Partner von bwp@: 
  SAP University Alliances Community (UAC)   giz - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit    Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.    Österr. Konferenz für Berufsbildungsforschung       

bwp @ Spezial 5 | September 2011
Hochschultage Berufliche Bildung 2011
Herausgeber der bwp@ Spezial 5 sind Thomas Bals & Heike Hinrichs

WS26 - Berufslaufbahnkonzepte
Herausgeber: Matthias Becker, Reiner Krebs & Georg Spöttl


Titel:
Berufslaufbahnkonzepte im Handwerk – Abschlüsse, Anschlüsse, Übergänge und Qualifikationsrahmen


Die Rolle von Kompetenzzentren für die Aktualisierung von Qualifikationen für die Aus- und Weiterbildung im Handwerk

Beitrag von Johannes KOCH (Friedrichsdorfer Büro für Bildungsplanung Berlin)

Abstract

Für die Qualität der beruflichen Bildung ist entscheidend, wie gut es ihr gelingt, Qualifikationen auf dem aktuellen Stand der Technik zu vermitteln. Dabei geht es nicht mehr nur um die richtigen Inhalte, sondern immer mehr um die Geschwindigkeit, mit der die Vermittlung dem Stand der Technik angepasst wird. Für den schnellen Transfer von Innovationen aus Forschung und Entwicklung in betriebliche Anwendungen nutzen Unternehmen zunehmend Verfahren des Wissensmanagements. Am Beispiel der vom BIBB geförderten Kompetenzzentren wird gezeigt, wie sich durch die Anwendung von Konzepten des Wissensmanagements diese Einrichtungen zu Innovationsbeschleunigern entwickeln lassen.

1 Innovationen in der beruflichen Bildung

Die Leistungsfähigkeit eines Bildungssystems hängt ab von seinen Informationsquellen. Auf diese These läuft die Argumentation von BAETHGE, SOLGA und WIEK (2007, 75) in einem Gutachten zur Zukunft des dualen Systems hinaus. Sie zitieren MAYER (2003, 581): „Für eine Gesellschaft, die sich zunehmend als eine >>Wissens<<-Gesellschaft versteht, bilden die Hochschulen die entscheidende Quelle für die Entwicklung von kulturellen Orientierungen, ökonomisch verwertbarem Wissen und hochqualifizierten Arbeitskräften.“ Sie folgern daraus: Die Berufsbildung, die als arbeitsintegrierte ihre Begründung im Wesentlichen aus der Bindung an das Erfahrungswissen bezogen hat, gerät gegenüber der höheren Allgemein- und wissenschaftlichen Bildung immer weiter ins Hintertreffen …“ So wegweisend der Ansatz einerseits ist, die Zukunftsfähigkeit eines Bildungssystems in Abhängigkeit davon zu sehen, aus welchen Quellen sie für ihre Innovationen schöpft, so wenig überzeugend ist andererseits die Formel, mit mehr akademischer Bildung bereits auf dem richtigen Weg in die Wissensgesellschaft zu sein. Es gibt eine Gegenposition; WILLKE (2001, 1) schreibt in seiner Einleitung zum systemischen Wissensmanagement: „Der gegenwärtig laufende Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft zerbricht das Monopol des Wissenschaftssystems auf die Erzeugung und Verwaltung von Expertise und treibt die Wissenschaftler von ihrem Elfenbeinturm auf einen Marktplatz, auf dem nicht phantastische Ideen gehandelt werden, sondern überzeugende Innovationen.“

Am Beispiel der BIBB-geförderten Kompetenzzentren soll hier ein Modell aufgezeigt werden, mit dem sich Innovationstransfer jenseits der akademischen Bildung in die berufliche Bildung gezielt beschleunigen lässt.

Zur Verbesserung der Qualität der beruflichen Bildung wird vom Bildungsministerium durch das BIBB ein Netz von überbetrieblichen Berufsbildungsstätten gefördert (BIBB 2009). Dabei handelt es sich überwiegend um Bildungsstätten im Handwerk, die von Kammern oder Innungen getragen werden. In einer umfassenden Untersuchung des BIBB war festgestellt worden, dass die in den geförderten Bildungsmaßnahmen vermittelten Inhalte teilweise nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprachen (MEERTEN 2002, 44f.). Um diesem Defizit zu begegnen, wurde das Konzept der Kompetenzzentren entwickelt (BMBF 2001).

Anlass für die Entwicklung eines solchen Konzepts ist der technische und organisatorische Wandel. Alle Experten gehen davon aus, dass der Wandel ein Merkmal marktwirtschaftlicher Ökonomien ist und zusätzlich durch die Globalisierung der Märkte beschleunigt wird. Für die berufliche Bildung bedeutet dieser Wandel die Notwendigkeit, die zu vermittelnden Inhalte ständig der technischen Entwicklung anzupassen. Die Qualität jeder beruflichen Qualifizierung hängt davon ab, ob die Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die zur Bewältigung der aktuellen Technik notwendig sind. Die Herausforderung für die berufliche Bildung entsteht durch die Beschleunigung. Konnten früher technische Veränderungen Generationen zugeordnet werden, muss die Dauer, für die eine bestimmte Technik dem aktuellen Stand entspricht, eher in Jahren gemessen werden. Betrachtet man die Informationstechnik, sind die Innovationszyklen teilweise sogar noch kürzer. Dies hat zur Folge, dass sich z. B. während einer üblichen Ausbildungszeit von drei Jahren, die technischen Grundlagen einiger der vermittelten Qualifikation bereits schon wieder verändert haben. Für die berufliche Bildung stellt sich damit nicht mehr nur die Frage, was sie vermitteln soll, sondern wie und wie schnell sie die Inhalte an die technische und organisatorische Entwicklung anpasst. Eine Aus- oder Weiterbildung kann methodisch noch so gut sein: wenn Qualifikationen vermittelt werden, die in der Arbeitswelt nicht mehr benötigt werden, ist sie nutzlos.

