wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 

 

Beitrag von RALF TENBERG (Technische Universität München)

Regionale Kompetenzzentren in Deutschland.
Bestandsaufnahme über eine aktuelle Entwicklungsperspektive beruflicher Schulen

Inhalt:
1 Ausgangspunkt
2 Öffentliche Diskussion
3 Beteiligte Institutionen und Verbände
4 Forschungsstand
5 Analyse

 

1 Ausgangspunkt

Vor ca. 4 Jahren wird im Berliner Memorandum zur Modernisierung der Beruflichen Bildung (BAETHGE et al. 1999, 37) empfohlen, der Staat müsse neue Rahmenbedingungen schaffen, um einen zukunftsweisenden Weg in der beruflichen Bildung zu eröffnen. Dabei wird der Schaffung so genannter ‚Regionaler Kompetenzzentren' besonderes Innovations- und Wirkungspotential zugesprochen: "Die Weiterentwicklung der teilzeitberufsbildenden Schulen zu regionalen Zentren für Innovation, Beratung und Bildung, die sich auch in der Weiterbildung engagieren und denen durch die Annahme von Auftragsarbeiten auch die Möglichkeit zu einer Verknüpfung von Forschen, Arbeiten und Lernen gegeben wird" (BAETHGE 1999, 37f), wird als förderungsfähig empfohlen. Dies solle in einem Modell umgesetzt und erprobt werden.
Annähernd zeitgleich schreiben die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und Wirtschaft (BMWi) in Verbindung mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZHD) einen bundesweiten Ideenwettbewerb mit dem Titel Entwicklung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten und Technologietransferzentren zu Kompetenzzentren aus. Als Hintergrund werden zentral die sich wandelnden Anforderungen in Arbeitswelt und Berufsbildung konstatiert. Mit diesem Wettbewerb und der damit zusammenhängenden Öffentlichkeitswirkung erfuhr die schon seit einigen Jahren laufende Diskussion über Strukturveränderungen bei beruflichen Schulen eine neue Qualität und Aktualität. Regionale Kompetenzzentren gelten seitdem als länderübergreifende, auf oberster Ebene erwünschte Entwicklungsperspektive bisheriger Berufsbildungszentren.
Der kurze Zeit später veröffentlichte Bericht Kompetenzzentren in regionalen Berufsbildungsnetzwerken - Rolle und Beitrag der beruflichen Schulen der Bund-Länder-Kommission (BLK) sowie die dazu eigens einberufene Fachtagung Kompetenzzentren in regionalen Bildungsnetzwerken - Rolle und Beitrag der beruflichen Schulen im Dezember 2001 unterstrichen diese politische Richtungsweisung. Die BLK wollte die verschiedenen Akteure und Meinungen zusammenführen bzw. auf den richtigen Weg zur Schaffung regionaler Kompetenzzentren in Deutschland bringen. Es wurden zahlreiche betroffene Institutionen mit einbezogen und umfassende Programme entwickelt. Die Tagung sollte wichtige Impulse für weitere Initiativen in Baden-Württemberg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bayern und Hamburg geben (vgl. BLK-Bonn 19.06.2003).
Im Bundesland Bremen, das schon seit 1999 umfangreiche Vorgaben zur Erneuerung der beruflichen Bildung und der Berufsschulen verfasst hat, wurden in Verbindung mit einer gezielten Förderpolitik Aufgaben und Leistungsindikatoren von Kompetenzzentren im Land Bremen abgesteckt (u.a. Qualitätskriterien, Branchen- und Zielgruppenbezug, Alleinstellungsmerkmale). Es wurden unter anderem Anforderungsprofile ausgearbeitet und rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen geklärt (u.a. Trägerschaft, Budgetverantwortlichkeit, Leistungsverträge, private Beteiligungen) (vgl. ITB UNI-BREMEN 18.06.2003). Zudem wurden eine Reihe von Modellversuchen initiiert, welche sich mit dieser Thematik auseinandersetzen sollten; dazu gehören u.a. die Ansätze QUABS (Qualitätsentwicklung an beruflichen Schulen), STEPS (Stärkung der Eigenständigkeit beruflicher Schulen), REBIZ (Entwicklung beruflicher Schulen zu regionalen Bildungszentren/Kompetenzzentren), ProReKo (Projekt regionale Kompetenzzentren, RBZ (Weiterentwicklung der beruflichen Schulen zu regionalen Berufsbildungszentren (vgl.
RÜTZEL et al. 2002).

In den Fachzeitschriften wird vermehrt der Standpunkt vertreten, das traditionelle System dualer Ausbildung (Aufteilung in schulische und betriebliche Ausbildung) reiche nicht mehr aus, um den hohen Anforderungen sich permanent ändernder Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Ein Grund dafür sei die Dynamik des sozioökonomischen und technischen Wandels, die einen immensen Reformdruck auf das System der beruflichen Bildung ausübe. Lebenslanges Lernens in Verbindung mit der Berücksichtigung regionaler Besonderheiten in der beruflichen Qualifikation von Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und Bildungsträgern werden gleichermaßen gefordert (vgl. DOBISCHAT et al. o. J., 11). DEITMER und PLATTER unterstreichen, dass das Berufsbildungssystem ein wichtiger Bestandteil der deutschen Wirtschaft sei. Es schlage eine Brücke zwischen Theorie und Praxis und trage damit zur Förderung der regionalen Wirtschaft bei (vgl. DEITMER/PLATTER 06.06.2003). Aus diesem Grund müsse die Berufsbildung schnell auf den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft und auf daraus entstehende neue Anforderungen reagieren (vgl. BLK 2001, 15).
Darüber hinaus sprechen sie von der Wirtschaftskraft und -struktur einer Region, die nicht allein vom Wachstum großer Unternehmen abhänge, sondern vor allem auch von dem regionalen Netz von Klein- und mittelständischen Unternehmen (im Folgenden KMU). Diese müssten in besonderem Maße durch Berufbildungszentren und Berufsschulen in ihren Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt werden (vgl. DEITMER/PLATTER 06.06.2003). Durch den stetigen Wandel ergeben sich immer neue Anforderungen an die Unternehmen. So ziehe seit Ende der 80er Jahre die wachsende Globalisierung einen durchgreifenden Wandel der Organisationskonzepte nach sich, was insbesondere für KMU eine verstärkte Kooperation untereinander notwendig mache und hochkompetente Mitarbeiter voraussetze. Das Netz von KMU stehe für die Wirtschaftskraft einer Region und sichere somit viele Arbeitsplätze. Vorhandenes Innovationspotential sollte durch vermehrte Zusammenarbeit mit beruflichen Schulen besser genutzt werden. Durch den Umbau zu Kompetenzzentren würden eigenständigere, dezentrale Führungs- und Organisationsstrukturen in den Schulen notwendig. Dabei gelte: je eigenständiger, desto kooperationsfähiger (vgl. BLK 2001, 14). Zukünftige Mitarbeiter in KMU benötigten eine sog. erweiterte Fach- und Systemkompetenz. Hierzu müssten neue und erweiterte Qualifikationsmöglichkeiten erschlossen werden (vgl. BLK 2001, 3). Außerdem würden neue Strukturen in der dualen Berufsausbildung, wie beispielsweise die Entwicklung von Wahlpflichtbausteinen, deren Flexibilität und Durchlässigkeit erhöhen. Dies führe zu einer Modernisierung der Berufsausbildung. Somit würde eine differenziertere Ausbildung ermöglicht werden, die flexibel an den regionalen Erfordernissen ausgerichtet werden kann (vgl. BLK 2001, 4). Die BLK bekräftigt, dass innerhalb der beruflichen Erstausbildung die Berufsschulen einer der vorrangigen Akteure seien, die darüber hinaus auch Weiterbildung anböten (vgl. BLK 2001, 9).
Die Forderung nach mehr Selbständigkeit der Einzelschule nimmt Im Rahmen dieser Diskussion eine exponierte Position ein. So soll den Schulen die Möglichkeit gegeben werden, an der Personalentwicklung mitzuwirken und wichtige Angelegenheiten, wie das Treffen von personellen Entscheidungen, den Schulen zur selbständigen Erledigung überlassen werden. Dazu sei aber eine größere Autonomie der Schulen notwendig (vgl. BLK 2001, 9).
DEITMER und PLATTER identifizieren das deutsche Bildungssystem als zentralistisch organisiert und überreguliert. Sein Innovationspotential sei im europäischen Vergleich daher gegenüber den sich etablierenden Regional Innovation Systems (RIS) als regionalen Trägern in der Erst- und Weiterbildung sehr gering. (vgl. DEITMER/PLATTER 06.06.2003). Diesbezüglich stellt die BLK einige zentrale Kennzeichen derartiger RIS fest (vgl. BLK 2001, 11):

