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1. AbstractDie Anforderungen in der sich verändernden Arbeits- und Berufswelt und die Konkurrenz auf dem Ausbildungsstellenmarkt machen es für Absolventen der Sonderschulen immer schwieriger, unmittelbar im Anschluss an die Schule eine betriebliche Ausbildung zu beginnen. Im Rahmen des Projektes "BiZEbS" werden Konzepte entwickelt, erprobt und evaluiert, die diese Jugendlichen durch Zusammenarbeit von Schulen, Betrieben und weiteren Institutionen so fördern, dass sie im Anschluss an die Schule eine Berufsausbildung beginnen können. Dabei stellt der Wechsel von der Sonderschule zum Berufskolleg aus der Perspektive der Jugendlichen eine besondere Herausforderung dar. In diesem Beitrag werden zunächst die zentralen Konzeptelemente des Projektes skizziert. Im Besonderen werden die Erfahrungen aus schulformübergreifenden Lehrerfortbildungen vorgestellt. Thematisiert werden die Perspektiven von Sonderpädagogen, Berufspädagogen und Schulsozialarbeitern sowohl auf Ziele, Inhalte und Methoden des Unterrichts als auch auf Strukturen der unterschiedlichen Schulformen. Der Beitrag behandelt Fragen, welche die kritische Übergangsphase betreffen: Wie kann der Übergang im Unterricht an der abgebenden Sonderschule und an dem aufnehmenden Berufskolleg gestaltet werden? Wie wird mit Leistungsbewertungen umgegangen? Gibt es eine Fortführung individueller Förderplanung oder sozialpädagogischer Begleitung? Auch regionale Aspekte spielen eine Rolle: Welche außerschulischen Akteure sind zu berücksichtigen? Zu welchen Themen ist die Initiierung oder der Ausbau von Netzwerkarbeit erforderlich? Es wird deutlich, dass berufliche Integration als gemeinsame Aufgabe des allgemeinbildenden und des berufsbildenden Systems zu verstehen ist. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe orientiert sich an der Lebens- und Berufsbiographie der Jugendlichen. 2. Zentrale Konzeptelemente des Projektes BiZEbSDie Zielgruppen des Projektes BiZEbS (Das Projekt BiZEbS ist Bestandteil des Programms "Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben" und wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes NRW und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. ) sind Schüler von Sonderschulen, insbesondere mit den Förderschwerpunkten Lernen und Erziehung, die mit entsprechender Unterstützung im Anschluss an die Sonderschule eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt beginnen können; sowie Lehrer und Schulsozialarbeiter, die die Schüler im Prozess der beruflichen Integration begleiten. Die folgenden Konzeptelemente werden gemeinsam mit acht Sonderschulen und einem Berufskolleg aus der Stadt Bielefeld und dem Kreis Lippe entwickelt und erprobt. 2.1 Förderpraktikum im letzten Pflichtschuljahr an der SonderschuleDie Schüler absolvieren im letzten Pflichtschuljahr ein Förderpraktikum. Das Praktikum beginnt mit einem Block von zwei bis drei Wochen und wird über das ganze Schuljahr an einem Tag in der Woche, bei einigen Schülern auch an zwei Tagen in der Woche fortgesetzt. Der Betrieb ist bei erfolgreichem Praktikum zur Übernahme in Ausbildung bereit. Mit dem Förderpraktikum bietet sich den Schülern die Möglichkeit, ein größeres Spektrum ihrer Fähigkeiten zu erproben, als dies der Lernort Schule allein zulässt. Sie gewinnen ein realistisches Bild der Anforderungen in der angestrebten Ausbildung. Die Schule unterstützt die Schüler durch gezielte Förderung darin, dass sie im Laufe des Schuljahres die Voraussetzungen für den Beginn der Ausbildung erreichen. Dem Förderpraktikum kommt darüber hinaus eine berufsorientierende Funktion zu: So erfahren manche Schüler im Langzeitpraktikum, dass das Berufsfeld doch nicht ihren Vorstellungen entspricht. Sie haben die Möglichkeit, rechtzeitig in ein anderes Berufsfeld zu wechseln und einem späteren Ausbildungsabbruch vorzubeugen. Einige Schüler behalten den betrieblichen Lernort in einer berufsvorbereitenden Maßnahme bei und beginnen anschließend im selben Betrieb die Ausbildung. Das