahrung der Studierenden aufzunehmen. Beispielsweise sollen die Studierenden „Fälle“ zum Thema Klassenführung einbringen, welche unter Einbeziehen einer Expertin diskutiert werden.

Formal besteht die größte Änderung darin, dass das Peer Feedback abgeschafft wird. Im Gegenzug wird die Wiki-Arbeit mit neu 60% in die Bewertung einfließen (vorher 40%). Das Feedback zur Präsentation soll mehrheitlich durch die Studierenden im Wochenbuch getragen werden. Ähnlich wie in der ersten Semesterhälfte sollen dafür Personen gesucht werden, die sich auf freiwilliger Basis melden. Zudem sind die jeweiligen Adressaten des Feedbacks aufgefordert, sich zur Rückmeldung zu äußern (vgl. veränderte Rolle der Lernenden, Kap. 3.3).

Der Feedbackzyklus für die Wiki-Arbeit wurde weiterhin so angepasst, dass die Studierenden von der Dozentin bis spätestens zwei Wochen nach der Präsentation ein nach klaren Kriterien strukturiertes Feedback zur schriftlichen Arbeit mit Verbesserungsvorschlägen erhalten. Ähnlich einem Peer-Review Prozess zu einer wissenschaftlichen Publikation haben sie dann die Möglichkeit, bis Semesterende Nachbesserungen vorzunehmen oder zu begründen, warum Änderungen unterlassen wurden. Jene Wiki-Arbeiten, die einem minimalen Qualitätsstandard genügen, werden im öffentlichen Bereich des Wikis publiziert. Das Ziel dabei ist, über die Jahre für die Praxispartner sowie für interessierte Lehrpersonen eine Plattform aufzubauen, über welche die Arbeiten der Studierenden zugänglich sind (vgl. HURLBURT 2008, 5; siehe auch Kap. 3.3, Lernen über die Lehrveranstaltung hinaus).

So soll im Rahmen dieser Veranstaltung ein möglichst gleichberechtigter Austausch zwischen Studierenden, Dozierenden und Praxispartnern entstehen.

•  Förderung von Teamkompetenzen

Während in der ersten Durchführung zwar Element der studentischen Zusammenarbeit und des Austauschs im didaktischen Design angelegt waren, war die explizite Förderung von kollaborativen Routinen kein prioritäres Ziel. Wie in Kapitel 2.2 dargelegt wurde, steht außer Frage, dass eine kooperative Grundhaltung eine Kernkompetenz von künftigen Lehrpersonen darstellen muss. Deshalb soll die Förderung von kooperativem Verhalten bereits in der Ausbildung angeregt werden. Gemäß WALZIK (2004) beinhaltet eine so verstandene Förderung von Sozialkompetenzen sowohl erprobende wie reflektierende Aktivitäten. Eine besondere Bedeutung sollte dabei dem Transfer in die Unterrichtspraxis beigemessen werden.

Eine Sensibilisierung der Studierenden für die Thematik wird erreicht, indem in der Veranstaltung ein Überblick über anstehende Reformen und mögliche Ansätze der Schulentwicklung thematisiert werden. Dabei wird offensichtlich, dass die künftige Lehrperson nur im Team wirksam arbeiten kann. Des weiteren werden in der Lehrveranstaltung anknüpfend an die Erfahrungen aus einer Vielzahl an Gruppenarbeiten im bisherigen Studium im Lehrgespräch Erfolgsfaktoren für die Zusammenarbeit im Team, der Lehrveranstaltung als Ganzes sowie dem Austausch mit den Praxispartnern diskutiert.

Wesentliches Element der Lehrveranstaltung ist somit einerseits die Anlage zahlreicher Gelegenheiten der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Konstellationen (Zweierteam, Austausch mit Praxispartnern und im Plenum) andererseits auch die Reflexion derselben. Die Dozentin ist bemüht, diese Reflexivität während des gesamten Semesters vor allem in Bezug auf den Austausch in der Gesamtgruppe anzuregen. Neu soll eine Abschlussveranstaltung zum Ende des Semesters ganz der Reflexion der kooperativen Elemente gewidmet werden.

Mit dem Verzicht auf das institutionalisierte benotete Peerfeedback, soll der Feedbackprozess in informellere Bahnen gelenkt werden, welcher die Studierenden animiert, sich durch differenzierte Rückmeldungen gegenseitig voranzubringen (vgl. Entstehung einer Gemeinschaft, Kap. 2.2).

•  Wiki für kollaboratives Schreiben

Während es im vergangenen Semester für Studierende möglich war, die Veranstaltung zu besuchen, ohne sich mit dem Wiki auseinanderzusetzen, soll in der kommenden Durchführung als wesentliches neues Element die Vertiefungsarbeit auf dem Wiki verfasst werden. Folgende Erwartungen sind damit verknüpft:

•  Die Studierende lernen die Wiki-Technologie besser kennen und können sich somit gewandter bewegen.

•  Durch das gemeinsame Verfassen der Vertiefungsarbeit im Wiki erproben die Studierenden eine meist unbekannte Form des kollaborativen Schreibens. Neben der Herausforderung, den gemeinsamen Schreibprozess zu planen, stehen auch neue Möglichkeiten der Inhaltsdarstellung z.B. in Form von Multimedia und Hypertext zur Verfügung. Die höhere Gewichtung (60% statt 40%) rechtfertigt diese Änderung trotz des zu erwartenden Mehraufwands.

