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bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS10 - Bildungspersonal
Herausgeberin: Ursula Bylinski

Titel:
Professionalisierung für die Gestaltung des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt


Kooperationsaufgaben von Stützlehrern im Spannungsfeld von Professionalisierung und strukturellen Rahmenbedingungen

Beitrag von Robert W. JAHN, Juliane SCHMIDT & Carolin BLUME (Friedrich-Schiller-Universität Jena)

Abstract

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit „Lehrkräften für den sog. Stütz- und Förderunterricht“ (im Folgenden Stützlehrer genannt). Obwohl dieser Unterricht als spezifisches Förderelement im Rahmen der sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung seit der Initiierung des Benachteiligtenprogramms Anfang der 80er Jahre besteht, waren weder er noch das dort tätige Personal bislang Gegenstand umfassender wissenschaftlicher Untersuchungen. Auch in der gegenwärtig forcierten Diskussion um Netzwerkbildung und die Professionalisierung des Bildungspersonals zur Weiterentwicklung des Systems der Beruflichen Integrationsförderung werden Stützlehrer allenfalls randständig betrachtet. Dies mag daran liegen, dass die aktuelle Diskussion – aufgrund der gestiegenen Probleme an der ersten Schwelle – verstärkt die Ebenen der Berufsorientierung und -vorbereitung fokussiert. Stützlehrer, die tendenziell der Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter zugeordnet werden, sind diesem Handlungsfeld nachgelagert. Sie haben gleichwohl im Hinblick auf die Integration von Jugendlichen in qualifizierte Erwerbsarbeit eine zentrale Funktion. Da Aufgaben und Anforderungen dieser pädagogischen Tätigkeit bislang kaum untersucht wurden, widmet sich der vorliegende Beitrag insbesondere der Frage, welche beruflichen Aufgaben Stützlehrer – vor allem im Hinblick auf einrichtungsinterne und lernortübergreifende Kooperation – wahrnehmen (sollen). Die vorgestellten Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass es sich um eine anspruchsvolle pädagogische Aufgabe handelt, die hohe Anforderungen an die Akteure und deren Kooperation stellt. Zugleich verdeutlicht die Untersuchung, dass die Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte einerseits und die Entwicklung der strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen des pädagogischen Handelns andererseits in einem engen Zusammenhang stehen.

1 Professionalisierung für die Berufliche Integrationsförderung!?

Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt ist mittlerweile für einen erheblichen Teil jugendlicher Schulabgänger nicht mehr entlang eines idealisierten, reibungslosen Verlaufs absolvierbar (vgl. bspw. GAUPP et al. 2008; BAETHGE/ SOLGA/ WIECK 2007; ENGGRUBER 2005). LEX (1997) zeigt bspw., dass nur jeder zweite Schulabgänger vier oder weniger biographische Stationen für den Übergang von Schule in Erwerbstätigkeit benötigt. Die Zahl derer, die in das Übergangssystem einmünden, ist seit 1992 stark gestiegen. Allein in Maßnahmen der Berufsvorbereitung traten im Jahr 2009 fast 290.000 Jugendliche ein (vgl. BIBB 2011, 203-222). Im gesamten System der Beruflichen Integrationsförderung werden schätzungsweise 500.000 Jugendliche gefördert.

Die Anerkennung der Beruflichen Integrationsförderung als dritte Säule der Beruflichen Bildung (neben dualem System und Schulberufssystem) ist spätestens mit dem Bildungsberichts 2008 (vgl. AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG 2008) erfolgt. Mit der endgültigen Etablierung dieses Systems, das in den vergangenen Jahren nicht nur stark expandiert, sondern sich ähnlich stark ausdifferenziert hat, gehen vielfältige Herausforderungen einher – bspw. Fragen der Kooperation und Koordination von Maßnahmen, Akteuren und Institutionen sowie Fragen der Effektivität und Effizienz auf eher systemischer Ebene oder Fragen der Professionalität der Akteure auf eher personaler Ebene (vgl. DIETTRICH/ JAHN 2011). Diese Ebenen sind analytisch nur schwer voneinander zu trennen. Es ist kaum möglich, die Professionalisierung der pädagogischen Fachkräfte in diesem Feld zu untersuchen oder voranzutreiben, ohne dabei die systemischen Bedingungen des Handelns mit in den Blick zu nehmen. Dass die beruflichen Aufgaben und die Qualifizierungsprozesse dieser Akteure bislang selten gezielt Gegenstand empirischer Forschung wurden (als Ausnahmen siehe bspw. CHRISTE et al. 2002; GRIMM/ VOCK 2007; KRAMER 2008; BYLINSKI/ LÜDEMANN 2010), mag der problematischen erziehungswissenschaftlichen Verortung des Feldes geschuldet sein, sodass vor allem das Personal der Beruflichen Integrationsförderung für Sozial-, Sonder- und Berufspädagogik jeweils allenfalls als Randproblem wahrgenommen wird.

