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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

FT13 - Medientechnik
Herausgeber: Sönke Knutzen, Ulrich Heinen & Alexandra Eder

Titel:
Berufliche Bildung in den Medienberufen – Medien in der beruflichen Bildung


Die Video-Community draufhaber.tv

Beitrag von Claas HANKEN & Louisa KARBAUTZKI (Institut für Informationsmanagement Bremen)

Abstract

Die in Bremen entwickelte Online-Plattform „draufhaber.tv“ ist eine videobasierte Lern-Community für Jugendliche in der Berufsorientierung, Auszubildende, junge Berufstätige und Arbeitssuchende, die im Sommer 2011 in die öffentliche Beta-Phase überführt wird. Mitglieder der Plattform zeigen mittels Video, über welche – insbesondere handwerklichen – Fähigkeiten und Fertigkeiten sie verfügen. Fortgeschrittene Laien, aber auch Profis, veröffentlichen Performance- und Erklär-Videos und fügen (entsprechend freigegebene) Bewegtbild-Inhalte zu neuen Clips zusammen. Neben einem Aufruf der Website über verbreitete Internet-Browser auf Desktop-Rechnern soll auch eine angepasste Nutzung auf Mobilgeräten ermöglicht werden. Auf draufhaber.tv dürfen nur Videos hochgeladen werden, in denen erklärt wird, wie etwas geht oder die eine Performance zeigen und die von den Nutzerinnen und Nutzern selbst produziert wurden. Mit dem durch vier Projektpartner (ITB Institut für Technik und Bildung, BIBF Bremer Institut für Bildungsforschung, ifib Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH, construktiv GmbH) getragenen Verbundprojekt sind unter anderem folgende Erwartungen, Hoffnungen und Ziele verbunden: Kombination informeller Lerngemeinschaften und formaler Bildungskontexte, Unterstützung der Videobewerbung, gemeinsames Lernen durch Austausch von eigenen Videos und Webfundstücken, Berücksichtigung informell erworbener Kompetenzen bei der Integration in die Arbeitswelt, Einbindung IT-ferner Teile des Handwerks in den Social-Media-Kontext.

1 Video als Lern- und Lehrmedium

Laut der JIM-Studie 2010 besitzen 95 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Mobiltelefon mit Kamerafunktion, wovon bereits 46 % der Mädchen und 29 % der Jungen das Mobiltelefon zum Erstellen von Fotos und Videos verwenden (vgl. JIM 2010, 56). Bereits 37 % der Jugendlichen geben an, wenigstens einmal pro Woche Inhalte online zu stellen - darunter sind Einträge in Newsgroups, Weblogs, Microblogs wie Twitter, Podcasts, Wikipedia-Bearbeitungen, Fotos, Filme und Musikbeiträge (JIM 2010, 35). Jugendliche und junge Erwachsene räumen Social Media als Mittel zur Selbstdarstellung, Partizipation, Vernetzung und Beziehungspflege mittlerweile einen hohen Stellenwert ein (vgl. SCHMIDT et al. 2009, 19).

Auf Videoplattformen finden sich Tausende von „Performance“-Clips von Jugendlichen, in denen sie zeigen, was sie in ihrer Freizeit unternehmen. Zur Darstellung spezifischer handwerklicher Kompetenzen und Fertigkeiten werden die Online-Plattformen bisher allerdings nur selten eingesetzt. Im öffentlichen Diskurs werden die Aktivitäten Jugendlicher im Social Web oftmals von einem eher kritischen Standpunkt betrachtet. Auf der einen Seite sind da wenig datensparsamen Community-Angebote wie beispielsweise facebook oder schuelerVZ zu nennen, die in jüngster Vergangenheit durch Datenlecks oder die Vermarktung von Mitgliederprofilen aufgefallen sind. Auf der anderen Seite stehen die jungen Nutzerinnen und Nutzer, die die Reichweiten und Dynamiken dieser Angebote unterschätzen (vgl. ebd.).