Es ist nicht zu übersehen, dass es im allgemeinen Bildungswesen gar keine und in der beruflichen Bildung nur unzureichende Instrumente gibt, mit Veränderungen umzugehen. Das Postulat des lebenslangen Lernens bleibt eine leere Formel, solange die dafür notwendigen Wege nicht erkennbar sind. Die Wege zumindest, auf denen bisher neue Qualifikationen in die Ausbildung kommen, erweisen sich zunehmend als zu langsam.

Der klassische Weg geht über die Weiterbildung. Mit neuen Maschinen und Anlagen kommen neue Techniken in die Betriebe und dafür müssen Mitarbeiter geschult werden. Nur langsam setzte sich bei Bildungsverantwortlichen in größeren Betrieben die Erkenntnis durch, mit der Qualifizierung schon vor der Einführung der neuen Technik zu beginnen. Oft standen teure Maschinen erst einmal nutzlos herum, weil Niemand sie bedienen konnte. Erst wenn sich eine bestimmte Technik im Betrieb fest etabliert hat, die dafür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten dauerhaft benötigt werden, werden sie in die Ausbildung aufgenommen.

Mit den prozessorientierten Ausbildungsordnungen sind Betriebe inzwischen aufgefordert, Auszubildenden alle in ihren betrieblichen Prozessen eingesetzten Qualifikationen auch zu vermitteln; damit wäre die Gleichzeitigkeit von Aus- und Weiterbildung erreicht. Aber auch so bleibt für Betriebe die Frage, wie es ihnen gelingen kann, für ihre Arbeitsprozesse den aktuellen Stand von Technik und Organisation zu gewährleisten. Wie lässt sich verhindern, dass die eingesetzte Technik dem Stand der Technik hinterherhinkt?

Dies verweist auf einen Bedingungszusammenhang zwischen Qualifizierung und Technik. Einerseits ist schlüssig, dass neue Technik neue Qualifikationen erforderlich macht. Es ist aber auch so, dass die Technik, die Betriebe einsetzen, durch verfügbare Qualifikationen bestimmt wird. Fehlende Qualifikationen können also als Innovationsbremse wirken und damit auch zur Dequalifizierung von Arbeitsanforderungen führen.

2 Wissensmanagement für die berufliche Bildung

2.1 Wissensmanagement zur Bewältigung des Wandels

Der Verweis auf die für ein Bildungssystem notwendige Wissensbasis führt zu der vergleichsweise neuen Disziplin des Wissensmanagements. Der Zusammenhang ist evident. Mit der Hilfe von Wissensmanagement versuchen Unternehmen den schnellen technischen und organisatorischen Wandel zu bewältigen. Auch wenn der Begriff selbst missverständlich ist – nach MALIK (2004, 62ff) kann man nur Menschen managen – die Konzepte des Wissensmanagements lassen sich für die berufliche Bildung sehr wirkungsvoll einsetzen. Vier Aufgaben des Wissensmanagements lassen sich unterscheiden.

  1. Bewahrung von Wissen: Insbesondere im Zusammenhang mit Programmen zum vorzeitigen Ruhestand haben sich Unternehmen darum bemüht, das Fachwissen der ausscheidenden Mitarbeiter abzufragen und in Datenbanken zu speichern.

  2. Implizites in explizites Wissen wandeln: Als implizit wird Wissen bezeichnet, das nur in den Köpfen der Mitarbeiter existiert. Zur Bewahrung des Wissens ist es häufig notwendig, Mitarbeiter dazu zu bringen, dieses Wissen preiszugeben, es zu formulieren und es damit explizit, also für andere Verfügbar zu machen.

  3. Im Unternehmen vorhandenes Wissen verfügbar machen: Hier geht es darum, den persönlichen Kontakt zwischen demjenigen herzustellen, der ein bestimmtes Wissen benötigt, und demjenigen, der durch seine Qualifikation und Erfahrung über hilfreiches Wissen verfügt.

  4. Neues Wissen in das Unternehmen hereinholen: Für Unternehmen wird es immer wichtiger, schnell Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung zu erkennen und nutzbar zu machen. Dies gilt sowohl für die Produkt- als auch für die Prozessinnovation. Für die Prozessinnovationen, also der Verbesserung von Produktions- und Dienstleistungsprozessen, muss dies wegen der zunehmenden Spezialisierung der Fachkräfte auch von diesen selbst geleistet werden. Das Wissensmanagement im Unternehmen muss sie dabei unterstützen.

In diesem Kontext geht es um die letzte Aufgabe, und nur um diese. Wie kann es Betrieben gelingen, die zeitliche Lücke zwischen Entwicklung und Anwendung von Technik und Organisation klein zu halten? Hierzu haben PAWLOWSKY und BÄUMER bereits 1996 einen Vorschlag für die betriebliche Weiterbildung entwickelt, der nichts an seiner Aktualität verloren hat.

Sie unterscheiden fünf Stufen für einen Wissensprozess: Identifikation der Wissensquellen, Diffusion zu den potenziellen Nutzern, Integration des neuen Wissens in die vorhandenen Wissensbestände, Modifikation für den Anwendungsbereich und Aktion als Nutzung. Damit haben sie schon sehr früh deutlich gemacht, dass es beim Wissensmanagement um mehr geht, als um das Sammeln von Informationen und ihre Ablage in Datenfriedhöfen. Für sie ist Wissensmanagement ein Instrument zur Gestaltung von beruflicher Bildung: „Vereinfacht ausgedrückt ist es die Aufgabe eines betrieblichen Wissensmanagements, erfolgsrelevantes Wissen zu identifizieren und zu entwickeln sowie dieses Wissen dem Unternehmen verfügbar zu machen“ (a.a.o. 187).