Der vorliegende Beitrag wird sich auf eine Funktionsgruppe im Feld der Beruflichen Integrationsförderung konzentrieren und sich mit beruflichen Aufgaben der Stützlehrer befassen. Dies ist eine wesentliche Grundlage, um sowohl die kollektive als auch individuelle Professionalisierung dieser Akteure analysieren und ggf. vorantreiben zu können. Zwar liegen in der Datenbank berufenet.arbeitsagentur.de Berufsinformationen zum Beruf bzw. zur Spezialisierung „Lehrer/in - Stützunterricht“ vor, allerdings sind diese primär bezogen auf den Bereich des öffentlichen Schulwesens oder die sonderpädagogische Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Aufgaben, Anforderungen und notwendige Qualifikationen bzw. Kompetenzen sowie Arbeitsbedingungen und Status jener Fachkräfte im Rahmen der Benachteiligtenförderung sind lediglich schemenhaft umrissen. Der Beitrag wird dabei die Aufgaben der internen und externen Kooperation in den Mittelpunkt stellen und die Wirkungen der institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen auf diese Aufgaben thematisieren.

2  Kooperation von Stützlehrern in der sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung Benachteiligter

Lehrkräfte für den Stütz- und Förderunterricht arbeiten vor allem in einem Teilbereich des komplexen Systems der Beruflichen Integrationsförderung – nämlich innerhalb der Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung Benachteiligter der Bundesagentur für Arbeit (BA) – bei einem Bildungsträger. Gemeinsam mit Sozialpädagogen und Ausbildern verfolgen sie an diesem Lernort das Ziel, in der Regel sozial benachteiligte sowie lernbeeinträchtigte Jugendliche dabei zu unterstützen, eine Berufsausbildung erfolgreich zu absolvieren, die äquivalent zum dualen System stattfindet. Insofern handelt es sich hierbei in erster Linie um solche Maßnahmen der Beruflichen Integrationsförderung, die der ersten Schwelle nachgelagert sind, ohne die jedoch eine erfolgreiche Berufsausbildung für ca. 120.000 Jugendliche (vgl. BIBB 2011, 222 f.) in hohem Maße gefährdet erscheint.

Abb. 1 illustriert den systematischen Aufbau dieser Maßnahmen nach § 241 ff. SGB III, die durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgeschrieben und – im Anschluss an ein wettbewerbsorientiertes öffentlich-rechtliches Vergabeverfahren – von Bildungsträgern durchgeführt werden. Kern der „individuellen Förderung“ (vgl. zu diesem Begriff die Ausführungen von KREMER/ ZOYKE 2010) ist einerseits die sozialpädagogische Begleitung und andererseits der Stütz- und Förderunterricht, mit dem Ziel, die Jugendlichen beim erfolgreichen Absolvieren der Ausbildung zu unterstützen. Die fachpraktische Unterweisung findet je nach Modell beim Bildungsträger (Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen, BaE) oder innerhalb eines „regulären“ Ausbildungsverhältnisses in einem Betrieb (ausbildungsbegleitenden Hilfen, abH) statt. Zudem besuchen die Jugendlichen die Berufsschule.

 

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Abb. 1:   Maßnahmen der sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung (Quelle: BMBF 2005, 25)

 

Charakteristisch für diese sozialpädagogisch orientierte Berufsausbildung ist der Teamansatz (vgl. BMBF 2005, 148 ff.), der sicherstellen soll, dass die verschiedenen Anforderungen, die an die pädagogische Ausgestaltung der Maßnahmen gestellt werden (z. B. Ganzheitlichkeit, Lebensweltbezug, Stärkenorientierung, Individualisierung, Binnendifferenzierung, Handlungsorientierung und Partizipation; vgl. hierzu BMBF 2005 oder LIPPEGAUS 2000), gemeinsam und kohärent durch das Ausbildungsteam umgesetzt werden. ZIELKE/ LEMKE thematisierten bereits 1989 eine integrative Lehrorganisation, die sich von einem additiven Nebeneinander der einzelnen Funktionsbereiche abhebt. Die additive Vorgehensweise galt zumindest damals als Regelfall, entspricht weitgehend der arbeitsteilig organisierten Arbeitswelt und ist stark durch eine probleminduzierte Kooperation im Sinne von Arbeitsteilung und Delegation geprägt.[1] Die integrative Perspektive fokussiert hingegen Vorgehensweisen, die auf wechselseitiger Information, gemeinsamer Abstimmung, Planung bis hin zur Durchführung von Projekten basieren. Dazu bedarf es Akzeptanz, fachlicher und pädagogischer Qualifikation sowie eines Konsens über Leitziele und pädagogische Grundsätze der Benachteiligtenförderung (vgl. ZIELKE/ LEMKE, 86 f.). In ähnlicher Weise thematisiert BONIFER-DÖRR (1992, 76 f.) ein Modell der integrierten schulischen und sozialpädagogischen Förderung innerhalb der Maßnahmen, bei dem Sozialpädagogen und Lehrkräfte ähnliche Aufgaben übernehmen und sich vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen berufsfachlichen Schwerpunkte ergänzen. Die integrierte Förderung basiert im Wesentlichen auf Teamteaching und ermöglicht einen höheren Grad an Spezialisierung und Differenzierung. Angenommen wird, dass damit die sozialpädagogischen Anteile mehr Gewicht gewinnen und der Austausch zwischen den pädagogischen Fachkräften intensiviert werden kann.