  • verstärkte Nutzung regionaler Potentiale unter Berücksichtigung der vor Ort bestehenden Qualifizierungs- und Innovationsbedarfe
  • Zugang zu vorhandenem Qualifizierungs- und Innovationspotenzial auch für
    Externe
  • erhöhte Flexibilität in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, um auf die sich wandelnden Anforderungen reagieren zu können
  • Optimierung der Durchlässigkeit von Qualifizierungsangeboten
    Stärkung der Eigenverantwortung und Selbstverwaltung

Durch die Schaffung von regionalen Bildungsnetzwerken in der Form von Kompetenzzentren solle vor allem der Faktor Humanressource an Bedeutung gewinnen und die Stellung Deutschlands im internationalen Vergleich gestärkt werden (vgl. DEITMER/PLATTER 06.06.2003).
Weiterführendes Ziel sei es, die Kompetenzträger als starken Faktor der regionalen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsförderung herauszubilden. Des Weiteren sollen so genannte Lernende Regionen entstehen, in denen die dort vorhandenen Ressourcen im Bereich Bildung und Qualifizierung besser aufeinander abgestimmt werden (vgl. DEITMER/PLATTER 06.06.2003). Dabei hänge die Wettbewerbsfähigkeit einer Region stark von der Kooperation der einzelnen Akteure ab. Regionale Aus- und Weiterbildung werde zu einem Standortfaktor (vgl. BLK 2001, 12).
In dieser Hinsicht fügt die BLK hinzu, dass bei Lernenden Regionen die Akteure, wie beispielsweise Unternehmen und Berufsschulen, mit einbezogen werden müssten, um vorhandenes Know-how besser bündeln und die Möglichkeiten der Kommunikation mit der Politik erhöhen zu können (vgl. BLK 2001, 13). Die vorhandenen Potenziale der berufsbildenden Schulen sollten auch für ein breiteres Ausbildungsangebot genutzt werden. Hierzu sind nach Meinung HENTRICHS und DORNBUSCHS zum einen regionale Dialoge zur Abstimmung und Bündelung der Angebote notwendig, zum anderen die Weiterentwicklung berufsbildender Schulen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Autonomie (vgl. HENTRICH/DORNBUSCH 2001, 28).

Durch die Abstimmung der Aus- und Weiterbildungsangebote in der Region könnten sich erhebliche Synergieeffekte ergeben. Demnach würden unterschiedliche Ressourcen (Personal, Finanzen, Gebäude) der Partner gemeinsam genutzt, und die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Beteiligten dabei jedoch erhalten bleiben. Diese Kooperation wird als virtuelles, regionales Kompetenzzentrum bezeichnet; virtuell deshalb, weil es keinen expliziten Standort gebe (vgl. BLK 2001, 14). Derartige Kooperationsmodelle, in denen Betriebe, Berufsschulen und überbetriebliche Ausbildungsstätten zusammenarbeiten, könnten der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage dienen. Außerdem werde so die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmern gesichert, sowie regionale Kompetenzpotenziale und Wissensbestände entwickelt und bereitgestellt (vgl. BLK 2001, 16).
Aus dieser Betrachtung der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion lassen sich die zentralen Argumentationsstränge für regionale Kompetenzzentren zusammenfassen:

1. Eine Unzulänglichkeit der aktuellen beruflichen Schule gegenüber der hohen Veränderungsdynamik in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft ihrem Auftrag im dualen System nachzukommen. Der hohe Anspruch, ein lebenslanges Lernen einzuleiten und zu fördern, wird ihr ebenso abgesprochen, wie die Berücksichtigung wichtiger regionaler Spezifika.

2. Eine aktuell mangelhafte Berücksichtigung Klein- und Mittelständischer Unternehmen. Einerseits nähmen diese eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftskraft einer Region ein, andererseits seien sie gegenwärtig durch die Globalisierung einem erheblichen Anpassungsdruck ausgesetzt. Diesem Druck könnten sie nur Stand halten, wenn sie untereinander besser kooperieren, was nur mit entsprechend qualifizierten Mitarbeitern gelingen könne. Dezidiert sei es erforderlich, sog. Fach- bzw. Systemkompetenzen zu verbessern bzw. neue Qualifikationspotenziale zu erkennen und zu erschließen. Darüber hinaus müssten berufliche Schulen für die Nutzung des vorhandenen, aber auf die KMU verteilten Innovationspotenzials eine Art Mittlerfunktion einnehmen.

3. Eine zentralistische Organisation und Überregulierung beruflicher Schulen, sowie deren zu geringe Selbständigkeit, vor allem im Hinblick auf eine eigenständige Personalentscheidung und -entwicklung. Dies sei lähmend, vor allem im Hinblick auf einen europaweiten Trend, berufliche Schulen zu Regional Innovation Systems zu entwickeln, welche mit großer Autonomie in größerer Zugänglichkeit und Durchlässigkeit der Qualifikationsangebote flexibel auf wechselnde Anforderungen reagieren können, und damit in der Lage sind, die bestehenden Potenziale besser zu nutzen und dem regionalen Bedarf besser gerecht zu werden.

4. Eine institutionelle Isolation, welche die Entstehung einer ‚lernenden Region' erschwere bzw. verhindere. Ein derartiges Konzept antizipiert die gegenseitige Nutzung bestehenden Know-hows sowie vorhandener Ressourcen in Schulen und Betrieben, deren gebündelte politisch-strategische Stoßkraft sowie weiteren, absehbaren Synergieeffekten. Dies könne nicht nur eine höhere Qualität und Passung der Bildungsangebote aller Beteiligten bewirken, sondern einen Beitrag zu einer möglichen wirtschaftlichen Unabhängigkeit beruflicher Schulen leisten, sowie die Arbeitsfähigkeit Berufstätiger innerhalb einer Region sichern helfen.

