wbv   Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V.

 

 



Schrift vergrößern Schrift zurücksetzen Schrift verkleinern download pdf-file pdf file | www.bwpat.de











 

 bwp@ Spezial 4 | September 2008
Hochschultage Berufliche Bildung 2008
WS 25 Berufsbildungspersonal

Kooperative Qualifizierung von Lehrern und Ausbildern als Beitrag zur Professionalisierung. Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im Rahmen des Projektes „XENOS-Mentoren“

 

Abstract

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie in der beruflichen Bildung eine weitere Professionalisierung des Bildungspersonals gelingen kann. Die Notwendigkeit dazu resultiert u. a. aus der veränderten gesellschaftlichen Erwartung, dass berufliche Bildung wieder stärker zur Entwicklung von Werthaltungen und sozialen Verhaltensweisen bei der nachfolgenden Generation beizutragen hat. Ausgehend vom wissenschaftlichen Diskurs zur Professionalisierung der Tätigkeiten berufspädagogisch Handelnder, soll anhand eines wissenschaftlich begleitenden Projekts aufgezeigt werden, welche konkreten Veränderungen sich auf der Teilnehmerseite durch verschiedene Interventionen einstellen. Das Projekt wurde im Rahmen der Bundesinitiative „XENOS“ durchgeführt und hat zum Ziel, das Bildungspersonal für ethische und gesellschaftspolitische Fragestellungen im Rahmen der Berufsbildung zu sensibilisieren und zu einer aktiven Rollenwahrnehmung als Mentor gegenüber den Jugendlichen zu befähigen. Die Ergebnisse zeigen, dass durch die langfristige Zusammenarbeit in heterogenen Lerngruppen eine grundlegende Verankerung eines veränderten Rollenbildes erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Teilnehmer eigeninitiativ zur Teilnahme entschieden hat. Weitere Folgerungen für eine veränderte „Weiterbildungskultur“ und die grundsätzliche Gestaltung von berufsbegleitenden Fortbildungen werden abschließend gezogen.

1.  Einleitung

Berufliche Bildung ist in Deutschland ein wesentlicher Faktor der dazu beiträgt, die Wertschöpfung der Unternehmen in einem kompetitiven Marktumfeld zu sichern. Es besteht damit neben der pädagogischen Intention, zur Identitätsbildung der nachwachsenden Generation beizutragen, auch vermehrt der bildungsökonomische Anspruch, beruflich verwertbare Kompetenzen zu entwickeln. Dies kann nicht nur durch die Steigerung der Quantität der vermittelten Inhalte gelingen, sondern setzt eine aktive Auseinandersetzung und Reflektion des Gelernten im Bildungsprozess voraus. Dadurch werden Fachkräfte im Rahmen der beruflichen Erstausbildung, Weiterbildung oder in arbeitsmarktpolitischen Fortbildungen auf ein Handeln in betrieblichen Prozessen vorbereitet, in denen sie gefordert sind, eigenständige Entscheidungen zu treffen und Lösungen für neuartige Kundenanforderungen zu generieren. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die erzieherische Wirksamkeit von traditionellen gesellschaftlichen Erziehungsinstanzen, wie Eltern, Familie sowie des sozialen Umfeldes zunehmend schwindet.

Es stellt sich damit die Frage, wie berufspädagogisch Handelnde, d.h. all jene die haupt- oder nebenberuflich an den verschiedenen Lernorten Berufsbildungsprozesse initiieren, vorbereitet sein müssen, um angesichts der skizzierten Rahmenbedingen die Qualität und den Erfolg der Bildungsmaßnahmen sicherstellen zu können. Die Anforderungen haben sich insofern auf allen Ebenen deutlich von dem vielfach noch verankerten Selbstbild eines Fachexperten hin zu einem „Begleiter“ von Teilnehmern in der beruflichen Bildung gewandelt. Denn nur wenn man auch die erzieherische Dimension wahrnimmt, kann ein Bildungsprozess gelingen, der insbesondere Jugendliche auch zur Ausbildung gesellschaftlich geteilter Normen und dem Umgang mit betrieblichen Wertestrukturen befähigt.

Der vorliegende Beitrag stellt sich daher die Frage, wie eine solche Professionalisierung der berufspädagogisch Handelnden – angesichts der veränderten Anforderungen an berufliche Bildung – gelingen kann. Kapitel zwei arbeitet hierzu die wesentlichen Aufgaben des Bildungspersonals heraus und zeigt anhand der Professionalisierungsdiskussion auf, welche Elemente eine erfolgversprechende Qualifizierungsstrategie enthalten sollte. Im Rahmen des in Kapitel drei beschriebenen Projektes „XENOS-Mentoren“ sollte erprobt werden, ob die theoretisch abgeleiteten Effekte in der praktischen Durchführung einer solchen Qualifizierung tatsächlich erreicht werden konnten. Das Kapitel vier stellt die wesentlichen Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung dieses Projektes zur kooperativen Qualifizierung von berufspädagogisch Handelnden in der beruflichen Erstausbildung aus verschiedenen Lernorten dar. Der Beitrag schließt mit einem Fazit, der die wesentlichen Erkenntnisse und bestehenden Herausforderungen herausarbeitet.

2.  Professionalisierung und Qualifizierung berufspädagogisch Handelnder

Berufliche Bildung ist verstärkt durch eine zunehmende Pluralität von Aufgaben, Lernorten, Klienten, Akteuren, Rollenbilder, usw. gekennzeichnet. Insbesondere die Ausdifferenzierung der Lernorte hat Implikationen für das Personal. Berufspädagogisch Handelnde sind nicht nur Berufsschullehrer und Ausbilder in der klassischen Sicht des Dualen Systems, sondern auch die vielen nebenberuflich ausbildenden Fachkräfte in den Betrieben, Stützlehrer und Sozialpädagogen in über- und außerbetrieblichen Bildungseinrichtungen. Zusätzlich zu einer wachsenden Zahl möglicher Positionen, Stellen und Funktionen machen (wieder) neue, erweiterte Aufgaben und steigende Anforderungen im Hinblick auf Technologien und Klientel ein anderes Rollenverständnis und eine Erweiterung der (z. T. informell erworbenen) pädagogischen Kompetenzen notwendig (vgl. HEIDEGGER/ RAUNER 1997, 37ff.; GRÜNEWALD/ u. a. 1998, 61ff.; DÖRING/ SEVERING 2000, 17ff.). Dieses andere, erweiterte Rollenverständnis wird mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Termini (wie z.B. Lernbegleiter, Lernberater, Mentor, Coach, etc.) charakterisiert und ist vorrangig dadurch gekennzeichnet, dass sich das Aufgabenspektrum, im Unterschied zum reinen wissensvermittelnden Fachexperten, erweitert hat. Dieser Wandel bedarf zusätzlicher methodischer und pädagogischer Fähigkeiten, aber vor allem auch einer pädagogisch reflektierten Einstellung im Hinblick auf die Lern- und Entwicklungsprozesse im Rahmen der beruflichen Bildung.

Sowohl das Duale System als auch das sog. „Übergangssystem“ sind durch eine Heterogenität und Pluralität der Lernorte charakterisiert. Eine historisch und rechtlich bedingte institutionelle Trennung begrenzt Lernorte auf bestimmte Funktionen, ohne eine Kooperation der Akteure zu unterstellen (vgl. WALDEN/ BRANDES 1995, 136). Auch aus einer systemtheoretischen Perspektive der Professionsforschung kooperieren Professionelle wenig mit Kollegen, da ihre Domäne primär durch die Interaktion mit den Klienten geprägt ist und sie zudem häufig in dominanten Positionen innerhalb beruflicher Hierarchien stehen (vgl. BAUER 2000a, 58). Vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die berufspädagogisch Handelnden im Zuge von Veränderungen auf Makro-, Meso- und Mikroebene, scheint aber eine funktional-arbeitsteilige Organisation von (Aus-)Bildung, in der Lernorte unverbunden nebeneinander stehen, zunehmend schwieriger legitimierbar. Dies gilt vor allem dann, wenn Pädagogen neben den Funktionen der Wissens- und Normenvermittlung, auch quasi-therapeutische Funktionen haben (vgl. ebd., 60). Vor diesem Hintergrund ist ein Miteinander statt Nebeneinander der Lernorte zwingend geboten. EULER spricht sich in diesem Kontext im Rahmen der beruflichen Bildung für eine verstärkte Netzwerkbildung im Sinne einer Integration von praktischem Handeln und theoretischer Reflexion aus (vgl. EULER 2004, 6). Lernortkooperation verlangt nach PÄTZOLD das „[…] technisch-organisatorische und vor allem das pädagogische Zusammenwirken des Lehr- und Ausbildungspersonals der (…) beteiligten Lernorte […]“ (PÄTZOLD 1996, 207), was u. E. gemeinsame Qualifizierungs- und Fortbildungsaktivitäten einschließt.