•  Die dadurch entstandene Transparenz des Arbeitsstandes ermöglicht eine Zusammenarbeit in der Vorbereitung der Präsentation über die einzelnen Teams hinweg etwa in Form von Austausch von Literaturquellen oder Querverweisungen.

•  Die so entstandenen Wiki-Arbeiten lassen sich ohne weiteres neu im „öffentlichen Bereich“ verlinken und erlauben auch dem externen Leser einen unkomplizierten Zugang (ohne Öffnen von Attachments).

Damit sich die mit der verstärkten Integration des Wiki verbundenen Erwartungen erfüllen, ist ein optimales Maß an klaren Vorgaben, aber gleichzeitig großer Freiraum zu gestalten. Es wird versucht, anhand im Voraus bekannter Bewertungskriterien sowie durch gezielte Kommentare während des Entstehungsprozesses diese Balance zu meistern (vgl. Scaffolding und Online-Sozialisation, Kap. 3.3).

Mit der Anpassung des Feedbackprozesses, der bewussteren Förderung von Teamkompetenzen sowie der verstärkten Nutzung des Wikis auch für den Prozess des kollaborativen Schreibens wird versucht, im Wiki sowohl hinsichtlich der Qualität wie auch der Quantität mehr Dialog statt Monolog zu führen. Dadurch sollen die Dozierende und die Lernenden in einen Austauschprozess treten, der einerseits lernförderlich für die Erarbeitung der vorliegenden Schwerpunktthemen wird und andererseits durch den großen Anteil an Erproben und Reflektieren den Aufbau von stabilen Routinen zur Zusammenarbeit wie auch im Umgang mit neuen Medien begünstigt.

6.  Ausblick und Forschungsperspektiven

6.1  Evaluation der konzeptionellen Anpassungen

Im Sinne der designbasierten Forschung sollen die konzeptionellen Anpassungen für das Herbstsemester 2008 wie folgt evaluiert werden: Erneut sollen die Beiträge im Wochenbuch ausgewertet werden und mit den Resultaten aus dem Vorjahr verglichen werden.

Mit dem Einverständnis der Studierenden soll zudem die Nutzung des Wikis für die Vertiefungsarbeit untersucht werden. Mittels der History-Funktion kann der Schreibprozess nachvollzogen werden. Es soll insbesondere die Interaktion zwischen den beiden Autoren beleuchtet werden, um Aussagen darüber machen zu können, wie das Wiki den kollaborativen Schreibprozess unterstützt. Zudem interessiert, ob die geschaffene Transparenz zu Querbezügen zwischen den Arbeiten führt.

Da zwei Studierende eine Vertiefungsarbeit zum Thema „Gruppenarbeiten“ verfassen, ist geplant in der schriftlichen Prüfung eine Frage zu stellen, welche nach der Geeignetheit des erlebten didaktischen Designs für die Förderung von Teamkompetenzen fragt.

Zur Evaluation des kollaborativen Schreibprozesses im Wiki ist weiterhin geplant, in der Mitte des Semesters eine schriftliche Befragung der Studierenden durchzuführen, die die Lernkultur im Wiki und das kooperative Verhalten der Lernenden zu erfassen sucht.

Letztlich soll nach der Prüfung neu ein abschließender Präsenztermin eingeführt werden, an welchem unter Beisein der außenstehenden Co-Autorin durch ein Gruppenverfahren der Frage nach der Qualität der Teamprozesse nachgegangen wird.

6.2  Weiterführende Forschungsdesiderata

Auch wenn erwartet wird, dass die Anpassungen des Designs günstige Ergebnisse liefern werden, so bleiben dennoch weitere wesentliche Fragen offen: Die Autorinnen sehen insbesondere in drei Punkten Handlungsbedarf für weitere Forschung:

•  In einer einzelnen Veranstaltung zum Schluss des Studiums dürfte es nur beschränkt gelingen, eingespielte Routinen nachhaltig zu verändern. Wie müsste jedoch ein Studium der Wirtschaftspädagogik von Grund auf aufgebaut werden, um die Entwicklung angepasster Routinen der Zusammenarbeit sowie im Umgang mit Innovationen zu erreichen?

•  Die Frage nach dem Transfer kooperativer Routinen vom Studium in die Lehrpraxis bleibt schwierig, denn einerseits ist der Kontext der Zusammenarbeit ein anderer, anderseits behindern zahlreiche weitere Faktoren im Schulalltag die postulierte Zusammenarbeit.

•  Letztlich sind Lehrpersonen immer wieder gefordert, Innovationen im Schulumfeld in die Lehrpraxis aufzunehmen. Wie gelingt es, diese dabei nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der Berufspraxis entsprechend anzuregen und zu unterstützen?

Auch wenn es schwierig sein dürfte, mit dem vorgestellten Design einer einzelnen Lehrveranstaltung die Disposition der Studierenden betreffend kooperativem Arbeitsverhalten maßgeblich zu beeinflussen, so scheint es den Autorinnen dennoch angezeigt, in der Lehrerbildung einen differenzierten Umgang mit Innovationen vorzuleben.

 

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