2 Öffentliche Diskussion

Aus der vorausgehenden Betrachtung wird deutlich, dass die Weiterentwicklung berufsbildender Schulen zu regionalen Kompetenzzentren in der breiten Fachöffentlichkeit häufig gefordert und generell befürwortet wird. Auch wurde herausgestellt, welche zentralen Argumentationsstränge für diese Programmatik angeboten werden.
Gegenüber diesen relativ klaren perspektivischen Aussagen und Begründungen beklagen viele Beteiligte - neben einer aktuell immer noch unklaren Begrifflichkeit - vor allem die nur defizitäre konzeptionelle Ausformulierung der Programme. So stellen ROSS/DOBISCHAT beispielsweise fest, dass Kompetenzzentren als guter Lösungsweg zur Sicherung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit propagiert würden, wobei keineswegs klar sei, was genau ein Kompetenzzentrum darstelle (vgl. ROSS/DOBISCHAT 2001, 3). Es falle auf, dass der Begriff ‚Kompetenzzentrum' über die Debatte der beruflichen Bildung hinaus überall dort verwendet wird, wo bereits angesiedelte Kompetenzen und vorhandene Ressourcen in sinnvoller und zweckmäßiger Kombination genutzt werden könnten. Dies betrifft nicht nur den Bereich Bildung, sondern ebenso die Bereiche Forschung, Entwicklung, Planung, Beratung, Information, Koordination, PR, Vermarktung, Produktion usw. (ebd., 5). Infolge dieser Erscheinungsvielfalt des Konstrukts ‚Regionales Kompetenzzentrum' ist es nicht verwunderlich, dass dieses zunächst schwer greifbar bleibt. Es ist daher notwendig, den Blick auf die Rolle berufsbildender Schulen als Kompetenzzentren zu fokussieren und genauer zu betrachten, welche konkreten Aussagen für die Weiterentwicklung beruflicher Schulen zu regionalen Kompetenzzentren existieren.
Die BLK formuliert in ihrem Bericht Weiterentwicklung berufsbildender Schulen (BLK 2003, 7 f) die folgenden Merkmale: (1) Entwicklung und Unterstützung der Lernenden zur Befähigung individuellen, selbstorganisierten und lebenslangen Lernens, (2) Übertragung von Eigenständigkeit und Eigenverantwortung an die berufsbildenden Schulen, (3) Einführung von Qualitätsmanagement und Beratungskompetenz an beruflichen Schulen, (4) Regionale Lernkooperation und Netzwerkarbeit zur optimalen Ressourcenallokation und Nutzung von Synergien und (5) Umsetzung des staatlichen Bildungsauftrages. Da die Aspekte (1) und (5) als evident einzustufen sind, also schon dem gegenwärtigen Selbstverständnis beruflicher Schulen entsprechen, verbleiben die Merkmale (2), (3) und (4). Unter einem regionalen Kompetenzzentrum ist somit gegenwärtig ein berufliches Bildungszentrum zu verstehen, welches sich eigenständig und eigenverantwortlich in als Teil eines regionalen Kooperationsnetzwerks aus Schulen und Betrieben versteht. Es nutzt seine Ressourcen in optimierter Weise, profitiert von Synergien und unterstützt seine Weiterentwicklung durch ein eigenständiges Qualitätsmanagement.
In mehr oder weniger gutem Einklang mit diesem Grundverständnis bestehen aktuell bundesweit zahlreiche Arbeitsgruppen, Planungs- und Umsetzungsprojekte sowie Modellversuche über die Entwicklung berufsbildender Schulen zu beruflichen Kompetenzzentren (vgl. KURZ 2002, 92). KURZ stellt diesbezüglich jedoch ernüchternd fest, dass die aktuellen Ansätze relativ systemkonform verlaufen und z.B. eine Expansion in die berufliche Weiterbildung ebenso wenig umsetzen würden, wie die Übernahme von Beratungsaufgaben (vgl. ebd., 92). ROSS/DOBISCHAT konstatieren, dass funktionierende Netzwerke und Kooperationen noch Seltenheitswert hätten. Dies sei auch nicht erstaunlich, da ihrer Meinung nach auch nur sehr wenige gesicherte Erkenntnisse - also Ergebnisse empirischer Forschung - über das Phänomen ‚Regionaler Kompetenzzentren' vorliegen (vgl. ROSS/DOBISCHAT 2001, 8).
Für diesen inzwischen offen beklagten, eher zaghaften Prozess werden zahlreiche Gründe aufgeführt: (1) rechtliche Rahmenbedingungen, (2) organisatorische und personelle Probleme, (3) ein Paradigmenwechsel im Bildungsangebot beruflicher Schulen, (4) Zielkonflikte zwischen staatlichen und regionalen Interessen und (5) Kollisionen mit den Interessen bestehender Weiterbildungseinrichtungen.

(1) Rechtliche Hemmnisse
Schwierigkeiten auf dem Wege der Realisierung werden in hohem Maße fehlenden und verhindernden rechtlichen Rahmenbedingungen des Systems berufsbildender Schulen zugeschrieben (vgl. ROSS/DOBISCHAT 2001, 8). Der angestrebte Ausbau der eigenverantwortlichen Gestaltungsspielräume in finanzieller, personeller, organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht könne in den bestehenden Strukturen nicht stattfinden. Somit sei zunächst ein umfassender Abbau zentraler bürokratischer Steuerungsmechanismen erforderlich, der begleitet werden sollte von der Installation einer öffentlichen Rechenschaftslegung der Schulen über den pädagogisch sinnvollen und ökonomisch vertretbaren Mitteleinsatz. Organisatorische und rechtliche Fragestellungen, wie z. B. Arbeitszeitenregelung der Lehrkräfte oder deren berufliche Positionierung müssten konstruktiv gelöst werden.

(2) Überforderung der Führung
Die gegenwärtig tätigen SchulleiterInnen würden durch eine Reihe neuer Anforderungen für die Führung eines Kompetenzzentrums überfordert. Derartige umfängliche betriebswirtschaftliche und führungstechnische Qualifikationen konnten und können nicht aus ihrer beruflichen Sozialisation bzw. formalen Qualifikation entwickelt werden. Kompetenzzentren setzten eine neue Führungspersönlichkeit voraus, die in der Lage sei, ein modernes und umfassendes Management zu leisten (vgl. BLK 2003, 3).

(3) Qualifikations- und Weiterbildungsbereitschaft sowie Umstellungen in der Arbeitszeit
Die Weiterentwicklung zu einem Kompetenzzentrum bedinge einen Paradigmenwechsel im berufsbildenden Schulwesen vom Bildungsanbieter in der Erstausbildung und beruflichen Allgemeinbildung zum Bildungsdienstleister für unterschiedlichste Kundengruppen. Dies stelle eine umfangreiche Aufgabe für Schulleitung und Lehrkräfte, sowohl inhaltlich, als auch in der Einstellung zur täglichen Arbeit in einem solchen Kompetenzzentrum dar (vgl. BLK 2003, 7). Berufliche Schulen könnten sich somit inhaltlich nicht mehr nur auf die Qualifikation in der Erstausbildung konzentrieren, sondern sie müssten (entsprechend einer zukunftsweisenden Aus- und Weiterbildung) ein inhaltlich flexibles Berufsbildungsprogramm anbieten. Diese Flexibilität erfordert zwangsläufig eine kontinuierliche Weiterbildungsbereitschaft des Lehrpersonals. Qualifikationsangebote im Bereich der Weiterbildung berühren den Lehreralltag jedoch nicht nur inhaltlich, sondern auch im Ablauf. Die neuen Dienstleistungsangebote der Berufsschulen würden eine grundlegende Neuorganisation der gegenwärtigen Arbeitszeiten bedeuten.