YouTube ist zwar die größte und bekannteste Videoplattform, aber nicht die einzige. Zum Einstieg des Projekts haben wir uns diesbezüglich einen Überblick verschafft (vgl. HANKEN 2010). Ausgangsdaten waren die Top 100 Google- und Bing-Suchergebnisse zu den Begriffen „Video“ und „Upload“ zusammen mit populären Einträgen in öffentlichen Bookmarkverzeichnissen (delicious.com, misterwong.de). Die Gesamtmenge wurde bereinigt (Entfernung von Dublikaten und Totlinks, Streichung von Adult Content Websites) und die verbliebenen Seiten – immerhin noch über 250 – wurden nach im Bereich der Suchmaschinen-Optimierung üblichen Kennzahlen (Google Pagerank, das Sortierkriterium für Google-Suchergebnislisten – google.com/corporate/tech.html – und den Website-Zugriffswert Alexa – alexa.com/help/traffic-learn-more) sortiert. Für Angebote mit hohem Google Pagerank wurde zusätzlich die Zahl der delicious- und misterwong.de-Bookmarks (öffentliche abgelegte Lesezeichen) und der WOT-Vertrauenswert – mywot.com – als Sortierkriterium herangezogen. An der Spitze der auf diese Weise zusammengestellten Liste waren neben YouTube auch Facebook und Flickr zu finden. Von den drei Plattformen ist YouTube die einzige, die ausschließlich auf Bewegtbild-Inhalte festgelegt ist. Facebook dürfte als multifunktionales soziales Netzwerk als wichtige Verteilplattform für Video-Inhalte dienen. Das Hochladen von Clips ist hier keine Kernfunktionalität. Bei Flickr steht Fotografie im Mittelpunkt, Filme werden nur als „bewegte Fotos“ angesehen (mit Zeitlimit von 90 Sekunden). Kurz dahinter folgten die Video-Portale Vimeo und Yahoo Video, die in direkter Konkurrenz zu YouTube stehen (Yahoo Video wurde mittlerweile eingestellt). Der danach in der Liste zu findende englischsprachige Dienst eHow hat sich auf Clips spezialisiert, in denen erklärt wird, wie man ein Problem löst (z.B. Rotweinflecken entfernen, Festplatte partitionieren, Schrank aufräumen).

Neue Dienste mit einem Alleinstellungsmerkmal haben durchaus die Chance, Nutzerinnen und Nutzer an sich zu binden. So hat sich etwa der 2004 gegründete Dienst Vimeo (http://vimeo.com) in kurzer Zeit eine loyale Nutzerschaft aufbauen können, die insbesondere durch künstlerische und nicht-kommerzielle Videos in hoher Qualität gewonnen wurde.

Zum einen besteht ein hohes Interesse Jugendlicher an der Nutzung von Videoplattformen, zum anderen bestehen durchaus Chancen für spezialisierte Dienste neben der großen werbegetriebenen Allround-Videoplattform mit Hauptsitz in den USA.

2 Das Videoportal „draufhaber.tv“

Ziel des Verbundvorhabens „draufhaber.tv“ ist die Entwicklung eines Videoportals für Jugendliche in der Berufsorientierung, Auszubildende, junge Berufstätige und Arbeitssuchende im Handwerk, auf dem die Mitglieder mittels hochgeladener Videos ihre handwerklichen Fähigkeiten zeigen, diskutieren und nutzen können, um ihre Ausbildungsreife zu demonstrieren.

Wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Videoplattform soll sein, dass nur Clips hochgeladen werden, in denen erklärt wird, wie etwas geht oder die eine Performance zeigen und die von den – jugendlichen – Nutzerinnen und Nutzern selbst produziert wurden.

In der ersten Phase wird die Basis für eine VideoCommunity gelegt. Hierbei stehen Medienpädagogik, Community Building, Softwareentwicklung und Berufspädagogik im Vordergrund.

In der zweiten Projektphase soll darauf aufbauend eine Praxisgemeinschaft etabliert werden. Zum einfachen Video-Upload kommt die Möglichkeit zum Video-Remix hinzu. Die Nutzungsprozesse und Effekte werden wissenschaftlich evaluiert.

In Phase drei wird schließlich die Praxisgemeinschaft an formale Bildungskontexte herangeführt. Spezialisten aus dem Berufsleben kommen hinzu, erstellen eigene Inhalte und nutzen die Remix-Funktionen („Meister-Remix“).

Parallel dazu werden Wege zur Verstetigung der Videoplattform gesucht. Im Rahmen der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung werden Szenarien für einen Transfer der Ergebnisse in andere Regionen sowie in andere Bildungsbereiche entwickelt und evaluiert.

Die wissenschaftlichen Verbundpartner haben komplementäre fachliche Schwerpunkte gesetzt.

(1) Das Bremer Institut für Bildungsforschung der Universität Bremen will unter anderem Netzwerkanalysen der Benutzerinteraktionen und Befragungen zur Community-Wahrnehmung durchführen sowie Anreizstrukturen für die Partizipation in der Plattform erforschen. Mediendidaktisch wird untersucht, wie und was die Jugendlichen bei der Erstellung der Videos und durch deren Austausch lernen und ob sich sogenannte Lerngemeinschaften entwickeln (hierzu bereits erschienen WOLF/RUMMLER 2011).

Aus medienpädagogischer Sicht ist zu klären, ob es gegebenenfalls Probleme mit der gegenseitigen Kritik (Stichwort „Cyber-Mobbing“) gibt und wie verschiedene digitale, kulturelle und soziale Klüfte zu überbrücken sind.

(2) Das Institut für Technik und Bildung der Universität Bremen bearbeitet im Projekt etwa Fragen nach dem Aufbau von beruflicher Identität oder danach, unter welchen Umständen sich Chancen für die erfolgreiche Integration ins Berufsleben verbessern (Employability).