Die damit verbundenen Probleme verdeutlicht der unterschiedliche Blick auf die Jugendlichen, mit dem sich die sozialpädagogischen Fachkräfte ihrer Aufgabe in der Benachteiligtenförderung nähern (vgl. GRIMM/ VOCK 2007). Im gesamten Feld der Beruflichen Integrationsförderung agieren nun verschiedene pädagogische Funktionsgruppen mit einerseits unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten sowie andererseits mit verschiedenen Qualifikationen und pädagogischen Traditionen, die zudem ursprünglich nicht auf eine Tätigkeit im Rahmen der beruflichen Bildung Benachteiligter vorbereitet wurden (vgl. NIEMEYER 2004; WÜRFEL 2003). Zu diesen Funktionsgruppen zählen Sozialpädagogen, Ausbilder und Stützlehrer sowie i. w. S. die Berufsschullehrer. In dieser Heterogenität kann ein Grund für die Schwierigkeiten gesehen werden, dass die geforderte interne Kooperation (der Akteure innerhalb eines Lernortes), die oben unter dem Aspekt der integrierten Lehrorganisation thematisiert wurde, wie auch diejenige zwischen den verschiedenen Lernorten und Akteuren der Beruflichen Integrationsförderung insgesamt in der Breite nicht hinreichend funktioniert, weil unterschiedliche Sichtweisen auf berufliche Integrationsprozesse und Zielstellungen der Akteure aufeinandertreffen und ausbalanciert werden müssen (vgl. dazu auch EULER 1999). Gleichsam ist die Heterogenität des Personals als Vorteil zu begreifen, wenn es gelingt, die verschiedenen pädagogischen Spezialisierungen (aus Sozial-, Berufs- und Förderpädagogik) produktiv zugunsten der Jugendlichen zu nutzen.

3 Offene Frage und Forschungsbedarfe

Aus berufs- und wirtschaftspädagogischer Perspektive ist die Gruppe der Stützlehrer interessant, da sie im Hinblick auf die beruflichen Aufgaben eine nicht unerhebliche Affinität zu den Aufgaben von Berufsschullehrern hat. Eine erste Analyse beruflicher Aufgaben von Stützlehrern (vgl. JAHN 2011) zeigt, dass die Orientierung an Inhalten der Berufsschule im Sinne einer Vermittlung/Aufarbeitung fachtheoretischer und allgemeinbildender Lerninhalte das Handeln dieser Akteure wesentlich determiniert. Die interne und externe Kooperation spielt in den normativen Aufgaben, die von Bildungsträgern, BA und Wissenschaft formuliert werden, ebenfalls eine wichtige Rolle. In Bezug auf diese pädagogischen Fachkräfte sind wesentliche Fragen – nicht zuletzt im Kontext einer Professionalisierung der Tätigkeit, der Akteure und der Beruflichen Integrationsförderung – bislang unbeantwortet. Nicht hinreichend geklärt ist bspw.

·         welche konkreten Aufgaben Stützlehrer im Kontext der Berufsausbildung Benachteiligter wahrnehmen, wie die „pädagogische Arbeitsteilung“ im Kontext des Teamansatzes sowie die Kooperation mit externen Partnern (Berufsschule, Betriebe etc.) organisiert ist und welche Anforderungen daraus resultieren,

  • über welche Kompetenzen Stützlehrer verfügen müssen, um pädagogisch professionell handeln zu können,
  • inwieweit die pädagogischen Fachkräfte auf diese Tätigkeit vorbereitet sind und ob die geforderten Formalqualifikationen (2. Staatsexamen in einem Lehramt) ausreichen, da weder Sonderpädagogen noch (Berufs-)Schulpädagogen auf diese Zielgruppe bzw. berufliche Bildungsprozesse hin ausgebildet wurden sowie
  • welche berufsbiografischen Entwicklungen die Aufnahme einer Tätigkeit im Feld der Benachteiligtenförderung beeinflussen. Handelt es sich um eine selbstbestimmte zielgerichtete Entscheidung oder um ein „Hineinschlittern“ aufgrund mangelnder beruflicher Alternativen? In diesem Kontext ist zu hinterfragen, welche Auswirkungen die berufsbiographischen Entwicklungsprozesse auf die Identifikation mit der beruflichen Aufgabe haben und wie die Arbeitsbedingungen korrespondierend wirken.

4  Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

Dieser Beitrag wird sich im Folgenden mit dem ersten Aspekt der formulierten Forschungsbedarfe befassen. Das skizzierte integrative Ausbildungskonzept der außerbetrieblichen Berufsausbildung (BaE), das auf der einen Seite eine interdisziplinäre Teamarbeit sowie auf der anderen Seite die Kooperation in Netzwerken mit weiteren Akteuren der Beruflichen Integrationsförderung als zentralen Bestandteil vorsieht, erfordert von den pädagogischen Fachkräften (hier mit Fokus auf die Stützlehrer) besondere Kompetenzen. Zunächst ist jedoch grundlegend zu fragen, ob diesen Aufgaben nicht nur auf normativer sondern auch auf faktischer Ebene Bedeutung zugeschrieben wird.