(4) Zielkonflikte zwischen Staat und Schulen
Eine weitere Gefahr in der Entwicklung ‚Regionaler Kompetenzzentren' wird darin gesehen, dass Zielkonflikte zwischen der staatlichen Steuerung der Einzelschule und der jeweils interessengeleiteten Eigensteuerung von regionalen wirtschaftlichen Netzwerken entstehen können. Es bestehen Bedenken, dass der öffentliche Bildungsauftrag von berufsbildenden Schulen zu Gunsten einseitiger Orientierung an wirtschaftlichen Verwertungsinteressen und eigenen ökonomischen Interessen vernachlässigt werden könnte. Daraus resultiere die Gefahr, dass sich die Schere zwischen den Regionen weiter öffnen und das angestrebte Ziel einer überregionalen Chancengleichheit im Bildungssystem dieser Entwicklung zum Opfer fallen könnte (vgl. ROSS/DOBISCHAT 2001, 9f). Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Frage nach dem Bedarf an Qualifikationen nicht so einfach beantworten lasse. Es ginge hierbei um das Verhältnis individueller Ansprüche, institutioneller Bedürfnisse und politischer Verantwortung in der regionalen Bildungsplanung und der Entwicklung eines funktionalen beruflichen (Weiter-) Bildungsangebotes (vgl. ROSS/DOBISCHAT 2001, 8f).

(5) ordnungspolitische Fragestellungen
Schließlich wird auf ungelöste ordnungspolitische Fragestellungen hingewiesen. Durch die Bildung von ‚Regionalen Kompetenzzentren' könnten berufliche Schulen mit freien Bildungsträgern in eine unfaire Konkurrenz treten. Berufliche Schulen verfügen als staatliche Institutionen über abgesicherte ökonomische und personelle Ressourcen, die auch bei einer angestrebten Eigenbudgetierung einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber freien Weiterbildungsträgern besitzen. Eine derartige Konkurrenz sei politisch nicht gewollt (vgl. KURZ 2002, 92). Berufsbildende Schulen als Kooperationspartner in diesem Entwicklungsprozess werden also nicht nur als willkommene Akteure, sondern auch als potenzielle Konkurrenten eingestuft. Die regionalspezifische Entwicklung des beruflichen (Weiter-) Bildungsbereichs müsse sich also zwischen öffentlicher Verantwortung und freiem Markt unter den Beteiligten neu ausbalancieren (vgl. BLK 2003, 8). DOBISCHAT et al. stellen diesbezüglich fest, dass regionale Kooperationen in der beruflichen Weiterbildung zwar durch eine Vielzahl an Projekten dokumentiert seien (vgl. 2002, 17 Kap. 2), berufliche Schulen jedoch aktuell außerhalb ihres Kerngeschäftes eher Nischen- oder Zulieferfunktion übernehmen.

Die Gründung bzw. Entwicklung von regionalen Kompetenzzentren wird daher eher einem "zufälligen persönlichen Engagement einzelner Schulleitungen und einer Minderheit von Lehrkräften sowie gleichzeitig häufig der wohlwollenden Duldung grenzüberschreitender Aktivitäten durch vorgesetzte Dienststellen und Träger" zugeschrieben (DOBISCHAT et al. 2002,17) denn auf einen systematischen bzw. gelenkten Prozess zurückgeführt. Dies erstaunt, da eben diesen Individuen in einigen Veröffentlichungen eher Brems- denn Antriebswirkung zugeschrieben wird. Institutionalisierte Zusammenarbeit findet eher selten statt, da es trotz weit verbreiteter Befürwortung ‚Regionaler Kompetenzzentren' keinen strategischen Auftrag an berufliche Schulen gibt. Auch hier eröffnet sich ein Paradoxon zwischen verkündeter Programmatik und institutionalisierter Umsetzung. Dem gemäß werden keine Anreize für ein Engagement von Lehrkräften zur Bewältigung des damit verbundenen Paradigmenwechsels geschaffen. Vielmehr wird von ihnen erwartet, ohne Gegenleistung für einen Prozess Aufwand zu betreiben, der scheinbar auch für seine Protagonisten relativ unklar erscheint und für ihre individuelle berufliche Situation eher Schwierigkeiten als Verbesserungen prognostizieren lässt. Begriffliche Unklarheiten, fehlende rechtliche Rahmenbedingungen, organisatorische und personelle Probleme, Zielkonflikte zwischen staatlichen und regionalen Interessen sowie Kollisionen zwischen konkurrierenden Bildungsdienstleistern bereiten der Erweiterung des Leistungsangebots beruflicher Schulen als ‚Regionale Kompetenzzentren' erhebliche Schwierigkeiten (s.o.). Nach Auffassung von DOBISCHAT et al. (2002,17) wird dadurch das zukunftsweisende Projekt geradezu verhindert.

3 Beteiligte Institutionen und Verbände

Im Folgenden sollen kurz die öffentlichen Positionen der beteiligten Institutionen bzw. Verbände betrachtet werden:
Nach Empfehlung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) sollte sich die berufliche Bildung zukünftig in Netzwerken organisieren, um neuen Aufgaben und Funktionen in der veränderten Bildungslandschaft gerecht zu werden. Für die Weiterentwicklung eines Standortes und die Sicherung regional erforderlicher, qualifizierter Fachkräfte durch Kooperation der unterschiedlichen Akteure hält die BLK die Schaffung von Kompetenzzentren deshalb für unumgänglich. Bei dieser neuen Positionierung der beruflichen Schulen würde die bisherige Lernortdualität von Betrieb und Berufsschule ergänzt durch Angebote von Kammern, Hochschulen, privaten Bildungseinrichtungen, Unternehmen etc. Die Kommission möchte die Entwicklung regionaler Kompetenzzentren in Deutschland unterstützend voranbringen. Ihr Ziel ist dabei vor allem die Strukturierung des Themenfeldes Kompetenzzentrum und dessen Operationalisierung im Hinblick auf Organisation, Personal und Rolle beruflicher Schulen in Bildungsnetzwerken. Hierzu gehören neue schulgesetzlich definierte Aufgaben, die Neuorganisation von Arbeitszeit und Lehrerbildung, sowie die Klärung staatlicher Aufsicht zwischen Einzelschule und Schulaufsicht. Im Rahmen der Umsetzung sieht die BLK vor, dass Berufsbildungsdialoge zukünftig dazu beitragen sollen, den regionalen Fachkräftebedarf, das vorhandene Angebot der unterschiedlichen regionalen Bildungseinrichtungen sowie Potentiale für den Informations- und Technologietransfer zu ermitteln (vgl. BLK 2002, 2f).
Obwohl das Bundesinstitut für Berufsbildung zur Kenntnis nimmt, dass die Kultusminister die Entwicklung der beruflichen Schulen zu ‚Regionalen Kompetenzzentren' anstreben (vgl. BIBB 2002), steht es dem umfassenden Ansatz der BLK eher skeptisch gegenüber. Das BiBB spricht sich zwar für mehr Selbstständigkeit der Berufsschulen, für die Kooperation der beruflichen Schulen mit anderen Bildungsträgern, sowie für eine Erweiterung des Aufgabenspektrums der beruflichen Schulen aus. Es soll jedoch weder zu einer Privatisierung der beruflichen Schulen, noch zu einer Deregulierung des in den beruflichen Schulen beschäftigten Personals kommen. Auch am öffentlichen Bildungsauftrag und an der staatlichen Finanzierung der Berufsschulen soll sich nichts ändern. Die Übernahme von Weiterbildungsmaßnahmen durch berufliche Schulen sollen andere Anbieter, wie die Fachverbände oder die Volkshochschulen, nicht gefährden. Angebotsüberschneidungen sollen durch Absprachen zwischen den Anbietern verhindert werden (vgl. BIBB 2002).
Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kann eine Kooperation der Bildungsanbieter zu einer Entspannung der Konkurrenzsituation führen. Er begrüßt die Vernetzung der verschiedenen Bildungsbereiche im Bund-Länderprogramm Lernende Regionen (vgl. BIBB 2002), nimmt aber zu wichtigen Details nicht explizit Stellung.