Die Hauptaufgabe berufspädagogisch Handelnder besteht darin, die ihnen anvertrauten Jugendlichen zu berufsfachlich kompetenten Akteuren in der Arbeitswelt zu entwickeln, sie darüber hinaus aber auch in ihrer gesamten Persönlichkeit intellektuell, emotional, sozial und ethisch zu fördern (vgl. KRAMIS-AEBISCHER 1995, 398). Dies gilt gleichermaßen für die Lehrenden in Berufsschulen, das Personal in über- und außerbetrieblichen Bildungsstätten sowie zumindest für die hauptamtlich ausbildenden Akteure in den Betrieben.

BAUER folgend handelt eine Person pädagogisch professionell, „[…] die gezielt ein professionelles Selbst aufbaut, das sich an berufstypischen Werten orientiert, die sich eines umfassenden pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben sicher ist, die sich mit sich und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer nichtalltäglichen Berufssprache zu verständigen in der Lage ist, ihre Handlungen aus einem empirisch-wissenschaftlichen Habitus heraus unter Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen kann und persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem Einflussbereich übernimmt“ (BAUER 2000b, 32).

In der Professionalisierungsforschung existiert eine Vielzahl von Ansätzen (vgl. BAUER/ BURKARD 1992). KRAFT identifiziert zwei wesentliche Verwendungskontexte des Professionalisierungsbegriffs, wobei der erste auf die Professionsentwicklung gerichtet ist (vgl. KRAFT 2006, 5f.) und damit die Etablierung von Berufen fokussiert. Insbesondere historisch-soziologische, aber auch kriterienbezogene Ansätze fokussieren eine solche Perspektive. Kriterienbezogene Ansätze bezeichnen Profession als Berufe, bei denen folgende Merkmale gegeben sind: hauptamtliche Erwerbstätigkeit, Mandat, Lizenz, Existenz eines eindeutigen Berufsbildes, eindeutige Regelung des Zugangs und der Qualifikationsanforderungen, soziales Prestige als Experte, Berufsverband als Interessenvertretung, planmäßige wissenschaftliche Berufsausbildung sowie Berufsethos (vgl. ARNOLD 1984, GIESEKE 1999, NITTEL/ SCHÜTZ 2005, PETERS 2005). Daneben werden auch Autonomie, Reflexivität und Kooperation als wesentliche Kriterien genannt (vgl. BAUER/ KOPKA/ BRINDT 1999, 11).

Der zweite Professionalisierungsbegriff charakterisiert die Entwicklung erwachsenenpädagogischer Professionalität (vgl. KRAFT 2006, 5f.). Professionalisierung in diesem Verständnis zielt auf eine Verbesserung des Handelns in der Weiterbildungspraxis und damit auf die Qualitätsentwicklung erwachsenenpädagogischen Handelns. „Professionalität bezeichnet eine besondere Qualität beruflichen Handelns von Professionellen“ (PETERS 1999, 99) und „[…] heißt, auf eine Kurzformel gebracht, die Fähigkeit nutzen zu können, breit gelagerte, wissenschaftlich vertiefte und damit vielfältig abstrahierte Kenntnisse in konkreten Situationen angemessen anwenden zu können. Oder umgekehrt betrachtet: in eben diesen Situationen zu erkennen, welche Bestandteile aus dem Wissensfundus relevant sein können. Es geht also darum, im einzelnen Fall das allgemeine Problem zu entdecken. Es wollen immer wieder Relationen hergestellt sein zwischen gelernten Generalisierungen und eintretenden Situationen, zwischen einem umfangreichen Interpretationsrepertoire und dem unmittelbar Erfahrenen“ (TIETGENS 1988, 37f.). TIETGENS macht damit deutlich, dass professionelles Handeln ganz entscheidend von umfassenden Kenntnissen und der Fähigkeit abhängig ist, eben diese Kenntnisse in spezifischen Situationen einzusetzen. Jedoch entstehen die von ihm angesprochenen Generalisierungen nicht nur durch eine wissenschaftlich-akademische Ausbildung, sondern in erheblichem Maße durch eine kritische Reflexion und Evaluation des eigenen Handelns bzw. auch des Handelns anderer.

Ein Entwicklungsmodell pädagogischer Praxis, das die systematische Reflexion der Praxis fokussiert, stellt SCHÖN bereit. Im Kontext einer professionellen beruflichen Entwicklung von Pädagogen ist die Reflexion von Anforderungen und Erfahrungen durch das Individuum von besonderer Bedeutung (vgl. SCHÖN 1983, SCHÖN 1987). In diesem Sinne formuliert DICK: „Die eigene Berufsbiografie erscheint als größte regressive Einflussvariable – zwar indirekter Art, die aber spätere Entscheidungsprozesse im Unterricht maßgeblich beeinflusst: Frühe Schuleindrücke, Lernorientierungen und Lehrererfahrungen korrigieren und transformieren die Ausbildungsbemühungen“ (DICK 1997, 29). Die Bedeutung der Reflexionsfähigkeit für Professionen wird aber auch aus systemtheoretischen Überlegungen heraus deutlich. So sind Professionen besondere Berufe, die sich von anderen dadurch unterscheiden, „[…] dass sie die Berufsidee reflexiv handhaben, also das Wissen und das Ethos eines Berufs bewusst kultivieren, kodifizieren und vertexten […]“ (STICHWEH 1996, 51). Reflexion scheint demnach ein wesentlicher Aspekt beim Aufbau pädagogischer Professionalität zu sein.

Zudem ergibt sich aus der Perspektive der Lehrerkognitionsforschung u. a. eine besondere Bedeutung kooperativer Lern- und Reflexionsaktivitäten für die pädagogisch Handelnden. So zeigen Untersuchungen, dass intensive Kooperation und Kommunikation zwischen Pädagogen – sowohl innerhalb eines Kollegiums oder Teams als auch extern auf Fortbildungen mit anderen – für psychische Stabilität und berufliche Identitätsentwicklung bedeutsam sind (vgl. TERHART 1998; HERRMANN/ HERTRAMPH 2000) und somit die berufliche Entwicklung fördern. Von MESSNER/ REUSSER wird zudem die Freiwilligkeit dieses Austausches für die professionelle Entwicklung hervorgehoben (vgl. MESSNER/ REUSSER 2000, 168).

KRAMIS-AEBISCHER kommt vor dem Hintergrund der Evaluation eines Interventionsprogramms im Rahmen der Belastungsverarbeitung von Berufsschullehrern zu folgenden Forderungen und Empfehlungen für die Fortbildung von Lehrern, die auch auf andere Akteure im Feld der beruflichen Bildung übertragbar erscheinen. Neben schulinternen Fortbildungen, welche die Arbeit an spezifischen Problemen und verstärkte Kooperationen ermöglicht, werden insbesondere vernetzte, kontinuierliche und permanente Fortbildungen, handlungs- und reflexionsorientierte Fortbildungen sowie didaktische, kommunikations- und persönlichkeitsorientierte Fortbildungen gefordert (vgl. KRAMIS-AEBISCHER 1995).

Es konnte anhand der aktuellen Forschung zur Professionalisierung gezeigt werden, dass Qualifizierungsansätze für Pädagogen, die auf den Elementen einer kooperativen Reflexion beruhen, einen Beitrag zur Professionalisierung des beruflichen Bildungspersonals leisten können. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn sie nicht lediglich der fachlichen Fortentwicklung dienen, sondern vor allem berufliche Werthaltungen, Rollenbilder und die gesellschaftliche Verantwortung des Ausbildungspersonals thematisieren. Diese Überlegungen sind in die Konzeption einer kooperativen Fortbildung für pädagogisch Handelnde in der schulischen, betrieblichen sowie außerbetrieblichen Berufsbildung eingeflossen, welche in den Jahren 2005 bis 2007 erprobt und evaluiert wurde.