Praktikum fördert die berufliche Integration benachteiligter und behinderter Jugendlicher, indem es ihre Chancen bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz steigert. In üblichen Bewerbungsverfahren, welche auf Grund von Schulzeugnissen, Einstellungstests und Vorstellungsgesprächen entschieden werden, haben Schüler von Sonderschulen gegenüber Schulabgängern anderer Schulformen kaum Chancen. Können sie sich hingegen über einen längeren Zeitraum durch die Mitarbeit im Betrieb bewähren, werden ihre Kompetenzen wahrgenommen. Für die Betriebe ist es hilfreich, wenn sie ihre zukünftigen Auszubildenden über einen längeren Zeitraum kennen lernen können. 2.2 Individuelle FörderplanungDie Voraussetzungen, mit denen die Schüler starten, sind sehr unterschiedlich. Während ein Schüler über ausgeprägte soziale Kompetenzen verfügt, im Bereich der kognitiven Fähigkeiten aber Unterstützung benötigt, braucht ein anderer überwiegend Zeit, um seine neue soziale Rolle als Mitarbeiter in einem Betrieb zu finden. Unterschiedliche Zielperspektiven und das soziale Umfeld sind ebenso zu berücksichtigen. Zur Begleitung der Schüler wurde im Projekt ein Instrument zur individuellen Förderplanung entwickelt ( Hüttenhölscher/Koch/Kortenbusch 2002). Kennzeichen der individuellen Förderplanung zur beruflichen Integration ist die aktive Rolle der Schüler. Die Planung entsteht nicht über sie, sondern mit ihnen. Sie treffen die Entscheidungen selbst. Eine erfolgreiche berufliche Integ ration ist auch durch wachsende Selbstständigkeit bedingt. Der Lehrer übernimmt zunehmend beratende Funktion. In regelmäßigen Förderplangesprächen werden gemeinsam Ziele bestimmt und Maßnahmen vereinbart. Neben den Rückmeldungen aus dem Betrieb und aus dem Unterricht bildet die Arbeit mit Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen (vgl. ebd. 2002) eine wesentliche Grundlage zur Standortbestimmung. Die Schüler üben sich damit in die Einschätzung ihrer fachlichen, sozialen, personalen und methodischen Kompetenzen ein. Der Lehrer initiiert den Förderplanprozess, d.h. er sorgt dafür, dass die Förderplangespräche stattfinden, gegebenenfalls weitere Beteiligte hinzugezogen werden und alle relevanten Aspekte dokumentiert werden. Die Ziel- und Maßnahmevereinbarungen werden von den jeweils dafür Verantwortlichen unterschrieben, um Verbindlichkeit herzustellen. Individuelle Förderplanung zur beruflichen Integration hat Auswirkungen auf den Unterricht. Der Unterricht ist so offen zu gestalten, dass er Raum zur gezielten Unterstützung bietet. Beispielsweise sind Rechenanlässe aus dem Förderpraktikum Gegenstand des Unterrichts, der Umgang mit Kunden am Telefon kann geübt werden, Projekte der Gestaltung des Schullebens können die fachliche Praxis eines Schülers ergänzen. Auf die Anforderungen des zukünftigen Unterrichts am Berufskolleg wird ebenfalls vorbereitet. Beispielsweise kann die Schülerin, die die Ausbildung als Friseuse anstrebt, auf den späteren Fachunterricht Chemie am Berufskolleg vorbereitet werden. Die individuelle Förderplanung zur beruflichen Integration sollte nach der Sonderschule fortgesetzt werden. Dies kann bei Beginn einer Ausbildung in Form von nachgehender Betreuung in der ersten Ausbildungsphase geschehen. Werden ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) in Anspruch genommen, kann der Träger der abH an die bisherige Förderplanung anknüpfen. Maßnahmen der Jugendberufshilfe arbeiten in der Regel mit individuellen Förderplänen und können ebenfalls an die Förderplanung der Sonderschule anschließen. Für den Jugendlichen wird damit deutlich, dass das weitere Lernen auf bereits erzielte Entwicklungsschritte aufbaut. Einzelne Berufsschullehrer bzw. Teams von Lehrern sind durch die Arbeit mit Jugendlichen aus Lehrgängen mit der individuellen Förderplanung vertraut. Anzustreben ist, dass Schüler von Sonderschulen in den unterschiedlichen Bildungsgängen des Berufskollegs auf Grund ihrer bisherigen Lerngeschichte weiter gefördert werden. 