Der Begriff der Gestaltung bedarf in diesem Kontext einer Erläuterung. PAWLOWSKY und BÄUMER unterscheiden eine strategieerfüllende und eine strategiegestaltende Weiterbildung (a.a.o. 45ff.). Strategieerfüllend meint, die Weiterbildung folgt den Vorgaben aus ihren Anwendungsbereichen. Ist im Betrieb erst einmal eine bestimmte Technik installiert, bzw. die Entscheidung dazu gefallen, müssen die dafür notwendigen Qualifikationen vermittelt werden. Der Bildung bleibt nur die Wahl, wie und wie gut sie diese Aufgabe leisten will.

Eine strategiegestaltende Weiterbildung hingegen ändert ihren Focus hin zur Entwicklung des Humanpotenzials eines Unternehmens. Sie zielt darauf ab, Mitarbeiter zu befähigen, an Entscheidungen mitzuwirken. Es geht also nicht darum, die Weiterbildungsabteilung an strategischen Entscheidungen zu beteiligen, sondern im Unternehmen eine Lernkultur zu entwickeln und so zu einem Lernenden Unternehmen beizutragen (a.a.o. 52).

Welche Rolle wird hier nun dem Wissensmanagement zugeschrieben? Wissensmanagement soll die Struktur und die Werkzeuge für organisationales Lernen liefern. Mitarbeiter werden dazu nicht als ausführende, sondern als sich selbst regulierende Einheiten betrachtet. Wie sie diese Regulationsfunktion wahrnehmen, hängt von ihrem jeweiligen Verständnis von Zusammenhängen und ihrer Sichtweise ab. Lernen zielt hier in einem ersten Schritt darauf ab, das Wissen der einzelnen Mitarbeiter so zu verbessern, dass sie flexibler auf veränderte Anforderungen oder Störungen reagieren können. Die Fähigkeit mit Komplexität umzugehen wird erhöht und damit die Komplexitätsanforderungen an das Management verringert (a.a.o.  208ff.).

In einem zweiten Schritt erkunden Mitarbeiter selbst die ihren Arbeitsplatz betreffenden Entwicklungen und stoßen Innovationsprozesse an.

Wie relevant solche Lernkonzepte sind, wird deutlich, wenn man Überlegungen von PRAHALAD (2009) folgt, nach denen die Innovationsfähigkeit von Unternehmen letztlich entscheidend für ihren Erfolg ist. Dabei ist es verkürzt, den Blick nur auf die Produktinnovationen zu richten, Prozessinnovationen haben eine mindestens gleichwertige Bedeutung.

2.2 Die Unterscheidung von Daten, Informationen, Wissen

Überlegungen zum Wissensmanagement geben noch mit zwei weiteren Deutungsmustern neue Impulse für die berufliche Bildung und dienen hier zur Begründung der Funktionen von Kompetenzzentren. Dies ist einmal der Wissensbegriff selbst, zum anderen die Idee der lernenden Organisationen.

Einen ersten Impuls liefert der für das Wissensmanagement entwickelte Wissensbegriff. Im Wissensmanagement werden Daten, Informationen und Wissen unterschieden. Der Rohstoff des Wissens sind Daten. Als Daten wird bezeichnet, was in einem Lexikon steht oder im Internet transportiert wird. Als Daten wird im Wissensmanagement bezeichnet, was umgangssprachlich Wissen genannt wird. „Unendliche Verwirrungen entstehen alleine dadurch, dass geradezu habituell von Wissenstransfer, Wissensaustausch, Dokumentation von Wissen, gespeichertem Wissen und Wissensgenerierung die Rede ist, wenn nicht Wissen, sondern Daten gemeint sind“ (WILLKE 2001, 7).

Aus Daten entsteht Wissen erst durch die Zuordnung von Relevanzen. Dies kann in zwei Schritten geschehen: In einem ersten Schritt werden aus Daten Informationen „durch Einbindung in einen ersten Kontext von Relevanzen, die für ein bestimmtes System gelten“. „Da es keine Relevanzen an sich gibt, sondern jede Relevanz systemspezifisch und systemabhängig ist, folgt zwingend, dass jede Information nur systemrelativ sein kann. Eine Information ist nur dann konstituiert, wenn ein beobachtendes System über Relevanzkriterien verfügt und einem Datum eine spezifische Relevanz zuschreibt“ (a.a.o. 8.).

Für WILLKE folgt aus dieser Betrachtungsweise, dass auch der Austausch von Informationen nicht möglich ist: „Die ganze übliche Rede vom Informationsaustausch ist deshalb Selbsttäuschung. Ein Informationsaustausch setzt voraus, dass die beiden austauschenden Systeme die identischen Relevanzkriterien haben. Dies ist nicht einmal bei eineiigen Zwillingen der Fall, geschweige denn zwischen fremden Personen, verschiedenen Gruppen, Teams, Abteilungen, Organisationen oder gar Gesellschaften mit je eigener Geschichte, Identität, kognitiven Strukturen, Motiven und Zielen“ (a.a.o. 9.). Auch hier weicht die Sprache des Wissensmanagements wiederum von dem üblichen Gebrauch ab und es stellt sich die Frage, wie nützlich diese Konstrukte dann noch sein können? Für Pädagogen näherliegend ist hier vielleicht eine ganz ähnliche Diskussion, die um die Paradigmen der konstruktivistischen Pädagogik geführt werden. Auch hier steht die Überlegung im Vordergrund, dass es kein objektives, sondern nur subjektives Wissen geben kann. Die Übereinstimmung ist nicht zufällig, denn beide, Konstruktivismus und Wissensmanagement (zumindest das systemische, wie es von WILLKE vertreten wird) speisen sich aus denselben Wurzeln: Der Systemtheorie, wie sie insbesondere auf den sog. Joshua-Macy-Konferenzen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen diskutiert worden ist (HOLTZ 2008, 21). Und auch für die konstruktivistische Pädagogik muss man die Frage beantworten, wie nützlich sie für das tägliche pädagogische Handeln ist.