Die Landesregierungen verhalten sich uneinheitlich. Beispielsweise hat der niedersächsische Landtag hat im September 2001 die Landesregierung aufgefordert einen fünfjährigen Schulversuch mit dem Thema Niedersächsische Berufsschulen als regionale Kompetenzzentren durchzuführen. Den Berufsschulen sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich zu ‚Qualifizierungszentren' in der Region zu entwickeln. Die Umsetzung des Schulversuches wurde von allen Fraktionen des niedersächsischen Landtages (SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen) mitgetragen. Die gesetzlichen Voraussetzungen wurden somit vom Landtag geschaffen (MK-Niedersachsen 21.5.2003). In anderen Bundesländern sind bisher keine derartigen Vorstöße zu verzeichnen. Andere wiederum nehmen eine informationsgewinnende aber doch abwartende Position ein.
Die IHK hat zu diesem Thema bisher keine einheitliche offizielle Stellungnahme veröffentlicht. Hier sind strategische Abwägungen zu vermuten, die zwischen einer generellen Befürwortung der Weiterentwicklung beruflicher Schulen im Interesse einer Verbesserung der Ausbildung und einer deutlichen Ablehnung des Ansatzes auf Grund der Gefährdung des eigenen Weiterbildungsbereichs alternieren. In Stellungnahmen von BDA (Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände) und IHK Nord wird dagegen betont, dass eine Funktionsausweitung der beruflichen Schulen nicht auf Kosten ihrer Kernaufgaben (der theoretischen Wissensvermittlung im dualen System) geführt werden dürfe. Der BDA spricht sich konkret gegen den Eintritt der Berufsschulen in den Weiterbildungsmarkt aus, weil diese staatlich unterstützt werden und es so zur Wettbewerbsverzerrung käme (vgl. BDA 18.06.03). Auch die IHK Nord fürchtet eine Teilverstaatlichung der Weiterbildung. Auf dem Weiterbildungsmarkt herrscht großer Wettbewerb, der durch die beruflichen Schulen noch verstärkt würde. Auch würde durch den Einsatz von berufsschulischem Lehrpersonal im Bereich der Weiterbildung der momentan herrschende Lehrermangel in der dualen Ausbildung noch verstärkt. BDA und IHK Nord sind aber auch der Ansicht, dass die Berufsschulen die Rolle eines Dienstleistungsunternehmens übernehmen sollten. Für die Berufsschule wird generell mehr Autonomie und Spielraum in der Mittelverwendung gefordert. Auch bei der Auswahl des Lehrpersonals sollten die beruflichen Schulen zukünftig größeren Einfluss haben (vgl. BDA 18.06.2003; IHK Nord 2002, 1).

Die im Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung zusammengeschlossenen Spitzenverbände stehen einer Weiterentwicklung der beruflichen Schulen zu ‚Regionalen Kompetenzzentren' ebenso skeptisch gegenüber (KWB 19.06.2003). Trotzdem sollten berufliche Schulen mehr Selbstständigkeit und Gestaltungsspielräume erhalten, um ihren gesetzlich festgelegten Pflichten besser nachkommen zu können (vgl. KWB 2001, zitiert in ERNST 2002, 24). Auf Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung soll jedoch verzichtet werden, um die duale Berufsausbildung nicht zu vernachlässigen. Das KWB befürchtet ebenso, wie der BDA, dass es durch ein Weiterbildungsangebot der beruflichen Schulen zu einer Teilverstaatlichung der Weiterbildung kommen könne. Auf dem Weiterbildungsmarkt herrsche aber auch ohne Berufsschulen ein großer Konkurrenzdruck. Berufliche Schulen müssten im Gegensatz zu den privaten Weiterbildungsanbietern nicht ihre gesamten Kosten für die Weiterbildung in die Preise einbeziehen, die Folge wäre Wettbewerbsverzerrung (vgl. Kapitel 5.2.2). Auch die im BLK-Papier angedachte Rolle der Berufsschule als Koordinator zur Schaffung eines umfassenden regionalen Bildungsnetzwerks lehnt das KWB ab. Die beruflichen Schulen sollen aber in das Netzwerk von Kompetenzzentren eingebunden werden, um den Einsatz öffentlicher Mittel zu optimieren und Synergieeffekte zu erzielen (vgl. KWB 2001, 1f).

Die Wirtschaftsministerkonferenz (WMK), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gaben mit dem Artikel Mehr Freiheit und Wettbewerb in der Bildung: Anforderungen an die Bildungspolitik eine gemeinsame Erklärung ab. In dieser fordern die genannten Verbände eine Veränderung der beruflichen Schulen hinsichtlich folgender Punkte (BDA et al. 2002, 4): Orientierung der Aus- und Weiterbildung an Erfordernissen und Entwicklungen der Arbeitswelt, mehr Autonomie und finanzielle Gestaltungsspielräume, um die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen, Verbesserung des Einsatzes von öffentlichen Mitteln durch die Einbindung der beruflichen Schulen in ‚Regionale Kompetenzzentren'. Die eigentliche Aufgabe der beruflichen Schulen, als Partner der Wirtschaft ihm Rahmen der dualen Ausbildung soll aber immer im Vordergrund stehen (vgl. BDA et al. 2002, 5).