Erste qualitativ-explorative Studie

Die vorliegende Studie baut auf der qualitativen Untersuchung zu den Aufgaben von Stützlehrern in der Beruflichen Integrationsförderung auf (vgl. JAHN 2011). Ziel dieser Untersuchung war, auf Basis eines berufsanalytischen Vorgehens, insbesondere die Aufgaben von Stützlehrern zu beschreiben. Die zentrale Stellung beruflicher Aufgaben im Kontext der Erarbeitung einer Berufsbeschreibung wird nicht zuletzt durch den Berufsbegriff (bspw. von DOSTAL/ STOOß/ TROLL 1998) verdeutlicht. Demnach stellt der „Beruf (…) die für eine vorgegebene Arbeitsaufgabe charakteristische Merkmalskombination dar“ (ebd., 440). In den Ausführungen zur Berufskunde und Berufsanalyse spielen berufliche Aufgaben und Ziele ebenfalls eine wichtige Rolle, die neben weiteren Elementen im Sinne einer Mikroanalyse des Berufs zu erfassen sind (vgl. BÜRGI 1976; SCHANNE 1990). Berufsforschung umfasst Arbeits- und Arbeitsplatzanalysen, die u. a. mithilfe von Beobachtungs- und Befragungsverfahren realisiert werden. Auf dieser Basis kann man die Befunde in eine erste Fassung einer Berufsbeschreibung überführen. Diese ist weiter zu verdichten, um letztlich die Erarbeitung einer Berufsmonographie zu ermöglichen (vgl. SCHANNE 1990, 140).

In der genannten Untersuchung wurden in der ersten Stufe aus vier verschiedenen Perspektiven zentrale Aufgaben und Anforderungen von Stützlehrern identifiziert (s. Abb. 2). Dabei wurden

1.      die Perspektive der Wissenschaft (Fachliteratur),

2.      die Perspektive des Auftraggebers der Bildungsmaßnahmen (BA) (Dokumentenanalyse der Ausschreibungen der BA),

3.      die Perspektive des Arbeitgebers der Stützlehrer (Stellenanzeigen von Bildungsträgern) [2] sowie

4.      die Perspektive der Stützlehrer (Interviews) analysiert.

Aufbauende Studie: Verdichtung der Ergebnisse

Auf Basis der Ergebnisse dieser ersten Untersuchung und der Verdichtung der Ergebnisse zu einem ersten grundlegenden Aufgabenprofil* erfolgte eine Überführung der Ergebnisse in standardisierte Befragungsinstrumente, um zu einem verdichteten Aufgabenprofil** zu gelangen. Die Zielstellung war, die Befunde auf eine breitere empirische Basis zu stellen und mehr über die Gewichtung einzelner Aufgaben zu erfahren. Es ging nun in der zweiten Stufe darum

5.   die Perspektive des Arbeitgebers der Stützlehrer (schriftliche Befragung von Bildungsträgern) sowie

6.   die Perspektive der Stützlehrer (schriftliche Befragung).

nochmals detaillierter zu analysieren. Dazu wurden zwei Fragebögen entwickelt (einerseits für die Stützlehrer sowie andererseits für die Bildungsträger) und an 140 Bildungsträger aus der Anbieterdatenbank des GPC des BiBB (www.good-practice.de/anbieter), die Bildungsträger aus dem gesamten Bundesgebiet umfasst und an deren Stützlehrer versandt. Die Fragebögen enthielten neben 60 Items zu den beruflichen Aufgaben von Stützlehrern, diverse Fragen zu soziodemographischen Merkmalen, Beschäftigungsbedingungen, Qualifikationen und Berufswahlmotiven sowie zu Strukturmerkmalen der Träger. Die Rücklaufquoten offenbaren, dass sich zwar mehr als ein Drittel der kontaktierten Träger an der Untersuchung beteiligte, die Stützlehrer allerdings kaum für die Erhebung gewonnen werden konnten (s. Abb. 2). Die geringe Rücklaufquote ist bei der Interpretation der Befunde zu berücksichtigen (25 Stützlehrer und 53 Bildungsträger)

 

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Abb. 2:   Zweistufiger Forschungsprozess zur Erarbeitung eines Aufgabenprofils

5 Befunde

5.1 Ziele des Stütz- und Förderunterrichts

Im Folgenden werden die zentralen Untersuchungsergebnisse der verschiedenen Erhebungen im Rahmen der Gesamtuntersuchung dargestellt. Zunächst werden die Ziele des Stütz- und Förderunterrichts sowie die Aufgaben von Stützlehrern im Überblick dargestellt. Anschließend wird auf die Frage nach der normativen und faktischen Bedeutung der internen und externen Kooperation detaillierter eingegangen.

Die Ergebnisse der Literaturanalyse zeigen, dass in den wenigen Quellen, die sich mit Stützlehrern befassen, diese nur selten systematisch thematisiert werden. Der Stütz- und Förderunterricht zielt aus dieser Perspektive auf die Förderung fachtheoretischer Qualifikationen in berufsbezogenen und allgemeinbildenden Fächern ab, die Aufarbeitung der Berufsschulinhalte, die Prüfungsvorbereitung sowie eine individuelle Lernberatung und -förderung. Die Jugendlichen sollen in einer angstfreien und vertrauensvollen Atmosphäre Lernkompetenz, Motivation, Selbstständigkeit und Eigenverantwortung (wieder-/weiter-) entwickeln (vgl. GILLEN/ SCHÖNBECK 2008; GRIMM/ VOCK 2007; BRAUN/ RICHTER/  MARQUARDT 2007; BMBF 2005; WÜRFEL 2001) womit u. a. emanzipatorische und erzieherische Ansprüche formuliert werden. Zudem wird die Integration Benachteiligter in eine reguläre Ausbildung bzw. den ersten Arbeitsmarkt als wichtige Aufgabe formuliert.