2.3 Job-CoachingFür das Förderpraktikum ist eine intensive Betreuung des Schülers und des Betriebes erforderlich. Die Betreuung beginnt bereits mit der Akquise von Praktikumstellen, welche auf der Grundlage der bisherigen Berufsorientierung erfolgt und das Ziel der Anbahnung von Ausbildung verfolgt. Sowohl der Jugendliche als auch der Betrieb können sich bei Problemen an den Begleiter wenden, damit rechtzeitig im Gespräch Lösungen gefunden werden. Die Begleitung des Praktikums ist Bestandteil der individuellen Förderplanung. Bei Übernahme in Ausbildung wird die Begleitung mindestens in der ersten Phase der Ausbildung fortgesetzt. Der Übergang von der Schule in Ausbildung ist für die Jugendlichen mit vielen Veränderungen verbunden: die Anforderungen des Betriebes und des Berufskollegs sind zu bewältigen, Zeitabläufe verändern sich, es gibt zunächst wenig Routinen. Die Kontinuität der Begleitung bedeutet für den Jugendlichen und den Betrieb eine wesentliche Entlastung. Die Person, die die Begleitung übernimmt, benötigt Kompetenz im Bereich der beruflichen Integration und ein Vertrauensverhältnis sowohl zum Schüler als auch zum Betrieb. In Frage kommen dafür sowohl Lehrer als auch Schulsozialarbeiter. Im Projekt "BiZEbS" werden in Teilbereichen des Job-Coachings Studierende des Sozialwesens im Rahmen eines Projektstudiums zum Übergang Schule - Beruf eingesetzt. Durch die Schwerpunktbildung im Studium wird eine Professionalisierung der Schulsozialarbeit im Übergang Schule - Beruf angestrebt. Das Einbeziehen der sozialpädagogischen Begleitung der Jugendlichen ist für den schulformübergreifenden Ansatz der Fortbildung von Bedeutung, da die Schulsozialarbeit, soweit sie am Berufskolleg eingerichtet ist, die Förderung Jugendlicher mit Benachteiligung und Behinderung vorrangig zur Aufgabe hat. 2.4 LehrerfortbildungDas Feld der beruflichen Integration stellt für viele Sonderpädagogen eine neue Herausforderung dar, da sie andere Arbeitsinhalte und -weisen erfordert als die klassische Unterrichtstätigkeit. Die Arbeit erfordert Kooperation innerhalb der Schule, so zieht beispielsweise das Förderpraktikum schulorganisatorische Konsequenzen nach sich; eine Rollenveränderung gegenüber Schülern in Richtung Lernberater und die Kooperation mit außerschulischen Partnern: den Betrieben, den Kammern, der Agentur für Arbeit und weiteren Institutionen. In Fortbildungen, welche die an den Projektschulen entwickelten und erprobten Konzeptelemente zum Inhalt haben, können sich Lehrer für die berufliche Integration weiter qualifizieren. Darüber hinaus dienen die Fortbildungen der regionalen Netzwerkarbeit. Die gemeinsamen Lehrerfortbildungen von Sonder-, Berufs- und Sozialpädagogen zielen darauf, den Wechsel der Schüler von einem System in das andere zu erleichtern. 2.5 SchulberatungDas Ziel der beruflichen Integration ihrer Schüler kann eine Schule nicht "nebenher" verfolgen. Es ist Bestandteil des Schulprogramms der Oberstufe (Klassen 8 - 10 der Sonderschule). Der Transfer der Konzepte wird als Schulberatung so angelegt, dass Schulen durch Lehrer aus den Projektschulen bei der Implementierung der Konzepte beraten werden. Die Schulberatung befindet sich im Rahmen des Projektes gegenwärtig in der Entwicklung. 3. Situation der Schüler von Sonderschulen am BerufskollegAbsolventen von Sonderschulen verteilen sich in unterschiedlichem Maße auf die einzelnen Bildungsgänge des Berufskollegs. Sie befinden sich im Berufsvorbereitungsjahr und Berufsgrundbildungsjahr der vollzeitschulischen Bildungsgänge sowie in Klassen für Schüler ohne Ausbildungsverhältnis, in Förderlehrgängen und in Berufsschulklassen für Maßnahmen der Jugendberufshilfe oder des dualen Systems der teilzeitschulischen Bildungsgänge. In den Berufsschulklassen des dualen System stellen sie die Ausnahme dar. Dies erschwert eine angemessene Berücksichtigung der Schüler erheblich. Während für die einjährigen vollzeitschulischen Bildungsgänge in den letzten Jahren erhebliche schulorganisatorische Entwicklungsprozesse (z. B. betreuen und unterrichten Schulsozialarbeiter- und