Am Beispiel eines Fachbuches lässt sich zeigen, dass der im Wissensmanagement verwendete Informationsbegriff durchaus auch praktisch sein kann. Betrachtet man das Fachbuch als System, dann handelt es sich bei den dort zusammengestellten Daten um Informationen, weil sie nach bestimmten Kriterien zusammengestellt worden sind. Das Wissensmanagement lenkt nun jedoch den Blick auf den Aspekt, nach welchen Kriterien diese Daten ausgewählt und aufbereitet worden sind. Für den Schüler, der aus dem Fachbuch etwas lernen will, liefert es jedoch nur Daten. Trotzdem ist es keineswegs unerheblich, nach welchen Kriterien das Fachbuch erstellt worden ist. Einerseits fließen also nicht automatisch die Informationen aus dem Fachbuch in das Gehirn des Schülers, andererseits ist die Ordnung der Daten im Fachbuch durchaus erheblich für die Chancen des Schülers, sie nach seinen Relevanzkriterien als Informationen zu ordnen. Die Betrachtungsweise des Wissensmanagements macht deutlich, dass ein Fachbuch aus der Sicht seines Erstellers noch so viele Informationen enthalten kann, der Nutzen sich immer erst aus den Relevanzkriterien des Lesers ergibt. Wer also als Lehrbuchautor will, dass jemand aus seinem Produkt lernen kann, muss sich an den Relevanzen des potenziellen Lesers orientieren. Ein Blick in Fachbücher für den Berufsschulunterricht kann zeigen, dass die Umsetzung dieser Forderung keineswegs selbstverständlich ist.

Beschreibt man diesen Prozess in den Begriffen der konstruktivistischen Ermöglichungsdidaktik, dann wird Lernen als Rekonstruktion von Sachverhalten umso besser ermöglicht, je mehr die Dekonstruktion durch die Lehrenden die Lernenden einbezieht (REICH 2008, 142ff.).

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die fünf Schritte im Wissensprozess von PAWLOWSKY und BÄUMER, dann geht es einmal darum, Quellen zu identifizieren, aus denen Daten für die Generierung von Wissen gewonnen werden können, zum anderen müssen diese Daten in das Wissenssystem der Anwender integriert und dazu modifiziert werden. Mit den Begriffen des systemischen Wissensmanagements handelt es sich bei diesem Prozess des organisationalen Lernens um die Zuordnung der aus einem bestimmten System, z. B. der Forschungen eines Instituts, gewonnenen Daten, zu den für die betriebliche Anwendung als anderem System gültigen Relevanzen.

Es ist insbesondere dieser Zusammenhang, der die Skepsis gegenüber Hochschulen als Innovationsagenturen begründet. Hochschulen produzieren Wissen für ihren Kontext, d.h. für Wissenschaftler an Hochschulen. Für den Rest der Welt produzieren sie Daten. Nur wenn sie sich für den Anwendungskontext ihrer Wissenschaft interessieren, können sie dafür Informationen aufbereiten. Mit einer solchen Erklärung lässt sich z. B. auch die Rolle von Forschungsinstituten interpretieren, wenn sie sich als Vermittler zwischen Forschung und Anwendung verstehen.

Auch Lernpsychologen beschäftigen sich mit dem Transfer von Informationen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung und bieten als Lösung die „Situierte Kognition“ an. „In Theorien situierten Lernens gilt Lernen als ein Prozess, in dem personeninterne Faktoren mit personenexternen, situativen Komponenten in Wechselbeziehung stehen“ (GRUBER et.al. 2000, 144).

2.3 Generierung von Wissen

Das systemische Wissensmanagement unterscheidet zwei Prozesse für die Generierung von Wissen. In dem ersten zuvor beschriebenen Prozess werden aus Daten Informationen durch ihre Einbindung in Relevanzen des Systems, in dem sie angewendet werden sollen. „Aus Informationen wird Wissen durch Einbindung in einem zweiten Kontext von Relevanzen. Dieser zweite Kontext besteht nicht, wie der erste, aus Relevanzkriterien, sondern aus bedeutsamen Erfahrungsmustern, die das System in einem speziell dafür erforderlichen Gedächtnis speichert und verfügbar hält …Wissen entsteht durch den Einbau von Informationen in Erfahrungskontexte, die sich in Genese und Geschichte des Systems als bedeutsam für sein Überleben und seine Reproduktion herausgestellt haben. Wissen ist notwendiger Bestandteil eines zweckorientierten Produktionsprozesses“ (WILLKE 2001, 11).