3.  Projekt XENOS-MENTOREN

3.1  Ziele des Projektes

Der Hintergrund des Projektes „XENOS-Mentoren“ ist das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ins Leben gerufene Programm „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“. Durch das Programm werden Projekte gefördert, die Interventionen entwickeln, welche sich gegen Benachteiligung und Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft sowie gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz richten. Dabei soll erreicht werden, dass derartige Maßnahmen nachhaltig als Querschnittsaufgabe in der beruflichen Bildung und Beschäftigungsförderung verankert werden. Zudem wird berücksichtigt, dass insbesondere Jugendliche in der Phase ihrer Identitätsbildung anfällig für die Phänomene Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz sind. Eine Berufsausbildung, welche zu einem hohen Maß an sozialer, kultureller und ökonomischer Integration führt sowie die gezielte Thematisierung der oben genannten Phänomene während der Berufsausbildung können hier präventive Wirkungen entfalten.

Das Projekt „XENOS-Mentoren“ wurde von Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e.V. durchgeführt und zielte darauf, die oben genannten gesellschaftspolitischen Probleme bereits im Rahmen der schulischen, betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildung zum Gegenstand pädagogischer Interventionen zu machen. Die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme resultiert aus einer sich wandelnden, von Pluralität, Arbeitslosigkeit und Unsicherheit geprägten Arbeits- und Lebenswelt, in der traditionelle Lebensformen, Lebensstile und Bildungsziele aufgrund eines Entlegitimierungs- und Individualisierungsprozesses in der Gesellschaft zunehmend ihren orientierungsstiftenden Charakter verlieren. Damit steigt die Gefahr, dass Jugendliche sich in rechtsextremen oder anderen Randgruppen identitätsstiftende Elemente suchen.

Die berufsbildenden Institutionen müssen daher eine aktive Rolle einnehmen, um die Jugendlichen im Rahmen einer gelingenden Identitätsbildung und Selbstverwirklichung zu unterstützen und so auf eine plurale Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten. So kann eine Berufsausbildung, die den Prozess der Normen- und Werteentwicklung und eine Identitätsfindung im Jugendalter unterstützt, sowie Arbeitsmarktrisiken mindert, präventiv wirken. Im Projekt sollen die Multiplikatoren aus dem Bereich der beruflichen Erstausbildung befähigt werden, über eine zielgerichtete Entwicklung der berufspädagogischen Kompetenzen, sowie die Reflexion und Erweiterung der eigenen Ausbilderrolle, Themen wie Toleranz, Demokratieerziehung oder Bekämpfung von Ausgrenzung in ihre Ausbildertätigkeit zu integrieren.

Das Mentoring-Konzept bildet hierbei ein erfolgversprechendes didaktisch-methodisches Instrument zur Realisierung dieses Anspruches. Dieses Konzept stammt ursprünglich aus dem Bereich der Personalentwicklung und kennzeichnet in der Lehrbeziehung das Verhältnis zwischen einer erfahrenen Person, dem Mentor, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten an eine noch unerfahrene Person (Mentee) weitergibt, um diese in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung zu fördern. Die Basis des Mentorings ist eine vertrauensvolle Beziehung, in der sich der Auszubildende angstfrei mit Sorgen und Nöten an den Mentor wenden kann. Somit dient dieses Konzept nicht nur der Karriereförderung, sondern zielt ebenso auf Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung ab. Das Mentoring dient dabei nicht nur als didaktisch-methodischer Anker, sondern soll auch als eine Art Leitbild für die pädagogische Arbeit mit Jugendlichenfungieren.

Die Teilnehmer sollen im Kontext der Fortbildung für das Leitbild des Mentors sensibilisiert werden, mit dem auch neue und erweiterte Aufgaben (Beratung, Diagnose, individuelle Förderung, Erziehung, Motivation, Kompetenzentwicklung, Vermittlung gesellschaftlicher Verantwortung, Entwicklung von Sensibilität für Interkulturalität, etc.) einhergehen. Die Funktion des Mentors kann sich in unterschiedlichen Rollenbildern ausprägen. Dies impliziert, dass Ausbilder und Lehrer stärker erziehend und beratend wirken und die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Erwachsenen unterstützen. Die Teilnehmer sollen ihre berufspädagogischen Kompetenzen erweitern, um diesen Rollen gerecht zu werden und damit verbundene Aufgaben bewältigen zu können. Im Sinne eines Vorbilds für die Jugendlichen müssen die Mentoren zudem positiv gegenüber Interkulturalität eingestellt sein. Ferner soll bei den Teilnehmern die Einsicht in die Notwendigkeit einer verstärkten Lernortkooperation gefördert werden, sodass die Mentoren Kooperationsmöglichkeiten kennen und im Sinne der Jugendlichen produktiv nutzen sowie darüber hinaus Kooperationsstrukturen nachhaltig aufbauen, pflegen und weiterentwickeln. Damit können alle potenziellen Adressaten von Präventionsmaßnahmen zur Reduzierung fremdenfeindlicher Einstellungen erreicht werden.

3.2  Inhaltliche, didaktisch-methodische und organisatorische Gestaltung

Um die zukünftigen Mentoren angemessen im Sinne dieses Leitbildes zu qualifizieren, wurde im Rahmen des Projektes ein modulares Fortbildungskonzept entwickelt. Die 60 Teilnehmer waren in Bezug auf ihre Zusammensetzung vier heterogenen Lerngruppen zugeordnet und absolvierten neben 10 Modulen gruppenübergreifend eine Auftaktveranstaltung sowie zwei Fachtage zu den Themenfeldern Rechtsextremismus, Rollenwechsel in der beruflichen Bildung und interkulturelle Kompetenzen. Der entwickelte Modulkatalog ist dabei als Angebot zu sehen, der je nach Interessen, Vorerfahrungen und Qualifizierungsbedarfen modifiziert oder ergänzt wurde (s. Abb. 1).

Bei den Teilnehmern handelte es sich um Ausbilder, die in der betrieblichen oder überbetrieblichen Berufsausbildung tätig sind. Sie kooperieren in ihrem Berufsalltag mit verschiedenen Bildungsträgern, berufsbildenden Schulen und Unternehmen. Daneben waren auch Berufsschullehrer als Zielgruppe angesprochen. Doch nicht nur Ausbilder und Berufsschullehrer sind wichtige Akteure in der beruflichen Bildung. Durch den Ausbau des sog. „Übergangsystems“ agieren insbesondere in der überbetrieblichen Ausbildung Sozialpädagogen und Stützlehrer, die ebenso als Teilnehmer für die Maßnahme angesprochen waren. In den vier Qualifizierungsgruppen waren somit verschiedene Akteure aus unterschiedlichen berufsbildenden Einrichtungen vertreten, sodass hierdurch ein intensiver Austausch initiiert werden konnte und ein Perspektivwechsel in andere Felder, Aufgaben und Probleme ermöglicht wurde. Dies ist im Hinblick auf die Lernortkooperation bedeutsam, da ein wechselseitiger Einblick in die differenzierten Problemfelder der Kooperationspartner Grundlage für wechselseitiges Vertrauen und Zusammenarbeit ist.

Die Module waren zumeist als Zwei-Tageseminare konzipiert und fanden außerhalb der jeweiligen Arbeitstätten der Teilnehmer statt, sodass die Teilnehmer nicht nur gemeinsam lernten, sondern auch abseits des Seminargeschehens ein intensiver Austausch stattfinden konnte. Vor dem Hintergrund, dass sich die Qualifizierung über fast zwei Jahre erstreckte, konnte durch die dauerhafte Zusammenarbeit der verschiedenen Teilnehmer ein enges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, welches Grundlage für gemeinsames Lernen sowie einen offenen und intensiven Erfahrungsaustausch war. Zudem sollte es den Teilnehmern dadurch ermöglicht werden, die erworbenen Kompetenzen im Anschluss an die jeweiligen Module in der praktischen berufspädagogischen Arbeit auszuprobieren und diese Erfahrungen in den anschließenden Modulen zu thematisieren und zu reflektieren.