In ähnlicher Weise nennt die BA in den Ausschreibungstexten der Maßnahmen Ziele des Stütz- und Förderunterrichts. Allerdings werden zwei Aspekte besonders herausgestellt: a) eine starke Orientierung an den Inhalten des Berufsschulunterrichts sowie b) die Bedeutung einer kognitiven und emotionalen Prüfungsvorbereitung. Damit scheint aus der Perspektive der BA – neben der für das gesamte Ausbildungsteam formulierten Zielstellung der Integration in ein reguläres Ausbildungsverhältnis – das Bestehen der Prüfung ein entscheidendes Ziel der Maßnahme im Allgemeinen und des Stütz- und Förderunterrichts im Speziellen zu sein (vgl. JAHN 2011).

Diese Zielstellung spiegelt sich dann auch in den 45 analysierten Stellenausschreibungen wider. Sofern dort Zielstellungen des Unterrichts formuliert wurden (n=33), beziehen sich diese zwar v. a. auf die Vermittlung fachtheoretischer Kenntnisse. Die Aspekte der Prüfungsvorbereitung, die Vermeidung von Maßnahmeabbrüchen und die Integration in Ausbildung bzw. Erwerbstätigkeit werden ebenfalls relativ häufig genannt (s. Tabelle 1).

 

Tabelle 1:  Ziele des Stütz- und Förderunterrichts aus Perspektive der Bildungsträger

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Die Stützlehrer formulierten in den acht Interviews ebenfalls Zielstellungen für ihren Unterricht. Interessanterweise stellen diese dabei jedoch primär auf den Aspekt der Wissensvermittlung und der Prüfungsvorbereitung ab und heben besonders das Ziel der Motivation der Jugendlichen für das Lernen hervor. Sowohl die Aufgabe der Integration der Jugendlichen in Ausbildung und Erwerbstätigkeit als auch erzieherische und persönlichkeitsfördernde Zielstellungen werden entweder nicht thematisiert oder den sozialpädagogischen Fachkräften zugewiesen (vgl. JAHN 2011). Dieser Befund ist im Rahmen der Diskussion um die integrative Lehrorganisation von Relevanz und soll später nochmals aufgegriffen werden.

5.2 Aufgaben von Stützlehrern

Die wesentlichen Ergebnisse der ersten Stufe der Untersuchung beruflicher Aufgaben von JAHN (2011) sind in Tabelle 2 zusammenfassend dargestellt. Vor diesem Hintergrund ließ sich ein erstes grundlegendes Aufgabenprofil von Stützlehrern ableiten. Deren Hauptaufgabe besteht in der Planung, Durchführung und Evaluation des Stütz- und Förderunterrichts, der v.a. auf die Vermittlung fachtheoretischer und allgemeinbildender Lerninhalte sowie auf die Prüfungsvorbereitung abzielt. Dazu ist es erforderlich, durch Lernberatung und -förderung motivationale, emotionale und strategische Ressourcen zu fördern, um berufliche Lernprozesse zu ermöglichen. Weiterhin müssen diagnostische und curriculare Aufgaben im Rahmen der Förderplanarbeit wahrgenommen werden, genauso wie, Kooperationsaufgaben, denen insgesamt eine hohe Bedeutung beigemessen wird (s. Tabelle 2). Allerdings erfahren einerseits die Aufgaben der internen Kooperation (Teamarbeit) eine sehr unterschiedliche Ausprägung. Andererseits werden die Aufgaben der externen Kooperation auf die Abstimmung mit der Berufsschule begrenzt. Die Bedeutungszuschreibungen der Kooperationsaufgaben nehmen scheinbar ab, je weiter man sich der Ebene des faktischen Handelns nähert (vgl. JAHN 2011).

 

Tabelle 2:  Aufgaben des Stützlehrers (Quelle: JAHN 2011)

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Die Ergebnisse dieser mehrperspektivischen Aufgabenanalyse wurden als basales Element einer detaillierteren Berufsbeschreibung nun in der zweiten Stufe der Untersuchung aufgegriffen und in einen Fragebogen überführt. Dieser Fragebogen enthielt 60 Items zu den beruflichen Aufgaben, die in der Auswertung wiederum verdichtet wurden. Die Bildungsträger bzw. Stützlehrer sollten die Bedeutung der einzelnen Aufgaben auf einer vierstufigen Skala (1= keine Bedeutung; 4 = hohe Bedeutung) beurteilen. Die Befunde werden als Überblick in Tabelle 3 dargestellt und bestätigen, die zuvor genannten Aussagen: Den identifizierten Aufgaben der konkreten Durchführung des Stütz- und Förderunterrichts, den curricularen Aufgaben in Form der Entwicklung und Fortschreibung der Förderpläne sowie der Planung des Unterrichts, den diagnostischen zur Identifikation der Förderbedarfe und den administrativen Aufgaben zur Dokumentation der Maßnahmen wird insgesamt eine relativ hohe Bedeutung zugesprochen.