Um die Anforderungen der Wissensgesellschaft deutlich zu machen, unterscheidet WILLKE wissensbasierte Facharbeit und Wissensarbeit: „Die Meister der mittelalterlichen Gilden arbeiteten wissensbasiert und dies zieht sich durch bis zum heutigen Facharbeiter. … Geändert hat sich auf der Seite der Personen die Veränderungsgeschwindigkeit der Wissensbasierung. Wissensarbeit im hier verwendeten Sinne meint Arbeit von Experten, deren Expertise kontinuierlicher Revision unterworfen ist“ (a.a.o. 23). Aber auch Facharbeiter werden nicht mehr nur als Anwender von Wissen gesehen. Für sie prägt WILLKE den Begriff des „Kognitariats“, das den alten Formeln proletarischer Existenz längst entwachsen sei (a.a.o. 25).

2.4 Die Idee der lernenden Organisation

Eine der Fragen, auf die Wissensmanagement eine Antwort finden soll, ist, wie in Unternehmen oder anderen Organisationen unter den Bedingungen verteilter Intelligenz und dezentrierter Expertise erfolgreich gearbeitet werden kann.

Eine der für die Antwort entscheidenden Annahmen besagt, dass nicht nur Personen, sondern auch Organisationen lernen können. Es gibt damit nicht nur individuelles Wissen, sondern auch organisationales. „Die heute mögliche Form von Wissensarbeit ergibt sich erst, wenn beide Seiten, Personen und Organisationen, in komplementärer Weise Wissen generieren, nutzen und sich wechselseitig ihr Wissenspotential zur Verfügung stellen“ (a.a.o. 29).

Während die konstruktivistische Pädagogik das Lernen des Individuums in den Focus ihrer Überlegungen stellt, ist es beim Wissensmanagement das Lernen der Organisation. Dafür ist zwar das Lernen der in ihr tätigen Menschen eine unabdingbare Voraussetzung. Wie dieses Lernen ermöglicht und gefördert wird, muss von der Organisation als System insgesamt gelernt werden.

Wissensbasierte Facharbeit kann immer nur so gut sein, wie die Wissensbasis, auf der sie agiert. Für das Lernen der Fachkräfte als Kognitariat müssen dazu geeignete Daten bereit gestellt werden. In einer lernenden Organisation kann dies durch Wissensarbeiter geleistet werden. Wissensarbeiter erhalten in diesem System die Rolle der Informationsbeschleuniger.

3 Kompetenzzentren als Innovationsbeschleuniger

3.1 Innovationsbedarf im Handwerk

Größere Unternehmen haben längst begonnen, mehr oder weniger erfolgreich organisationale Lernprozesse zu implementieren. Sie nutzen eine Vielzahl der vom Wissensmanagement dafür entwickelten Werkzeuge und vernetzen ihre Forschungsabteilungen mit den Anwendungsbereichen. Für kleinere Handwerksbetriebe bleiben solche Lösungsansätze bisher verschlossen. Nun stehen Handwerksbetriebe zwar auch nicht unter einem vergleichbaren Wettbewerbsdruck wie global agierende Unternehmen. Für sie entsteht der Bedarf am technischen Wandel teilzunehmen, aus einem anderen Zusammenhang. Handwerksbetriebe sind ein Zwischenglied zwischen industriell hergestellten Produkten und den Kunden dieser Produkte. Bei einer Vielzahl von Produkten entscheidet die Kompetenz von Handwerksbetrieben, ob Betriebe ihre Kunden überhaupt erreichen.

Zwar gelangen viele Produkte auch über den Handel zu ihren Kunden, überall dort aber, wo für ein Produkt Installation und Wartung notwendig sind, ist seine Akzeptanz von der verfügbaren Kompetenz eines Handwerksbetriebes abhängig. Dies gilt für Autos und Heizungsanlagen, Beleuchtungen und Kücheneinbauten. Damit ist vor allem unsere Lebensqualität viel abhängiger von gut qualifizierten Handwerkern als von Industriearbeitern. Wie und mit welchen Qualifikationen ein Industriebetrieb produziert, ist letztlich ein internes Problem. Das Unternehmen wird erfolgreich sein, solange es auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig ist. Über die Produktqualität geben häufig zudem noch Tests Auskunft. Wenn aber ein Handwerker bei der Wärmedämmung eines Wohnhauses die Dampfsperre auf der falschen Seite der Dämmung anbringt, dann merkt das der Kunde zunächst gar nicht, dafür leidet nach einiger Zeit seine Gesundheit, weil sich Schimmel ausbreitet.

Das Handwerk ist teilweise von der Geschwindigkeit des technischen Wandels nicht so betroffen, wie die Industrie. Manche Handwerksbetriebe halten sich sogar erstaunlich lange mit ihren Dienstleistungen für veraltete Techniken. Wie das Beispiel des Hufschmieds und des Reetdachdeckers zeigen, gibt es sogar Renaissancen. Wenn ein Gewerk jedoch einen technischen Trend dauerhaft verpasst, können die Folgen dramatisch sein. Ein Beispiel ist die Büromaschinentechnik. Dieses Gewerk gibt es praktisch nicht mehr, weil es die Computerisierung verschlafen hat. Ein ähnliches Schicksal droht den Rundfunk- und Fernsehtechnikern, weil es an den neuen Geräten nichts mehr zu reparieren gibt.

Das Qualifikationsniveau im Handwerk hoch und auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten, ist damit nicht nur für das Überleben der einzelnen Betriebe wichtig, es ist von grundsätzlichem wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Interesse. Kompetenzzentren sind dafür eine sinnvolle Infrastrukturleistung.