Lehrerteams die Jugendlichen) und methodisch-didaktische Veränderungen (z. B. wird der Lernort Betrieb stärker genutzt) im Interesse der Jugendlichen stattgefunden haben, sind sowohl die Klassen für Schüler ohne Ausbildungsverhältnis als auch die anderen Teilzeitklassen nach wie vor ein für alle Jugendlichen sehr schwieriger schulischer Lernort. Die Jugendlichen in diesen Klassen sind bekanntermaßen bezüglich ihrer personalen, sozialen, fachlichen und bildungsbiographischen Voraussetzungen sehr unterschiedlich. Dennoch erfolgt keine Förderung in den einzelnen Klassen, die an die unterschiedlichen Voraussetzungen anknüpft. So werden im Extremfall Abiturienten zusammen mit Sonderschülern unte rrichtet, wobei weder auf die eine noch die andere Gruppe angemessen eingegangen werden kann. Dies geschieht vor allem zum Nachteil der Schüler von Sonderschulen, weil sie in der Folge oftmals in diesem System scheitern. Erschwerend kommt hinzu, dass, im Gegensatz zum zieldifferenten Unterrichten in Sonderschulen, in Berufskollegs zielgleich unterrichtet wird, d. h. alle Schüler werden innerhalb eines Berufsfeldes für die gleichen schulischen und beruflichen Abschlüsse qualifiziert. Abstufungen innerhalb der unterschiedlichen Berufsfelder waren bisher nicht vorgesehen. Inwieweit die Modularisierung der Berufsausbildung solche Differenzierungen im Berufskolleg ermöglicht, wird sich noch zeigen müssen. Strategien mit der Heterogenität der Schüler umzugehen, sind in diesem System zunächst nicht vorgesehen. So erhalten Lehrer beispielsweise bevor sie eine Klasse übernehmen keine Informationen über die einzelnen Schüler. Sie wissen nicht mit welcher Lerngeschichte die Schüler in ihrer Klasse starten. Eine wesentliche Bedingung für eine differenzierte Förderung ist somit nicht erfüllt. Ein ehemaliger Sonderschüler, dem es gelungen ist, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Ausbildungsplatz zu erhalten, wird somit in seiner Berufsschulklasse in methodischer und curricularer Hinsicht genauso unterrichtet wie ein Schüler, der einen höheren Schulabschluss erlangt hat. Probleme mit schulischen Leistungen sind in diesem Fall vorprogrammiert. Dies liegt auch daran, dass Lehrer ohne Kenntnisse über Lernbehinderungen nicht abschätzen können, dass Schüler in bestimmten Lernsituationen nicht die erwünschten Leistungen erbringen und trotzdem eine Ausbildung erfolgreich absolvieren können.
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Die "erste Stunde" im Berufskolleg: Gestaltung der Aufnahme von Schülerinnen und Schülern von Sonderschulen (Erarbeitet im Rahmen der ersten Lehrerfortbildung. ) |
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Phasen |
Elemente |
Ziele |
Was kann das Berufskolleg tun, wenn Schülerinnen und Schüler noch an der Sonderschule sind? |
Tag der offenen Tür: Schnupperunterricht, Besichtigung der Räumlichkeiten, Vorstellung der Bildungsgänge und des Beratungslehrers, Schnupperunterricht, Einsatz von Tutoren Praktikum Hospitation individuelle Beratungsgespräche (Beratungslehrer) |
Größe der Schulform, Schulabschlüsse und Schulzeiten kennen lernen die Bedeutung von Englisch erklären Anforderungen erklären auf ausbildungsbegleitende Hilfen hinweisen Örtlichkeiten und Hilfsangebote kennen lernen |
Was kann das Berufskolleg zum "Empfang" der Schülerinnen und Schüler tun? |
ansprechende, verständliche schriftliche Einladung Wegbeschreibung gemeinsames Frühstück Rallye Projekttag |
Kennen lernen bewußt gestalten von dem Anderen etwas erfahren Vermittlung, dass die Schüler willkommen sind |
Was kann das Berufskolleg während des Durchlaufens der unterschiedlichen Bildungsgänge für die Schülerinnen und Schüler tun? |
Individueller Förderplan zur beruflichen Integration
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fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen der Jugendlichen fördern unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Voraussetzungen |
An dieser Fragestellung wird in der zweiten Lehrerfortbildung weitergearbeitet.