Methodisch dominierten in den einzelnen Veranstaltungen reflexive, den Austausch und die Zusammenarbeit fördernde Methoden wie z.B. Diskussionen, Gruppenarbeiten, Simulationen, Rollenspiele oder Projektarbeiten, wobei immer eine Verknüpfung von Theorie und Praxis anvisiert wurde. Durch Teamteaching konnte zudem eine intensive Betreuung der Teilnehmer sowie die Darstellung unterschiedlicher Sichtweisen zur Beförderung einer intensiven Reflexion berufsbildenden Handelns erreicht werden.

3.3  Evaluationsdesign

Eine wissenschaftliche Begleitung und Evaluation analysiert und bewertet Prozesse. Sie zielt auf einen Soll-Ist-Vergleich sowie die Bewertung des Erfolgs einer Intervention und der damit verfolgten Zielsetzung (summative Evaluation). Die Ergebnisse der Evaluation sollen daneben genutzt werden, um Ziele der Intervention zu revidieren und die ergriffenen Interventionsmaßnahmen ggf. zu korrigieren (formative Evaluation).

Im vorliegenden Fall wurde die Evaluation als beratende und unterstützende Begleitung ausgestaltet. So wurden gemeinsam mit den Akteuren Schritte zur Zielerreichung und zur Modifikation entwickelt, durchgeführt und bewertet sowie geeignete Strategien zur Sicherung der Nachhaltigkeit und des Transfers von Ergebnissen in die Praxis konzipiert. Die Evaluation beruhte im Wesentlichen auf vier Instrumenten (Eingangsbefragung, Informelle Auswertungsrunden, Gruppendiskussionen und Abschlussbefragung), die nachfolgend kurz skizziert werden.

Ziel der Eingangsbefragung war es, auf Basis deskriptiv-quantitativer Auswertungen den Ist-Zustand der Kompetenzen und Einstellungen der Teilnehmer zu erfassen und darauf aufbauend das Qualifizierungskonzept an subjektive und objektive Lernbedarfe der Teilnehmer anzupassen. Es wurden mithilfe einer schriftlichen standardisierten Befragung Informationen zu Teilnahmegründen, thematischen Interessenlagen und Vorerfahrungen sowie zu Einstellungen der Teilnehmer im Hinblick auf gesellschaftspolitische als auch persönlich und beruflich relevante Problemfelder abgefragt. Darüber hinaus wurden Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie einige relevante biographische und soziodemographische Merkmale der zukünftigen Mentoren erfasst. Die Erhebung fand jeweils vor den ersten Modulen der einzelnen Gruppen statt. Insgesamt umfassten die Themenblöcke 41 Fragen. Die Eingangsbefragung war als Vollerhebung (Rücklauf = 83,3 %) konzipiert. Eine Erhebung des Ist-Zustandes vor der Qualifizierung ist besonders wichtig, um dementsprechend einen Vergleich mit den Ergebnissen nach der Qualifizierung durchführen zu können.

Informelle Auswertungsrunden auf der Basis von Dozentenberichten und Einschätzungen der Teilnehmer dienten darüber hinaus primär der formativen Evaluation der Durchführungsqualität. Diese wurden in die Evaluation eingebettet und konnten bei der Konzeption der weiteren Evaluationsinstrumente genutzt werden. Daneben diente die Berücksichtigung dieser Feedbackgespräche zur Konsolidierung der Ergebnisse der Teilnehmerbefragungen, sodass das in der Evaluation fokussierte Selbstbild der Teilnehmer mit dem Fremdbild der Dozenten abgeglichen werden kann. Ferner können damit Einschätzungen zur Qualifizierung aufgegriffen werden, welche über die primär standardisierten Instrumente nur schwer erfasst werden können. Somit konnte dieser Ansatz zu einer Verdichtung der Ergebnisse beitragen und weitere Perspektiven aufdecken.

Gruppendiskussionen waren ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Evaluation des Projektes. Gruppendiskussionen „[…] sind themenzentrierte und fremdinitiierte Diskussionen, wobei nicht nur der argumentative Austausch, sondern auch Erzählungen, Erinnerungen und Beschreibungen im Fokus stehen […]“ (REINERS 2005, 128). Als qualitative Methode der Sozialforschung fokussieren Gruppendiskussionen auf Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen, wobei das primäre Ziel nicht in der Erhebung von Individualeinstellungen, sondern einer gruppenspezifischen Kollektivmeinung liegt (vgl. LOOS/ SCHÄFFER 2001, 13). Im Rahmen der Evaluation stand der ermittelnde Charakter stärker im Vordergrund als der vermittelnde (vgl. LAMNEK 1993, 130f.), wenngleich durch die Diskussionen auch Lernprozesse initiiert wurden, die für alle Teilnehmenden hilfreich waren und von diesen überaus positiv bewertet wurden.

In jeder der drei Gruppendiskussionen wurden mit je fünf bis sechs Teilnehmern der Qualifizierung verschiedene Probleme thematisiert, wobei der Fokus auf den Problemfeldern „Rechtsextremismus und Gewalt“ sowie „Disziplin- und Orientierungslosigkeit“ lag. Durch den Anfangsimpuls in Form eines Fallbeispieles wurde eine annähernd realistische Situation geschaffen, welche die Teilnehmer gemeinsam besprachen und zu lösen versuchten. Die Diskussionsgruppen wurden als Ad-Hoc-Gruppen künstlich zusammengesetzt (vgl. LAMNEK 1998; FLICK 1995), um Teilnehmer aus unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, Positionen und Lerngruppen in bewusst heterogenen Gruppen zusammenzuführen. In der sozialen diskursiven Aushandlung stand weniger das Entscheidungsprodukt im Fokus, als vielmehr die im Aushandlungsprozess vorgebrachten Meinungen, Einstellungen, Erfahrungen und Ideen zum Problem und zu dessen Lösung.

Ein Ziel lag darin, unterschiedliche Rollenbilder als berufspädagogisch Handelnder zu identifizieren. Die Mentoren verfügen über ein jeweils unterschiedliches Rollenverständnis, hegen bestimmte Einstellungen zur Problemstellung und präferieren dementsprechend verschiedene Strategien zur Lösung des Falls, die sie dann in der diskursiven Auseinandersetzung aufdecken. Daher zielt die Erhebung auf die Erfassung von Bewältigungsstrategien, welche die Mentoren in der Vergangenheit eingesetzt haben, wobei auf ihre Erfahrungen mit derartigen Problemen, ihre Einstellungen sowie auf das generelle Verständnis ihrer pädagogischen Aufgabe fokussiert wurde. Zudem war zu ermitteln, inwieweit bereits nach Abschluss der ersten vier Module ein positiver Effekt bei der Wahrnehmung und beim Umgang mit diesen Problemfeldern zu verzeichnen war.

Neben den genannten Vorteilen der Methode sind jedoch auch einige Kritikpunkte in Bezug auf den Forschungsprozess und die –ergebnisse anzuführen. Das Kriterium der Reliabilität wird nicht erfüllt, da aufgrund geringer Eingriffsoptionen des Forschers in den Gruppenprozess eine Reproduzierbarkeit auf inhaltlicher Ebene kaum gegeben ist. Auch eine Repräsentativität bleibt aufgrund der geringen Fallzahlen fraglich. Problematisch ist zudem die Tatsache, dass weder Einstellungen noch diskutierte Handlungsmechanismen – aufgrund zahlreicher intervenierender Einflussfaktoren – eindeutig der Qualifizierungsmaßnahme zugeschrieben werden können.

Die Abschlussevaluation der XENOS-Mentoren-Qualifizierung wurde im Anschluss an das letzte Modul in Form eines standardisierten Fragebogens durchgeführt. Dieser enthielt 27 Fragen mit 167 Items, welche der Analyse von Zufriedenheits-, Lern-, Einstellungs-, Verhaltens- und Organisationserfolgen (vgl. DÖRING 1976, 5; KIRKPATRICK 1998) dienten. Im Kern stand damit die Überprüfung der Projektziele im Vordergrund. Neben biographischen und soziodemographischen Daten wurden daher Fragen zur Zufriedenheit mit der Qualifizierung, Fragen zu Einstellungen, zu Lernerfolgen sowie zu vollzogenen oder avisierten Transferleistungen/-hemmnissen gestellt. Die Abschlussbefragung war als Vollerhebung (Rücklauf = 65%) konzipiert, was jedoch aufgrund des Fehlens einzelner Teilnehmer oder unvollständiger Bearbeitung nicht vollständig gelungen ist.