Wesentlich differenzierter sind die Befunde zu den Kooperationsaufgaben. Im Folgenden werden daher diese Befunde zu den Kooperationsaufgaben unter Bezug auf die Befunde der ersten Stufe der Untersuchung nochmals genauer betrachtet, da sowohl in der Fragebogenerhebung als auch in den vorangegangenen Untersuchungen einige Widersprüche identifiziert werden konnten.

 

Tabelle 3:  Aufgaben von Stützlehrern aus der Fragebogenerhebung

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5.3 Aufgaben der internen Kooperation

Hinsichtlich der internen Kooperation des pädagogischen Fachpersonals innerhalb der Bildungseinrichtung wird wie in Kap. 2 dargestellt in der entsprechenden Fachliteratur der Teamansatz sowie eine integrative Lehrorganisation als zielführend beschrieben, um die Maßnahmen der sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung erfolgreich umzusetzen. Gleichsam wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit der Funktionsgruppen in der Realität wohl eher durch eine additive Vorgehensweisen geprägt ist, die auf einer probleminduzierten Kooperation im Sinne von Arbeitsteilung und Delegation basiert.

Sowohl in den Ausschreibungstexten der BA als auch in den Stellenanzeigen wird dies betont. Die BA fordert bspw. eine kohärente Umsetzung der Maßnahme durch das gesamte Team und weist im Kontext der Beschreibung des Stütz- und Förderunterrichts explizit auf die Verzahnung mit anderen Lernsituationen innerhalb der Ausbildung hin. Die Bildungsträger nennen in Stellenanzeigen für Stützlehrer ebenfalls Kooperationsaufgaben. In jeder dritten Stellenanzeige wird die interne Kooperation als Aufgabe angesprochen. Ob hinter der dort geforderten Abstimmung im Team eine eher additiv oder eher integrativ geprägte Vorstellung der Zusammenarbeit der einzelnen Funktionsgruppen steht, bleibt offen (vgl. JAHN 2011).

Die befragten Stützlehrer weisen in den Interviews darauf hin, dass die Teamarbeit zwar eine wichtige Rolle im Rahmen ihrer Tätigkeit spielt, diese aber primär dem Informations- und Erfahrungsaustausch sowie der Abstimmung dient. Kern der Teamarbeit ist die Erstellung und Fortschreibung individueller Förderpläne für die Jugendlichen. Bereits oben wurde thematisiert, dass bestimmte Aufgaben explizit den Sozialpädagogen zugeordnet bzw. an diese delegiert werden, sodass auf dieser Basis davon ausgegangen werden muss, dass eine integrative Lehrorganisation nicht als durchgängiges Prinzip etabliert ist (vgl. JAHN 2011).

Dies zeigt sich auch in den Befunden der schriftlichen Befragung (s. Tabelle 3). Im Hinblick auf Beratungsaufgaben wird bspw. offensichtlich, dass die Stützlehrer vorrangig für Probleme im Lernverhalten der Jugendlichen zuständig sind und beratende Funktionen hinsichtlich der beruflichen Integration oder der Bewältigung von Problemen im privaten Umfeld weniger bedeutsam sind. Bei den internen Kooperationsaufgaben wird zwar der Zusammenarbeit auf der Ebene der Planung sowie der Reflexion der Förderaktivitäten eine hohe Bedeutung zugeschrieben (M=3,52), die gemeinsame Durchführung von Projekten etc. spielt jedoch eine geringere Rolle (M=2,27). Zudem zeigen die Befunde der Befragung, dass die Stützlehrer selbst die internen Kooperationsaufgaben deutlich geringer bewerten als dies seiten der Träger der Fall ist. Die Träger wünschen zwar eine intensive, über die Abstimmung der Förderprozesse hinausgehende Zusammenarbeit als Soll-Aufgabe, die faktische Praxis der Beschäftigten ist jedoch weniger bis kaum dadurch geprägt.

5.4 Aufgaben der externen Kooperation

Ähnlich verhält es sich mit den externen Kooperationsaufgaben. Vor allem in der Fachliteratur zum Übergangssystem wird verstärkt über Konzepte der Netzwerkbildung sowie über die vertikale, horizontale und diagonale Kooperation der beteiligten Akteure und Institutionen diskutiert (vgl. bspw. BYLINSKI 2008; DIETTRICH/ JAHN 2011). Im Zusammenhang mit den Maßnahmen der sozialpädagogisch orientierten Berufsausbildung sind v. a. Ausbildungs- bzw. Praktikumsbetriebe, Berufsschulen, die BA und Einrichtungen der Jugendhilfe sowie dieser vor- und nachgelagerte Institutionen zu nennen (vgl. BMBF 2005, 157 ff.). Für Stützlehrer sind Berufsschulen bzw. deren Lehrkräfte sowie Betriebe mit ihren Ausbildern besonders relevant. Die externe Kooperation dient v. a. der Information und Abstimmung im Hinblick auf den Stütz- und Förderunterricht. Zudem werden gemeinsame pädagogische Aktivitäten (Durchführung von Projekten, Teamteaching) sowie eine Präsenz der Stützlehrer in Schulen und Hospitationen im Unterricht gefordert (vgl. ebd., 102).