Leistungsbewertung ist ein Netzwerkthema, weil zum einen die Sonderschulen mit Blick auf die berufliche Integration verunsichert sind, wie sie Leistungen dokumentieren sollen und zum anderen Berufskollegs Schwierigkeiten haben, die Zeugnisse von Sonderschulen richtig zu interpretieren. Berufspädagogen erwarten Informationen über Schüler, die sie für ihre pädagogische Arbeit nutzbar machen können. Im Rahmen der Lehrerfortbildung ist eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Förderplanung vorgestellt worden. Diese Beschreibung der Leistungen des Schülers sehen Berufspädagogen als hilfreich an, um im Berufskolleg die Förderung der Jugendlichen effektiv weiter führen zu können. Hierbei ist auch wichtig, dass sie nicht seitenweise Erläuterungen über den Schüler lesen müssen, sondern dass die Informationen möglichst konkret auf einer Seite zusammengefasst werden. Das nachstehende Beispiel (Das Beispiel wurde im Rahmen des Projekts "BiZEbS" in Zusammenarbeit mit Ludger Borowski entwickelt. Es ist Bestandteil des Konzeptes "Leistungsbeurteilung in BiZEbS". ) zeigt, wie eine solche Beschreibung aussehen könnte.
Entwicklungsstand und aktueller Stand der individuellen Förderplanung - Anknüpfungspunkte für die Fortsetzung der Förderplanung im Berufskolleg
1. Persönlichkeit/Umfeld
A. stammt aus einem festen familiären Umfeld, das sie stützt und fördert. Es ist ihr in den letzten beiden Schuljahren gelungen, eine stabile und belastbare Persönlichkeit zu entwickeln. Sie ist in der Lage, persönliche Interessen zu formulieren und durchzusetzen.
2. Entwicklung fachlicher Kompetenzen
Lernfeld Sprache: A. kann Texte sinnentnehmend lesen und mit eigenen Worte wiedergeben. Förderbedarf : Sie schreibt eigene Texte mit zu vielen Fehlern. Es gelingt ihr in einem ruhigem Umfeld, eigene Ideen und Beiträge zu unterrichtlichen Themen zu liefern.
Sie kann sehr gut zuhören. Sämtliche Praxisdokumentationen fertigte sie selbständig, ausführlich und übersichtlich an.Lernfeld Mathematik: A. kann schriftlich in allen Grundrechenarten ohne Fehler rechnen. Sie löst selbstständig, jedoch nach Übung, einfache Aufgaben der Bruch- und Prozentrechnung sowie des Dreisatzes, dazu auch Sachaufgaben. Sie hat Grundkenntnisse in der Flächenberechnung. Förderbedarf: Das mündliche Rechnen (Kopfrechnen) fällt ihr noch sehr schwer, hier zeigt sie große Unsicherheiten.
Lernfeld Arbeitslehre/Wirtschaft: A. arbeitet in den Bereichen _____________ mit Ausdauer und Verständnis für die Zusammenhänge. Sie kann mit Werkzeugen und Material gut umgehen, sie geht konzentriert und planerisch auch an unbekannte Aufgaben heran, ihre Arbeitsergebnisse sind gut. Sie arbeitet sachorientiert. Sie entwickelt gute Ergebnisse bei Teamarbeiten. Förderbedarf: Sie hat ihre PC-Kenntnisse erweitert und arbeitet - wenn auch nicht selbständig - mit Word und Excel.
3. Entwicklung sozialer Kompetenzen
A. geht zugewandt, offen und freundlich auf bekannte Personen zu, gegenüber unbekannten, z. B. Kunden, wirkt sie oft noch unsicher und scheu. Sie kann sehr gut zuhören und ist zunehmend fähig, ihre eigene Meinung zu äußern. Förderbedarf: In unbekannten Situationen findet sie sich nicht immer zurecht. Hier benötigt sie viel Unterstützung. Sie kann sehr gut im Team arbeiten, sie befolgt Anweisungen und lässt sich helfen.