3.2 Die Funktion von Kompetenzzentren für das Wissensmanagement im Handwerk

Die Überlegungen des Wissensmanagements lassen sich auf die Bestimmung der Funktion von Kompetenzzentren dann anwenden, wenn als Organisation nicht der einzelne Handwerksbetrieb gesehen wird, sondern Handwerksbetriebe als Verbund, die sich als System betrachten lassen. Als System lassen sie sich definieren, wenn sie sich durch ein bestimmtes Merkmal von anderen Systemen abgrenzen. Dafür bietet sich für das Handwerk insbesondere das Gewerk an. Es kann sich aber auch um andere Merkmale handeln, wie z. B. eine spezielle Dienstleistung.

Das Kompetenzzentrum wird für die weiteren Überlegungen jeweils als Teil dieses Systems definiert. Es ist der Ort, der für den Verbund der Handwerksbetriebe Expertise bereithält und dafür Wissensarbeit leistet.

Alternativ wäre es natürlich denkbar, das Kompetenzzentrum einfach als Bildungsdienstleister zu definieren, der seine Leistungen Handwerksbetrieben als Kunden anbietet. Es kommt auf die Betrachtungsweise an. Vorteil der Betrachtung als Gesamtsystem ist, dass sich damit die Funktion der Kompetenzzentren als Teil des Wissensmanagements für die ihm im Verbund angeschlossenen Handwerksbetriebe konzipieren lässt.

Bei dieser Betrachtungsweise zeigt sich der Vorteil, der Unterscheidung der zwei Relevanz-Ebenen im systemischen Wissensmanagement. Dem Kompetenzzentrum lässt sich die Aufgabe zuweisen, aus Daten Informationen zu generieren, Wissen wird daraus erst im betrieblichen Kontext.

3.3 Wunsch und Wirklichkeit

Im vorhergehenden Kapitel wurde das theoretische Konzept von Kompetenzzentren als Innovationsbeschleuniger entworfen. Wieweit erfüllen die real geförderten Kompetenzzentren diese Anforderungen?

Wie bei solchen Förderprogrammen üblich, werden Sinn und Ziel der Förderung in einer Konzeption beschrieben, die Förderungen selbst werden in einer gemeinsamen Förderrichtlinie von BMBF und BMWi (BMBF/BMWi 2009) geregelt. Das BMBF fördert über das BIBB die Ausbildung, das BMWi die Weiterbildung.

Die Anforderungen sind in der Konzeption des BMBF von 2001 (18f) in 9 Punkten beschrieben:

  • Die Entwicklung von ÜBS als Kompetenzzentren setzt eine Netzstrategie der Organisationen der Träger voraus.
  • Eine verstärkte Zusammenarbeit der Lernorte Betrieb und Berufsschule mit den überbetrieblichen Einrichtungen. Damit die Kompetenzzentren fachübergreifend ihre Aufgaben wahrnehmen können, sollen sie alle Möglichkeiten der Kooperation auf regionaler Ebene ausschöpfen (z. B. Zusammenarbeit mit Hochschulen, Forschungsinstituten, anderen Bildungsträgern).
  • Kompetenzzentren sollen aufeinander abgestimmte, aber unterschiedliche Schwerpunkte setzen, Speziallehrgänge entwickeln und sie für eine Integration in die überbetriebliche Ausbildung sowie für die Fort- und Weiterbildung aufbereiten und erproben. Profilierung in Kooperation ist dabei das Leitmotiv.
  • Kompetenzzentren sollen durch Monitoring technologische Entwicklungen früh erfassen, auswerten und auf ihre Notwendigkeit zur Vermittlung in der Aus- und Weiterbildung hin überprüfen. So werden bessere Voraussetzungen für die präventive Unternehmensplanung in Klein- und Mittelbetrieben geschaffen.
  • Kompetenzzentren sollen verstärkt Betriebsmanagement, Produktdiversifikationen, Marketing, Umweltmanagement, Arbeitssicherheit und Qualitätsmanagement in die Aus- und Weiterbildung integrieren. Sie sollten zertifiziert sein und auf der Grundlage moderner Qualitätsmanagementmethoden arbeiten.
  • Kompetenzzentren sind auch Orte des Technologietransfers. Anwendung und Nutzung moderner Technologien einschließlich der Informations- und Kommunikationstechniken können erheblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Klein- und Mittelbetrieben beitragen. Sie sind essentiell für die berufliche Aus- und Weiterbildung.
  • Die Kooperation bzw. Verzahnung von der Aus-und Weiterbildung mit der allgemeinen Betriebsberatung, die Bereitstellung der Maschinen für Demonstrationszwecke und Ausbildung für einzelbetriebliche Aufgaben können die Durchführung von Entwicklungsarbeiten im Auftrag einzelner Betriebe unterstützen und gleichzeitig die Akzeptanz der überbetrieblichen Berufsbildung erhöhen. Durch die Vernetzung mit anderen Zentren und Beratungsstellen steht dem Kompetenzzentrum dort nicht vorhandenes Know-How zur Verfügung.
  • Ein wesentlicher Schlüsselfaktor für die ÜBS als Kompetenzzentren ist das Qualifikationsniveau sowie das methodische Handeln der Ausbilder, das den Anforderungen des sich permanent vollziehenden wirtschaftlichen, technischen und berufspädagogischen Wandels angepasst werden muss. Hier ließe sich durch Verbesserung der internen Kommunikation, d. h. durch Nutzung der Kenntnisse und Erfahrungen der Ausbildungsberater, Ausbildungsplatzentwickler und in die Berufsbildung eingebundener Ehrenamtsträger eine enge Verzahnung aller Dienstleistungsbereiche erreichen. Die Einbindung von Mitarbeitern der Kammern und Fachverbände in das Informations- und Beratungssystem soll eine Angebotsbündelung und damit den Zugang zu Beratung und Weiterbildung erleichtern.
  • Die neuen I+K-Technologien sind hierfür ein geeignetes Medium. Nur über eine Vernetzung lassen sich künftig in dem erforderlichen Masse externe Wissenspotentiale erschließen sowie insgesamt eine neue Qualität kundenorientierter Dienstleistung erreichen. Es ist ein vordringliches Anliegen, die Ausstattungen sowie die arbeitsorganisatorischen und personellen Bereiche der ÜBS so weiter zu entwickeln, dass sie in möglichst kurzer Zeit die Netzwerkfähigkeit erlangen.
  • In den Kompetenzzentren soll Bildungscontrolling stattfinden und die Ergebnisse den Nutzern in geeigneter Art und Weise zugänglich gemacht werden. Transparenz wirkt vertrauensbildend und kann die Akzeptanz der ÜBS insgesamt verstärken.