Der Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen e.V. (BLBS) forderte u.a. auf seinem im Mai 2001 durchgeführten Berufsschultag den Ausbau von Berufsschulen zu Kompetenzzentren der Region unter Einbeziehung der beruflichen Fort- und Weiterbildung (vgl. ERNST 2002, 24 f). Er hält diese Entwicklung für notwendig und eine konsequente Reform des beruflichen Schulwesens unter Beachtung regionaler Gesichtspunkte für längst überfällig. Lebensbegleitendes Lernen sollte nach Auffassung des Verbandes durch ein umfassendes Angebot an Aus- und Weiterbildung von miteinander kooperierenden Bildungseinrichtungen realisiert werden. Besonders im Hinblick auf knapper werdende Gelder und eine effektive Bündelung von Ressourcen sollten mögliche Synergieeffekte genutzt werden. Die wichtigsten Forderungen des BLBS: Ausbau der beruflichen Schulen zu ‚Regionalen Kompetenzzentren' für die Aus- und Weiterbildung mit dem Ziel, die berufliche Bildung zu einem strategischen Faktor der regionalen Wirtschafts-, Struktur- und Sozialentwicklung zu gestalten (abgestimmt auf Bildungsbedürfnisse der Region), Sicherung des staatlichen Bildungsauftrags im dualen System, Verzahnung von Aus- und Weiterbildung, Bündelung von Investitionen, Weiterentwicklung der Lehrerausbildung, Schaffung der strukturellen Voraussetzungen (z.B. Eigenverantwortung bei Personalfragen, flexible Formen der Finanzierung), Ausbau von Kooperationen mit andern Schulen, Bildungsträgern, Firmen, Kammern und Behörden. Der BLBS erhofft sich, durch die Schaffung ‚Regionaler Kompetenzzentren' ein dauerhaft verbessertes quantitatives und qualitatives berufliches Bildungsangebot in den Regionen. Mit der Verbesserung des Qualifizierungsangebotes der beteiligten Partner solle ein erweitertes Dienstleitungsangebot einhergehen (BLBS 16.06.2003).

Der Bundesverband der Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V. (VLW) unterstützt grundsätzlich Ansätze, welche die Selbständigkeit berufsbildender Schulen erhöhen sollen. Es wird davon ausgegangen, dass es durch größere organisatorische, personelle und finanzielle Handlungsspielräume der beruflichen Schulen in Form von Kompetenzzentren möglich sein könnte, schneller und sachbezogener zu entscheiden, sowie die Partner in der Region (Handwerk, Industrie, überbetriebliche Ausbildungszentren, etc.) besser in ein Gesamtkonzept einzubinden. Berufliche Schulen als Kompetenzzentren müssten sich hierfür mit anderen Beteiligten Bildungsakteuren vernetzen. Das gelte für die Vollzeitschulformen, für die Erstausbildung im dual-kooperativen Berufsbildungssystem, sowie für die Weiterbildung. Dabei wäre von besonderer Bedeutung, dass eine Kooperation nur auf der Ebene einer gleichberechtigten Partnerschaft langfristig tragbar sei (vgl. ERNST 2002, 25, VLW 23.6.2003).

Der Gesamtverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen in Hessen e.V. (GLB) fordert für berufliche Schule als wesentliches Element eines regionalen Aus- und Weiterbildungsnetzwerks ein deutlich größeres Maß an Selbstständigkeit (vgl. GLB 11.6.2003). Als Zwischenschritt sieht die GLB dabei für die nächsten Jahre den Ausbau der Fachschulen in den verschiedenen Fachrichtungen entsprechend des aktuellen Qualifikationsbedarfs. Weitergehend fordert sie die Novellierung des Weiterbildungsgesetzes mit einer stärkeren institutionellen Verankerung der beruflichen Schulen. Weitere, von der GLB formulierten Schritte sind: Ausbau des Angebots an Zusatzqualifikationen für leistungsstarke Berufsschülerinnen und -schüler, Anrechnung der an der Berufsschule erworbenen Zusatzqualifikationen (bei Weiterbildungsgängen), sowie des Auf- und Ausbaues von Kooperationen (Fachhochschulen und Berufsakademien) im Rahmen des dualen Systems.
Josef KRAUS, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), betont die Notwendigkeit, im Sinne einer Qualitätssicherung die Berufsschule für die Weiterbildung zu öffnen: "Nicht zuletzt ist eine Öffnung des Weiterbildungsmarktes für Angebote der beruflichen Schulen fällig. Wenn man sieht, was sich auf diesem Markt an Seichtem tummelt und trotzdem staatliche Gelder - etwa der Arbeitsämter - in Anspruch nehmen kann, dann ist umso wichtiger, dass sich die beruflichen Schulen als lokale Kompetenzzentren auf dem Weiterbildungsmarkt etablieren" (KRAUS 2002, o.A.).

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat im März 2002 in einem Diskussionspapier die Weiterentwicklung berufsbildender Schulen zu regionalen Berufsbildungszentren im Grundsatz zustimmend beschlossen. Sie stellt fest, dass Weiterbildung für die beruflichen Schulen und für künftige regionale Berufsbildungszentren an Bedeutung zunimmt, aber nicht zu ihrem zentralen Betätigungsfeld werden soll (vgl. ERNST 2002, 25). Für berufliche Schulen bevorzugt die GEW den Begriff ‚Regionale Berufsbildungszentren' (RBZ) statt ‚Regionale Kompetenzzentren' (vgl. GEW 2002, 9). Die RBZ kooperieren mit den anderen Bildungseinrichtungen in der Region: freien Bildungsträgern, überbetrieblichen Ausbildungsstätten, Einrichtungen der Benachteiligtenförderung, Berufsbildungswerken, Werkstätten für Behinderte, außerbetrieblichen Einrichtungen, öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen (z.B. Volkshochschulen und Akademien), ggf. auch mit Fachhochschulen oder mit Hochschulen. Mittel- oder längerfristig könnten sich diese Kooperationen mit anderen Einrichtungen institutionell verfestigen und zu regionalen Netzwerken von Kompetenzzentren weiterentwickeln (vgl. GEW 2002, 30 f). Eine Dezentralisierung und Übertragung größerer Entscheidungskompetenzen auf die einzelnen Schulen und Regionen müsse laut GEW durch die Definition von Rahmenvorgaben und Standards flankiert werden. Diese sollten - bei allen Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräumen - für alle Berufsbildungsakteure in den einzelnen Regionen verbindlich sein. Dadurch würde Qualität, Vergleichbarkeit und Chancengleichheit gewährleistbar (vgl. GEW 2002, 34 f).
Somit ist als zentraler Protagonist regionaler Kompetenzzentren die BLK an erster Stelle zu nennen. Sie führt eine Reihe schlüssiger Gründe an und bezieht sich zudem auf einen gesamteuropäischen Trend. Als Antagonisten stehen dieser die Arbeitgeberverbände gegenüber. Obwohl die Wirtschaft seit geraumer Zeit und mit erheblichem Druck Veränderungen bei den beruflichen Schulen moniert, werden die gegenwärtigen Bemühungen mit Skepsis verfolgt und vor allem hinsichtlich der Expansion in den Bereich der Weiterbildung völlig abgelehnt. Auch wird in diesem Zusammenhang gerne darauf verwiesen, dass sich berufliche Schulen besser auf ihr Kerngeschäft - die Unterstützung der Ausbildung - konzentrieren und Maßnahmen treffen sollen, dieses zu verbessern. Eine Steigerung der einzelschulischen Autonomie wird nur in so fern unterstützt, wie sie hilfreich erscheint, bestehende Bürokratismen aufzuweichen. Dieser Position ist auch das BIBB zuzuordnen, was deutlich macht, dass dieses in der vorliegenden Problematik näher bei der Wirtschaft, als beim Staat positioniert ist. Einzelstaatliche Positionen erscheinen ambivalent, was vermutlich in Zusammenhang mit dem sich abzeichnenden Tauziehen zwischen Bund und Wirtschaft steht. Die Tatsache, dass auch in innovativen Bundesländern eher moderat vorangegangen wird, scheint ein Beleg für die gegenwärtige Unsicherheit jener zu sein, die in Deutschland einzig in der Lage sind, diesen Ansatz umzusetzen. Wiederum offen und generell positiv stehen die LehrerInnenverbände dem Konzept gegenüber. Sie versprechen sich neben einer Gesamtaufwertung beruflicher Schulen neue Gestaltungsräume, eine Professionalisierung und die Ausweitung des bestehenden Tätigkeitsfelds ihrer Mitglieder. Die beteiligten Institutionen befinden sich somit in einem hochkontroversen Gegenüber, welches durch unterschiedliche Ausgangspositionen gegenüber dem Konzept beruflicher Kompetenzzentren bestimmt wird, aber auch durch deren unterschiedliche Erwartungen bzw. Befürchtungen. Damit ist von einem anhaltenden Tauziehen auf verschiedensten Ebenen und in allen Teilbereichen deutscher Berufsbildungspolitik auszugehen.