(3) Die Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib) will Erfolgsfaktoren für eine Verknüpfung formaler und informeller Lernorte identifizieren und ein Modell zur nachhaltigen Verankerung entwickeln. Ziel des Teilprojektes ist es, ausgehend von einer Anforderungsanalyse auf Basis von Nutzungsszenarien und Anwendungsfällen die evolutionäre Vorgehensweise der Softwareentwicklung zu unterstützen. Hierbei erfolgt eine enge Abstimmung mit dem Entwicklungspartner construktiv GmbH, um bereits frühzeitig bei der Systemspezifikation die funktionalen und insbesondere nicht-funktionalen Anforderungen zu berücksichtigen. Im Sinne eines systematischen Anforderungsmanagements werden die Ergebnisse zurückgekoppelt und damit in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess integriert.

Teil der Qualitätssicherung sind regelmäßige Nutzertests, bei dem Aspekte der Nutzbarkeit und Nützlichkeit (inklusive Barrierefreiheit) sowie rechtliche Anforderungen an Daten-, Persönlichkeits- und Jugendschutz erhoben und bewertet werden. Hierbei greift das ifib auf etablierte Verfahren des Usability-Engineering zurück und erweitert diese zugleich durch neue agile Methoden (inkrementelles Design, Prototyping), die dem Gegenstand und der spezifischen Nutzergruppe besser entsprechen. Ziel dieser Verknüpfung ist es, bereits während der Entwicklung von draufhaber.tv aussagekräftige Erkenntnisse über die Erfahrungen der Nutzerinnen und Nutzer mit der Plattform zu erhalten und diese in den Entwicklungsprozess zurückzuspielen. Um dies zu ermöglichen, wird beispielsweise nicht auf Basis eines rigiden Anforderungskatalogs „eine“ Beta-Version fertiggestellt. Stattdessen werden sukzessive einzelne Funktionalitäten entwickelt und mit Jugendlichen auf ihre Nutzbarkeit und Nützlichkeit in kurzen Szenarien wie „Melde dich auf draufhaber.tv an und lade dein erstes Video hoch“ geprüft. Die Ergebnisse dieser Tests werden zeitnah zum Entwicklungsteam zurückgespielt, das die aufgetretenen Probleme bis zur nächsten Testphase behebt.

Um den Bezug zur Praxis herzustellen, wurden von Anfang an Kontakte zu thematisch relevanten Institutionen und Organisationen gepflegt (Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft, Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit - VAJA, Landesinstitut für Schule Bremen, ServiceBureau Jugendinformation und center.tv).

3 Ausblick

Nachdem die Basisfunktionalitäten von draufhaber.tv (Registrierung,Videoupload und -verwaltung, Privatsphäreeinstellungen etc.) die erste Testphase mit Schülerinnen und Schülern der 7.-10. Klassen Bremer Werk- und Gesamtschulen durchlaufen haben und vom Entwicklungsteam verbessert wurden, steht das ifib nun vor zwei weiteren Nutzertestrunden bevor die Plattform in die zweite Projektphase (Video-Remix) übergeht. Gleichzeitig finden Workshops mit Jugendgruppen und Schulklassen statt, in denen jugendliche lernen, mit Kamera & co umzugehen, um erste Erklär- und Performance-Videos für den Start von draufhaber.tv zu drehen.

Spätestens Ende September 2011 soll draufhaber.tv als öffentliche Beta-Version nutzbar sein.

Literatur

HANKEN, C. (2010): Was passt noch neben YouTube? ifib Weblog, Beitrag vom 5.10.2010. Bremen. Online: http://www.ifib.de/blog/index.php/site/was_passt_noch_neben_youtube/  (16-05-2011).

MEDIENPÄDAGOGISCHER FORSCHUNGSVERBUND SÜDWEST (JIM 2010): JIM-Studie 2010. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Online: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf10/JIM2010.pdf  (13-05-2011).

SCHMIDT, J.-H./ PAUS-HASEBRINK, I./ HASEBRINK, U. (2009): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0 -Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Kurzfassung des Endberichts für die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), April 2009. Online: http://www.hans-bredow-institut.de/webfm_send/367  (20-05-2011).

WOLF, K. D./ RUMMLER, K. (2011): Mobile Learning with Videos in Online Communities: The example of draufhaber.tv. MedienPädagogik 19. Online: http://www.medienpaed.com/19/wolf1105.pdf  (20-05-2011)


Zitieren dieses Beitrages

HANKEN, C./ KARBAUTZKI, L. (2011): Die Video-Community draufhaber.tv. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Fachtagung 13, hrsg. v. KNUTZEN, S./ HEINEN, U./ EDER, A., 1-5. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ft13/hanken_karbautzki_ft13-ht2011.pdf (26-09-2011).



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