4. Ausgewählte Ergebnisse der Evaluation im Kontext kooperativer Qualifizierung

4.1  Teilnehmer, Zielgruppe

Die Ergebnisse der Eingangs- und Abschlussbefragung zeichnen ein sehr differenziertes Bild der Teilnehmer. So handelt es sich keinesfalls um eine homogene Gruppe, sondern um eine, die ein sehr breites Spektrum an Differenzierungslinien aufweist. Dies sollte sich als förderlich für die gemeinsame Bearbeitung der Thematik erweisen, da diese Heterogenität einen intensiven Austausch von Erfahrungen aus den unterschiedlichsten Kontexten der beruflichen Bildung ermöglichte.

Das Durchschnittsalter der Mentoren liegt bei 44 Jahren, wobei 50 % der Teilnehmer zwischen 38 und 49 Jahren alt sind. Das Teilnehmerfeld ist zudem durch einen hohen Frauenanteil (69,23 %) geprägt.

Die Mentoren-Qualifizierung richtete sich an alle Akteure, die in der beruflichen Bildung mit Jugendlichen arbeiten. Insofern sind Ausbilder, Berufsschullehrer, Sozialpädagogen und Stützlehrer vertreten. Der Besonderheit der ostdeutschen Berufsbildungslandschaft, die stark durch außer- und überbetriebliche Ausbildungsformen geprägt ist, wurde in Form einer Differenzierung der Gruppe der Ausbilder – in außerbetriebliche und betriebliche Ausbilder -Rechnung getragen. Der hohe Stellenwert der außerbetrieblichen Ausbildung spiegelt sich in der Zusammensetzung des Teilnehmerfeldes wider (vgl. Abb. 2). Auch der hohe Anteil von Sozialpädagogen und Stützlehrern ist auf diesen Umstand zurückzuführen. Insbesondere vor dem Hintergrund der verstärkten Notwendigkeit einer intensiveren Lernortkooperation muss die relativ geringe Beteiligung der Berufsschullehrer als problematisch angesehen werden. Erfahrungen aus den Modulen zeigen allerdings, dass diese weniger auf volationale Ursachen zurückzuführen ist, sondern in einer mangelnden Fortbildungsfreistellung begründet liegt.

Auch hinsichtlich der Berufserfahrung war das Teilnehmerfeld sehr heterogen. Die Mentoren weisen nach Abschluss der Qualifizierung eine durchschnittliche pädagogische Berufserfahrung von 16 Jahren auf, wobei diese zwischen zwei und 33 Jahren variiert.

Bei der Erfassung von Teilnahmemotiven in der Eingangsbefragung zeigt sich eine klare Präferenz für einen Erfahrungsaustausch mit Kollegen anderer Einrichtungen.

Ein wichtiger Punkt der Projektkonzeption liegt in der Teilnehmerorientierung und der Freiwilligkeit der Teilnahme an dem Projekt. Dahingehend ist problematisch, dass die Teilnehmer in erheblichem Umfang zu der Fortbildung delegiert werden, da die Teilnahme bei 70,97 % der künftigen Mentoren auf die Initiative der Arbeitgeber erfolgte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese Teilnehmer weniger motiviert sind oder dass bei ihnen ein geringeres Interesse an der Fortbildung und deren Inhalten vorliegt. Vielmehr scheint dies auf die allgemein schwierigen Rahmenbedingungen der Bildungsbranche zurückzuführen zu sein, in der in großem Umfang prekarisierte Beschäftigungsverhältnisse vorliegen, Personalplanung nur noch kurzfristig möglich ist und damit auch veränderte und erheblich differenzierte Weiterbildungskulturen bei den verschiedenen Trägern entstehen.

4.2  Motivationsentwicklung und Zufriedenheit

In der Abschlussbefragung wurde im Hinblick auf die Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Qualifizierung zunächst die Entwicklung ihrer Motivation fokussiert. Dabei wurde danach gefragt, ob sich die Motivation tendenziell erhöht hat, verringert hat oder gleich geblieben ist. Es konnte festgestellt werden, dass bei 82 % der Mentoren die Motivation im Laufe der Qualifizierung gestiegen ist. Zudem kann gezeigt werden, dass die Gruppe der „Sozialpädagogen“ den relativ schwächsten Positivtrend aufweist, was u. U. auf ein sehr hohes Eingangsniveau zurückgeführt werden kann.

Die Teilnehmer wurden darüber hinaus nach den Gründen für die Entwicklung ihrer Motivation befragt. Hier zeigt sich, dass die thematische Konzeption des Curriculums (18 Nennungen), die Akzentuierung des Erfahrungsaustausches (17 Nennungen) in den Modulen, die methodische Gestaltung durch die Dozenten (12 Nennungen) sowie die heterogene Zusammensetzung der Gruppen (9 Nennungen) einen wesentlichen Beitrag zur positiven Entwicklung der Motivation leisteten. Einige Beispiele hierzu sind in Abbildung 3 exemplarisch dargestellt.

4.3  Einstellung gegenüber Lernortkooperation

Untersucht wurde in Eingangs- und Abschlussbefragung die Veränderung der Einstellungen der Teilnehmer im Hinblick auf Interkulturalität sowie die Einstellungen zur eigenen beruflichen Tätigkeit. (vgl. Abb. 4) Der größte Effekt der Maßnahme zeigte sich in der radikalen Änderung der Einstellungen gegenüber Lernortkooperationen. Während vor der Mentorenfortbildung im Teilnehmerfeld noch eine sehr deutliche Ablehnung der Aussage dominierte, dass man mit einer derartigen Zusammenarbeit viele Probleme lösen kann, stimmen die Mentoren dieser Aussage nach der Qualifizierung überaus deutlich zu. Insofern ist dies ein klarer Beleg dafür, dass die angestrebte Heterogenität der Teilnehmer hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit, das Zusammenführen dieser verschiedenen Akteure und die methodische Gestaltung, die immer wieder den Erfahrungsaustausch initiierte, in hohem Maße zielführend war. Die Vorteile von Kooperationen zur Verbesserung der beruflichen und persönlichen Chancen der Jugendlichen wurden von den Teilnehmern häufig hervorgehoben. Daneben zeigt sich, dass aus den Lerngruppen heraus Kooperationen (in zwei Gruppen) entstanden sind, die auch nach Beendigung der Qualifizierung Bestand haben. Dieser positive Kooperationseffekt beruht auf dem Mentorenkonzept und einer professionellen beruflichen Einstellung, denn eine Zusammenarbeit eröffnet in der pädagogischen Arbeit mit den Jugendlichen viele Perspektiven und Möglichkeiten, die ein Akteur allein nicht wahrnehmen kann.

Auch in anderen Kategorien sind positive Veränderungen identifizierbar, die auf die Mentorenschulung zurückgeführt werden können. Durch die Bereitstellung von methodischem, didaktischem und pädagogischem Wissen und die praktische Erprobung vieler Instrumente und Ansätze konnte den Teilnehmern Strategien aufgezeigt werden, um trotz Zeit- und Ressourcenengpässen die Jugendlichen individuell zu fördern und vorhandene Gestaltungsspielräume in der Arbeit mit den Jugendlichen produktiver zu nutzen. Auch die Akzeptanz „neuer“ Aufgaben wie die Förderung interkulturellen Bewusstseins, die Berufsberatung und -vorbereitung oder die Förderung der Mobilitätsbereitschaft, konnte durch die entsprechenden Module erhöht werden (vgl. Abb. 4).