4. Entwicklung persönlicher Kompetenzen
A. ist immer pünktlich und hält alle Absprachen ein. Sie kann sich über lange Zeiträume gut konzentrieren und ist körperlich belastbar. Langes Stehen am Arbeitsplatz macht sie müde und unzufrieden. Sie plant ihre Arbeit, erledigt Aufgaben meist selbstständig und zeitlich angemessen. Sie kann Fehler eingestehen und versucht sie beim nächsten Mal zu vermeiden. Förderbedarf: Es fällt ihr schwer sich für unbekannte Situation zu motivieren.
Fazit:
A. war in ihrer schulischen Mitarbeit so erfolgreich, dass sie den Hauptschulabschluss (nach Kl. 9) erreicht hat. Sie war darüber hinaus in ihrem Förderpraktikum so erfolgreich, dass sie bei ___________________ einen Ausbildungsplatz im Bereich _______________ erlangt hat. Es ist ihr gelungen, vor allem ihre Schwächen in den Kernfächern Mathematik und Sprache zu verringern, jedoch besteht vor allem im Bereich "mündlicher Sprachgebrauch" ein hoher Förderbedarf. Ebenso muss es ihr gelingen ihre Rechtschreibung zu verbessern. Größter Förderbedarf: Sie muss lernen, sich an unbekannte Situationen und Aufgaben heranzuwagen und sich dort zurechtfinden!
Problematisch ist hieran, dass die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für di e Weitergabe solcher Berichte weitgehend ungeklärt sind.
Der individuelle Förderplan zur beruflichen Integration stellt das Verbindungselement zwischen dem allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulsystem dar. Er fokussiert die Lebens- und Berufsbiographie eines einzelnen Schülers und knüpft an seine individuellen Voraussetzungen an. Der Einsatz dieses Instruments von beiden Systemen verhindert, dass durch den Übergang von der Sonderschule zum Berufskolleg ein Bruch in der Förderung entsteht. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Ein Schüler aus einer Sonderschule beginnt eine Ausbildung als Tischler. Im Berufskolleg ist er dann in der Berufsschulklasse für Tischler. Aus dem Förderplan des Schülers, den die Sonderschule erstellt hat, geht hervor, dass der Schüler zum einen mit dem Lesen und Schreiben große Schwierigkeiten hat und zum anderen über ausgeprägte fachliche und soziale Kompetenzen verfügt. Der Berufsschullehrer kann diese Kenntnisse über den Schüler dazu nutzen, dass er z. B. bei Prüfungen dem Schüler die Fragen vorliest oder er Schwächen in der Rechtschreibung zugunsten des Inhalts überliest. Zudem kann er die Stärken des Schülers im Unterricht besonders fördern. Der Berufsschullehrer erhält durch den Förderplan ein differenziertes Bild des Schülers, welches ihm eben solche pädagogischen Maßnahmen ermöglicht. Ohne diese wichtigen Informationen müsste der Berufsschullehrer sich erst selbst ein differenziertes Bild des Schülers erarbeiten. In teilzeitschulischen Klassen mit etwa 35 Schülern ist dies eine unwahrscheinliche Vorgehensweise. Leider ist der Einsatz des individuellen Förderplanes am Berufskolleg noch unwahrscheinlicher. Im Rahmen der Lehrerfortbildung wurde die individuelle Förderplanung als ein Thema für eine Arbeitsgruppe zur Netzwerkarbeit angeboten. Diese Arbeitsgruppe ist nicht zu Stande gekommen. Berufspädagogen sehen es in der Regel als illusorisch an, Förderpläne unter den jetzigen schulischen Bedingungen einsetzen zu können. Für Sonderpädagogen ist der Förderplan oftmals ein Instrument, welches sie einsetzen müssen, ohne es systematisch mit beruflicher Integration zu verbinden. Dies kann u. a. damit begründet werden, dass zum einen sonderpädagogische Förderplanung in der Förderdiagnostik ihre Wurzeln hat (SANDER 2000) und zum anderen Sonderpädagogen zu wenig die Anforderungen des anschließenden berufsbildenden Systems im Blick haben.
Der Erprobung des Förderplans in den Schulen des Projektes "BiZEbS" zeigt die positiven Effekte im Sinne der Jugendlichen und deren beruflicher Integration. Durch die Erprobung wurde auch sichtbar, dass individuelle Förderplanung in schulischen Zusammenhängen leistbar ist. Voraussetzung ist, dass Schule anders gedacht wird. Beispielsweise sollten Förderplangespräche als Unterricht verstanden werden.