4 Forschungsstand

Trotz zahlreicher laufender Modellversuche liegen derzeit kaum verwertbare wissenschaftliche Beiträge über Entwicklungsansätze berufsschulischer Kompetenzzentren vor. Weder die aktuellen Fachzeitschriften noch das Internet führen zu Veröffentlichungen über dezidierte empirische Untersuchungen. WILBERS stellt diesbezüglich fest: "Der Forschungsstand zur hier angesprochenen Thematik scheint ausgesprochen defizitär. Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Teil der Forschung zu Berufsbildungsnetzwerken Inseln bildet, d.h. - mit wenigen Ausnahmen - unverbunden bleibt" (vgl. WILBERS 2003). Für diesen unbefriedigenden Forschungsstand müssen spezifische Ursachen unterstellt werden. Ein derartiges Fehlen von empirischen Daten kann nicht alleine mit der Feststellung begründet werden, empirische Forschung sei in diesem Sektor allenfalls die Ausnahme, explizit im Zusammenhang mit BLK-Modellversuchen. Nach Anfragen bei einzelnen wissenschaftlichen Begleitungen von Modellversuchen werden verschiedene Aussagen getroffen, warum die bisherigen Untersuchungen noch nicht zu veröffentlichungsfähigen Ergebnissen geführt haben: Z.B. wird festgestellt, dass die bisherige Zeit nur Voruntersuchungen zugelassen habe und deren Ergebnisse keine Aussagen zu den Forschungsfragen zuließen. Hinzu komme, dass durch die lange Laufzeit des Modellversuchs eine Veröffentlichung von Ergebnissen zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht und evtl. auch irritierend wäre. Auch wird geäußert, dass zwar Ergebnisse vorlägen, diese aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Damit wird angedeutet, dass der Implementierungsprozess an den Schulen nicht ohne Schwierigkeiten verläuft. Weitere Begründungen für die fehlenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind ein unzulänglicher Datenstand oder erforderliche Rücksprachen mit den Beteiligten und Lenkungsgruppen. Daraus deutet sich, neben Problemen in der wissenschaftlichen Erhebung derartiger Prozesse, eine gewisse Scheu an, kontroverse oder kritische Ergebnisse überhaupt zu Tage zu fördern, und dann, diese nüchtern und in unverblümter Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dahinter stehen evtl. auch interpersonelle bzw. interinstitutionelle Motive, die grundlegend damit zusammenhängen, einen laufenden Modellversuch nicht diskreditieren zu wollen.
Unabhängig von den tatsächlichen Gründen dieses Defizits zeichnen sich dessen Auswirkungen klar ab. Die aktuelle Diskussion erschöpft sich zwischen Programmatik, Politik, und Individualismus, ohne über eine überzeugende Argumentationsbasis zu verfügen bzw. sich eine derartige zu schaffen. Die Implementation verläuft nicht systematisch sondern eher anekdotisch, an Einzelschulen, hochgradig experimentell und ohne die dabei wichtigen Außenvergleiche bzw. einen reflektierten Diskurs. Weder die Befürworter regionaler Kompetenzzentren noch deren Gegner verfügen über Belege für ihre Positionen. Erstaunlich bleibt, dass diesem Mangel scheinbar eine nur untergeordnete Bedeutung zugewiesen wird.

5 Analyse

Aus den bisherigen Betrachtungen ist abzuleiten, dass (im Sinne eines hinreichenden Konsenses) sich ein regionales Kompetenzzentrum von einem herkömmlichen beruflichen Bildungszentrum dahingehend unterscheidet, dass es sich eigenständig und eigenverantwortlich in ein regionales Kooperationsnetzwerk aus Schulen und Betrieben integriert, über Ressourcen verfügt und diese in optimierter Weise nutzt, Synergien wahrnimmt und sich zu Nutzen macht und seine Weiterentwicklung durch ein eigenständiges Qualitätsmanagement unterstützt.
Als Intentionen für eine derartige Umstrukturierung beruflicher Schulen lassen sich folgende Argumente zusammenfassen: Eine (angebliche) Unzulänglichkeit aktueller deutscher beruflicher Schulen, in der hohen zeitlichen Dynamik mitzuhalten und dabei einerseits ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden, andererseits regionale Spezifika zu berücksichtigen. Eine Vernachlässigung der Spezifität sowie der gegenwärtig schwierigen Situation klein- und mittelständischer Unternehmen. Zentralismus und bürokratische Überregulierung bei gleichzeitig zu geringer Durchlässigkeit der Bildungsangebote sowie eine institutionelle Isolation.
Als wichtigster Protagonist dieses Konzepts ist die BLK zu nennen. Sie wird in den meisten Teilaspekten auch von den LehrerInnenverbänden unterstützt. Dem stehen die Wirtschaftsverbände entgegen, da sie zum einen wenig Vertrauen in das Potenzial dieses Konzepts äußern, zum anderen Einschnitte in ihre Domäne ‚Weiterbildung' befürchten. Ähnlich skeptisch äußert sich das BIBB. Die eigentlich für die Umsetzung derartiger Umstrukturierungen entscheidenden Bundesländer verhalten sich uneinheitlich und zumeist abwartend. Dies erscheint plausibel, da sich weder eine deutliche politische Aussage abzeichnet, noch entsprechende Belege vorliegen, die umfassende Investitionen in diese Richtung legitimieren würden.

Dementsprechend wirksam sind eine Reihe von Hemmfaktoren. Begriffliche Unklarheiten, fehlende rechtliche Rahmenbedingungen, organisatorische und personelle Probleme, Zielkonflikte zwischen staatlichen und regionalen Interessen sowie Kollisionen zwischen konkurrierenden Bildungsdienstleistern wirken sich besonders lähmend aus, wenn ein dezidierter strategischer Auftrag in Verbindung mit dafür bereitzustellenden Teilkonzepten und Ressourcen seitens der Regierungen fehlt.