Die BA weist in den Ausschreibungstexten ebenfalls auf externe Kooperationsaufgaben, zunächst als Aufgaben des Bildungsträgers als Auftragnehmer, hin und fordert dessen Einbindung in regionale Netzwerke sowie eine intensive Zusammenarbeit mit Betrieben, Berufsschulen und anderen Einrichtungen. Bezogen auf den Stütz- und Förderunterricht wird besonders prägnant dessen Abstimmung mit dem Berufsschulunterricht gefordert. Auch in den Stellenanzeigen der Bildungsträger werden externe Kooperationsaufgaben angesprochen, die sich bspw. auf die Kooperation mit Bewilligungsgebern, Praktikumsbetrieben oder Berufsschule beziehen.

In Kontrast zur starken Forderung nach externer Kooperation in den Soll-Aufgaben kommt in den Interviews mit den Stützlehrern zum Ausdruck, dass sich die externe Kooperation im Wesentlichen auf den Informationsaustausch mit der Berufsschule beschränkt. Hospitationen oder gemeinsame Projekte erfolgen selten bis nie, sodass allenfalls eine inhaltliche Abstimmung bzw. ein probleminduzierter Informationsaustausch stattfindet (vgl. JAHN 2011). Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier eine Lernortkooperation im Sinne eines ständigen Informierens, Abstimmens und Zusammenwirkens in gemeinsamen Projekten stattfindet.

Die Befunde der Fragebogenerhebung scheinen dies wiederum zu bestätigen (s. Tabelle 3). Die befragten Stützlehrer und Bildungsträger weisen den externen Kooperationsaufgaben eine eher geringe Bedeutung zu und zwar insbesondere im Hinblick auf die Ebene der Durchführung der Förderprozesse (M=1,98). Die externe Kooperation im Zusammenhang mit der Planung des Unterrichts (M=2,4) bezieht sich vor allem auf die erwähnte Abstimmung mit der Berufsschule. Diese Zusammenarbeit begrenzt sich jedoch auf einen Informationsaustausch. Dies wird nochmals dadurch unterstrichen, dass weder den Aufgaben der Hospitation, des gemeinsamen pädagogischen Handelns im Unterricht noch der Durchführung gemeinsamer Projekte eine besondere Bedeutung zugewiesen wird. Hinzu kommt, dass die Stützlehrer selbst diesen Aufgaben, vor dem Hintergrund ihrer Berufspraxis, nochmals eine deutlich geringere Bedeutung zuschreiben (M=1,57) als die Bildungsträger (M=2,18). Demnach zeigt sich auch hier eine leichte Diskrepanz zwischen den formulierten Ansprüchen der Bildungsträger und der wahrgenommenen Wirklichkeit der handelnden Lehrkräfte.

6 Abschließende Bewertung: Bedeutungszuschreibung der Kooperationsaufgaben

Bei der Analyse der beruflichen Aufgaben von Stützlehrern wird deutlich, dass die Bedeutungszuschreibung der internen und externen Kooperation abnimmt, je weiter man sich dem faktischen Handeln der Akteure nähert. Während Wissenschaft und Auftraggeber der Maßnahmen auf normativer Ebene relativ deutlich eine integrative Lehrorganisation und den Aufbau nachhaltiger externer Kooperationsbeziehungen mit vielfältigen Akteuren fordern, wird die Bedeutung der Kooperationsaufgaben auf der Ebene der Träger schon weniger stark hervorgehoben. Insbesondere die faktische, von den Stützlehrern selbst beschriebene, externe Kooperation erscheint im Wesentlichen auf die Abstimmung mit der Berufsschule beschränkt.

Es ist in diesem Zusammenhang zu fragen, wie ausgeprägt die externe Kooperation in einem System sein kann, in dem die Akteure – und zwar vor allem die Bildungsträger – in Konkurrenz um Maßnahmen und Jugendliche stehen. Die Übertragung dieses Wettbewerbs auch auf die Beschäftigungsverhältnisse, stellen GRIMM/ VOCK (2007) dar. Dies berührt dann wiederum die Fragen der Weiterentwicklung des Systems und der Professionalisierung der Tätigkeiten, da die anspruchsvollen Aufgaben in diesem Feld (im Hinblick auf extrinsische Anreize) unattraktiv für formal hochqualifizierte pädagogische Fachkräfte werden. Dies kommt auch in unserer Untersuchung zum Ausdruck, wenn die eigentlich geforderte Formalqualifikation (2. Staatsexamen in einem Lehramt) nur von 7 der 25 der Stützlehrer erfüllt wird und die Berufswahl für die Tätigkeit „Stützlehrer“ zumindest häufig auch einer Optionslogik infolge mangelnder beruflicher Alternativen folgt (s. Tabelle 4).

 

Tabelle 4:  Berufswahlmotive von Stützlehrern

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Damit einher geht, dass problematische oder gar prekäre Beschäftigungsbedingungen des Personals nicht nur negativ auf die Attraktivität für potentielle Fachkräfte wirken, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Akteure beeinträchtigen sowie die Fluktuation erhöhen (vgl. GRIMM/ VOCK 2007, 79). Dies hat dann wiederum Folgen für die interne und externe Kooperation, da diese letztlich durch die handelnden Personen ausgestaltet wird. Wenn sich die Zusammensetzung der Teams und die externen Ansprechpartner häufig ändern, dürfte dies den Aufbau einer intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit zumindest erschweren.