Zusammenfassend können im Zuge der Qualifizierung umfassende Einstellungsveränderungen festgestellt werden. Die Teilnehmer identifizieren sich in einem hohen Maß mit dem Rollenbild des Mentors, sehen sich als Fachexperte, Helfer, Motivator, Erzieher und Berater, wobei die verschiedenen Berufspositionen jeweils andere Akzentuierungen einzelner Rollen haben. Insofern können Lernortkooperationen trotz differenzierter Rollenprofile dazu beitragen, gemeinsame Standards der berufspädagogisch Handelnden zu entwickeln. Durch die Qualifizierung konnte erreicht werden, dass die Mentoren ihre eigenen Handlungsoptionen erweiterten. Perspektivisch ist zu erwarten, dass sich dies positiv auf die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Zuge der individuellen Förderung der Jugendlichen auswirkt. Die deutlich positivere Wahrnehmung von Interkulturalität, gesellschaftlicher Diversität und Heterogenität ist ein weiteres wichtiges Indiz für die veränderte Einstellung der Mentoren. Damit ist gleichsam eine notwendige Voraussetzung für die Bearbeitung von interkulturellen Konflikten, Fremdenfeindlichkeit und weiterer gesellschaftspolitischer Themen in die Berufsbildungspraxis gegeben.

4.4  Transfererfolge

Ziel beruflicher Fort- und Weiterbildung ist, dass die Teilnehmer das Erlernte in ihren Erfahrungshintergrund integrieren und im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit anwenden. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, sich mit den neuen Inhalten aktiv auseinandersetzen. Der Ablauf, die Inhalte und die Methoden der Qualifizierung sollten bei den Teilnehmern mit positiven Gefühlen und Erfahrungen verbunden werden, um die Offenheit für neues Wissen und die Lernbereitschaft zu erhöhen (vgl. BESSER 2004, 16).

Als transferfördernde Faktoren können die Lern- und die Transfermotivation unterschieden werden, welche die Lerneffektivität bzw. den Lerntransfer beeinflussen. Die Lernmotivation beeinflusst direkt die Wissensaneignung während des Trainings und fördert insofern vor allem den Binnenerfolg des Trainings (vgl. LEMKE 1995, 35; BURGER 2005, 95f.). Als Indikatoren für Interesse an den Trainingsinhalten und eine hohe Lernmotivation zählen u. a. die Freiwilligkeit der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme resp. die Eigeninitiative der Teilnehmer, sich für einen bestimmten Kurs anzumelden. Persönliche Veränderungsbereitschaft oder eine bereits erkannte Änderungsnotwendigkeit sind ebenfalls Faktoren, die die Lernmotivation positiv beeinflussen. Zur Realisierung positiver Lerntransferergebnisse muss aber nicht nur die Motivation zur Wissensaneignung, sondern auch zur Anwendung des Erlernten vorhanden sein. So steigt die Teilnehmermotivation, wenn die subjektive Relevanz des Trainingsinhalts für den Arbeitsplatz hoch ist (vgl. RANK/ WAKENHUT 1998, 23). Die Transfermotivation der Teilnehmer wird u. a. auch dadurch erhöht, dass tätigkeitsbezogene Leistungsverbesserungen auf den erfolgreichen Lerntransfer zurückgeführt werden (vgl. LEMKE 1995, 39). In diesem Kontext hat die Langfristigkeit der Qualifizierung mit alternierenden Lern- und Praxisphasen positiv zum Lerntransfer beigetragen, indem das im Modul Erlernte in der Praxis erprobt und in einer weiteren Veranstaltung reflektiert werden konnte.

Die Analyse zur Bereitschaft des Transfers der Erkenntnisse nach Abschluss der Qualifizierung zeigt eine starke Motivation Erlerntes in der pädagogischen Praxis anzuwenden (vgl. Abb. 5). Dies basiert zum einen auf der positiven allgemeinen Motivationsentwicklung im Rahmen der Mentorenschulung. Zum anderen gibt es vielfältige Einflussfaktoren, die auf die Transfermotivation wirken. Durch die methodische Gestaltung der Module, die immer wieder Raum für Gruppenarbeitsphasen und die praktische Erprobung neuer Ausbildungskonzepte boten, konnten die Mentoren Sicherheit in der Anwendung des Gelernten erreichen. Ebenso wurde die Praxisnähe der Seminargestaltung von den Teilnehmern positiv bewertet, was einen unmittelbaren Einfluss auf die Anwendbarkeit der erlernten Inhalte hat. Die Befunde der Evaluation bekräftigen aber auch die Annahme, dass Freiwilligkeit und Eigeninitiative einen Einfluss auf die Transfermotivation haben. So kann ein deutlicher Unterschied in der Motivation zwischen eigeninitiativen und fremdinitiativen Mentoren festgestellt werden.

Der eigentliche Transfer ist allerdings nicht allein abhängig von der Gestaltung der Qualifizierung, den erzielten Lernerfolgen oder der Motivation der Teilnehmer, sondern auch von den Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz. Wenn dort keine Möglichkeiten zum Einsatz neuer Ansätze und Konzepte bestehen oder Widerstände herrschen, kann der Transfer scheitern. Relevante Transferhemmnisse, die von den Teilnehmern identifiziert wurden, sind bspw. zeitliche Restriktionen und die Ausstattung mit ausreichenden Ressourcen, die den Einsatz neuer Methoden und Konzepte behindern. Aus der Perspektive des Projektes ist erfreulich, dass lediglich 11,1 % der Befragten „fehlende Erfahrung und Sicherheit im Umgang mit den Methoden und Konzepte“ als Transferhemmnis nannten. Demnach fühlt sich der Großteil der Teilnehmer im Umkehrschluss zumindest ausreichend durch die Qualifizierung vorbereitet.

Bereits in Gruppendiskussionen in der Mitte der Qualifizierungsphase und den abschließenden Auswertungsveranstaltungen berichteten die Teilnehmer von Transfererfolgen in der täglichen Ausbildungspraxis. Als mögliche unterstützende Faktoren zur Stabilisierung dieser Transferaktivitäten benannten die Teilnehmer eine weitere Intensivierung des Erlernten sowie die Verstetigung und Institutionalisierung des intensivierten Austausches mit Kollegen innerhalb und außerhalb der eigenen Bildungsinstitution.

Im Kontext des Transfers sowie des kooperativen Lernens ist letztlich die Multiplikatorenrolle der Teilnehmer anzusprechen, die den Transfer der Qualifizierungsinhalte in die Breite fördern soll. Vor allem die Rolle des Multiplikators ist von Bedeutung, da so Innovationen an interessierte Kollegen weitergegeben werden können. Dadurch kann insgesamt die Weiterentwicklung und Zukunftsausrichtung der Bildungsinstitutionen vorangetrieben werden. Dieser Aspekt des Transfers wurde u. a. in den Gruppendiskussionen thematisiert, auf deren Ergebnisse im Folgenden exemplarisch zurückgegriffen werden soll. Zur Unterstützung wurde eine Materialiensammlung entwickelt und den Mentoren zur Verfügung gestellt, in der die wesentlichen Inhalte, Konzepte und Methoden dargestellt sind. Die Befunde der Abschlussuntersuchung zeigen, dass 89,5 % der befragten Mentoren ihre Kollegen von den Inhalten und Methoden der Qualifizierung berichtet haben. Insofern nehmen diese in sehr großem Umfang ihre Aufgabe als Multiplikator an.

Leider zeigt sich, dass das Interesse der Kollegen an den neuen Inhalten nicht sehr hoch ist. Lediglich 27 % der Teilnehmer berichten über positive Reaktionen der Kollegen auf die Anregungen. Die nachfolgenden Zitate aus den Gruppendiskussionen verdeutlichen einerseits den Willen als Multiplikator zu fungieren, zeigen aber andererseits, dass sich die Teilnehmer der Grenzen ihrer Tätigkeit als Multiplikator bewusst sind.