Zwei dieser Anforderungen sind von besonderer Bedeutung:

Zum einen haben die Kompetenzzentren die Aufgabe, Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung zu beobachten und daraus den Bedarf für Aus- und Weiterbildung herzuleiten. Sie sollen also ausdrücklich nicht darauf warten, dass dieser Bedarf durch die Betriebe an sie herangetragen wird. In der Unterscheidung von Push- und Pull-Strategien wird ihnen also eine Push-Strategie zugewiesen. Sie sollen selber Trends für die Aus- und Weiterbildung anstoßen und sich nicht von Trends ziehen lassen.

Zum zweiten soll jedes Kompetenzzentrum bundesweit nur einen fachlichen Schwerpunkt abdecken. Es ist insbesondere diese Vorgabe, die für eine Betrachtungsweise der Kompetenzzentren als Teil eines bundesweiten Verbundes spricht, denen als System das Merkmal gemeinsam ist, dass der fachliche Schwerpunkt für sie relevant ist.

Misst man die Vorgaben der Konzeption an den fünf Prozessstufen von PAWLOWSKY und BÄUMER, dann können drei der Stufen als durch die Konzeption geregelt angesehen werden. Für die Identifikation wird als Quelle Forschung und Entwicklung genannt, als Fokus der Integration kann der fachliche Schwerpunkt gelten. Die Modifikation dient der Aus- und Weiterbildung. Nicht hinreichend definiert sind Diffusion und Aktion.

Für die Diffusion wird den Kompetenzzentren Netzwerkfähigkeit aufgegeben. Konkret benannt werden jedoch nur interne Kommunikation und das Netz mit anderen Kompetenzzentren. Ein Netzaufbau entsprechend der hier hergeleiteten Systemdefinition als Verbund von Betrieben, für die die Ergebnisse relevant wären, fehlt. Dem entspricht, dass auch das Anwendungsfeld – also der Schritt „Aktion“ – in der Konzeption völlig offen bleibt.

Nun ist es allerdings so, dass diese Leerstellen dem Konzept nicht allein anzulasten ist, vielmehr sollte die Ausgestaltung der Netze von Kompetenzzentren den Verbänden der Wirtschaft überlassen bleiben. Der Zentralverband des deutschen Handwerks, dem die meisten Kompetenzzentren zuzuordnen sind, hat diese Leerstellen bisher nicht gefüllt.

3.4 Weiterentwicklung der Förderung

Nach nunmehr zehn Jahren Erfahrung mit der Förderung von Kompetenzzentren ist es an der Zeit, nicht nur die Förderrichtlinien anzupassen, sondern auch die Konzeption neu zu schreiben. Ansatzpunkte für Überlegungen dazu sind die hier identifizierten Leerstellen im Wissensprozess, der Diffusion und der Aktion.

Begonnen wird hier mit der Aktion, denn Festlegungen dazu haben Konsequenzen für die Diffusion.

Aus der Vorgabe, dass es für jeden fachlichen Schwerpunkt bundesweit nur ein Kompetenzzentrum geben soll, ist zu schließen, dass die von ihnen entwickelte Aus- und Weiterbildungskonzepte nicht nur lokal oder regional, sondern bundesweit wirksam werden müssen. Nur unter dieser Voraussetzung macht die Einschränkung der Schwerpunkte bildungspolitisch einen Sinn.

Um bundesweit wirksam zu werden, gibt es für Kompetenzzentren zwei Wege, ihre Kunden zu erreichen. Ein Weg ist über Online-Lernangebote. Solche bundesweiten Angebote gibt es z. B. für die Vorbereitung auf die Meisterprüfung, meist als Blended Learning.

Der andere Weg ist über das Netz der überbetrieblichen Bildungszentren. Es gibt über 700 solcher Bildungszentren, die Maßnahmen ergänzend zur betrieblichen Ausbildung und zur Berufsschule durchführen und die durch das BIBB dafür gefördert werden.

Bildungspolitisch ist der Weg über die Bildungszentren sinnvoller, weil sie ein fester Bestandteil des beruflichen Bildungssystems sind, zumindest für das Handwerk. Ihre Angebote für die Aus- und Weiterbildung auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten, war schließlich einmal die Ausgangsintention für die Förderung von Kompetenzzentren. Bisher tragen die vorhandenen Kompetenzzentren aus den aufgezeigten Gründen wenig oder gar nichts dazu bei, dieses Ziel zu erreichen. Daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen, denn es gibt für den bundesweiten Transfer von Leistungen der Kompetenzzentren zu den überbetrieblichen Bildungszentren bisher weder in der Konzeption noch in den Förderrichtlinien Vorgaben und entsprechend auch keine Evaluationskriterien.