Damit das Bildungspersonal sowohl auf Trägerebene als auch über die Grenzen der Bildungseinrichtung hinaus kooperiert, bedarf es also zum einen bessere strukturelle Rahmenbedingungen, zum anderen braucht es Engagement und Kompetenz der Akteure (vgl. BMBF 2005; BYLINSKI 2008; DIETTRICH/ JAHN 2011). Die unterschiedlichen Funktionsgruppen müssen sich in erster Linie mit dem Feld der Beruflichen Integrationsförderung identifizieren, sodass die – in aller Regel voneinander separierten – Qualifizierungswege der einzelnen „Professionen“ Organisationswissen sowie Wissen über die Philosophie und Struktur der Beruflichen Integrationsförderung (vgl. BROMME 1992) vermitteln müssen. Daneben kommt der Reflexionsfähigkeit eine große Bedeutung zu (vgl. SCHÖN 1983), um pädagogisches Handeln kritisch zu hinterfragen, und zwar sowohl auf der Ebene des eigenen Handelns, der Ebene der Maßnahme und der Ebene der Beruflichen Integrationsförderung. Dabei gilt es auch widersprüchliche Erwartungen der verschiedenen Bezugsgruppen im System (z. B. Jugendliche, die BA, Bildungsträger, Team, externe Kooperationspartner) und unterschiedliche pädagogische Sichtweisen auf die Förderprozesse, die z. T. aus den verschiedenen Fachdisziplinen resultieren, individuell sowie kooperativ auszubalancieren.

Kooperationsaufgaben im Spannungsfeld von Professionalisierung und strukturellen Rahmenbedingungen

In der vorliegenden Untersuchung wurde deutlich, dass die schnell erhobene Forderung nach Teamarbeit bzw. einer integrativen Lehrorganisation und nach Lernortkooperation in der Praxis auf Hemmnisse trifft. Insofern erscheint es ratsam, die Professionalisierung der Akteure und die strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen immer gemeinsam zu betrachten: Erfolgsversprechende Ansätze der Netzwerkbildung und Lernortkooperation bleiben auf der einen Seite nur Konzepte, wenn die handelnden Personen nicht hinreichend vorbereitet sind, sie umzusetzen. Auf der anderen Seite brauchen die Akteure ein System, das Kooperation nicht nur fordert, sondern fördert und ermöglicht, die dafür notwendigen strukturellen Rahmenbedingungen schafft und entsprechende Instrumente zur Verfügung stellt.

 

Literatur

AUTORENGRUPPE BILDUNGSBERICHTERSTATTUNG (2008): Bildung in Deutschland 2008. Bielefeld.

BAETHGE, M./ SOLGA, H./ WIEK, M. (2007): Berufsbildung im Umbruch. Signale eines überfälligen Aufbruchs. Bonn.

BIBB 2011 (Hrsg.): Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2011. Bonn (vorläufige Version).

BMBF (2005): Berufliche Qualifizierung Jugendlicher mit besonderem Förderbedarf: Benachteiligtenförderung. Bonn, Berlin.

BOJANOWSKI, A. (2008): Professionalisierung des Fachpersonals in der beruflichen Benachteiligtenförderung. Ein curricularer Vorschlag für die Fachszene. In: FAßHAUER, U./ MÜNK, D./ PAUL-KOHLHOFF, A. (Hrsg.): Berufspädagogische Forschung in sozialer Verantwortung. Stuttgart, 109-220.

BROMME, R. (1992): Der Lehrer als Experte: zur Psychologie des professionellen Wissens. Bern.

BÜRGI, A. (1976): Die Analyse von Berufen und Berufsanforderungen unter Berücksichtigung der Problemstellungen in der Berufsberatung. Stuttgart u. a.

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[1]  In diesem Kontext darf die Möglichkeit der Personalunion nicht unerwähnt bleiben. Bei dieser Variante, handelt es sich um eine personelle Einheit von Ausbilder und/oder Stützlehrer und/oder Sozialpädagoge, sodass hier die Funktionsgruppen verschmelzen. Diese Variante ist v. a. für kleinere Träger bedeutsam und für abH-Maßnahmen relevant. Das Problem an dieser Verschmelzung der Funktionen ist, dass zwar die Betreuung und der Kontakt zu den Jugendlichen intensiviert werden kann, die Fachkräfte jedoch nahezu auf sich allein gestellt sind (vgl. BONIFER-DÖRR 1992; GRIMM/ VOCK 2007).

 

[2]  In der ersten Erhebung wurden 30 Stellenanzeigen recherchiert und ausgewertet. Für die Fortsetzung der Studie wurden nochmals 15 Anzeigen über die Stellenbörse der BA identifiziert und ebenfalls in die Untersuchung einbezogen, sodass sich hieraus Unterschiede in der Stichprobengröße erklären.

 


Zitieren dieses Beitrages

JAHN, R. W. et al. (2011): Kooperationsaufgaben von Stützlehrern im Spannungsfeld von Professionalisierung und strukturellen Rahmenbedingungen. In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 10, hrsg. v. BYLINSKI, U., 1-19. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws10/jahn_etal_ws10-ht2011.pdf (26-09-2011).



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