„Aber wenn ich merke, mich fragt jemand wirklich interessiert „Wie war's denn? Hast du was mitgebracht?“ Dann rede ich mit dem auch da drüber, und dann versuche ich das auch rüber zu bringen, auch dass es eine gute Sache ist.“

„[…] leider ist das so: Die anderen Kollegen betrachten das als Belastung, wenn ich da ran gehe und mit denen noch was machen will, gemeinsam einfach so, ja.“

Es bestätigt sich damit die Abhängigkeit eines gelingenden Organisationstransfers vom Interesse und der Offenheit der Kollegen. In diesem Zusammenhang formulieren MESSNER/ REUSSER: „Der gegenseitige Austausch findet in der Regel jedoch nur zwischen Kollegen (…) statt, die sich gegenseitig unterstützen. (…) Aus diesem Grunde ist der freiwillige Austausch für die professionelle Entwicklung wirkungsvoller als der Austausch auf obligatorischen Lehrerkonferenzen.“ (MESSNER/ REUSSER 2000, 168)

Demzufolge ist für die Mentoren die Rolle des Multiplikators nicht nur durch die Wissensweitergabe gekennzeichnet, sondern auch durch eine Überzeugungs- und Unterstützungsarbeit, die vorausgehen muss. Dazu sind die Mentoren jedoch nur bedingt befähigt oder die Bedingungen in den jeweiligen Bildungseinrichtungen lassen es kaum zu, dass dieser Organisationstransfer gelingen kann. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer Veränderung der Weiterbildungskultur sowohl in den Bildungseinrichtungen auf Leitungsebene, als auch unter den Mitarbeitern.

5.  Fazit

Wie bei vielen Modellprojekten handelt es sich bei den hier präsentierten Ergebnissen um singuläre Erkenntnisse, die durch weitere breit abgesicherte Untersuchungen validiert werden müssten, um zu allgemeingültigen Aussagen zu gelangen. Im Sinne von „good practice“ scheinen einige der entwickelten Ansätze aber bereits in diesem Stadium übertragbar zu sein, um die Qualifizierung und Zusammenarbeit des Bildungspersonalsnachhaltig zu verbessern.

So zeigte sich, dass einzelne Elemente der Module bereits partiell als informelles Erfahrungswissen bei den Teilnehmern bekannt waren. Durch die Qualifizierung konnte erreicht werden, dass dieses Wissen weiter vernetzt wurde und so bewusster, zielgerichteter, sicherer und reflektierter eingesetzt werden kann. Als zentraler Lernerfolg hat sich eine Veränderung des Rollenbildes der berufspädagogisch Handelnden hin zu einem Mentor und Berater der Lernenden gezeigt. Zur Verstetigung dieser Effekte wäre es allerdings erforderlich, dass ein intensiver Personalaustausch sowohl zwischen den Bildungseinrichtungen als auch innerhalb dieser Institutionen erfolgt, um z. B. Teamteaching oder Hospitationen als Entwicklungsimpulse anzustoßen. Im Zusammenhang mit der immer wieder geforderten Lernortkooperation ist für dieses Projekt positiv zu konstatieren, dass der Aufbau, die Nutzung sowie der Ausbau bestehender Netzwerke über die Projektlaufzeit hinaus initiiert werden konnte. Dies beruht maßgeblich auf der einrichtungsheterogenen Gruppenzusammensetzung, die sich als belebendes und zielführendes Moment erwiesen hat.

Mittelbar ist eine Veränderung der „Weiterbildungskultur“ in den Bildungseinrichtungen hin zu einer stärkeren Professionalisierung der Tätigkeiten anzustreben, die jedoch auch von den notwendigen finanziellen Ressourcen zur „Produktion“ eines hochwertigeren und damit folglich auch teureren Bildungsprodukts abhängig ist. Die Notwendigkeit einer Erweiterung respektive Verbesserung der „Weiterbildungskulturen“ bei den verschiedenen Bildungsinstitutionen zeigt sich zudem an zwei weiteren Punkten:

Erstens funktioniert die informelle, mehr oder minder strukturierte Weitergabe von neuem Wissen im Sinne eines Multiplikatoreneffekts nur bedingt, da allzu oft Vorbehalte und Widerstände gegenüber pädagogischen Innovationen in den Einrichtungen dominieren und Ängste aufgrund der mitunter starken innerbetrieblichen Konkurrenzsituation einen kooperativen Erfahrungsaustausch verhindern. Zudem hat sich gezeigt, dass die Multiplikatoren auf diese Aufgabe gezielter vorbereitet werden müssen, um kooperatives Lernen im Team zu initiieren. Zweitens lassen sich formelle als auch informelle Fortbildungsaktivitäten nicht anordnen. Deren Wirksamkeit hängt von Freiwilligkeit und Eigeninitiative ab. Deutlich wird dies an den Evaluationsergebnissen, da sich auf allen Ebenen der Trainingserfolgsmessung Unterschiede zwischen eigen- und fremdinitiativen (delegierten) Teilnehmern zeigen.

Durch das Projekt konnte gezeigt werden, dass die Beteiligten grundsätzlich zur Prävention gegen Fremdenfeindlichkeit im Rahmen der Ausbildung bereit sind, wenn ihre fachlichen und methodischen Kompetenzen zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen gestärkt werden. Daher ist zu fordern, dass Bildungsträger, Betriebe und Schulen ihre Bildungskonzepte dem entsprechend erweitern und die Vermittlung interkultureller Kompetenzen in berufliche Bildungsmaßnahmen integrieren.

Als wichtiges Ergebnis ist darüber hinaus festzuhalten, dass – zumindest für diesen modellhaften Kontext – die Idee einer modular aufgebauten Qualifizierung nicht zielführend war. Von der Möglichkeit Lerngruppen zu wechseln machten die Teilnehmer nur selten Gebrauch, sodass sich über die beiden Jahre hinweg stabile Lerngruppen bildeten. Es fand so ein langfristig orientiertes, kooperatives Lernen statt, das durch Vertrauen und Offenheit geprägt war und so eine ehrliche gemeinsame Reflexion und die Veränderung von Einstellungen begünstigte. Die Bedeutung der Lernortkooperation wurde durch das erfolgreiche gemeinsame Lernen und Handeln für die beteiligten Akteure der verschiedenen Berufsbildungsinstitutionen ganz offensichtlich. Man kann aus diesen Erkenntnissen die – noch zu prüfende – Hypothese aufstellen, dass kurzfristige Informationsveranstaltungen weniger wirksam sind, zumindest wenn es um die (Weiter-) Entwicklung oder Veränderung von Einstellungen geht. Dies kann u. E. besser gelingen durch langfristig angelegte Lernarrangements, die methodisch und organisatorisch Kooperation und Reflexion zwischen den Teilnehmern initiieren. Vor dem Hintergrund der Professionalisierungsdiskussion scheint es daher geboten, langfristige reflexionsorientierte Maßnahmen pädagogischer Begleitung zu entwickeln und zu verbreiten, die einen Klienten- und Wissenschaftsbezug aufweisen. So kann eine fundierte Vorbereitung auf die Übernahme erweiterter Aufgaben und Rollen durch die berufspädagogisch Handelnden gelingen.

Abschließend sind in Abbildung 6 zusammenfassend nochmals die Wirkungen der Maßnahmen im Verlaufe des Projektes dargestellt. Eine Validierung oder Generalisierung ist an dieser Stelle noch nicht möglich. Durch die organisatorische und didaktisch-methodische Gestaltung der Fortbildung konnten Offenheit und Vertrauen gegenüber Dozenten und anderen Teilnehmern sowie eine Reflexion des eigenen pädagogischen Handelns und ein offener, kooperativer Erfahrungsaustausch initiiert werden. Dies baut wechselseitig aufeinander auf und war Grundlage für weit reichende Lernerfolge und Einstellungsveränderungen, insbesondere im Hinblick auf das eigene Rollenbild. Diese beeinflussen sich u. E. wechselseitig. Die Lernerfolge waren darüber hinaus die Basis für eine hohe Transfermotivation und -bereitschaft. Die so angestoßenen Transferaktivitäten wurden wiederum reflektiert und zum Gegenstand von Lernen und Einstellungsveränderungen. Aus diesem zirkulären System heraus ist ein nachhaltiger Transfer in die Ausbildungspraxis der „Mentoren“ entstanden, der für ein zielgruppenadäquates gelungenes Fortbildungskonzept spricht. Wünschenswert wäre eine weitere Begleitung der Mentoren, sowohl aus pädagogischer als auch aus evaluatorischer Perspektive, um die Umsetzung des Erlernten begleiten und eine Rückkehr zu alten Verhaltensmustern verhindern zu können.

Die Ergebnisse der Evaluation bekräftigen die Empfehlungen und Forderungen von KRAMIS-AEBISCHER (1995) im Hinblick auf die Fortbildung von Lehrern und zeigen, dass diese auch auf andere pädagogische handelnde Akteure in der beruflichen Bildung übertragbar sind. Besonders die Forderungen nach vernetzten, kontinuierlichen Maßnahmen, nach Reflexions- und Handlungsorientierung sowie nach didaktischen, persönlichkeits- und kommunikationsorientierten Fortbildungsaktivitäten haben auch für andere Akteure eine hohe Relevanz.