Will die Bildungspolitik an dem Ziel festhalten, durch die Förderung von Kompetenzzentren die Qualität der Aus- und Weiterbildung nicht nur schwerpunktmäßig regional, sondern bundesweit insgesamt zu unterstützen, dann muss als Ziel die Unterstützung aller überbetrieblichen Bildungszentren in Konzeption und Förderrichtlinie verbindlich vorgegeben werden. Dies bedeutet: Kompetenzzentren bieten ihre geförderten Leistungen bundesweit nicht direkt Betrieben an, sondern über Bildungszentren als regionalen Multiplikatoren.

Aus einer solchen politischen Festlegung folgen Konsequenzen für die Diffusion:

Im Gegensatz zu dem von PAWLOWSKY und BÄUMER vorgeschlagenen Ablauf muss hier die Diffusion hinter der Integration und auch der Modifikation eingeordnet werden, die beide als Aufgabe der Kompetenzzentren gesehen werden. Es werden also erst Daten zu Informationen aufbereitet und diese dann verteilt. In welcher Weise die Informationen aufbereitet werden, kann dabei offen bleiben. Es kann sich um kurze Lernbausteine handeln oder auch um umfangreiche Lernszenarien. Leitidee kann das Geschäftsprozessorientierte Wissensmanagement sein (ABECKER et al. 2002). Zeitgemäß ist der Transport über elektronische Netze.

Entscheidend für den Erfolg dieses Transfers ist letztlich die Finanzierung. Kompetenzzentren können nach den gegenwärtig gültigen Förderrichtlinien für insgesamt sieben Jahre (vier Jahre für die Entwicklung zum Kompetenzzentrum, drei für ein Leitprojekt) eine Förderung erhalten. Danach können nur noch einzelne Projekte bei nachgewiesenem Innovationsbedarf gefördert werden. Eine dauerhafte institutionelle Förderung ist bisher ausgeschlossen. Gerade die wäre jedoch notwendig, denn es gibt für die Aufbereitung von Daten zu Informationen kein tragfähiges Geschäftsmodell und es wird auch in Zukunft keins geben, denn es gibt keinen funktionierenden Markt. Zum einen sind die Kompetenzzentren auf ihre fachlichen Schwerpunkte festgelegt. Bei unzureichender Nachfrage nach ihren Produkten können sie nicht einfach den fachlichen Schwerpunkt ändern. Zum anderen sind die einzigen möglichen Abnehmer die überbetrieblichen Bildungszentren.

Es bietet sich deshalb an, die Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen für die berufliche Aus- und Weiterbildung als Infrastrukturleistung zu betrachten und ebenso wie Berufs- und Hochschulen aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Will man verhindern, dass diese so geförderten Kompetenzzentren am Bedarf vorbei produzieren, gibt es die Möglichkeit, die Abnahme durch die überbetrieblichen Zentren zu fördern und nicht die Produktion. Ein ordnungspolitischer Grund, warum dies nicht möglich sein sollte, ist nicht zu erkennen.

Literatur

ABECKER, A./ HINKELMANN, K./ MAUS, H./ MÜLLER, H. J. (Hrsg.) (2002): Geschäftsprozessorientiertes Wissensmanagement. Berlin, Heidelberg.

BAETHGE, M./ SOLGA, H./ WIEK, M. (2007): Berufsbildung im Umbruch – Signale eines überfälligen Aufbruchs. Berlin.

BIBB (2009): Liste der vom BIBB geförderten Kompetenzzentren. Online: http://www.bibb.de/de/20764.htm  (05.06.2011).

BMBF (2001): Förderkonzept Überbetriebliche Berufsbildungsstätten. Online: http://www.bibb.de/de/22022.htm  (05.06.2011).

BMBF/ BMWi (2009): Gemeinsame Richtlinien für die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstätten (ÜBS) und ihrer Weiterentwicklung zu Kompetenzzentren. Online: http://www.bibb.de/de/22022.htm  (05.06.2011).

GRUBER, H./ MANDL, H./ RENKL, A. (2000): Was Lernen wir in Schule und Hochschule: Träges Wissen? In: MANDL, H./ GERSTENMAIER, J. (Hrsg.): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle.

HOLTZ, K.L. (2008): Einführung in die systemische Pädagogik. Heidelberg.

MALIK, F. (2004): Gefährliche Managementwörter. Frankfurt/Main.

MAYER, K. U. (2003): Das Hochschulwesen. In: CORTINA, K. S. et al.(Hrsg.): Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland. Reinbek.

MEERTEN, E. (2002): Begründung der Notwendigkeit und Leitansprüche einer Weiterentwicklung von ÜBS zu Kompetenzzentren in den Ideenskizzen. In: AUTSCH, B./ MEERTEN, E.: Überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) auf dem Wege zu dienstleistungsorientierten Kompetenzzentren. Bonn.

PAWLOWSKY, P./ BÄUMER, J. (1996): Betriebliche Weiterbildung. Management von Qualifikation und Wissen. München.

PRAHALAD, C. K./ KRISHNAN, M.S. (2009): Die Revolution der Innovation. München.

REICH, K. (2008): Konstruktivistische Didaktik. Weinheim, Basel.

WILLKE, H. (2001): Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart.


Zitieren dieses Beitrages

KOCH, J. (2011): Die Rolle von Kompetenzzentren für die Aktualisierung von Qualifikationen für die Aus- und Weiterbildung im In: bwp@ Spezial 5 – Hochschultage Berufliche Bildung 2011, Workshop 26, hrsg. v. BECKER, M./ KREBS, R./ SPÖTTL, G., 1-14. Online: http://www.bwpat.de/ht2011/ws26/koch_ws26-ht2011.pdf (26-09-2011).



Hochschultage Berufliche Bildung 2011 - Web page

http://www.hochschultage-2011.de/