In diesem Themenbereich geht es darum zu definieren, welche Partner mit Blick auf die berufliche Integration von Schülern von Sonderschulen relevant sind und welche Informationen durch sie zu erlangen sind.
Die Region Ostwestfalen-Lippe setzt sich zusammen aus einer kreisfreien Stadt und sechs Landkreisen, welche unterschiedliche Netzwerkstrukturen in Bezug auf die Förderung der beruflichen Integration Jugendlicher mit Benachteiligung aufweisen. Die Fortbildung kann dazu genutzt werden, solche Strukturen kennen zu lernen, sie nutzbar zu machen und neue Entwicklungen anzuregen.
Die berufliche Integration von Jugendlichen mit Behinderung und Benachteiligung ist durch eine intensive Kooperation zwischen Schulen und Betrieben gekennzeichnet. Mittels Langzeitpraktika im letzten Pflichtschuljahr können Schüler von Sonderschulen, aber auch von Haupt- und Gesamtschulen ihre Chance auf einen Ausbildungsplatz verbessern. Die Schulen eröffnet sich damit ein Arbeitsfeld, das durch andere Gesetzmäßigkeiten geprägt ist als das des Unterrichts. Unterschiedliche Konzepte der Begleitung von Schülern und Betrieben während des Langzeitpraktikums und der ersten Ausbildungsphase sind mittlerweile entstanden. Im Rahmen der Fortbildung werden inhaltliche und organisatorische Aspekte dieser Konzepte ausgetauscht und auf ihre Übertragbarkeit in die eigene Praxis überprüft.
Die regionale Vernetzung zwischen Sonderschulen, Berufskollegs und anderen relevanten Akteuren zur Unterstützung von Schülern an Sonderschulen im Übergang von der Schule in den Beruf stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Die strukturellen Rahmenbedingungen im Berufskolleg verhindern, Schüler individuell zu fördern. Die Verantwortung dafür wird auf einzelne Lehrer abgewälzt, die diese Situation entweder als nicht tragbar wahrnehmen oder behaupten, dass diese Schüler am Berufskolleg nichts zu suchen haben. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Nordrhein-Westfalen zwar durch den § 16 VO-SF (Fortschreibung des sonderpädagogischen Förderbedarfs) formal geklärt, diese Förderung wird aber faktisch nicht umgesetzt.
Die hier beschriebenen Lehrerfortbildungen verfolgten das Ziel, diese für Schüler, Lehrer und Schulsozialarbeiter defizitäre Situation zu bearbeiten. Die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Schulformen sollten sich gegenseitig kennen lernen und durch die gemeinsame Ausführung von Netzwerkaufgaben eine Verbesserung herbeiführen.
Die erhebliche Resonanz auf die Lehrerfortbildungen (erste Lehrerfortbildung: 35 Teilnehmer: zweite Lehrerfortbildung: 60 Teilnehmer) unterstreicht den Problemdruck der vor Ort handelnden Akteure.
Die hier vorgestellten Ansätze zur Verknüpfung beider Systeme stellen unterschiedliche Ansprüche an diese und deren handelnde Akteure. Die Situation der Schüler von Sonderschulen an Berufskolleg kann bereits durch wenige gemeinsame Aktivitäten verbessert werden. Wünschenswert ist eine Förderplanung zur beruflichen Integration, die in der Sonderschule begonnen und im Berufskolleg fortgesetzt wird. Denn nur diese rückt die Berufs- und Lebensbiographie des Jugendlichen ins Zentrum didaktischer Planung und pädagogischen Handelns und ermöglicht eine den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen entsprechende Förderung.
Hüttenhölscher, B./Koch, B./Kortenbusch, J. (Hrsg.) (2002): Individueller Förderplan zur beruflichen Integration, Bielefeld. Online im WWW:
http://www.bielefeld.swa-programm.de/Projekt_B/Foerderplan.pdf (15-05-04)
SANDER, A. (2000): Zu Theorie und Praxis individueller Förderpläne für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. In: MUTZECK, W. (Hrsg.): Förderplanung. Grundlagen - Methoden - Alternativen. Weinheim, 14-32.
Weitere Informationen zum Projekt BiZEbS: www.bielefeld.swa-programm.de