Damit lässt sich auch weitgehend die Tatsache begründen, dass gegenwärtige Ansätze entweder als individuelle Sondersituationen bzw. Einzelgänge einzustufen sind, oder in Verbindung mit der Umsetzung von Modellversuchen stehen und damit rechtlichen und ressourcenbezogenen Sonderbedingungen unterliegen. Diesbezüglich entscheidende strategische Aussagen in den Bundesländern werden absehbar nicht erfolgen. Als Gründe dafür sind zum einen die leeren Kassen anzunehmen, die damit zusammenhängenden Einsparungen in den Bildungsetats aber auch die Überzeugung bei den Verantwortlichen, dass ein derartiger Umstrukturierungsprozess nur gelingen kann, wenn er auf einem strukturell und inhaltlich elaborierten Konzept basiert und vor allem von einem breiten Qualifikations- und Beratungskonzept flankiert wird. Dies lässt sich jedoch nicht kostenneutral verwirklichen. Zum anderen fehlen, trotz umfassender Programmatik auf allen Ebenen und aus allen Richtungen, tragfähige Belege für die Grundideen und zuverlässige Nachweise für gangbare Wege sowie realistische Erfolgsperspektiven.
Die konzeptionelle Aussage, dass durch regionale Kompetenzzentren vor allem klein- und Mittelständische Unternehmen gefördert würden, scheint angesichts deren Haltung an der Wirtschaft völlig vorbei gegangen zu sein bzw. von deren Vertretern angezweifelt zu werden.

Im breiten und unüberschaubaren Feld dieser programmatisch-strategischen Diskussion scheinen sich zudem noch eine Reihe von Detailproblemen zu verbergen, welchen durchaus substanzielle Bedeutung beizumessen ist. Sie werden in den gegenwärtig dominierenden Positionierungsdebatten häufig ausgespart. Beispielsweise ist im angedachten regionalen Vernetzungskonzept ein grundlegender konzeptioneller Widerspruch auszumachen. Einzelne Schulen sollen sich dem gemäß spezialisieren und ihre Kompetenzen bündeln. Dies käme dann in der Region als gemeinsames Netzwerk zum tragen. Warum sollte aber ein Kompetenzzentrum mit seinen Nachbarn kooperieren, wenn diese zu einem erheblichen Teil auch als Mitbewerber auf einem gemeinsamen Markt in Erscheinung treten? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sich aus dieser Situation ein Verdrängungswettbewerb einstellt, in dessen Negativwirkungen nicht nur die ohnehin beschädigten privaten Bildungsanbieter geraten, sondern auch die Kompetenzzentren selbst? Wer wird sich in dieser Situation behaupten? Die Schule mit der besseren Politik oder die Schule mit der besseren Bildung?

Die Gesamtdiskussion scheint übrigens nicht nur von einer Dominanz übergreifender, generalisierender Aussagen gekennzeichnet zu sein, sondern auch von einer weitgehenden Aussparung dezidierter Bezüge zur beruflichen Bildung. Einzige, aber relativ offene Aussage in diesem Zusammenhang ist die Einführung eines eigenständigen Qualitätsmanagements um die eigene Weiterentwicklung zu unterstützen. Dass über derartige Ansätze nicht automatisch der Unterricht im Zentrum der Qualitätsbemühungen und -nachweise einer beruflichen Schule steht, haben zurückliegende Untersuchungen, wie jüngst der Modellversuch QUABS, gründlich bewiesen. Zumeist werden die schulinterne Kommunikation, die Arbeitsbedingungen der LehrerInnen oder verwaltungstechnische Belange zum Gegenstand schulischen Qualitätsmanagements. Der eigentliche Unterricht stellt eine organisatorische, administrative und psychologische Problemzone für die wirtschaftlichen Instrumentarien dar (vgl. TENBERG 2003, 23f).

Somit ließe sich zwar den Problemen von Zentralismus und Überregulierung durch derartige Ansätze beikommen, nicht jedoch der zentralen Kritik, deutsche berufliche Schulen kämen ihrem Bildungsauftrag nicht mehr angemessen nach und würden vom Fortschritt ‚überrollt'. Eine übrigens ebenso globale - wie in ihrer Allgemeingültigkeit kaum belegbare - Aussage. Wer berufliche Schulen kennt, weiß, dass dies so nicht pauschalisiert werden kann. Jedes einzelne berufliche Billdungszentrum in Deutschland ist - trotz enger administrativer Rahmenbedingungen - als individuelle Organisation mit Licht und Schatten und allen dazwischen liegenden Graustufen anzusehen. Überall gibt es gute und weniger gute KollegInnen mit unterschiedlichem Engagement, unterschiedlicher Innovationsbereitschaft und unterschiedlichen Ansprüchen. Diese Faktoren entscheiden gegenwärtig aber größtenteils darüber ob bzw. in wie fern und in welchem Umfang der Bildungsauftrag an beruflichen Schulen erfüllt wird. Eine Reform, welche intendiert, in diesem Bereich wirksam zu werden, sollte sich zunächst weniger mit schulorganisatorischen Belangen auseinandersetzen, sondern viel mehr mit der Frage, warum im deutschen beruflichen Bildungssystem gegenwärtig (und vorläufig auch weiterhin) die Bildungsqualität in einer organisatorischen Tabuzone stattfindet. Genau dieses Problem haben die zitierten europäischen Staaten im Vorfeld angegangen, um dann berufliche Schulen zu Kompetenzzentren weiter zu entwickeln.

Damit bietet sich eine veränderte Begriffsspezifikation an:
Berufliche Kompetenzzentren sind berufliche Schulen in einer spezifischen regionalen Einbindung. Sie sind weitgehend autonom und eigenbudgetiert, betreiben ein eigenes Personal- und Bildungsmanagement und kooperieren mit benachbarten Schulen, privaten Bildungsträgern, der Wirtschaft und den übergeordneten Behörden. Kernstück ihres Qualitätsmanagements ist der berufliche Unterricht. Dieser wird gesamtkollegial als Produkt der Organisation betrachtet, optimal arrangiert und aktualisiert.
Zur Überprüfung dieses Ansatzes würde der Autor an Stelle der bisherigen allseitigen Diskussionen ein gezieltes Programm empirischer Untersuchungen vorschlagen. Zu wenig ist im Inland, aber auch in den fortschrittlicheren europäischen Staaten über diese Zusammenhänge bekannt. Reformansätze im deutschen beruflichen Bildungssystem mit derartiger Tragweite erscheinen nur dann umsetzbar, wenn dezidierte, tragfähige Belege für die Spezifika derartig komplexer Prozesse sowie für deren Wirksamkeit vorliegen. Zudem wäre eine offenere Diskussion zwischen den einzelnen Parteien hilfreich, in welcher zu den kritischen Details dieser Thematik konkret Stellung bezogen wird: Was wollen Bund und Staat wirklich und welche Mittel wollen (und können) sie dafür bereitstellen? Wie stellen sich die Dualpartner zukünftige Berufsschulen tatsächlich vor; als ihnen zu- bzw. untergeordnete Bildungsdienstleister oder als gleichberechtigte Partner in einem gemeinsamen Bildungsmarkt? Wollen bzw. können BerufsschullehrerInnen diese Entwicklung vollziehen, oder ziehen sie den Schutz ihrer traditionellen Berufsmuster vor?

 

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