 

Literatur

ARNOLD, R. (1984): Weiterbildung als Profession. In: Zeitschrift für Weiterbildung in Rheinland Pfalz, H. 4, 2-6.

BAUER, K.-O. (2000a): Konzepte pädagogischer Professionalität und ihre Bedeutung für die Lehrerarbeit. In: BASTIAN, J/ u. a. (Hrsg.): Professionalisierung im Lehrerberuf : von der Kritik der Lehrerrolle zur pädagogischen Professionalitä t. Opladen, 55-72.

BAUER, K.-O. (2000b): Pädagoge – Profession oder Nebenbeschäftigung. In: JAUMANN-GRAUMANN, O. (Hrsg.): Lehrerprofessionalität – Lehrerprofessionalisierung. Bad Heilbrunn/Obb., 25-44.

BAUER, K.-O./ BURKHARD, C. (1992): Der Lehrer – ein pädagogischer Profi? In: ROLFF, H./ u. a. (Hrsg.): Jahrbuch der Schulentwicklung Band 7. Weinheim, 193-226.

BAUER, K.-O./ KOPKA, A./ BRINDT, S. (1999): Pädagogische Professionalität und Lehrerarbeit. Eine qualitativ empirische Studie über professionelles Handeln und Bewusstsein. Weinheim/ München.

BESSER, R. (2004): Transfer: Damit Seminare Früchte tragen. Strategien, Übungen und Methoden, die eine konkrete Umsetzung in die Praxis sichern. Weinheim/ u. a.

BURGER, B.(2005): Lernen um Anzuwenden. Zur Förderung des Praxistransfers sozialkommunikativer Kompetenzen. Paderborn.

DICK, A. (1997): "Lehrer-Werdung" als biografisch-wissenschaftliche Berufsentwicklung. In: Schweizer Schule, H. 9, 28-36.

DÖRING, O./ SEVERING, E. (2000): Veränderungen in der betrieblichen Ausbildungspraxis – Konsequenzen für die Rolle des Ausbilders. In: BÖS, G./ NEß, H. (Hrsg.): Der Ausbilder in Europa – Probleme und Perspektiven. Bielefeld, 144-163.

DÖRING, P.A. (1976): Kontrolle des Lernerfolgs und der Wirtschaftlichkeit der betrieblichen Bildungsmaßnahmen. Teil 1: Erfolgsmessung. Frankfurt am Main.

EULER, D. u. a. (2004): Kooperation der Lernorte in der beruflichen Bildung (KOLIBRI). Abschlussbericht des Programmträgers zum BLK-Programm. Bonn.

FLICK, U. (1995): Qualitative Forschung – Theorien, Methoden, Anwendung in Psychologie und Sozialwissenschaften. Reinbek.

GIESEKE, W. (1999): Professionalisierung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In: TIPPELT, R. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Opladen, 372-383.

GRÜNEWALD, U. u. a. (1998): Formen arbeitsintegrierten Lernens. Möglichkeiten und Grenzen der Erfaßbarkeit informeller Formen der betrieblichen Weiterbildung. Berlin.

HEIDEGGER, G./ RAUNER, F. (1997): Reformbedarf in der beruflichen Bildung. Gutachten im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.

HERRMANN, U./ HERTRAMPH, H. (2000):Zufallsroutinen oder reflektierte Praxis? Herkömmliche Wege in den Berufseinstieg von Lehrern und notwendige Alternativen. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 18, H. 2, 172-191.

KIRKPATRICK, D. L. (1998): Evaluating training programs: the four levels. San Francisco .

KRAFT, S. (2006): Aufgaben und Tätigkeiten von Weiterbildner/inne/n – Herausforderungen und Perspektiven einer weiteren Professionalisierung in der Weiterbildung. Online-Dokument: [http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2006/kraft06_02.pdf; 15.05.2008].

KRAMIS-AEBISCHER, K. (1995): Stress, Belastungen und Belastungsverarbeitung im Lehrberuf. Bern/ Stuttgart/ Wien.

LAMNEK, S. (1993): Qualitative Sozialforschung. Band 2. Methoden und Techniken. Weinheim.

LAMNEK, S. (1998): Gruppendiskussion: Theorie und Praxis. Weinheim.

LEMKE, S. G. (1995): Transfermanagement. Göttingen.

LOOS, P./ SCHÄFFER, B. (2001): Das Gruppendiskussionsverfahren – Theoretische Grundlagen und empirische Anwendung. Opladen.

MESSNER, H./ REUSSER, K. (2000): Die berufliche Entwicklung von Lehrpersonen als lebenslanger Prozess. In: Beiträge zur Lehrerbildung, 18, H. 2, 157-171.

NITTEL, D./ SCHÜTZ, J. (2005): Veränderte Aufgaben und neue Profile. Professionalisierung und Professionalität in der Erwachsenenbildung. In: Erwachsenenbildung, H. 2, 54-59.

PÄTZOLD ,G. (1996): Möglichkeiten und Grenzen einer pädagogisch begründeten Lernortkooperation in der beruflichen Bildung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Lernortkooperation und Abgrenzung der Funktionen von Betrieb und Berufsschule. 4. Workshop zu Stand und Perspektiven in der kaufmännischen und verwaltenden Berufsbildung. Bielefeld, 207-228.

PETERS, R. (1999): Kompetenzen und Professionalität von Diplompädagogen mit der Studienrichtung Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In: DERICHS-KUNSTMANN, K./ FAULSTICH, P./ WITTPOTH, J. (Hrsg.): Politik, Disziplin und Profession in der Erwachsenenbildung. Frankfurt a. M., 92-102.

PETERS, R. (2005): Jongleure ohne Profession. In: Erwachsenenbildung, H. 2, 60-65.

RANK, B./ WAKENHUT, R. (1998): Ein Bedingungsmodell des Praxistransfers. In: RANK, B./ WAKENHUT, R. (Hrsg.): Sicherung des Praxistransfers im Führungskräftetraining. München, 11-30.

REINERS, M. (2005): Intranetbasierte Gruppendiskussionen: Entwicklung eines theoretisch-methodologisch fundierten Konzepts einer Methode zur prozessorientierten Evaluation von Studium und Lehre an deutschen Hochschulen. Online-Dokument [http://docserver.bis.uni-oldenburg.de/publikationen/dissertation/2005/reiint05/pdf/reiint05.pdf, 05.02.2007].

SCHÖN, D. A. (1983). The reflective practitioner. How professionals think in action. New York .

SCHÖN, D. A. (1987): Educating the Reflective Practitioner. Toward a New Design for Teaching and Learning in Professions. San Francisco/ London.

STICHWEH, R. (1996): Professionen in einer funktional differenzierten Gesellschaft. In: COMBE, A./ HELSPER, W. (Hrsg.): Pädagogische Professionalität. Frankfurt a. M, 49-70.

TERHART, E. (1998): Lehrerberuf. Arbeitsplatz, Biographie, Profession. In: ALTRICHTER, H. u. a. (Hrsg): Handbuch der Schulentwicklung. Innsbruck/ Weinheim, 560-585.

TIETGENS, H. (1988): Professionalität für die Erwachsenenbildung: In: GIESEKE, W. u. a.: Professionalität und Professionalisierung. Bad Heilbrunn, 28-75.

WALDEN, G./ BRANDES, H. (1995): Lernortkooperation – Bedarf, Schwierigkeiten, Organisation. In: PÄTZOLD, G./ WALDEN, G. (Hrsg.): Lernorte im dualen System der Berufsbildung. Bielefeld, 127-142.

 

------------------------
bwp@ 2001 - 2008
Hrsg. von Karin Büchter, Franz Gramlinger, Martin Kipp, H.-Hugo Kremer und Tade Tramm
Postalische Adresse:
bwp@
Universität Hamburg, Sedanstraße 19, 20146 Hamburg
Im Internet: http://www.bwpat.de
bwp@ erscheint 2xjährlich ausschließlich online
Development: HoHo OG, DK-AT
(C) 2008 bwpat.de